Die großen Streichquartettformationen und ihre Aufnahmen

  • Die großen Streichquartettformationen und ihre Aufnahmen

    Bisher habe ich mich leidlich engagiert für Streichquartette interessiert, sie also toleriert ohne aber in Liebe entzündet zu werden.
    Seit einigen Wochen interessiere ich mich endlich mehr und mehr für die 16 Saiten und die Menschen, die sie zum Schwingen bringen.
    Sofort meldet sich dann natürlich der Jäger und Sammler in mir und will seine Streichquartettsammlung (das Kernrepertoire habe ich glaube ich halbwegs, nur nicht in vielfacher Ausfertigung) ausbauen.
    Daher ein Übersichtsthread für Einsteiger und Leute, die missioniert werden wollen. Für echte Kenner ist dies natürlich Kindergarten.
    Welche Streichquartette (im Sinne von Ensembles) muss man kennen, und welche Aufnahmen von denen sind repräsentativ und umwerfend?
    Gerne können Gründungs- und eventuell Auflösungsjahr genannt werden und was man sonst schon immer mal sagen wollte, aber sich noch nie getraut hat, zu sagen.
    Aufnahmen von erweiterten Streichquartetten hin zum Klavierquintett usw können genannt werden, wenn dies notwendig erscheint.
    Genannt werden darf bitte möglichst alles, von "Mono-Schrott, direkt aus dem Altenheim gepostet" bis zu den neuesten HIP-und Non-HIP-Ensembles.
    Also, wie ein Pius so ähnlich mal schrob: Dieser Thread gehört dem Streichquartett! Ich sag schon mal Danke, wär nett.

    :wink:

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Zuallerallererst:

    Die Budapester (in Wahrheit alle Russen) sind für mich ein absolutes Kultquartett und ihr Beethoven hat mich immer begeistert. Klar, es ist "Monoschrott", aber klanglich absolut OK für mich. Beethovens 16 SQe sind wohl der grossartigste Zyklus (obwohl ich persönlich trotzdem Haydn bevorzuge), weshalb ich an Deiner Stelle hiermit beginnen würde.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Das macht doch immer Spaß ... halbreflektiertes und potenziell schädliches Zeug (weils anderer Leute Geld kostet) herumposten ... :D

    Haydn op. 76, z. B. mit dem Takacs-Quartet für € 8,-

    Mozarts Haydn-Quartette (Nr. 14-19), z. B. mit den formidablen Klenkes für € 33,- (teuer) oder gleich die GA mit den Hagens (DG) ... auch teuer ... zurzeit € 26,-

    Beethovens Quartette ... mindestens die mittleren, z. B. 7-11 mit den Emersons für € 16,- oder gleich die erste GA vom Alban-Berg-Quartett für € 20,- ... das isn Kracher. ... oder die GA mit dem Artemis Quartett ... oder Takacs, auch teuer.

    Schubert. Hm. 12+15 mit dem Auryn Quartett (bei tacet!), 13+14 mit dem ABQ für € 10,-. Oder 14+15+Streichquintett mit den Belceas und Valentin Erben.

    Mendelssohn und Schumann in der Grundausstattung? Eher nicht. Oder? (Ja, lieber Felix, natürlich plädierst Du mindestens für op.13 und op. 80 ... wobei op. 44 eine hochinteressante Trias ist ... :D)

    Bei Brahms hat sich unglaublich viel getan, was an mir vorbei gegangen ist ... Auryn, Takacs (2x), ... das Artemis Quartett nimmt gerade Anlauf und wird hochgelobt.

    Dvorak: Die Aufnahmen mit dem Pavel Haas Quartet werden gerade hochgelobt. Nr. 12+13 gerade günstig für € 10,-.

    Debussy/Ravel: Da resümierte ich mal wie folgt (zu Debussy):
    - Die Preiswerte: Kodály-Quartett
    - Die Genießerische: Quartetto Italiano (1965)
    - Die Virtuos-Glänzende: Alban-Berg-Quartett
    - Die Detailliert-Lustvolle: Belcea Quartett

    Bartók: Mit den Emerson für € 16,-? Die Aufnahme mit den Hagens in Zweitverwertung scheint nicht mehr erhältlich zu sein. Oder das Ungarische Strechquartett. Oder Artemis.

    Schostakowitsch: Zum Reinhören Nr. 7-9 mit den Brodskys für € 6,- .

