• George Szell

    Objektivität war ein wichtiger Teil seines Dirigats und so zitiere ich zunächst von einer website, der "platte 11":

    Von Heinz Gelking
    Interpretenportrait: George Szell (1897-1970)

    Er könne keine Schokoladensoße über Spargel gießen, hat George Szell gesagt, und damit vornehmlich seine Mozart-Einspielungen verteidigt. Doch an diesem Prinzip hielt er auch in über hundert weiteren Aufnahmen fest.

    Vielleicht verrät seine Diskografie durch das, was fehlt, genauso viel über George Szell, wie durch das, was da ist: Sie kommt ohne Berlioz’ „Symphonie fantastique“ aus, von Sibelius nahm er nur die „Zweite“ auf, bei Tschaikowsky fehlt, bezeichnender Weise, die „Pathetique“. Obwohl er von Beethoven, Brahms und Schumann Gesamtaufnahmen machte, nahm er von Schubert neben der „Rosamunde“-Musik nur die „Unvollendete“ (h-moll) und die „Große“ (C-Dur) und von den Mendelssohn-Sinfonien nur die „Italienische“ (A-Dur) auf. Das war der damalige Repertoire-Kanon, und den hat Szell – wohlgemerkt: auf Schallplatten – nie überschritten. Offenbar konnte oder wollte er bei seiner Plattenfirma auch keine Aufnahmen zeitgenössischer Komponisten unterbringen, obwohl er viele Uraufführungen dirigiert hat.

    Szells Aufnahmen entstanden für die amerikanischen CBS, die von 1948 bis 1988 unter Label-Namen wie Columbia und Epic Langspielplatten produzierte und den europäischen Klassikmarkt in den siebziger Jahren mit einer Flut preiswerter Reissues überschwemmte. Wer keinen Ehrgeiz hat, ausschließlich Original-Ausgaben in seiner Sammlung zu haben, für den halten Quellen wie Flohmarkt, Plattenbörse und Internetauktionshäuser ein umfangreiches und bezahlbares Angebot an Szell-LPs vor. Amerikanische „Columbia Six-Eyes“ gehen natürlich ins Geld. Auch Sony Classical hat Szells Erbe als Nachfolgerin von CBS über verschiedene Reihen wie die „Original Jacket Collection“ oder „Masterworks Heritage“ und „Essential Classics“ verteilt, aber wer sucht, der findet so gut wie alles inzwischen ebenfalls auf CD. Das gilt auch für die bei EMI herausgekommenen Aufnahmen, beispielsweise das Doppelkonzert von Brahms mit David Oistrach und Mstislav Rostropowitsch oder die Klavierkonzerte mit Emil Gilels. Nur eine Rarität hält sich etwas versteckt (auf CD in der Decca-Compilation „Decca & Philips Recordings 1951-69“): Szell hatte 1962 die vierte Sinfonie (f-moll, op. 36) von Tschaikowsky mit dem London Symphony Orchestra aufgenommen. Der Dirigent hat die Aufnahme nie freigegeben. Erst nach seinem Tod wurde sie als Decca SPA 206 veröffentlicht, unter einer SXL-Nummer erschien sie nie. Szell soll verärgert gewesen sein, weil während der Aufnahme einige andere Musiker im Orchester saßen als bei den Proben und im Konzert. Das entsprach nicht seinen Standards. Nach Szells Tod wurde die Aufnahme allerdings sehr berühmt: Sie unterläuft – ebenso wie eine „Fünfte“ von 1959 aus Cleveland – jedes Klischée, das zu Tschaikowskys Sinfonik in Umlauf ist. Szell setzt die Musik mit seiner straffen und brillanten Herangehensweise unter Hochdruck – ein Tschaikowsky für Tschaikowsky-Verächter von einem Tschaikowsky-Verächter gewissermaßen.

    Szell wurde 1897 in Budapest geboren und wuchs ab 1900 in Wien auf. Er war von 1946 bis 1970 Chefdirigent in Cleveland. Anekdoten prägen das Bild von ihm. Wenn sie stimmen, dann war er ein Genie und ein Eisblock. Als Zweijähriger soll er seiner Klavier spielenden Mutter auf’s Handgelenk geschlagen haben, wenn sie Fehler machte. In solchen Geschichten wurzelt es, das Klischée vom Pult-Diktator und Musiker-Schinder. Auf der anderen Seite hat der EMI-Produzent Suvi Raj Grubb ihn im Zusammenhang mit der Aufnahme der „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss durch Elisabeth Schwarzkopf von 1965 als Dirigenten beschrieben, dessen Probenarbeit so effizient war, weil er perfekt vorbereitet war, genau wusste, was er wollte, und es – in diesem Fall dem RSO Berlin – sachlich vermitteln konnte. Über den Privatmann Szell erfährt man wenig. Er war verheiratet, fuhr Cadillac und kochte gerne.

