J. S. Bach erfahren ...

  • Echt? Wieso denn nu bei den geistlichen Werken weniger mystischer Nebel angesagt sein soll...

    ...weil Religion Privatsache ist. Und besonders die weltliche Musik Bachs die Einheit, doch auch Differenzierung des Oevres ermöglicht.
    Zumindest ich werde mich nicht abfällig äußern zu "mystischem Nebel" und Religion in diesem Zusammenhang.

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

  • Zumindest ich werde mich nicht abfällig äußern zu "mystischem Nebel" und Religion in diesem Zusammenhang.

    Das, lieber Hempel, verstehe ich nicht ganz: Wenn mir die Aufführung einer geistlichen Komposition Bachs (oder anderer) nicht zusagt, weil mich "mystischer Nebel", den ich dort wahrzunehmen glaube, abstößt und ich das auch offen bekunde, bedeutet das doch nicht, daß ich mich damit über Religion (oder religiöse Haltungen) abfällig äußere. Oder wie meinst Du das?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Zumindest ich werde mich nicht abfällig äußern zu "mystischem Nebel" und Religion in diesem Zusammenhang.

    Nein, das wollte ich auch nicht ansatzweise. Mir kam es nur etwas verschämt vor. Ich fände mystischen Nebel auch zum "Sanctus" der h-moll-Messe nicht unpassend.
    meine erste Assoziation beim ersten Hören vor ca 15 Jahren war: "diese zwischen den markierten Akzenten schleifenden Sedxtakkorde im Chor klingen wie vertonte Weihrauchschwaden", und das war erstmal eine verwunderte, erfreute Feststellung.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • ...da geht die Wahrnehmung eben doch persönliche Wege.
    Das "Sanctus" aus BWV 232 wirkt auf mich so überhaupt nicht "weihrauchgeschwängert", sondern geradezu sekular, lebenszugewandt.

    Ich finde ja immer wieder, dass zu Unrecht der Unterschied gemacht wird zwischen dem "weltlichen" und dem "geistlichen" Bach.
    So werden die weltlichen Kantaten immer noch als "Vorform" der später daraus entstandenen geistlichen betrachtet- was ich unzutreffend finde.
    Aus meiner Sicht war Bach Pragmatiker und komponierte für Anlässe.
    Und seine Musik gibt es her!
    Eine Freiluftmusik wie den "Äolus" (BWV205), der kracht und knallt- also mit Zinnober, hingegen das geistliche Werk, das im Kontext steht, meist so geglättet musiziert wird.
    Nur eines von vielen möglichen Beispielen.

    Für mich ist Bach ein lebenszugewandter Mensch, der Musik komponiert, die das Leben preist. Die ganze Fülle, die auch Gott wohlgefällig ist, doch nicht mit zweierlei Maß misst.
    Wenn Mystik, dan via Mathematik- aber doch so ausgeschrieben, dass sie in der Wahrnehmung in den Hintergrund tritt.
    Oder so vordergründig wie in den Kanons, dass die Zahlenspiele selbst Spaß machen.

    Kurzum: für mich ist Bach nicht schizophren und mal mit Bauern auf Sauftour, um anderntags in Zerknirschung und Weihrauch zu versinken- abgesehen vom Kater vielleicht.

    Mancher hört bei Bach den "siebten Evangelisten", ein anderer höchst lebensfrohe Musik, diesseitig und fernab vom Weihrauch.
    Werten wollte ich nicht, nur Respekt äußern, dass verschiedene Lesarten möglich sind.
    Dabei feststellen, dass Bachs Musik allzu selten, darum Bezug auf die Weltlichen Kantaten, eben auch Theaterdonner verträgt und Oper sein kann.

    Ich fürchte, ich habe jetzt nichts an Fragen hinreichend beantwortet....tut mir leid, ich suche, es nachzuholen.