    Ligeti: Jawohl. Ein Muss. Auch zum Einstieg. Da gibt es eine günstige Doppel-CD für € 10,- bei EMI, wo die Aufnahme mit dem Artemis Quartet drauf ist. - Die schöne CD mit dem jungen Parker-Quartett bei Naxos kann da leider nicht mithalten.

    Ach ja ... da könnte man ein paar Abende drüber diskutieren. Wer bringt den Wein mit und wer stellt die Anlage? :D

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • (Ja, lieber Felix, natürlich plädierst Du mindestens für op.13 und op. 80 ... wobei op. 44 eine hochinteressante Trias ist ... :D)


    In die Grundausstattung gehören unbedingt opp. 12, 13, 44, 80. Auf das Jugendquartett ohne Opuszahl kann man eventuell verzichten, wenn man auch nicht alle Beethovenquartette mit hineinnimmt. :D

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Der "Monoschrott" des Budapest-Quartets sind aber die Aufnahmen der 1930er bei Biddulph u.ä.

    Falls Du Vorkriegsaufnahmen suchst, lohnt es evtl. bei diversen Webseiten mit "grauen" privaten transfers solcher Aufnahmen zu suchen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich selbst davon praktisch nichts kenne
    zB Flonzaley Quartett, Capet Quartett, Calvet Quartett, Busch Quartett.
    Pro Arte Quartett mit etwa 30 Haydn-Quartetten.

    Wenn Du die Geschichte der Gattung studieren willst, gab es neulich bei jpc einige CDs des Schweizer Casalquartetts "Birth of the string quartet" für je ca. 10 EUR.
    Dabei die wohl erste Gesamteinspielung von 7 Quartetten F.X. Richters (deren angebliches Entstehungsdatum 1757 zwar ungeachtet des bombastischen "Genesis" auf dem Cover höchst umstritten ist, die aber auch zum wahrscheinlicheren Datum Mitte der 1760er noch durchaus bemerkenswerte Werke sind) und eine Folge mit je einem Stück von A. Scarlatti, Sammartini, Boccherini, Haydn und Mozart.
    Haydns op.1+2 (vor/um 1760) sind in der neuen Ausgabe unter "Divertimenti" einsortiert und von den Streichquartetten ab op.9 (1769) abgesondert. Vermutlich gibt es auch deshalb noch immer keine HIP-Aufnahme davon.

     

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich habe es so verstanden, dass es gerade nicht um die Geschichte der Gattung sondern um bedeutende Ensembles geht. Oder wie oder was? :stern:

    Christian


    Ich habe das auch so verstanden, deshalb auch mein erstes Post in die Richtung.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Genau, es sollte vorrangig um die Interpreten auf runder Scheibe gehen. Ein Interpretenübersichtsthread mit CD-Empfehlungen je Ensemble. Trotzdem Danke auch für den Hinweis auf die Reihe zur Gattungsgeschichte vom casalQuartet.
    Gottlob bin ich in meiner Sammlung nicht ganz schlecht aufgestellt, da gibt es schon einiges (zB das genannte (Danke & Zustimmung!) Budapest SQ mit Beethoven und Mozart).

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Bartók - Hagen Quartett

    Mauerblümchen hat recht. Diese Aufnahmen sind zurzeit nicht normal erhältlich. Trotzdem kann man sie noch bei Amazon beziehen: die Bartók-Quartette von den Hagens. Ich habe als Bartokomane jetzt wohl 7 Gesamtaufnahmen aber halte die vom Hagen Quartett nach wie vor für die beste. Tiefsinn und technische Perfektion ergänzen sich hier auf das glücklichste. (Finger weg von den high octane Emersons!!)

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Anmerkung: Tully Potter arbeitet seit Jahren an seinem Werk über Streichquartettformationen - gelegentlich verwendet er bereits vorhandenes Material für CD-Booklets . Kann ihn ja mal fragen, wie weit er ist. Sein Buch über Adolf Busch ist immerhin vergriffen, daß sollte doch einen Verlag motivieren .

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Ich habe es so verstanden, dass es gerade nicht um die Geschichte der Gattung sondern um bedeutende Ensembles geht. Oder wie oder was?


    Ja, tatsächlich ... hatte ich auch falsch verstanden, sorry ...

