MONTEVERDI: L'Orfeo

  • MONTEVERDI: L'Orfeo

    Aus diesem Post im Thread über den Dirigenten Jordi Savall hat sich der Beginn einer Diskussion um Aufnahmen von Monteverdis "L'Orfeo" entwickelt. Da diese Oper wie wohl kaum eine andere einen eigenen Thread verdient, nehme ich diese gerne zu Anlass, diesen ins Leben zu rufen und die betreffenden Beiträge hierhin zu verschieben.

    Le Merle Bleu


    Guten Tag Thomas.

    Ich habe einige Einspielungen mit diesem Künstler. Sogar das Mozart-Requiem. Auch Boccherini, und eine wunderbare DVD mit ihm als Dirigenten. Ich meine den "Orfeo". Er und das ganze Orchester in historischer Kleidung.

    Es grüsst Dich Rolf.

  • Hallo Rolf,

    Ja, Orfeo ist ein super Spektakel!
    Furio Zanasi als Orfeo klingt vielleicht besser bei Alessandrini, neben dem Ponnelle-Orfeo unter Harnoncourt die beste DVD-Aufnahme dieser fantastischen Oper.

    Grüße
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Zitat

    Ja, Orfeo ist ein super Spektakel!


    ich finde aber nur musikalisch, die Inszenierung ist einfach nur langweilig, zwar wunderschön gemalte Kulissen und stimmungsvolle Bühnenbilder, aber die Personenregie ist zum abgewöhnen, kaum Bewegung, als sehe man antiken Statuen zu, der Eindruck wird ja noch verstärkt,da die Sänger und Statisten allesamt Toga tragen.


    Nee sowas ist nix für mich :shake: da schlafe ich ein, trotz der schönen Musik.


  • ich finde aber nur musikalisch, die Inszenierung ist einfach nur langweilig, zwar wunderschön gemalte Kulissen und stimmungsvolle Bühnenbilder, aber die Personenregie ist zum abgewöhnen, kaum Bewegung, als sehe man antiken Statuen zu, der Eindruck wird ja noch verstärkt,da die Sänger und Statisten allesamt Toga tragen.


    Nee sowas ist nix für mich :shake: da schlafe ich ein, trotz der schönen Musik.

    Lieber Duc, das hatten wir doch schon mal, oder? :rolleyes:

    Ich stimme Dir völlig zu. Schon der Auftritt Savalls am Anfang zur Toccata, wenn er quasi als Monteverdi verkleidet das Theater betritt, ist peinlich. Und das Diva-Gehabe von Montserrat Figueras :shake: . Insgesamt Theater zum Abgewöhnen. Aber wenn man das Bild abschaltet, ist es sehr schön :D

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Interessant. Für mich ist die Regie gut: die Toccata hat ihren Witz mit diesem Einzug, und mag auch die Kulissen und Kostüme: sogar szenisch gefällt mir die Regie: die Tänze in dem ersten Akt, oder Charon im Dritten, alle sehr gute Lösungen. Das Dialog zwischen Persephone und Plutone ist wirklich etwas zu steif.
    Musikalisch kenne ich aber weit bessere Aufführungen. Frau Figueras als Musica ist schwach (sie ist schon alt, wr müssen das einsehen), Zanasi brilliert hier auch nicht (nicht so wie bei Alessandrini :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: Als wären die zwei verschiedene Stimmen!), einige der Pastoren sind gut, aber wer kümmert das schon :P , zum Glück ist Charon gut Besetzt, wie auch Plutone, aber Persephone... Euridice hat zum Glück nicht viel zu singen und das Mädchenhafte an Fräulein Savall kann eben noch vergessen machen, dass sie stimmlich ein wenig wackelt.

    Wer gute Orfeo-Einspielungen hören will, muss nach Alessandrini oder Cavina greifen! :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Guten Morgen.


    Vor nicht allzulanger Zeit ist bei Dynamic eine Aufnahme des Orfeo erschienen die ich allen die sie nicht kennen ans Herz legen kann - ich besitze von der Aufführung nur den Radiomitschnitt, aber schon der hat mich so begeistert, daß ich mir die DVD auch noch kaufen werde und ein Bekannter (dem ich bei solchen Dingen große Kompetenz und das nötige Verständnis unterstelle) - der hier schon schmerzlich vermisste Edwin - hat die DVD, sowohl die musikalische als auch die inszenatorische Ausführung, sofort zu seiner Referenz erklärt; William Christie und Les Arts Florissants mit Dietrich Henschel und Maria Grazia Schiavo:


    ,

    eine Live-Aufführung aus dem Teatro Real in Madrid.