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

  • Nun ist dieser Thread schon fast 5 Jahre alt ... und nun ein erneuter Anlauf - und zwar mit Bachs Violinsonaten 1 - 3 (u. Partiten):

    Mal schauen ... :/

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ich hab' s mittlerweile übrigens aufgegeben, mich für Bach begeistern zu "wollen". ^^
    Es gibt so viele weitere - tolle - Komponisten, die ich für mich entdeckt habe und weiterhin entdecke ... :)

    Zudem geht mir eine Aussage v. Chilly Gonzales aus einer Talkshow (2019) nicht aus dem Sinn. Ich saß damals schon schmunzelnd und nickend vorm Fernseher. ^^ Und nein, ich möchte hier keinesfalls den von sämtlichen Klassik-Experten so heißgeliebten JSB ins negative Licht rücken (geht das überhaupt? Wohl kaum ...). Dennoch möchte ich euch das Video nicht vorenthalten. Dauer: ca. 5 min. ...

    https://www.youtube.com/watch?v=xq35xIjGaDg

    Ab min. 51 bis 55:15.

    Ich hoffe, ihr könnt ebenfalls einfach nur darüber schmunzeln.

    Na, jedenfalls habe ich zudem mal irgendwo (hier im Forum) gelesen, Bach hätte sehr analystisch und mathematisch komponiert. Es ist mir jedenfalls noch nicht gelungen, von einem seiner Werke so richtig "gepackt" zu werden. Sehr schade. Aber so ist es halt.

    Ich denke, bei den Wiederholungen der Melodien in sämtlichen Richtungen (siehe Video) soll wohl ein, sagen wir mal, rauschähnlicher Zustand erreicht werden. Klappt bei mir leider gar nicht. Mich macht das sogar eher nervös. :/ Aber, wie gesagt: ich bleibe weiterhin offen. Und da ich ja festgestellt habe, dass Live-Erlebnisse immer sehr wichtig sind, werde ich mir künftig Mühe geben, Bach auch öfter mal live zu erleben. Bislang habe ich nur wenige Werke von ihm live erlebt. Also in Konzerthäusern. Früher musste ich ja, als Kind, regelmäßig in die Kirche (wie in diesem Thread mal thematisiert). Seine "Toccata" kann ich daher schon mal gaaar nicht mehr hören! :ohnmacht1: Wenn ich schon die ersten Töne höre, könnte ich schreiend davonlaufen ... :versteck1: Aber gut, seine geistliche Musik wird mich sicherlich nicht mehr packen. Er hat ja aber auch sehr viel mehr komponiert ... Die Hoffnung stirbt zuletzt. ^^

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Na, jedenfalls habe ich zudem mal irgendwo (hier im Forum) gelesen, Bach hätte sehr analystisch und mathematisch komponiert.


    Carl Philipp Emanuel schrieb posthum über seinen Vater:

    "Der seelige war, wie ich und alle eigentlichen Musici, kein Liebhaber von trockenen, mathematischen Zeuge."

    Dass Bach die organisierenden Aspekte des Komponierens im Schlaf beherrschte und einen Satz top-down runterschreiben konnte, würde ich so einschätzen. Aber "mathematisch" - da müssten wir vielleicht eher nach Stockhausens Kombinatorik oder Norgards unendlicher Reihe schauen ...

    ... richtig ist wohl, dass Menschen mit mathematischen Interessen offenbar überdurchschnittlich häufig mit Bachscher Musik etwas anfangen können. Das heißt aber nicht, dass die Schnittmenge von Bachs Musik mit diesen Interessen primär mathematische Asdpekte aufweisen müsse ... meine ich.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich hab' s mittlerweile übrigens aufgegeben, mich für Bach begeistern zu "wollen".

    Mich spricht auch nicht alles an, aber ich meine anders zuzuhören, als bei anderen Komponisten. Wenn ich mir es recht überlege, dann trifft das übrigens, für alle Barockkomponisten bei mir zu. Und für alle Klassiker, Romantiker usw. Ich höre jeweils anders hin, je nach Zeitalter. Mir scheint, jetzt wo ich es mir überlege, ich hätte ganz andere Ansprüche an die Musik. So wie ich auch bei Rockmusik ganz anders, als bei Klassik hinhöre. So etwa wird ein Schuh daraus.
    Wieso eigentlich? Keine Ahnung......

  • Was mich betrifft: Ich habe noch nie, wirklich noch nie etwas von Bach gehört, das mich nicht angesprochen hätte, manches weniger, einiges mehr.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich hab' s mittlerweile übrigens aufgegeben, mich für Bach begeistern zu "wollen".

    bangemachen lassen gilt nicht...

