Carl Heinrich Carsten Reinecke - der lange Schatten Leipzigs

  • Carl Heinrich Carsten Reinecke - der lange Schatten Leipzigs

    Da hier vor kurzem eine kleine, nette Diskussion um Carl Reinecke geführt wurde, dachte ich, dass dieser Komponist durchaus einen eigenen Thread verdient hätte. Geboren wurde Reinecke 1824 im damals noch dänischen Altona. Schon in jungen Jahren zeigte sich sein großes pianistisches Talent derart, dass er vom dänischen König ein Stipendium für ein Studium am Leipziger Konservatorium bei Mendelssohn und Schumann erhielt. Diese Jahre prägten Reinecke nachhaltig: er wurde zum überzeugtesten Parteigänger der Leipziger Schule, ja deren Hauptvertreter nach Schumanns Tod. Das Konservatorium führte er ab 1860 für 35 Jahre. Seine sehr konservative Musikauffassung hat ihm zahlreiche Gegner eingebracht und vielleicht auch einen gewissen Widerwillen gegen seine Vorbilder, nämlich Mendelssohn und Schumann, in Deutschland geschürt. All dies ist aber Geschichte und sollte uns Musikliebhaber nicht weiter stören. Reinecke war nämlich ein sehr fleißiger (fast 300 Opusnummern) und guter Komponist. Für seinen melodischen Einfallsreichtum spricht die Tatsache, dass er zahlreiche Kinderlieder publizierte, darunter das heute noch bekannte "Es klappert die Mühle". Geschrieben hat Reinecke für alle Besetzungen: konzertant, symphonisch, kammermusikalisch, für Opernensemble.

    Ich persönlich schätze von ihm besonders die dritte Symphonie op. 227, die Klarinettensonate "Undine" op. 167, die witzigen Klavierquintette und die Cellosonaten. Die Musik ist natürlich deutlich an Mendelssohn, Schumann, aber auch Gade und Brahms orientiert, aber keineswegs ohne eigene Reize.

     

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Alle Flötisten kennen die Werke Reineckes für dieses Instrument. Das sind einige der wenigen halbwegs bekannten Exemplare von romantischer Musik für Flöte:

    - Flötenkonzert D-Dur op. 283 (1908)
    - Undine op. 167 (Sonate e-Moll für Flöte und Klavier)

    Dazu mehrere kleinere Werke für Flöte.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wobei die Undine mW original für Klarinette und Klavier geschrieben wurde. Es kann aber natürlich auch genau umgekehrt sein. Jedenfalls ein sehr schönes Stück, das natürlich hohen Repertoirewert besitzt.

    Schade ist, dass es offensichtlich keine Aufnahme eines Reineckeschen Streichquartetts gibt - hätte mich gereizt.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Dazu kommen ein Harfenkonzert , ein Violinkonzert und die Klavierkonzerte.

    Was es mit den Mächendichtungen auf sich hat, weiß ich nicht.

    Vielleicht kann ja Felix mehr dazu sagen, immerhin scheint er ihn besser zu kennen.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Schon seit meiner Jugend liebe ich das Harfenkonzert e-moll op.182, das hatte mein Paps auf einer DG-LP mit Zabaleta.

    Der 2.Satz ist ein echter Schatz... Wunderbar, wie der Moll-Mittelteil bei der Wiederholung des ersten Teils als Begleitung mit einfließt.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Neulich noch habe ich Reineckes Oktett óp.216 gespielt. Das ist ein für alle Beteiligten, aber vermutlich auch für viele Zuhörer sehr reizvolles Werk, welches zweifelsohne zu den Highlights der romantischen Bläserkammermusik für etwas größere Besetzung zählt.

    Mein Lieblingswerk von Reinecke ist aber das Klavierkonzert Nr. 3 op. 144, welches zu Reineckes Lebzeiten sehr geschätzt und vielfach für eines der bedeutendsten Werke der Gattung gehalten wurde. Der langsame Satz ist ein Traum; Reinecke gelangt hier zu einer Höhe des Einfalls, mit der er sich für meinen Geschmack kaum vor Schumann und Brahms verstecken muss. Die Ecksätze kommen leider nicht ganz an dieses wunderbare Largo heran, aber das komplette Konzert, welches heute leider arg vernachlässigt wird, kann ich trotzdem unbedingt zum Hören empfehlen! Es gibt eine schöne CPO-Gesamtaufnahme der Klavierkonzert mit Klaus Hellwig und der Nordwestdeutschen Philharmonie (tolle Bläser!), die bei JPC für 14,99 erhältich ist.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Mein Lieblingswerk von Reinecke ist aber das Klavierkonzert Nr. 3 op. 144, welches zu Reineckes Lebzeiten sehr geschätzt und vielfach für eines der bedeutendsten Werke der Gattung gehalten wurde. Der langsame Satz ist ein Traum; Reinecke gelangt hier zu einer Höhe des Einfalls, mit der er sich für meinen Geschmack kaum vor Schumann und Brahms verstecken muss. Die Ecksätze kommen leider nicht ganz an dieses wunderbare Largo heran, aber das komplette Konzert, welches heute leider arg vernachlässigt wird, kann ich trotzdem unbedingt zum Hören empfehlen! Es gibt eine schöne CPO-Gesamtaufnahme der Klavierkonzert mit Klaus Hellwig und der Nordwestdeutschen Philharmonie (tolle Bläser!), die bei JPC für 14,99 erhältich ist.

