Hindemith - die sieben Streichquartette
Paul Hindemith ist heutzutage sehr stark in den Hintergrund getreten, wenn man bedenkt, welche führende Rolle dieser Komponist zu Lebzeiten hatte. Das betrifft im Wesentlichen alle Bereiche seines Schaffens, ganz besonders aber mMn seine Kammermusik. Hindemith schrieb insgesamt 7 Streichquartette über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren, dem weitaus größten Anteil seiner Schaffenszeit als Komponist. Dementsprechend unterschiedlich sind sie auch im Gepräge und ihrer Bedeutung. Einige von ihnen, besonders die Quartette 3-5 würde ich als sehr bedeutende, ja bahnbrechende Beiträge zum Streichquartett bezeichnen. Leider sind Gesamteinspielungen selten, aber das Hindemith-Jahr 2013 hat uns zumindest eine dritte beschert.
Die 7 Quartette:
1: op. 2, C-Dur (1914/15)
2: op. 10, f-Moll (1918)
3: op. 16, C-Dur (1920)
4: op. 22 (1921)
5: op. 32 (1923)
6: Es-Dur (1943)
7: Es-Dur (1945)
Das erste Quartett entstand quasi als Gesellenprüfung und ist sehr stark an Brahms orientiert, teilweise auch an Dvorák. Hindemith schreibt hier sehr, sehr dicht, quasi ein „Überquartett“ in vier Sätzen. Das Werk ist technisch auf einem sehr hohen Niveau aber es lässt sich nicht leugnen, dass es über weite Strecken akademisch wirkt. Das zweite Quartett, praktisch im Schützengraben entstanden, weist schon deutlich mehr Selbstständigkeit und Merkmale des reifen Hindemith auf. Ausgedehnte fugierte Passagen, scharfe Dissonanzen, aber auch die Spielfreudigkeit der wenige Jahre später entstandenen „Kammermusiken“ finden sich hier. Der dritte Satz ist experimentell gestaltet und für mein Empfinden quasi ein Quartett im Quartett. Mit dem dritten Streichquartett beginnt für mich die Trias der drei großen Hindemith-Quartette. Hier schreibt Hindemith definitiv auf der Höhe der Zeit, ja gibt sogar das Tempo vor. Die auf Sekunden beruhende Thematik, die die ersten beiden sätze durchzieht erinnert schon sehr an Bartók und der wilde dritte Satz dürfte Janácek sehr inspiriert haben, als er wenige Jahre später sein eigenes erstes Streichquartett schrieb. Es ist belegt, dass Janácek Hindemiths drittes Streichquartett in Prag kennenlernte, in einer Aufführung von Hindemiths eigenem Streichquartettensembles (Amar Quartett). Das vierte und das fünfte Streichquartett führen diese Entwicklung weiter. Auch hier fühle ich mich sehr an Bartók aber auch an Schostakowitsch erinnert – nicht zuletzt durch die fünfsätzige „Bogenform“ des vierten Quartetts, welche Bartók auch für seine Streichquartette 4 und 5 benutzte. Die letzten beiden Quartette sind ganz Hindemiths schmucklosem, vergrübeltem Spätstil verpflichtet, der mich leider bisher kaum angesprochen hat. Fugen, Kanons, Passacaglien finden sich hier zuhauf, Krebsgänge auch. Naja, staubtrocken halt. Die Streichquartette 3-5 würde ich aber jedem Kammermusikliebhaber sehr ans Herz legen! Definitiv unterschätzte Musik (ja, ich weiß, wie abgegriffen das heutzutage bereits ist....).
Einspielungen sind, wie erwähnt, relativ selten. Drei Gesamteinspielungen (die von den Julliards aber unvollendet) sind erhältlich: