Das Jahr 1951 wird eine Revolution auslösen in der Band des Duke. So viel kann ich an dieser Stelle bereits verraten.
Das Jahr begann für die Band mit einem Konzert am 02.Januar 1951 in New York City. Der erste Wechsel war die Vakanz von Tyree Glenn, der seinen Abschied aus der Band wahr machte. Er war am 02.01.51 schon nicht mehr dabei. Er sollte 1972/73 nochmals zur Band zurück kommen, von 1965-1970 bei den All Stars von Louis Armstrong mitwirken, und 1974 kurz vor dem Duke sterben.
am 21.01.1951 spielte die Band ein Konzert im Metropolitan Opera House von New York ein Konzert, an dem Sonny Greer mal wieder ersetzt werden musste. Dies tat in dieser Zeit Bill Clark. Im Februar dann Charlie Smith.
Dann sollte etwas passieren, was selbst den Duke fast umgehauen hatte. Einige der Alten waren derart unzufrieden mit dem Zustand der Band, dass sie sich entschlossen, den Duke zu verlassen. Sonny Greer, der immer wieder durch seine Trinkerei Probleme machte, und für den der Duke seit 1950 oftmals einen Zweit-Schlagzeuger bezahlen musste (woanders wäre er längst gefeuert worden), Johnny Hodges, der schon lange "überfällig" war, was die Selbständigkeit angeht, Lawrence Brown, der ein ständiger Nörgler und Querulant war und auch Harry Carney beinahe, machten unter der Leitung von Hodges eine eigene Band auf.
Sonny Greer gehörte auch kurz zur Hodges-Band, doch auch dort traten die gleichen Probleme auf wie in der Ellington-Band. Was viele Leute nicht wussten: Der Duke behielt ihn immer auf seiner Gehaltsliste drauf, so dass der gute Sonny sich viel später wieder aufrappelte, und hin und wieder als Drummer spielte, sogar sehr selten, aber immerhin manchmal, auch wieder beim Duke selbst, wenn auch nur als Gast für ein paar Nummern.
Der Auslöser waren die Unzufriedenheit der Beteiligten (bei Hodges war es die Tatsache, dass der Duke mit Titeln viel Geld verdiente, zu denen ER eine Menge beigetragen hatte, aber er sich nicht recht gewürdigt sah), aber auch das Angebot von Norman Granz, einem Jazzunternehmer, der für seine gute Bezahlung und fairen Umgang mit den Künstlern bekannt war in der Branche, ein Angebot an Hodges machte bereits Ende 1950. (bei Collier steht November 1951, was aber falsch ist)
Der Duke musste nun also reagieren, denn während Greer problemlos ersetzbar war, konnte man das über die beiden so langjährigen Stimmen von Hodges und Brown nicht sagen. Sie waren die letzten großen Solisten neben Harry Carney, die noch im Cotton Club spielten, und außerdem einen absolut einmaligen Sound hatten, der für die Band so lebenswichtig war und ist.
Zunächst dazu ein paar ganz persönliche Worte. In anderen Bands waren Besetzungswechsel weitaus weniger ein Thema, aber wenn es spektakuläre Trennungen gab, wurden auch diese in der Presse breitgetreten. Man denke an den Bruch zwischen Benny Goodman und Gene Krupa, Tommy Dorseys Wuausbrüche waren gefürchtet, oder auch der Wechsel von Sy Oliver 1939 zu Tommy Dorsey waren sichere Beute der Journalisten gewesen. Die Musiker waren Angestellte der Bands, und nahmen natürlich die Gelegenheit wahr, wenn sie die Chance hatten, eine eigene Band auf die Beine zu stellen. Harry James bekam dagegen die Unterstützung von Goodman, Glenn Miller finanzierte die Bands von Hal McIntrye, Bob Chester und Charlie Spivak, doch der Duke wurde immer mehr zum Band-Leader, während seine Musiker immer mehr zu Angestellten "degradiert" wurden.
Natürlich hatten die großen Solisten dieser Band das gleiche Recht, sich eines Tages auf eigene Füße zu stellen, wie jeder andere Musiker auch. Während viele weiße Musiker immer mehr in die Filmstudios nach Hollywood und Los Angeles oder New York abwanderten, waren diese Studios für die schwarzen Kollegen zunächst tabu, und später auch nur wenigen Kollegen vergönnt (darunter Harry Edison, Benny Carter, J.J.Johnson und Clark Terry, um einige der ganz Großen zu nennen). Also bleib nur die eigene Band, sei es eine Combo, oder eine Bigband.