    Wie viele Dirigenten, begann George Szell als Pianist. Mit fünf Jahren hatten seine Eltern ihn zu Richard Robert geschickt, einem Klavierlehrer in Wien, der auch Clara Haskil und Rudolf Serkin unterrichtete. Mit Rudolf Serkin wird Szell eine lebenslange Freundschaft und Zusammenarbeit pflegen, wie er überhaupt einer der besten „Begleiter“ von Pianisten werden wird. Aber das liegt nicht daran, dass er aus dem Cleveland Orchestra eine mechanische Apparatur gemacht hätte wie einen modernen Konzertflügel, gewissermaßen technisch perfekt und seelenlos, im Gegenteil: Die Streicher des Cleveland Orchestra spielten präzise und reaktionsschnell wie ein Streichquartett und konnten deshalb auf Impulse, die vom Solisten kamen, reflexartig reagieren. Es gibt bei Szells Aufnahmen mit Solisten graduelle Unterschiede. So sind die Beethoven-Konzerte mit Emil Gilels aus dem Jahr 1968 (EMI) für sich betrachtet wunderbar, aber eben auch eine Spur konventioneller als die Einspielungen mit Leon Fleisher von 1961 (CBS). Dessen Deutungen sind streng und herb und virtuos und klar. Sie kommen ohne einen üppigen Klavierton aus. Der drahtige Klang erinnert fast an einen Hammerflügel. Die Verzahnung zwischen Klavier und Orchester ist passgenau, aber nicht statisch. Da weht frischer Wind – er hat Platz, weil der Klang nicht so massiv und dicht ist wie damals üblich. Diese Gesamtaufnahme wäre ein idealer Ausgangspunkt, um Szells Kunst kennen zu lernen.

    Das beste Heilmittel gegen das Vorurteil einer unterkühlten Musikausübung besteht aber darin, Szells Aufnahmen von Strauß-Walzern aus dem Jahr 1962 oder seine zwischen 1962 und 1965 eingespielten „Slawischen Tänze“ von Dvořák zu hören. Orchestervirtuosität wird da zum Absprungbrett für mitreißendes Musizieren."

    Dabei kenne ich so manches von ihm im Studio ausgelassene Werk als Mitschnitt, auch Berlioz, wenn auch nicht die "Symphonie fantastique".
    Sehr wohl aber Tschaikowskys "Pathetique" und einiges sonst, das er dirigierte, aber nicht auf LP veröffentlichte.

    Ich gestehe, mehr Mitschnitte mein eigen zu nennen als Studio- Aufnahmen und in diesen noch mehr zu finden, was ihn ausmachte: Logik und untrügliches Rhythmusgespür.
    Selbst die "Vier letzten Lieder" mit der Schwarzkopf klingen mit "seinem" Orchester so, dass die Studio-Produktion eher Ersatzcharakter besitzt.

    Für mich einer der wichtigsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts- subjektiv der vielleicht wichtigste.
    So manches Werk, das mir zuvor verschlossen blieb, entdeckte ich regelrecht unter seiner Leitung- und sei es ihm ein so "fremdes" Werk wie die Franck-Sinfonie.
    Er hat mir Tore aufgestoßen!

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

  • Auf Spargel gehört natürlich keine Schokoladensauce, aber bitteschön schon eine Sauce hollandaise. Aber der Szell war ja so ganz gegen alle Saucen... :hide: :D

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • och, meenste? Selbst als Feinschmecker?
    Musikalisch allerdings: ganz Deiner Meinung!
    Dennoch mag ich seine " hollandaise", die Mitschnitte aus Amsterdam.