    , Bach hätte sehr analystisch und mathematisch komponiert.

    und vielleicht versuchen Mathe und Analytisch mit Bach-Mucke völlig auszublenden.....

    und erneuter Versuch könnte nicht schaden:

    Zieh dir - bei Gelegenheit, in gechillter Lage - mal diesen String...
    https://www.youtube.com/watch?v=FbD_zWntaic
    ... und anschließend auch diesen String rein. (dabei nicht Monitor fixieren)
    https://www.youtube.com/watch?v=2LUQ-wObK1U
    Und stell dir dabei gleichzeitig vor, diese Strings wären keine Bach-Mucke....also Bach-Modus dabei totalst beiseite schieben...

    falls Vokal- momenten näher als Instrumental-Mucke, dann nämlichen Versuch mit diesem String:
    https://www.youtube.com/watch?v=ZgeBMjOxF2s
    .......

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Lieben Dank für eure Rückmeldungen.

    Amfortas09:
    Das "Wohltemperierte Klavier" kannte ich schon.

    Das andere Werk hat mich leider auch nicht gepackt.

    Aber einen Versuch war es natürlich wert, daher lieben Dank! :wink:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Hallo @Newbie69 ,
    Bach hat derart viel "fabriziert", vielleicht magst Du dies noch ausprobieren? Give him another chance ;)

    Ende der Johannespassion "Ach Herr, lass dein lieb Engelein... ", zB:
    https://www.youtube.com/watch?v=vShhdOlJJgs

    Am besten davor noch die "Gebeine"
    https://www.youtube.com/watch?v=z_48py…zc-8no&index=39
    es folgen dann die Schluss-Engelein

    Oder die Geigen-Chaconne?
    https://www.youtube.com/watch?v=VfwVim0EybY

    Oder dieses aus "Kunst der Fuge"?
    1:
    https://www.youtube.com/watch?v=i5gBEjdDnjs
    2:
    https://www.youtube.com/watch?v=U5PR0E6LjS8

    Oder Goldberg für Kammerorchester?
    https://www.youtube.com/watch?v=kQv5ncd10YY

    Wichtig:
    Bachs Stücke sollte man mehrmals anhören, bevor man sie sich richtig "erschließen" und in sein Herz schließen kann, finde ich. Aber dann sind sie im Herzen fest verankert :rolleyes: :verbeugung1: :rolleyes: :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1: :rolleyes:

    Ein möglicher Zugang:
    Schau Dir (leider nicht mehr in der Tube) den exzellenten DDR-+ Ungarn-Bach-Spielfilm-Vierteiler an, lass Dir dabei Zeit!
    https://www.youtube.com/watch?v=nL0UoFv4Qzc

    Aber vielleicht ist für Dich die Zeit für Bach noch nicht gekommen, wenn es die richtige Zeit für Dich ist, wird das Tor vom Ohr zum Herzen nicht länger verschlossen bleiben, musst ja nix übers Knie brechen, Musik soll ja Freude machen und keine Ohrenqual sein ;)

    :wink:

    amamusica

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Liebe Amamusica!

    Ich dachte, ich hätte damals bereits geantwortet. Sorry!

    Zunächst mal lieben Dank für deine Mühe!! :kuss1:

    Ich habe leider noch keinen richtigen Zugang zu Bach gefunden. Ob sich das noch ändert? Keine Ahnung. Es gibt lediglich Werke, die ich "ganz nett" finde, mehr nicht. Einige nerven mich sogar regelrecht. :versteck1: Aber gut, ich bleibe weiterhin offen, was Bach anbelangt.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ja, den höre ich auch seit langem sehr gerne! Die beiden machen das echt toll und sehr informativ!

    Ergänzend kann ich noch diese Podcast-Folge mit Michael Maul empfehlen, die ich heute Nachmittag zufällig gehört habe: https://www.classicalcontemporary.art/episoden/lust-…it-michael-maul

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Ich versuche herauszufinden, weshalb Bach so beliebt ist. Ich bin ja - nach wie vor - ein "Newbie", was klassische Musik anbelangt. Ich verbinde mit Bach lediglich Kirchen-Orgelmusik (die ich wiederum gar nicht mag). Könnt ihr Stücke/ Werke empfehlen, die nichts mit Orgelmusik zu tun haben? [...]

    Welche Stücke/ Werke von S. J. Bach würdet ihr sonst so empfehlen?

