Ich bin von den (ersten beiden) Orchestersuiten angenehm überrascht. Ich hätte Blässlicheres, Beliebigeres im folkloristischen Stil erwartet. Stattdessen hat mich die leicht dunkel getönte, spätromantisch raffinierte Harmonik vollauf überzeugt - mit den mir bereits bekannten Werken Enescus, den drei Violinsonaten und den allseits gängigen Rumänischen Rhapsodien, kann ich sie zwar in Verbindung bringen, dies drängt sich mir indes keineswegs auf. Ein wenig erinnert mich die Musik an die Sinfonik eines Franz Schmidt - das mag aber ein nicht repräsentativer spontaner Eindruck sein.
Die dritte Suite ist ein späteres Werk, hat ausgeprägter tonmalerischen Charakter pastoralen Zuschnitts und ist ähnlich farbenfroh wie die anderen beiden Werke, aber Assoziationen an die Wiener Spätromantik kommen mir nicht mehr.
Das relativ frühe Werk von 1905 - man muss allerdings wissen, dass etwa die berühmten Rumänischen Rhapsodien sogar von 1901 stammen - zeigt den Sinfoniker in einer noch eher nordischen Tradition. Auch wenn ich mich wiederum imstande sehe, den Sound des Wieners Franz Schmidt ein wenig herauszuhören (von dem Enescu aber aus naheliegenden Gründen allenfalls die erste Sinfonie gekannt haben kann ...), so ist doch Richard Wagners Einfluss ausgeprägter. Aber auch diese Sinfonie ist es wert, kennengelernt zu werden, selbst wenn ich (siehe oben) die drei Orchestersuiten für die interessantere Entdeckung halte.
George Enescu hatte wohl Züge eines Wunderkindes, denn der offiziell ersten Sinfonie gingen bereits vier sinfonische Versuche des jugendlichen Studenten deutlich vor 1900 voraus.
Die von 1912 bis 1914 komponierte zweite Sinfonie - welche ich gerade kennenlerne - erscheint ausladender, der Stil monumentaler. Der farbig ornamentale Quasi-Jugendstil eines Richard Strauss kommt mir da auch in den Sinn.
Wolfgang
[Ich hatte die beiden kurzen Werkcharakterisierungen bereits im Eben-gehört-Thread eingestellt, sie dann aber doch hierher kopiert. Es kann schon sein, dass ich mich gegenüber vorher Gesagtem wiederhole, da ich nicht (mehr) alles gelesen habe. Was Gurnemanz im allerersten Beitrag hier bereits andeutet, kann ich mittlerweile gut nachvollziehen, wo ich jetzt bei Enescu breiter aufgestellt bin: Enescus Musik ist interessant zu hören und auf hohem Niveau gefällig durch und durch, geht auch von Anfang an über bloßen Eklektizismus hinaus, weist dennoch erst im späteren Werk einen spezifischen Personalstil auf.]