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

  • Also ich will nicht ungerecht sein, denn ich mag Szells Schumann sehr. Aber von Mendelssohn hat der die Preussische Symphonie aufgenommen, und sein Prokofjew und sein Bartók lassen mich völlig kalt - allerdings nur bis zum Schlusssatz des Konzerts für Orchester, wo er meint ein besserer Komponist als Bartók zu sein und Striche einführt. Da brodelt es dann in mir. Seinen Brahms muss ich mir noch einmal vergleichend zu Gemüte führen. Seinen Haydn habe ich noch nicht. Allerdings sehe ich nach Erwerb der Frans Brüggeschen Haydnbox - vor allem auf Dein Plädoyer andernorts hin -keinen Grund mehr Haydnsymphonien zu kaufen. Brüggen ist für mich unübertrefflich.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Der "legendäre" Ruf der Haydn-Aufnahmen Szells ist m.E. zu einem gut Teil durch den damaligen armseligen Stand der Diskographie erklärbar. Gegenüber dem, was man Mitte der 60er sonst noch kaufen konnte*, sind sie transparent, virtuos, genau etc. Aber eben auch sehr streng, etwas steif und weitgehend humorlos. Brüggen ist dagegen flexibel und romantisch (willkürlich?), insofern als Kontrast vielleicht schon interessant.
    Ich hatte von Szells zwei Einzel-CDs und habe mir, als die billige Box herauskam, diese noch mal angeschafft. Zwar ist das schon hörenswert, aber nötig gewesen wäre es m.E. nicht. Die beste ist meiner Erinnerung nach die #95, zu der der strenge Stil passt, 97 ist auch gut, 93 im Kopfsatz zu langsam, 92 vergleichsweise zahm.

    *und die rühmlichen Ausnahmen historischer Aufnahmen sind m.E. meistens interessanter als Szell: Rosbauds überragende #92, die ebenso genau und durchhörbar ist, aber weit packender, Furtwänglers #88, oder die hochindividuellen (willkürlichen) Aufnahmen Scherchens (sofern nicht durch besonders miesen Klang und Orchesterschwächen entwertet, was für mich leider bei einigen davon zutrifft).

    Wenn man sie noch kriegt, würde ich eher die Decca-Box mit Nicht-Cleveland-Aufnahmen und Mitschnitten empfehlen, zumal die auch weniger "trocken" klingen, als einige der CBS-Aufnahmen: Beethoven Egmont und 5. Sinf., Sibelius 2. u.a.

    Und eine der Aufnahmen von Brahms' 1. KK (ich kenne, glaube ich, nur die mit Fleisher, aber es gibt noch einige weitere: Serkin und Curzon, IIRC)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Szell doesn't sell

    Dieses Vorurteil hat wohl mitgeschwungen als die große CBS einen ihrer besten Künstler in den 50iger Jahren bis Anfang der 60iger im EPIC Label quasi verkümmern lies.
    Große Teile von Beethoven, Brahms und Mozart und Schubert, Schumann sowieso erschienen dort zuerst.
    "http://fischer.hosting.paran.com/music/Szell/discography-szell.htm"
    Nur langsam setzte sich Szell mit seinen Aufnahmen durch, vielleicht auch, weil bei CBS der Platz von Bruno Walter nach dessen Ableben frei wurde.
    Immerhin waren die New Yorker und Philadelphia in fester CBS Hand.

    Szell wird wohl immer und ewig mit Brahms "Di-Meinor Konscherto" verbunden sein. Die großen Pianisten der damaligen Zeit lieferten es mit ihm ab.
    Schnabel, Curzon, Fleisher und Serkin.
    Seine Beethovens 9ne sind so, dass ich mich nach Anhören immer frage, wieso ich denn so viele Aufnahmen habe, diese reichen doch völlig aus. (OK, etwas Klemp muss sein)
    Gleiches für die Klavierkonzerte: Fleisher mehr als Gilels.
    Ach, egal, ich erkenne eigentlich keine "Luschen" in seinem Repertoire.
    Was mich nur kollossal ärgert ist die Tatsache, das ich im "LP-Raus Wahn" die LP mit den "slawischen Tänzen" (HiFi Stereophonie damals. "Ihm gelingt die Quadratur des Kreises") sowie eine mit Walzern von Johann Strauss verscherbelt habe und sie mir bisher nicht wieder besorgt habe.
    Suvi Raj Grubb steuerte Anekoten hinzu, dass Szell sehr stramme Martinis mixen konnte, wie ein Henker Auto fuhr (man schaue sich mal seine Brille an. blind wie ein Maulwurf muss er gewesen sein), sehr gerne sehr scharf chinesisch Essen ging und sich von der Bar gegenüber (London der 60iger) ne Flasche Burgunder servieren lies.