    Gleichwohl das Œuvre J.S. Bachs von geistlicher Musik, vornehmlich seinen Kantaten und Oratorien nebst - zum Teil liturgisch gebundener - Orgelmusik dominiert wird, würde ich Neulingen gerade diese nicht zum Einstieg ans Herz legen. Wer zudem mit dem Text / Inhalt oder mit dem liturgischen Ort im Gottesdienst bzw. im Kirchenjahr eines geistlichen Werkes nicht vertraut ist, oder wer ansonsten auch nichts mit der Kirche und protestantischen Religion am Hut hat, kann es schwer haben, über Bachs geistliche Musik Zugang zu finden, zumal es Bach - insbesondere in seinen Kantatenarien - vornehmlich versteht, aus recht wenig Text sehr viel Musik zu machen. Während bei Telemann eine Arie mit drei Minuten schon sehr lang ist, kann diese bei Bach bei gleichem Textumfang auch schon mal sechs Minuten dauern.

    Ich empfehle daher den Einstieg über Bachs Instrumentalwerk und werde im Folgenden ein paar der Highlights anhand besonderer Einspielungen vorstellen.

    1) Six concerts avec plusieurs instruments ("Brandenburgische Konzerte") BWV 1046 - 1051

    Die in der Partitur von 1721 erhaltenen sechs Instrumentalkonzerte erhielten Ihren Zusatznamen "brandenburgische" vom Bach-Biographen Philipp Spitta wegen ihrer Widmung an den Markgrafen von Brandenburg-Schwedt, den Bach 1718/1719 in Berlin kennenlernte:

    „Da ich vor ein paar Jahren das Glück hatte, mich bei Ihrer Königlichen Hoheit auf Ihren Befehl hin hören zu lassen, und ich damals bemerkte, dass Sie sich an den kleinen Talenten, die der Himmel mir für die Musik gegeben hat, erfreute, und als ich mich von Ihrer Königlichen Hoheit verabschiedete, mir die Ehre erweisen wollte, mir zu befehlen, ihr einige Stücke meiner Komposition zu schicken: habe ich mir also nach Ihrem gnädigen Befehl die Freiheit genommen, Ihrer Königlichen Hoheit für die vorliegenden Konzerte, die ich für mehrere Instrumente bearbeitet habe, meine ehrerbietigen Pflichten zu erweisen; und bitte Sie demütigst, deren Unvollkommenheit nicht nach dem feinen und delikaten Geschmack beurteilen zu wollen, den sie, wie alle Welt weiß, für musikalische Stücke hat, sondern vielmehr den tiefen Respekt und den ehrerbietigen Gehorsam, die ich Ihr dadurch zu erweisen versuche, in gütige Hochachtung zu ziehen.“

    Die zu Bachs Zeit in Köthen zusammengestellten, vermutlich aber - zumindest zum Teil - bereits zuvor in seiner Weimarer Zeit entstandenen sechs Konzerte sind sowohl nach Stil, Form und Besetzung ganz unterschiedlich. Das Werk findet in der Musikgeschichte nichts Vergleichbares. Die sechs Konzerte können wegen einiger Gemeinsamkeiten und vieler Unterschiede in drei Gruppen geteilt werden:

    a) Konzerte 1 und 3 wegen einer Satzfolge, die an die Italienische Ouvertüre erinnert: Konzertsatz, langsamer Mittelsatz und Tanz

    b) Konzerte 2 und 4 wegen der Gegenüberstellung von einer kleinen Gruppe von Soloinstrumenten zu den Streichern und dem mehr oder weniger fugenartigen Schlusssatz

    c) Konzerte 5 und 6 weil sie unterschiedlicher nicht sein können, jeweils aber einen Mittelsatz haben, der nur von den Soloinstrumenten und der Continuo-Gruppe bestritten wird. Konzert 5 kann wegen des obligaten Cembaloparts, dem im ersten Satz umfangreiche, fast improvisiert anmutende, Solopartien zufallen, zurecht als das erste Klavierkonzert der Musikgeschichte gelten, während Konzert 6 - ähnlich dem Konzert 3 - ohne Soloinstrumente auskommt. Im Konzert 6 fehlen sogar die Violinen komplett, sodass sein Orchester neben den zwei Bratschen von den zwei Viola da gamba dominiert wird.