    Ich wünsche einen angenehmen Wochenbeginn

    Bernhard


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Lieber Tscha

    Das Savall-Töchterlein ist in der Tat ein Problem. Überhaupt denkt man bei manchen Konzerten, wenn auch der Sohn an Bord ist, mehr an die Kelly-Family :hide: . Montserrat Figueras habe ich gar nicht als so schlecht in Erinnerung - aber da bin ich vielleicht voreingenommen, weil ich ihre Stimme sehr mag und seit vielen vielen Jahren viele ihre Platten immer wieder gehört habe. Musikalisch hat mir das Dirigat von Savall gut gefallen, auch wenn es nicht besonders "theatralisch" ist - auch hier spielt mir eventuell meine Sucht nach dem Savall-Klang einen Streich :rolleyes: .

    Den Orfeo in der Besetzung der Savall-DVD konnte ich vor vielen Jahren auch live erleben (konzertant), und zwar in Beaune. Sogar anderthalb Mal: Die Freiluftaufführung musste nach knapp der Hälfte wegen Gewitter unterbrochen werde und wurde 2 Stunden später in der Kirche nebenan wieder von vorne begonnen. Der Anblick der Musiker, die mit dem Cembalo auf dem Rücken zur Kirche liefen, ist unvergesslich. Ich habe den Klang noch magischer in Erinnerung als auf der DVD.

    Es gibt natürlich zahllose Aufnahmen der Oper. Ich bin ein besonderer Fan derjenigen von René Jacobs:


    Die folgenden 3 Aufnahmen kenne ich (noch) nicht. Meinungen dazu würden mich sehr interessieren: La Venexiana, Alessandrini, Haim

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Zitat

    Der Anblick der Musiker, die mit dem Cembalo auf dem Rücken zur Kirche liefen, ist unvergesslich.

    :mlol: :mlol: :mlol:

    Zitat

    Ich bin ein besonderer Fan derjenigen von René Jacobs

    Lieber Michel,

    in meinem Orfeo-Erlebnis wurde ich entscheidend von einem ungarischen Musikhistoriker, Tibor Tallián, geprägt, dessen Vorträge über Operngeschichte ich während des Germanistikstudiums besuchte. Er erklärte, für die frühe Oper, wie Orfeo, sei eine stark instrumentierte Continuo-Gruppe nicht adequat, sie verhindere nämlich, dass der Sänger so frei wie nur möglich seinen Part singen kann - und gerade dass sei ja damals das Novum gewesen: das freie, rhytmisch unbezwungene Singen; wenn Harnoncourt und Jacobs da mit Streicher im Continuo kommen, dann verfälschten sie die Musik.

    Ich habe auch die Jacobs-Aufnahme, und sie gefällt mir ja auch, aber diese Erklärung versalzt mir sie immer im Hinterkopf. :cursing:

    Zitat

    Die folgenden 3 Aufnahmen kenne ich (noch) nicht. Meinungen dazu würden mich sehr interessieren: La Venexiana, Alessandrini, Haim

    Weil ich da fast so viele Orfeo-Einspielungen habe, wie die von den Rosenkranz-Sonaten (Vespri hab ich noch mehr! :D ), kann ich dir auch da behilflich sein:

    Haim:

    Wirklich gut, aber Bostridge ist einfach zu schwach als Orfeo, noch dazu leidet die ganze Aufnahme am Austrocknen. Sie ist so dürr und trocken, dass es kaum mehr Spaß macht. Diese Eigenschaft wurde mir aber nur nach den folgenden zwei Aufnahmen klar, mit Cavina und Alessandrini.


    Cavina:

    :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu:
    Wer sein Monteverdi-Madrigal-Zyklus kennt, sollte schon das Höchste erwarten: und man bekommt es auch.
    Die ganze Aufnahme ist über-HIP: nur die vorgeschriebenen Instrumente, nichts dazuinstrumentiert, auch nicht die Pauken in der Toccata (!!!), noch dazu wird das Ganze szenisch aufgenommen: die inferialen, negativen Kräfte stehen an der linken Seite, die solaren, positiven an der rechten, Orfeo in der Mitte. Könnte befremdend sein: mir war's einleuchtend!
    Wirklich gute Stimmen, obwohl keine Stars, bedächtige Tempi: das Madrigalische wird durchgehend betont.
    Dadurch verliert das Stück an "dynamischer (Aktions-)Dramatik", nimmt aber an "musikalischer (Gefühls-)Dramatik" zu (ich hoffe man du verstehst was ich meine). Die Messagiera Szene hab ich noch nie so ergreifend gehört: herzzerreißend, man wird zu Tränen gerührt und aufgewühlt.