    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • ad Kater Murr:
    Wie gesagt, den Schumann kann man wirklich empfehlen, denn da ist von der, auch von mir oft so empfundenen, Kühle nichts zu spüren. Deine Schilderungen von Szells Haydn passen dagegen für mich gut ins Bild.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Zitat

    Szells Aufnahmen entstanden für die amerikanischen CBS, die von 1948 bis 1988 unter Label-Namen wie Columbia und Epic Langspielplatten produzierte und den europäischen Klassikmarkt in den siebziger Jahren mit einer Flut preiswerter Reissues überschwemmte.

    Produziert worden kann stimmen, aufgenommen nicht. Szell weilt seit 1970 nicht mehr unter den Lebenden.

    Ich habe durch Szell viel Musik erstmals kennen und auch schätzen gelernt: Alle Brahms-Sinfonien, die Beethoven-Sinfonien, Dvoraks Slawische Tänze, Bartok, Haydn und natürlich auch sein Schumann, der sicher nicht bei Jedem angekommen ist, ich aber für so interessant halte wie Chaillys Einspielung in der Neuzeit. Dazu noch Richard Strauss, Johann Strauss, Haydn....Das war meine Anfangszeit, alles damals CDs für 5 DM (!!!!), wenig Geld für jemanden, der noch nicht so viel verdient hat, um sich teure Produktionen leisten zu können.

    Ich kann nur auch hier schreiben, was ich bei Fritz Reiner bereits geschrieben habe: Ein extrem "harter Hund" als Dirigent, dessen Hang zur absoluten Perfektion er sich mit Reiner teilte, dazu noch Eugene Ormandy, alleine diese drei Dirigenten (von Bruno Walter, Otto Klemperer und Arturo Toscanini ganz zu schweigen) hätten Europa gut getan, doch da war ja ein völlig gestörter Mann aus Österreich, der die Welt total aus den Fugen reißen sollte....

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Es ist ja nicht so, dass in den 1930ern in Europa ein Mangel an guten Dirigenten geherrscht hätte. Vermutlich war der Einfluss, den die genannten (und einige weitere) in den USA (damals in mancher Hinsicht noch kulturelles "Entwicklungsland", besonders im "Hinterland" wie Minneapolis oder Pittsburgh) hatten, weit größer als er in Europa gewesen wäre.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich bin gewiss kein Mann der Superlative, und auch übertriebene Heldenverehrung ist mir eher fremd. Aber ich halte George Szell schlicht für einen der überragendsten Dirigenten des 20. Jh. Neben Carlos Kleiber ist es er, der meinen Sinn für sinfonische Musik am meisten geprägt hat. Er hat ja ein Riesen Repertoire hinterlassen, und es fällt schwer in alles hineinzuhören. Aber ich denke, dass ich die wichtigsten Aufnahmen in meiner Sammlung habe. Ein besonderer Vorzug bei Szell ist, dass er so lange mit dem Cleveland Orchestra gearbeitet hat. Dadurch konnte er seine Idealvorstellungen von einem Orchesterklang verwirklichen.
    Besonders empfehlen (neben fast allem anderen) kann ich diese Box

    Sie enthält Mitschnitte aus Salzburg, wo er viele Jahre zum festen Bestand gehörte. Wunderschön das späte Klavierkonzert KV595 von Mozart mit Clifford Curzon, oder Beethovens 3. Sinfonie mit der tschechischen Philharmonie Prag.

    Meine schönsten Mozart Klavierkonzerte finden sich in dieser Box:

    Ähnlich wie Leon Fleisher, verbindet Robert Casadesus eine vollkommene Übereinstimmung mit Szell. So wunderbar gelöst hört man diese herrlichen Konzerte sonst nicht. Eine absolute Sternstunde.
    Und die Kollaboration mit Fleisher führte ausnahmslos zu exemplarischen Aufnahmen (Beethoven, Brahms, Schumann, Grieg). Sie sollten zum festen Bestand jeder Sammlung gehören, und für mich gehören sie jeweils zu den besten Einspielungen dieser Werke.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Es ist ja nicht so, dass in den 1930ern in Europa ein Mangel an guten Dirigenten geherrscht hätte. Vermutlich war der Einfluss, den die genannten (und einige weitere) in den USA (damals in mancher Hinsicht noch kulturelles "Entwicklungsland", besonders im "Hinterland" wie Minneapolis oder Pittsburgh) hatten, weit größer als er in Europa gewesen wäre.

