Luigi Boccherini: Streichquartette Opus 32
Da die Streichquartette Op. 32 meine absoluten Lieblingswerke von Boccherini sind, sie aber hier noch keines Threads gewürdigt wurden, möchte ich das hiermit nachholen. Die Werke entstanden 1780 und unterscheiden sich in ihrer Machart vom haydnschen Modell ab dessen Op. 9 deutlich, nicht zuletzt aufgrund der häufig vorkommenden Dreisätzigkeit (Quartette 2,3,4). Das Spezielle an dieser Werkgruppe ist, dass sie vielerlei Genrestücke enthält, ohne sich aber auf das "Unterhaltungsmusik"-Niveau der Quartettini (die 2.sätzigen Boccheriniquartette) zu begeben. Man findet z.B ein tragisches Opernrezitativ im ersten Quartett (Grave), oder eine veritable Konzertkadenz (mit Anklängen an den virtuosen Violinstil des Barock) im Schlusssatz des fünften Quartetts (g-moll). Der Kopsatz des vierten Quartetts wiederum trägt die Bezeichnung "Allegro bizzaro". Wer einmal höchstqualitative Musik aus dieser Epoche hören möchte, ohne die üblichen Meister zu strapazieren, dem sei dieses Opus ganz besonders ans Herz gelegt.
Folgende Einspielung nenne ich mein eigen:
Der Vorteil an dieser Aufnahme ist nicht nur das beherzte Spiel des Borciani-Quartetts sondern auch die Koppelung mit Op. 39, einem weiteren Meisterwerk Boccherinis.
Einige der Quartette aus op. 32 näher betrachtet:
No. 5 in g-moll G205:
Dieses Quartett ist viersätzig mit einer üblichen Abfolge von Kopsatz, langsamer Satz, Menuett und Finalsatz. Der erste Satz trägt die Bezeichnung "Allegro comodo", was de facto nichts anderes bedeutet als "Allegretto". Es handelt sich um einen ausgedehnten Sonatensatz sehnsüchtigen Charakters. Das kurze, darauffolgende Andantino zeichnet sich dementgegen durch einen eher noblen, distanzierten Ton aus. Das Menuett (Menuetto con moto) ist wie alle Menuette dieses Quartettzyklus sehr schnell, bei Haydn würde wohl "vivace" stehen. Interessant ist das Inzipit des Satzes, das kanonisiert von allen Spielern vorgetragen wird. Das interessanteste an diesem ohnehin sehr gelungenen Quartett ist der Schlusssatz "Allegro giusto - Cappriccio ad libitum", das eine regelrechte Violinkonzertkadenz für den Geiger in der Mitte wie am Schluss bereithält. Interessant ist vor allem, dass dieses "Cappriccio" klingt als wäre es aus Bachs Partita aus d-moll für Violine solo entnommen was ich aber für recht unwahrscheinlich halte.
No. 1 in Es-Dur G201:
Ebenfalls viersätzig mit augenscheinlich regelgerechter Satzfolge. Das eröffnende Allegretto lentorello e affettuoso ist im idyllishen Ton gehalten und, wiederum, recht ausgedehnt. Das Menuett ist geradezu rasant (noh eher "vivace" als das in No. 5, vielleicht "presto") und weist praktisch keinerlei Tanzcharakter auf. Ein frisch-forscher Satz. Ein Ohrwurm ist der langsame Satz, ein "Grave", das wie ein Rezitativ aus einer Händeloper klingt: schwermütig und pathetisch. Der Schlusssatz ist einer von Boccherinis spielfreudigsten und enthusiastischten Sätzen. Streckenweise erinnert der Satz an das Finale aus Beethovens Op. 59/3 - allerdings ohne fugiert zu sein.
No. 2 in e-moll G202:
Dieses Quartett ist dreisätzig und beginnt mit einem "Largo sostenuto", das sehr an Trauermusik erinnert. Der Mittelsatz ist ein Menuett verzahnt mit einem Larghetto im Arienstil, wobei Menuett und Largehttoabschnitte einander abwechseln: Menuett - Larghetto -Menuett -Larghetto. Das Menuett ist wieder vivace und zeichnet sich besonders durch einen gewissen "Tanzboden"-Stil aus. Da dieser zweite Satz sowohl Tanzsatz und als auch langsamen Satz enthält, kann man eigentlich nicht wirklich von einem rein dreisätzigen Quartett sprechen. Das Werk schließt mit einem spielfreudigen Rondeau comodo assai, das ebenflls typische Kennzeichen von Tanzmusik enthält, z.B. bei Abschnitten, in denen ein vom Cello gespielter Bordunbass druch Flageolett in hoher Lage begleitet wird.