    Alessandrini:
    :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu:
    Aenlich in dem Sinne, dass diese Aufnahme in manchen Aspekten diametral das Gegenteil macht, als Cavina. Auch HIP, aber freier (z.B. mit Pauken in der Toccata). Schnelle, dynamische Tempi, mehr "Aktionsdramatik", Stars (oder mindestens besser bekannte Namen) in den Haupt- und Nebenrollen.
    Jedoch ist da etwas gemeinsam: beide Aufnahmen leben auf einer Weise, die man früher noch nicht gehört hat. Muss man ein Italiener sein, um Moneteverdi richtig aufführen zu können?
    Wenn ich nur die dramatische Ausdruckskraft der Stimmen sehe, ist sie - die von Alessandrini - die beste Aufnahme des Orfeo, die ich je gehört habe, hier passieren Wunder: man glaubt zu sehen, wie die Figuren handeln, wie sie sich freuen, wie sie leiden. (In der Einspielung von Cavina wird aber vielleicht schöner gesungen.)

    Es gibt noch eine Aufnahme, die ich Jedem empfehlen würde: die mit Gabriel Garrido. Einen besseren Orfeo, wie bei ihm, kann man sich wirklich nicht wünschen!

    Trotzdem: für mich bleiben diese zwei - Cavina und Alessandrini - die zwei besten Einspielungen vom Orfeo.

    Liebe Grüße

    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Guten Morgen Thomas.

    Neben der Einspielung mit Alessandrini habe ich ebenfalls die Aufnahme mit Gardiner. Seit viele Jahren schon.

    Ich bin ja nur ein einfacher Musikhörer. Aber diese Gesamtaufnahme (mit der DVD Aufnahme der Vesper aus San Marco) gefällt mir .

    Es grüsst Dich Rolf.

  • Ich besitze bereits fünf Einspielungen auf CD:


    :pfeif:

    Diese war meine erste: mir gefiel anfangs das Dirigat durchaus, aber beim letzten Hören (wo ich in der Zwischenzeit andere Interpretationen kennen gelernt habe) fand ich das Ganze etwas lahm musiziert. Lajos Kozma find ich doch recht blaß. Ich muß allerdings sagen, daß mir in der Titelrolle Baritone lieber sind als Tenore. Fazit: immer noch gut, aber es gibt bessere.

    Hier die Neu-Veröffentlichung:

    Sie hat aber leider nicht mehr die Texte im Booklet; die kann man sich online runterladen bei:
    "http://warnerclassics.com/sungtexts/0825646964581.pdf"


    Die zweite ist ebenfalls von Harnoncourt dirigiert:

    "http://www.amazon.de/LOrfeo-Ulisse-…11419929&sr=1-7"
    :thumbup:

    Es sind die Zürcher Aufführungen aller drei Monteverdi-Opern. Hier singt Philippe Huttenlocher den Orfeo, und ich muß sagen, er gefällt mir außerordentlich gut. Er ist wesentlich dramatischer und emotionaler als Kozma. Auch klingt das Orchester lebendiger.


    Die nächste Einspielung fand ich zufällig auf dem Grabbeltisch:

    Cantus Classics (2006) :thumbup:

    Es ist die 1955er Einspielung von der Archiv Produktion unter August Wenzinger. Ich muß sagen, wenn Orfeo als Tenor, dann Helmut Krebs! Er klingt wunderbar. Wenzingers Interpretation mag heute überaltet klingen, aber damals war das die erste wirklich brauchbare Einspielung, die es bis dahin gegeben hatte (es war die insgesamt dritte Gesamteinspielung). Ich finde, daß sie immer noch ihre Qualitäten hat - vor allem bei den Sängern. Als 2. Hirte/1. Geist/Apollo hört man Fritz Wunderlich.