    Ich empfehle zum Einstieg besonders das Konzert 1 in F-Dur BWV 1046 und zwar ausdrücklich in der verlinkten Einspielung mit Il Gusto Barocco unter Leitung von Jörg Halubek von 2021 (Berlin Classics / edel), da das Konzert hinsichtlich der technischen Ausführung zu den schwierigsten Werken gehört. In keiner anderen Realisierung gefallen die zwei Naturhörner und die Piccolo-Violine so sehr wie hier. Während viele Aufnahmen einfach spröde klingen oder der Ton der Hörner unsauber ist, gelingt es dieser Aufnahme, auch wegen der beherzten Spielweise, den Hörer mitzureißen.

    2) Sechs Sonaten für Violine und obligates Cembalo BWV 1014 - 1019

    Diese sechs Sonaten zählte sein zweitältester Sohn Carl Philipp Emanuel Bach zu den besten Werken seines Vaters. Auch sie sind in ihrer Kunst - vergleichbar den Brandenburgischen Konzerten - einmalig in der Musikgeschichte.

    Ich empfehle, zum Einstieg die Sonate 6 in G-Dur BWV 1019 zu wählen und auch den in die finale Fassung der Sonate (unverständlicherweise) nicht mit aufgenommenen Satz "Cantabile" BWV 1019a, der in der verlinkten Aufnahme mit Rachel Barton Pine (Violine) und Jory Vinikour (Cembalo) enthalten ist, unbedingt mit anzuhören - für mich eines der schönsten Instrumentalstücke aus Bachscher Feder überhaupt! 8:22 Minuten herrlichster Violingesang im Dialog mit dem Cembalo-Part.

    3) Clavier-Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veränderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen (Goldberg-Variationen) BWV 988

    Die Variationskunst führt Bach mit seinem, aus 32 Variationen über die Bassnoten einer 32 Takte umfassenden Aria bestehenden, Klavierwerk, welches er 1741 in den Druck gab, zu beispielloser Vollendung, die auch technisch dem Spieler einiges abverlangt. Die gängige Benennung mit Bezug auf Johann Gottlieb Goldberg gründet nur auf einer Anekdote.

    Das Werk ist formal streng gegliedert. So ist etwa jede dritte Variation ein Kanon. Die Mitte bildet mit Variation 16 eine Französische Ouvertüre. In der letzten Variation, einem Quodlibet, zitiert Bach zwei Gassenhauer.

    Und bitte, das Werk nicht in der verschrobenen Lesart des kanadischen Klavier-Exzentrikers Glenn Gould hören! Ihr tut damit weder euch noch dem Werk einen Gefallen!

    Ich empfehle die zweite Einspielung der von mir geschätzten Christine Schornsheim von 2016 (Capriccio) an einem herrlichen Cembalo von Christoph Kern aus dem Jahre 2013, das ein Nachbau eines Instruments aus der Werkstatt Michael Mietkes in Berlin um 1710 darstellt.

    (Das Album stellt auf seiner ersten CD den Bach'schen Variationen übrigens das selten eingespielte und noch immer nicht im Notendruck erhältliche Variationswerk "La Capricciosa" BuxWV 250 von Dietrich Buxtehude voran. Dieses Werk steht in einer Reihe von Vorläufern der Bach'schen Variationen und verdeutlicht, dass Buxtehude trotz einer ansehnlichen Menge an Cembalomusik als meisterhafter Klavierkomponist leider immer noch kaum wahrgenommen wird. Die Bach'schen Variationen beginnen auf CD 1 mit Track 7. Der zweite Teil ab Variation 16 folgt auf CD 2.)

    [Fortsetzung folgt]

    Einmal editiert, zuletzt von querstand (25. Januar 2023 um 16:10)

  • Besten Dank, lieber querstand! :wink:

    Werde ich mir für heute Abend mal vornehmen. :jaja1:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • meine ersten beglückenden Erfahrungen mit Musik von J.S.Bach waren die Konzerte (jeweils für Soloinstrument und Streicher + B.C.): das für Oboe d´Amore, die Violinkonzerte, 3. und 4. von den Brandenburgischen.

    und die sog. "Ouvertüren" (= Orchestersuiten, vor Allem die 3. und 4.)

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

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