Ellington sollte etwas völlig Überraschendes machen, womit niemand auch nur annähernd gerechnet hätte. Er "raubte" die drei Hauptsolisten der nach wie vor hervorragenden Harry James Band innerhalb von wenigen Stunden weg: Juan Tizol, der ja bereits sehr lange bei Ellington spielte, Willie Smith, der Lead-Altist und der weiße Spitzenschlagzeuger Louis Bellson. Wie das Ganze genau abging, lässt sich nicht so ganz sicher sagen. Vermutlich wandte sich der Duke an Tizol, der wiederum den Auftrag bekommen haben musste, die beiden Anderen zu überzeugen, James zu verlassen. Dieser "Raubzug" ging dann auch tatsächlich als "The Great Jamesrobbery" durch die Presse und war eine Sensation im Musikbusiness gewesen.
Eine weitere Variante hat Dr.Strateman parat: Harry James, der zu dieser Zeit seine Band nicht permanent in Arbeit hatte, wurde gefragt, ob er dem Duke für ein Jahr diese Leute zur Verfügung stellen würde. James tat dies, und rettete Ellington damit quasi die Band. Sollte das die Wahrheit gewesen sein, kann man das James nicht hoch genug anrechnen. So recht glauben mag ich die Geschichte nicht, denn James war ein eisenharter Bandleader, dem die Qualität seiner Band extrem am Herzen lag. Erduldete keinerlei Schlamperei, und hatte immer einen sehr hohen Anspruch an seine Musiker. Er zahlte sehr gut, und hatte viele Musiker auch lange unter Vertrag.
Damit zeigte der Duke nach langer Zeit wieder deutlich sein Profil. Auch machte er allen Leuten deutlich, dass ER nicht kleinzukriegen waren, sondern noch immer scharfe Krallen haben konnte, wenn er denn nur wolle. Zu den beiden neuen Solisten auch gleich einige Infos. Willie Smith gehörte während der Swing-Ära zu den wirklich allerbesten Solisten, und obendrein konnte er singen, Klarinette und Baritonsax spielen, und galt als einer der besten Satzführer überhaupt. Dies hatte er rund 14 Jahre in der Band von Jimmy Lunceford bewiesen, und von 1944 an auch bei Harry James. Solistisch war er flexibler als Hodges, hatte aber ein stärkeres Vibrato und einen helleren, spitzeren Ton. Er bleib nur bis März 1952 in der Band. Er konnte die großen Fußstapfen von Hodges nicht ausfüllen. Er übernahm das Lead-Alto in der neuen Band von Billy May.
Der direkte Nachfolger für Hodges war aber Tommy Douglas gewesen, der im März rund drei Wochen in der Band verweilte, bis Smith seine Kündigungsfrist erfüllt hatte.
Lawrence Brown wurde auch in dieser Zeit von Claude Jones ersetzt, den wir bereits von 1944-1948 beim Duke erleben durften. Browns eigentlicher Nachfolger wurde der brillante Techniker Britt Woodman. Woodman, den ich noch live erlebt habe, spielte eine perfekte Posaune, konnte vom Blatt spielen, hatte einen extrem weiten Tonumfang, und war so etwas wie der "Cat Anderson der Posaunisten" gewesen. Er spielte zuvor u.a. in den Bands von Les Hite, Eddie Heywood und Lionel Hampton, und war kein unbeschriebenes Blatt in der Branche. Er sollte bis 1961 in der Band bleiben. Nach dem Duke spielte er u.a. für die Bill Berry-Bigband und der Toshiko Akiyoshi/Lee Tabackin-Bigband.