    Hier sind zwei alternative CD-Veröffentlichungen:

     

    Links die Erstausgabe von der Archiv Produktion selber, nur noch gebraucht zu bekommen. Rechts die Membran-Ausgabe, erst 2010 herausgekommen. - Die Cantus-Ausgabe ist klanglich einwandfrei, aber die Verpackung... :wut2:


    Die nächste ist die von Michel Corboz:

    :thumbup:

    Sie erschien erstmalig 1986. Sie ist wunderbar musiziert und mit herrlichen Stimmen besetzt. Gino Quilico (Bariton) singt den Orfeo, eine tolle Leistung! Interessant ist, wer sonst noch im Ensemble sitzt: als Chorleiter Philippe Herreweghe, als Konzertmeister John Eliot Gardiner und als Blockflötenspieler Michel Sanvoisin!


    Die ist die beste, die ich bisher gehört habe:

    :juhu: :juhu: :juhu: :juhu: :juhu:

    Ganz ehrlich: so schwungvoll, elastisch und innig klingt diese Oper selten! Garrido hat Monteverdis Werk auf eine Art und Weise entschlackt, daß es eine wahre Freude ist. Victor Torres singt den Orfeo.


    Als DVD habe ich diese:

    :thumbup:

    Ich finde den Film sehr gut. Allerdings hätte ein digitales Remastering gutgetan.


    Ich bin von dieser Oper immer wieder berührt. Sie gehört für mich definitiv zu den Werken, die ich auf die berühmte Insel schleppen würde... 8+)


    jd ;+)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • [Kopiert aus "Eben gehört".
    27.09.11
    :wink:
    Gurnemanz]


    Heute war bei mir Monteverdi-Tag:


    Den Orfeo singt Enrico de Franceschi (1885-1945), ein Bariton.

    danach:


    Helmut Krebs (1913-2007), Tenor


    Heute bekam ich den Walhall, der sofort im Player landete. Keine Sorge, Leute, ich wußte, was mich erwartete. Bei Calusio ist sehr schön zu hören, wie ein belcanto-geschultes Ensemble Frühbarock singt. Das hat nicht gerade pampers-sichere Erkenntnisse zur Folge: bei der Sinfonia am Beginn und der Morescha am Ende muß man echt die Ohren zuklappen, und die Sänger entstammen komplett der "La Traviata" entsprungen. Doch furchtbar ist der Chor: so verschmiert und wimmernd habe ich das "Lasciate i monti" im 1. Akt noch nie gehört! :faint:

    Immerhin handelt es sich um die allererste Kompletteinspielung des L'Orfeo, entstanden im Jahre 1939. Auf insgesamt 12 78er Schellacks wurde sie von "La Voce del Padrone" [HMV] veröffentlicht. Das Remastering von Walhall ist ganz gut; die Knistergeräusche der Schellacks ist leise zu hören, aber das hohe Eigenrauschen wurde herausgefiltert. Dadurch wirkt die Aufnahme auch leider recht dumpf; aber nur durch einen Direktvergleich mit einer anderen Quelle würde man das beanstanden - ohne einen Vergleich bleibt ein solider Eindruck bestehen.

    Hier ist eine andere Quelle: :D

    "http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k127515c"

    Jede der 24 Plattenseiten läßt sich aufrufen. Über dem Bild gibt es eine Hörleiste, auf der der Inhalt der jeweiligen Plattenseite komplett zu hören ist. Das Signal ist unbehandelt; es enthält den Rauschanteil, wirkt aber auch räumlicher. Die Überspielungen laufen übrigens ein bißchen schneller als auf den Walhall-CDs ab. Also: wer hören will, wie man früher Frühbarock musiziert hat - ich bestelle den Krankenwagen aber nicht... :D


    jd :wink:

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  • Zitat

    Madoror schrieb:
    Edwin - hat die DVD, sowohl die musikalische als auch die inszenatorische Ausführung, sofort zu seiner Referenz erklärt; William Christie und Les Arts Florissants mit Dietrich Henschel und Maria Grazia Schiavo:


    ...und erst gestern sah und hörte ich die Aufnahme wieder: Ja, ich finde sie faszinierend. Es ist mir völlig gleichgültig, ob das "historisch korrekt" ist. Was habe ich von einer "historisch korrekten" Aufführung, die mich langweilt?
    Na eben...
    Und langweilig ist diese überhaupt nicht. Christie läßt Monteverdi spielen, als wäre er ein heutiger. Die Musik klingt frisch, fast agressiv. Es wird verständlich, daß dieses Werk die Gattung nicht begründet, wohl aber definiert hat. Die Inszenierung ist ästhetisch, vielleicht etwas geschmäcklerisch und manieristisch, aber ich finde, daß sie zum Werk sehr gut paßt. "L'Orfeo" langweilt mich eigentlich nie, aber so begeistert er mich noch mehr als üblicherweise.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • [Habe ich persönlich aus eben gehört kopiert; jd]