    Bis weit in die 60er Jahre des 20. Jh. waren ja "zugereiste" Dirigenten tonangebend in den USA. Alle großen Orchester hatten nicht amerikanische Dirigenten verpflichtet (Toscanini, Damrosch, Stokowski, Munch, Walter, Leinsdorf, Szell, Ormandy, Reiner, Koussevitsky uvam.) Und durch den Exodus der verfolgten Künstler aus Europa bekam die Entwicklung noch mal einen besonderen Schub. Das Cleveland Orchestra wurde seit seiner Gründung 1918 ausnahmslos von Dirigenten aus Europa geleitet. Davon allein 24 Jahre von Szell und 18 Jahre von Christoph von Dohnanyi.
    Etwas überspitzt könnte man die amerikanische Kultur als europäische Sekundärkultur bezeichnen. Allerdings hätte ich mir schon gewünscht, dass alle die Musiker welche in den USA Asyl gefunden hatten, in Europa hätten bleiben können. Denn ab 1930 war dort fast nur noch der "Bodensatz" tonangebend.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Kater Murr

    Zitat

    Es ist ja nicht so, dass in den 1930ern in Europa ein Mangel an guten Dirigenten geherrscht hätte.

    Eusebius

    Zitat

    Denn ab 1930 war dort fast nur noch der "Bodensatz" tonangebend.

    Der Doc fragt sich: Hamwer eigentlich nen Thread über den Exodus europäischer Musiker in den 30iger Jahren?

    Gruß aus Kiel

    Ach, noch ne Anekdote über Klemp und Szell. Klemperer wird gefragt, wie er "La Mer" in Szells Interpretation fand. Klemp: "Für mich klang es mehr wie (s)Zell am See"

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Bodensatz: Furtwängler, Mengelberg, Abendroth, Knappertsbusch, Krauss, Böhm, Karajan, Jochum, Rosbaud, Schuricht...?

    Ich will die politische Entwicklung der Zeit oder das Verhalten einiger der genannten Musiker nicht beschönigen, aber dass es keine guten Dirigenten mehr gegeben hätte, ist einfach falsch.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich will die politische Entwicklung der Zeit oder das Verhalten einiger der genannten Musiker nicht beschönigen, aber dass es keine guten Dirigenten mehr gegeben hätte, ist einfach falsch.


    Na gut, dann nehme ich den Ausdruck "Bodensatz" zurück. Gehört ja eigentlich auch nicht hierher, wie der Doc bereits festgestellt hat. Ich retiriere mich ganz submissest ..

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Zitat

    Bodensatz: Furtwängler, Mengelberg, Abendroth, Knappertsbusch, Krauss, Böhm, Karajan, Jochum, Rosbaud, Schuricht...?

    Gemessen an den verloren gegangenen Dirigenten ist das der Bodensatz. Sicher negativ gesprochen, und so nicht gemeint, aber ob ein Karajan dann überhaupt je Erfolg gehabt hätte, lassen wir mal so stehen.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • aber ob ein Karajan dann überhaupt je Erfolg gehabt hätte, lassen wir mal so stehen.


    Achtung, vermintes Gelände!

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Zitat

    Macht nix...

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • ..., Munch, ...


    Charles Munch ist allerdings nicht in die Reihe der vor dem Nazismus geflohenen Emigranten zu zählen, da er erst 1949 nach Boston ging. Von 1938 bis 1946, also auch während der deutschen Besatzung, hat er das Orchestre de la Société des Concerts du Conservatoire in Paris geleitet. Sein Nachfolger dort wurde dann der (ebenfalls nicht emigrierte) André Cluytens.

    :wink:

  • Charles Munch ist allerdings nicht in die Reihe der vor dem Nazismus geflohenen Emigranten zu zählen,


    Ich habe ja auch generell von zugereisten Dirigenten gesprochen

    Furtwängler, Mengelberg oder Fricsay müssen sich qualitativ sicherlich nicht hinter Szell & Co verstecken.


    Das verlangt auch niemand. Es geht ja hier nicht um ein Ranking, sondern die Würdigung eines aussergewöhnlichen Dirigenten. Bei Dirigenten die auf einem etwa gleichen künstlerischen Niveau angesiedelt sind sollte man m.E. auch nicht von "besser", sondern eher von "anders" sprechen.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

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