Der vielleicht wichtigste Wechsel war jener am Schlagzeug. Mit Louis Bellson kam ein brillanter Techniker, Solist und auch Komponist und Arrangeur in die Band, der sofort helfen konnte mit seinem Power, Drive und auch exzellentem Gespür für Begleitung. Durch IHN gewann die Band einen Sound, den man als den "Bellson-Klang" bezeichnete. Bellson, der 1946 der erste Drummer war, der mit ZWEI Bass-Drums arbeitete, war der erste Weiße Musiker, der je mit der Ellington-Band arbeitete. Sein Werdegang nach dem Duke war entsprechend gewesen. Er leitete eigene Bigbands, spielte hin und wieder für Harry James, 1962 auf einer Europa-Tournee für Count Basie, und Mitte der 1960-er Jahre erneut mit Ellington, bevor er wieder eigene Bigbands leitete. Ich habe ihn auch noch selbst erleben dürfen, und ein Autogramm bekommen. Er spielte auch mit 70 Jahren noch meisterhaft Schlagzeug. Ein absoluter Könner, den man gerne einfach nur zuschaute und zuhörte.
Man kann übrigens diese Band in vielen Kurfilmen, den sog. "Snaders" heute noch sehen. Es wurden damals viele solcher Kurzfilmchen als Werbemaßnahmen gemacht, damit die heutigen Videos vorweg nehmend. Man kann so die Band insgesamt hören, aber auch sehen. ich kann nur jedem empfehlen, sich das auf Youtube mal anzuschauen.
Um nun einmal einen Überblick zu bekommen, hier einmal eine Besetzung mit einem Konzertprogramm aus dieser Zeit. Sie stammt von einem ABC-Telecast in NYC vom 03.Mai 1951.
Cat Anderson, Nelson Williams, Harold Baker, Fats Ford, Ray Nance - Trompeten
Britt Woodman, Quentin Jackson, Juan Tizol - Posaunen
Willie Smith, Russell Procope - Altsax/Klarinette
Paul Gonsalves - Tenorsax , Jimmy Hamilton - Tenorsax/Klarinette
Harry Carney - Baritonsax
Duke Ellington - Klavier
Wendell Marshall - Bass
Louie Bellson - Schlagzeug
Im Programm waren "Take the A-Train", "Something to live for", "Caravan", "I got it bad" und "do you nothin' till you hear from me". Die beiden Sängerinnen waren Thelma Carpenter und Evan Long, die ebenfalls Gäste waren.
Am 10.Mai 1951 war die Band im Studio gewesen. "Fancy Dan", "The Hawk Talks" , einem Stück von Bellson für sich selbst, "V.I.P.'s Boogie", was der Duke lange im Programm hatte, und seine Solisten vorstellte, und das sich direkt anschließende "Jam with Sam". "Monologue" wurde mit einer kleinen Band eingespielt, ohne Blech, aber dafür mit Jimmy Hamilton, Willie Smith und Russell Procope an den Klarinetten, und Harry Carney an der Bass-Klarinette. Billy Strayhorn saß dabei am Klavier.
Diese kleinen "Bands within the Bands" sollten nun wieder regelmäßig auftauchen, natürlich in diversen Besetzungen. Fats Ford war ab Juni 1951 nicht mehr in der Band. Er wurde nicht ersetzt, so dass nun wieder die Standardzahl von vier Trompten zur Verfügung standen.
Vom 05.Juni - 11.Juni 1951 war die Band im Meadowbrook in New York engagiert. Norma Oldham und Al Hibbler waren die Sänger dort gewesen. Die Band spielte nun wieder Titel wie "Moonlight Fiesta", was nach dem ersten Ausstieg Tizols nicht mehr im Bandbook war. Dazu die neuen Sachen von Bellson ("The Halk talks") und einige ältere Stücke wie "Mood Indigo", "Happy Go Lucky Local" oder "Midriff". Die Band klang viel frischer und vor allem extrem swingend, durch das so swingende Schlagzeugspiel Bellsons. Nun erst merkte man der Band an, was man jahrzehntelang vermisst hatte in der Band: Druckvolles, swingendes Schlagzeugspiel.
Ich komme nun auf die noch nicht zu Ende besprochene CD ein, die ich weiter Oben unter dem Titel "Masterpieces by Ellington" geführt wird. Es handelt sich um die beiden Einspielungen von "Smada" und "Rockin' at the Blue Note". Beide Stücke sind eine Gemeinschaftsproduktion von Ellington und Strayhorn. Im ersten Stück sind Strayhorn und Jimmy Hamilton die Solisten, im zweiten Titel Ray Nance an der Trompete.