    Im Laufe des Abends:

    [Blockierte Grafik: http://ec2.images-amazon.com/images/P/B0003021NG.03._SS300_SCLZZZZZZZ_.jpg]

    Zum 2. Mal - und ich muß sagen, so richtig warm kann man mit Calusio nicht werden. Die Umsetzung ist wirklich nur noch von historischem Interesse. Die instrumentalen Stellen sind nicht nur schwerfällig, sondern unglaublich langsam musiziert. Das Tänzerische ist komplett einer Valium-Interpretation gewichen. Die Sänger bringen eine Inbrunst ein, die die ganze zarte Qualität der Oper ruiniert. Und der Chor: 8| :wacko: :cursing: :( :thumbdown: . Sie wußten wirklich nicht, wie sie es realisieren konnten.

    Eine Einspielung, die man wirklich als "gealtert" bezeichnen kann. Immerhin: ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.


    jd :wink:

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    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd


  • Hier ist eine andere Quelle: :D

    "http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k127515c"

    Jede der 24 Plattenseiten läßt sich aufrufen. Über dem Bild gibt es eine Hörleiste, auf der der Inhalt der jeweiligen Plattenseite komplett zu hören ist. Das Signal ist unbehandelt; es enthält den Rauschanteil, wirkt aber auch räumlicher. Die Überspielungen laufen übrigens ein bißchen schneller als auf den Walhall-CDs ab. Also: wer hören will, wie man früher Frühbarock musiziert hat - ich bestelle den Krankenwagen aber nicht... :D

    Ich habe jetzt angefangen, da hineinzuhören. (bin bei Seite B der ersten Platte) Mir scheint ein weiterer Problempunkt dieser Aufnahme zu sein, dass man nicht gerade das 1A-Ensemble für diesen "Orfeo" verwendet hat. Die Toccata ist von den Bläsern ja schlicht nur unsauber geblasen. Oder liegt das auch an der Aufnahmetechnik der Zeit? Die Musica, Ginevra Vivante, finde ich gar nicht einmal so übel. Natürlich singt sie mit Vibrato und nicht wirklich stilecht, aber sie hat von Natur aus eine recht schlanke Stimme, die das Gröbste verhindert.

    Aber wirklich richtig schlimm ist das Tempo der Ritornelle! Was hat sich der Dirigent dabei gedacht? Man sollte doch, wenn man Monteverdis Noten betrachtet, leicht merken können, dass das eine Melodie sein soll und keine Aneinanderreihung ewig langer Akkorde! Wenn das auf der Walhall-Pressung noch langsamer ist, na dann wirklich gute Nacht!

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Aber wirklich richtig schlimm ist das Tempo der Ritornelle! Was hat sich der Dirigent dabei gedacht? Man sollte doch, wenn man Monteverdis Noten betrachtet, leicht merken können, dass das eine Melodie sein soll und keine Aneinanderreihung ewig langer Akkorde! Wenn das auf der Walhall-Pressung noch langsamer ist, na dann wirklich gute Nacht!

    Zum Glück wird es nicht langsamer - es nervt aber irgendwann trotzdem. Die Morescha zum Schluß tut besonders weh. Ich behaupte mal: selbst damals gab es Zuhörer, die das Tempo unmöglich fanden... :wut2: Die Sänger halte ich grundsätzlich für sehr gut geschult, aber eben nicht passend zu diesem Werk.

    Ich freue mich, daß Du dich dazu durchgerungen hast, es mal anzuhören. Das setzt Mut voraus. ;+)

    Ich werde aber trotzdem nicht den Krankenwagen... :stumm:


    jd :D

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Ich behaupte mal: selbst damals gab es Zuhörer, die das Tempo unmöglich fanden... :wut2: Die Sänger halte ich grundsätzlich für sehr gut geschult, aber eben nicht passend zu diesem Werk.

