Zum Verhältnis von Stimmung und Harmonik

  • Sweelincks Fantasia verwendet einen mitteltönigen Tonvorrat, allerdings mit dis statt es. Es treten ja auch die großen Terzen bzw. Dezimen als Rahmenintervalle deutlich hervor. An einer einzigen Stelle, wo vor der "Schlußstretta" sich die Musik quasi noch einmal niederbeugt, gibt es auch ein "es" (Seiffert-Ausg. T. 176 http://hz.imslp.info/files/imglnks/us…hromatica_-_Sweelinck.pdf ). Dieses allerdings nur im Durchgang (e - es - d) und über a und c, also nicht als Bestandteil eines Es-Dur-Dreiklanges. Das spricht m.E. er für als gegen Mitteltönigkeit, nutzt das "falsche" es quasi kompositorisch.

    Genau das ist der Punkt. Nutzung von Halbtonschritten als Durchgänge sind unkritisch, funktionieren mitteltönig ebenso wie temperiert.

    Die Frage ist halt, ob die Taste "Dis/Es" für Es-Dur oder für H-Dur verwendet wird. Erst im Zusammenhang wird's kritischer.

    Beim Buxtehude schaue ich mal nach, meine aber, dass "ais" Leitton in h-Moll war und "b" Terz in g-Moll.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Sarabande aus der c-Moll-Suite von J. J. Froberger verwendet sowohl as als auch gis. Geht man von mitteltöniger Stimmung aus (ziemlich sicher bei Froberger), so lässt sich das Stück nur mit einem Cimbalo Cromatico mit geteilten Obertasten realisieren, sofern alle Töne richtig (gestimmt) erklingen sollen. Als Froberger in Rom war, waren diese Instrument dort überaus gängig. Darauf weist u. a. dieser Artikel hin, wobei der Autor auch in der Verwendung der Vorzeichen Hinweise darauf sieht, dass Froberger seine Musik für ein Cimbalo Cromatico konzipierte. Mit Sicherheit hat er sie jedenfalls gut gekannt.

    Ich habe das Instrument auf einem ganz neuen neapolitanischen Cimbalo Cromatico des wohl renommiertesten deutschen Cembalobauers Matthias Griewisch aufgenommen:

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    Zum Vergleich (alle diese Aufnahmen sind gut auffindbar): Blandine Verlet stimmt stur mitteltönig mit 12 Tasten von Es bis Gis, d. h. sogar das leitereigene As in dieser Suite erklingt immer ganz entgegen seinem musikalischen Sinn als Gis – für mich höchst fragwürdig und kaum erträglich. Siegbert Rampe spielt mitteltönig mit As, das ges’ ist natürlich ein fis’ (nur 12 Tasten) und klingt speziell, aber vertikal recht konsonant (Naturseptime zu As, reine Terz zur Mittelstimme d’, in meiner Aufnahme bei Min. 0:22).

    Rein satztechnisch muss es aber ein ges’ sein, und die verminderte Quarte zum d erscheint mir sozusagen als das Thema des Stücks, gleich am Anfang melodisch (es-h) und am Ende nochmal ganz prominent platziert. Möglich aber, dass Froberger ein klingendes fis’ akzeptierte, dann wäre das Stück mit normaler Klaviatur spielbar und man müsste lediglich as statt gis stimmen.

    Christophe Rousset spielt wohltemperiert, aber nicht gleichstufig, sodass das As auch merklich zu tief ist, insgesamt aber die Härten dieses Stücks (chromatische Gänge, verminderte Intervalle etc.) ziemlich glattgebügelt klingen.

    Das gleiche Stück also in vier verschiedenen Stimmungen erlebbar…

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