    Mit dem Busch-Quartett in jedem Falle die späten Beethoven-Quartette. Vielleicht auch Schubert 14+15:

     

    Mit dem Amadeus-Quartett vielleicht überhaupt nix ... :hide:

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Welche Streichquartette (im Sinne von Ensembles) muss man kennen, und welche Aufnahmen von denen sind repräsentativ und umwerfend?


    Ich bekenne, daß ich von diesem Ensemble nur diese eine CD kenne, doch die finde ich wahrlich umwerfend. Spezialtip für TB ( ;+) :(

    Das Jack Quartet aus New York spielt Helmut Lachenmanns drei Streichquartette. Die Vier sind spezialisiert auf zeitgenössische Musik: "http://www.jackquartet.com/recordings.html".

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Mir fallen hier auf Anhieb folgende Zyklen ein:

    Bartok Streichquartette mit dem Juilliard Quartet


    Wunderbar transparent und mit der nötigen Schärfe gespielt. Der besondere Klang dieser Musik kommt in dieser Aufnahme nach meinem Empfinden besonders gut zur Geltung.

    Neue Wiener Schule mit dem La Salle Quartett

    Darüber (ich habe noch die LPs) bin ich auf Schönberg, Berg und Webern aufmerksam geworden. Für mich waren daher die Aufnahmen so etwas wie ein Erweckungserlebnis.

    Über die Beethoven Quartette mit dem Belcea Quartett hört man nur gutes, die werde ich mir wohl als vorläufig letzte dieser Quartette zulegen.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Vielleicht auch Schubert 14+15:


    Bitte, auch No. 8. Weil : so völlig natürlich musiziert , für mich so etwas wie ein Prototyp der Ausführung eines Quartetts . Schönster Schubert .

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  • Mir fallen hier auf Anhieb folgende Zyklen ein:

    Bartok Streichquartette mit dem Juilliard Quartet


    Wunderbar transparent und mit der nötigen Schärfe gespielt. Der besondere Klang dieser Musik kommt in dieser Aufnahme nach meinem Empfinden besonders gut zur Geltung.


    Ich schwanke - weil bei der Ersteinspielung das Neue der Musik , gerade auch für die Interpreten, deutlich wird : aber das kann man man vielleicht auch später erkunden . Aber eine der beiden Juilliard-Aufnahmen darf es sein .

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  • Das Amadeus-Quartett wurde 1947 von Norbert Brainin, Sigmund Nissel, Peter Schidlof und Martin Lovett gegründet und bestand in derselben Besetzung fast 40 Jahre bis zum Tod des Bratschers Peter Schidlof 1987. Für mich sind von den zahlreichen Aufnahmen des Ensembles bis heute vor allem die Brahms-Einspielungen unerreicht:

     

    Das g-moll-Klavierquartett habe ich (mit Murray Perahia am Klavier) noch in einem der letzten Konzerte des Ensembles live gehört, zusammen mit einem umwerfenden Schubert d-moll-Quartett (Der Tod und das Mädchen). Mehr Leidenschaft und glühende Intensität habe ich nie im Konzert gehört. Das Schubert-Quartett hatten die vier sicherlich schon hunderte Male gespielt, aber es war, als ginge es buchstäblich um Leben und Tod. Das Stück haben sie zweimal eingespielt, einmal in Mono in den Fünfziger Jahren (die Aufnahme kann ich gerade nicht finden) und einmal digital 1982:


    Christian

  • Quartetto italiano

    Ein weiteres Superschwergewicht ist das Quartetto italiano. Ihre nun fast 50 Jahre alten Aufnahmen der späten SQe Schuberts sind über all die Jahre (in meinem Fall nicht 50 sondern 20) meine Lieblingsinterpretationen - ganz besonders vom "Tod und das Mädchen" - geblieben. Leidenschaftlicher geht es kaum.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Das Végh Quartett

    hatte über vierzig Jahre bestand. 1940 gegründet, siedelte man sechs Jahre später von Budapest nach Paris. Erst 1978 kam es zu Personalwechseln. Im Vergleich zu weiteren ungarischen Quartetten der älteren Generation scheinen die Véghs weniger Wert auf demonstrative technische Perfektion gelegt zu haben. So lohnen gerade die in Salzburg entstandenen Mitschnitte, welche z.B. einen geradezu warmherzigen Bartók zu Gehör bringen:


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