    Ich freue mich, daß Du dich dazu durchgerungen hast, es mal anzuhören. Das setzt Mut voraus. ;+)

    Ich werde aber trotzdem nicht den Krankenwagen... :stumm:

    Ich hab gerade noch den ersten Akt ausgehalten, dann hab ich mir eine Pause gegönnt, die wohl noch länger anhalten wird... ;+)

    Ich weiß nicht genau, was zu diesem unmöglichen Tempo geführt hat; hat der Dirigent ein Alla breve übersehen? Bzw. das Konzept der "weißen Notation" nicht geschnallt? Wenn man den damaligen Zuhörern erklärt hat, dass das eben so in den Noten steht und so gehört, hätten sie es aber wahrscheinlich geglaubt - und sich alle miteinander gedacht, dass Monteverdi aber rückständige Musik sei und die italienischen Opern des 19. Jh. viel besser und rhythmischer... :whistling:

    Das Beste an der Aufnahme sind noch die Sängerinnen. Bei den Männern stört mich der unpassende Gesangsstil mehr. Ich habe allerdings nach wie vor den Eindruck, dass diese Aufnahme auch für die damalige Zeit nicht das Nonplusultra an historischer Aufführungspraxis und an künstlerischer Qualität darstellte. :stumm:
    (Vgl. dazu diesen informativen Thread und insbesondere den Link im ersten Beitrag zu "2000 Jahre Musik auf Schallplatte", einer Anthologie Alter Musik von Antike bis Barock, ebenfalls aus den 1930er Jahren: diese Aufnahmen sind schon deutlich besser als dieser Orfeo!)

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Bzw. das Konzept der "weißen Notation" nicht geschnallt?

    Vielleicht liegt das eher an Malipieros Übertragung - ich glaube nicht wirklich, ob Ferruccio Calusio da sich noch mit der weißen Notation auseinandergesetzt hat.

    Ich habe allerdings nach wie vor den Eindruck, dass diese Aufnahme auch für die damalige Zeit nicht das Nonplusultra an historischer Aufführungspraxis und an künstlerischer Qualität darstellte. :stumm:

    Das mit Sicherheit nicht. Damals ließ man durchaus "Bearbeitungen" durchgehen, wo heutzutage kritischer hinterfragt wird. Sonst gäbe es nicht so viele Einspielungen, die mit einer monströsen Besetzung und modernem Instrumentarium realisiert wurden.

    Was die künstlerische Qualität betrifft, stimme ich voll und ganz zu! Aber soll das wirklich die Zweit- oder Drittbesetzung der Mailänder Oper gewesen sein, die den L'Orfeo eingespielt hatte? Das spricht vor allem nicht für die Scala! Ich fürchte, da mischt auch jene Einstellungsfrage mit, wie man so ein Werk umsetzt. Ich vermute, hier gab es bei der Realisierung dieser Aufnahme gar keine Auseinandersetzung mit der musikwissenschaftlichen Forschung. Anders sind die Tempi gar nicht zu erklären.

    Bei anderen Stellen ("Orfeo son io", S. 16) läuft das Ganze dennoch nicht viel langsamer als bei HIPpen Einspielungen ab. Daß sich Monteverdis Musik mit dieser Einspielung damals nicht wirklich empfahl, wundert mich nicht, aber wie hätten die Beteiligten das auch machen sollen? Es gab damals keine "Tradition", die Musik des Frühbarock aufführte. Sie entstammten eindeutig dem Belcanto u.ä. Das war die Musik, die sie machten (und wohl auch liebten). Es war mit großer Wahrscheinlichkeit das erste Mal, daß sie sowas sangen/spielten. Es war Exotik pur. Es war ein Experiment. Und ich glaube nicht, daß sie den Ehrgeiz hatten, etwas Neues zu etablieren.


    jd :wink:

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  • Lieber Josquin,

    ja, aber worauf ich hinauswollte, war, dass es auch damals schon Leute gab, die die Aufführungsbedingungen Alter Musik mehr hinterfragten und zu besseren, unter den gegebenen Umständen hipperen Ergebnissen kamen als dieses Orfeo-Ensemble. Der Dirigent war wohl ein Pfuscher (und italienische Chöre sind oft noch bei Verdi-Aufnahmen aus den 1960er Jahren grauenhaft!). Dass die Gesangsteile durchaus in einem vernünftigen Tempo gegeben werden, liegt meines Erachtens einzig und allein daran, dass diese ja singbar sein mussten. Was sie in dem über-langsamen Tempo nicht mehr wären. Die Logik des Dirigenten reichte aber anscheinend nicht so weit, dann auch die Instrumentalteile "cantabile" zu denken.

    Und auch wenn man etwas Exotisches macht, gibt es zwei mögliche Herangehensweisen: man nudelt es irgendwie herunter, weil man eigentlich der Meinung ist, dass Verdi eh viel besser ist als Monte-, oder man bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um ein Verständnis dieser exotischen und andersartigen Musik. Ich habe den Eindruck, dass manche Solisten und Solistinnen durchaus zweiteres tun, auch wenn ihre Möglichkeiten beschränkt sind, aber sie bemühen sich wenigstens, eine angemessene Interpretation zu finden. Für den Dirigenten (bei dem es am wichtigsten wäre) und den Chor trifft das leider so gar nicht zu.