Bevor ich die nächste und letzte Einspielung dieser CD beschreibe, muss man zwei wichtige Änderungen nennen. Am 11.November kam Clark Terry als Trompetensolist in die Band, und er sollte bis November 1959 bleiben. Terry spieltre zuvor u.a. bei Lionel Hampton, Charlie Barnet (Live at Carnegie Hall 1948) und Count Basie (1048-1951, einschließlich der Septett-Zeiten der Band).
Nur vier Tage später kam der Trompeter Willie Cook neu in de Band. Er kam über die Bands von Jay McShann, Dizzy Gillespie und Gerald Wilson zum Duke und sollte mehrere Male mit ihm spielen. Seine Spätkarriere führte in noch in die Bigband von Count Basie Ende der 1970-er Jahre. Beide spielten exzellente Soli und vor allem Terry wurde einer der Hauptsolisten der Band. Beide brachten auch das Bop-Feeling mit in die Band hinein.
Ich hatte das große Glück, Terry noch live zwei Mal hören zu dürfen. Es war einfach atemberaubend, diesen humorvollen, wunderbaren Menschen noch erleben zu dürfen. Er spielte nach seiner Zeit beim Duke mit Quincy Jones, der Gerry Mulligan Concert Band, oder leitete eigene Bands und Bigbands, wirkte viele Jahre in der Begleitband der Tonight Show mit, und gab unzählige Meisterkurse rund um die Welt. In den späten 1970-er und 1980-er Jahren tourte er mit diversen All Star Bands, wie der Newport Jazz Festival All Star Band, den Count Basie-All Stars, den Duke Ellington-All Stars oder gar nur im Duo mit dem Bassisten Red Mitchell (da gibt es zwei wunderbare CDs von). Er verstarb hochgeehrt und hochbetagt 2015 im Alter von 94 Jahren. Die letzten rund sieben Jahre trat er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf.
Die erste Einspielung, die die neue Band mit den beiden Neuen bei den Trompeten machte, war "Vagabonds", einem Titel von Tizol und Ellington. Clark Terry (Trompete), Willie Smith (Altsax), Jimmy Hamilton (Klarinette) und Harry Carney (Baritonsax) und Louis Bellson (Drums) sind die Solisten. Man höre nur , wie druckvoll Bellson die Band vor sich her trieb. Endlich hatte der Duke hier einen festen Halt.
Doch ich möchte nicht vergessen zu erwähnen, dass man weder Lawrence Brown , noch Johnny Hodges hat gleichwertig ersetzen können. Britt Woodman spielte moderner als Brown, und wurde auch im Vergleich zu Brown eher wenig solisitisch eingesetzt, auch wenn er seine eigenen Bravour-Stücke vom Duke verpasst bekam.
Johnny Hodges war wohl nie ersetzbar gewesen, dafür war diese Stimme einfach ZU einmalig gewesen. Willie Smith bekam auch nie wirklich ein Solostück verpasst, sondern sollte die Stücke von Hodges übernehmen. Doch das konnte er nicht, da er ein völlig anderer Musiker war. Vielleicht war er auch schon über seinen Zenit hinaus gewesen. Jedenfalls hinterließ er keinen nachhaltigen Eindruck in der kurzen Zeit seiner Bandzugehörigkeit. Smith sollte dann nochmals rund neun Jahre für Harry James arbeiten, bis er wegen seiner Alkoholsucht die Band verlassen musste. Er hatte 1966-1967 ein kurzes Comeback, als er die Krankheit überwunden hatte. Er wurde von Charlie Barnet als Satzführer geholt, und spielte wie in besten Zeiten, als er im Februar 1967 eine Herzattacke bekam und verstarb. Seine wichtigsten Aufnahmen machte er mit der Jimmy Lunceford-Band in der großen Zeit des Swing. Dort blies er einige Soli für die Ewigkeit ("Blues in the Night", "My Blue Heaven", Rhythm is our Business"), Mitte der 1940-er Jahre wurde er von JATP herangezogen, und spielte dort mitreißende Soli. Er wurde allgemein neben Hodges und Benny Carter als der dritte große Altsaxophonist der Swing-Ära angesehen.
Damit ist das Jahr 1951 auch wieder rum. Fortsetzung folgt.