    Die Sänger sind lauter Ensemblemitglieder der Scala, wie es scheint, aber von durchaus unterschiedlichem Bekanntheitsgrad. Über Ginevra Vivante, die mir als Musica gar nicht einmal so schlecht gefällt und in einem geeigneten Umfeld und mit stilistischem Coaching (z.B. durch einen wohlinformierten Dirigenten :P ) meiner Meinung nach durchaus eine gute HIP-Sängerin hätte werden können, konnte ich noch überhaupt keine Informationen finden. Elena Nicolai (Messagiera) hingegen war Jahrzehnte lang die führende Mezzosopranistin der Scala und berühmt für ihr voluminöses Organ, eine Verdi- und Wagner-Sängerin. Ihre Interpretation ist dementsprechend mehr auf der grusligen Seite. Beim Orfeo, Enrico de Franceschi, kann ich etwa in "Rosa dal Ciel" auch ein gewisses Bemühen anerkennen, in "Orfeo son io" gefällt er mir weniger. Orchester und Chor sind chronisch unsauber. Aber das Orchester der Scala war damals wahrscheinlich sowieso mit allem, was über Hum-ta-ta hinausging, überfordert.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Aber das Orchester der Scala war damals wahrscheinlich sowieso mit allem, was über Hum-ta-ta hinausging, überfordert.

    :mlol: :mlol: :mlol:

    Mir fällt jetzt auf, daß das vielleicht der Knackpunkt war: als man anfing Aufnahmen zu machen, hörte jeder, wie gut bzw. schlecht man spielte/sang. Danach begann man, das Provinzniveau zu verbessern, weil man sich vor dem Mikro nicht blamieren wollte... :D

    Daran leidet die Calusio-Aufnahme ganz bestimmt. Das Wimmern des Chors, das Quietschen des Orchesters... :cursing:

    Ist damit nicht auch erklärt, weshalb die Ritournelle usw. so langsam gespielt wurden? Sie konnten sie nicht schneller spielen... :D :D :D

    Ganz zu schweigen davon, daß sie Monte- mit Verdi verwechselt haben... :boese:


    Als verantwortlicher Leiter des Ensembles hat Calusio definitiv den größten Verdienst an dieser mistlungenen Einspielung. Als ich zum ersten Mal den Beginn gehört hatte (das war etwa ein Jahr vor Kauf dieser Aufnahme), hatte ich gedacht, man hätte die 78er mit 33,3 Umdrehungen abgespielt. Eine sinnvolle künstlerische Erklärung dafür kommt beim besten Willen nicht auf. Daher sage ich ja, daß selbst damals einige Zuhörer dem nicht wirklich geglaubt haben können, daß Monteverdi so dirigiert werden muß. Wie man es auch dreht: richtig, Calusio ist ein Stümper. Er hätte es als Profi besser wissen müssen.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Nun, nachdem ich den Calusio gehört habe, kann es ja nicht mehr schlimmer kommen: ;+)

    (P) 1950 Vox Records VBX 21 bzw. Eterna 821 036 (je 3-LP-Box)

    Orfeo: Max Meili
    Euridice: Elfriede Trötschel
    Pluto/Caronte: Werner Kahl
    Proserpina/Hoffnung/Nymphe: Gerda Lammers
    Apollo/Hirte 1: Helmut Krebs
    Botin/Die Musik: Eva Fleischer
    Hirte 2: Walter Hauck
    Hirte 3: Bernhard Michaelis
    Geist: Josef Hausmann

    Solistenvereinigung des Berliner Rundfunks
    Kammerorchester Berlin

    Dirigent: Helmut Koch


    Zunächst muß man sagen, daß es von der Aufnahmetechnik her einen deutlichen Quantensprung gegeben hat: in den zehn Jahren seit 1939 gab es wichtige Erfindungen, die den Klang weit nach vorne gebracht hatten. Kein dürftiger Baß, keine mauen Mitten und keine lauen Höhen mehr, sondern ein schön gleichmäßiger Frequenzumfang ohne störende Nebengeräusche. Die Aufnahme entwickelt eine klare Differenzierung, die dem Werk sehr entgegenkommt.

    Genauso verhält es sich aber auch mit der künstlerischen Qualität: während Calusios Einspielung so klingt, als wäre ein mittelmäßiges Amateurorchester und ein tauber Chor tiefster Provinz zugange, kann man sich bei Kochs Interpretation nicht beklagen. Man hört einen großen Chor, dessen einzelne Register aber deutlich zu hören sind; nichts liegt schief, sondern bleibt präzise und homogen. Auch das Orchester spielt sehr solide und kommt gegen den Chor gut an. Es sind moderne Instrumente, aber sie sind passend orchestriert und klingen eigentlich nie verkehrt.

    Allerdings muß man weder Orchester noch Chor die langsamen Tempi vorwerfen: nein, die hat der Dirigent gewählt, und es mag sein, daß es damals eine nachvollziehbare Entscheidung war, aber heute klingt das schon sehr zäh. Koch schafft es tatsächlich, die gesamte Oper auf 138 Minuten zu strecken! Das gelingt ihm einerseits durch die Moresken, Ritornellen und Sinfonien, die vom Tempo her kaum schneller als die von Calusio sind; allerdings klingen sie nicht so tranig-lahm, weil Koch kein gestelztes Schreittempo musizieren läßt. Das Orchester bringt die Stücke in eine solide Gleichmäßigkeit und hält die Spannung somit etwas aufrecht. Das Ergebnis ist schon deutlich erfreulicher. - Die Gesangspartien dagegen sind viel langsamer realisiert, eher wie eine langsame Meditation, die zwar einen gewissen Reiz hat, aber auf Dauer ermüdet. Stücke wie "Possente spirto" oder "Questi i campi di Tracia" überschreiten die 10-Minuten-Grenze deutlich, und die ganze Struktur der Oper wird unnötigerweise belastet. Eine überflüssige Taktik!

    Bei den Solisten sind die Leistungen unterschiedlich: Werner Kahl bietet eine sehr gute Leistung als Pluto und Caronte, Gerda Lammers und Eva Fleischer bieten solides Handwerk. Josef Hausmann und Walter Hauck sind recht gut, Bernhard Michaelis dagegen liegt zu oft daneben. Elfriede Trötschel als Euridice klingt nicht wirklich schön, dafür hört man sie aber nicht so häufig. Helmut Krebs kann sich sehr gut positionieren - bis auf einige Stellen klingt er immer ganz ausgezeichnet.

    Bei ]Max Meili /"https://en.wikipedia.org/wiki/Max_Meili), dem Sänger des Orfeo, bin ich eher der Meinung, ihn als Fehlbesetzung zu bezeichnen: zwar hat er einschlägige Erfahrung mit jenem Repertoire (immerhin ist er Gründungsmitglied der Schola Cantorum Basiliensis gewesen), aber seine Stimme paßt so gar nicht zu Orfeo. Meilis Tenor klingt weder lyrisch noch nach Wagners Heldenformat, sondern liegt irgendwie dazwischen. Dadurch entsteht nur sehr wenig Ausdruck. Entweder er brettert laut los oder er klingt so ausdrucklos wie ein Vom-Blatt-Leser, der nicht geübt hat. Nuancen gehen jedesmal dabei verloren, und seine ganze Charakterisierung als mythischer Sänger endet in einer Posse. Zwar gibt es Stellen wie im "Possente spirto", die noch solide funktionieren, aber im Bericht der Botin von Euridices Tod ist er unerträglich laut und grob. Da war ja noch Enrico de Franceschi in der Calusio-Einspielung besser!

    Auch Helmut Koch muß man unterstellen, daß er mit seinem Dirigat nicht mal eine Blechohr-Medaille erhalten hat. Das langsame Tempo läßt die Oper zu einem schwerfälligen Dinosaurier werden, und die vorhandenen guten Aspekte werden dadurch praktisch wieder aufgehoben. Das ist schade, denn grundsätzlich ist das Ganze gut durchhörbar und endet nicht im Trash der Calusio-Einspielung. Fazit: eine deutliche Verbesserung gegenüber Calusio, aber im Vergleich zu den späteren Aufnahmen verharrt Kochs Interpretation eher im Mittelfeld. Eine solide Leistung, aber nicht mehr.


    Von den alten Einspielungen vor Harnoncourt (1969) würde ich immer noch Wenzingers Einspielung von 1955 als die Überzeugendste nennen: sie ist stimmlich gut besetzt, die Tempi sind deutlich schneller, und man hört zum ersten Mal eine historische Instrumentenbesetzung.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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