    Japp. Die Einspielung habe ich auch erwähnt. Ich hatte sie mir mal vor Jahren zugelegt.

    Hier noch das Harfenkonzert:

    Die CD mit dem Cellokonzert kenne ich nicht, aber vielleicht kennt unser Cellist Michael Schlechriem zufällig das Konzert und kann etwas dazu schreiben. Wäre schön.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Wobei die Undine mW original für Klarinette und Klavier geschrieben wurde. Es kann aber natürlich auch genau umgekehrt sein.

    Es ist umgekehrt - "Undine" wurde 1882 von Reinecke für Flöte und Klavier geschrieben. Drei Jahre später kam dann auch eine vom Komponisten selber erstellte Klarinettenfassung heraus.

    Eine schöne Beschreibung dieser Sonate findet sich hier: http://www.kammermusikfuehrer.de/werke/2919

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Danke für die Info!
    Eine kleine Bemerkung zum Text: trifft es sehr gut, nur mit der Punzierung "Saint-Saens Deutschlands" bin ich nicht so einverstanden. Das ist mMn eindeutig Joachim Raff.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Finde ich sehr schön, Felix, dass Du diesen Reinecke-Thread eröffnet hast.
    Ich werde die Bekanntschaft mit Ihm vertiefen, in den nächsten Tagen erreicht mich ja dann die cpo-CD mit der Ersten Sinfonie.

    Das Harfenkonzert ist natürlich ein ganz besonderes Stück, mit einem wunderbar natürlich-romantischen Fluss, und die oben genannte Aufnahme mit Zabaleta und Märzendorfer und den Berliner Philharmonikern ist hier drauf:

    Eine hervorragende CD, auch wegen dem Mozart und dem Rodrigo!

  • Lieber IE, danke für den Zuspruch! Tatsächlich hatte ich schon mal vor einiger Zeit vorgehabt, für Reinecke hier einen Thread zu starten, hatte es dann aber aus irgendwelchen Gründen verschlafen.

    Man stößt gar nicht soo selten auf Reineckes Werke, denn sie werden oft als Zugabe oder Ergänzung miteingespielt.

    Weiters habe ich deshalb noch:

     

    Beide, also das Streichtrio und die Serenade, sind hervorragend komponierte, reizvolle Stücke. Überhaupt ist das technische Niveau Reineckes bemerkenswert.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich finde, Zabaleta/Märzendorfer ist wirklich die Spitzenempfehlung für dieses Werk, aber auch diese Naxos-CD scheint gelungen zu sein, wenn sie auch für meine Ohren etwas artifiziell und weniger empfunden klingt als die ältere DG-Aufnahme:

  • Die drei Cellosonaten

    Über Reineckes Cellosonaten schrieb ich vor eingen Jahren bei Tamino:

    Da an sehr guten Cellosonaten ja nicht gerade ein Überangebot besteht, sind solche Aufnahmen doppelt willkommen. Wie ich schon öfters bei Reinecke beobachten konnte, widmete er sich auch dem Genre Cellosonate in jeweils einem Abschnitt seiner Komponistenkarriere: früh, in der mittleren Reifezeit und im Alter. Alle drei Werke sind hervorragend komponiert und sehr gut für das Instrument geschrieben. Die erste Sonate (a-Moll, Op. 42) entstand noch in den 1840er Jahren, die zweite (D-Dur, Op. 89) in der Mitte der 1870er Jahre und die letzte (g-Dur, Op. 238), in Andenken an Johannes Brahms komponiert, zur Jahrhundertwende. Die melodische Erfindungsgabe Reineckes zeigt sich nicht in jedem einzelnen der Sätze gleich stark (vor allem in den Kopfsätzen), aber in der zweiten Sonate (D-Dur) passt wirklich alles. Von der Faktur her (Führung des Cellos, Klavierpart) ist sie eindeutig sehr stark an Mendelssohn angelehnt, was für mich aber natürlich ein Plus darstellt. Der langsame Satz und das wunderbar subtile Finale können jedenfalls dem Vergleich mit seinem Vorbild standhalten. Nach Brahms klingt hier hingegen fast nichs - mit der Ausnahme des Finales der ersten Sonate, die Reinecke noch vor Brahms' Erscheinen als Komponist komponierte. Überhaupt die Finali: sie sind in allen Sonaten hervorragend und jeweils die stärksten Sätze. Freunde von Cellomusik sollten auf jeden Fall reinhören.


    An meiner Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert. Für Cellofreunde ist diese CD daher wirklich empfehlenswert. Es spielt übrigens FiDis Filius!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Reinecke hat (mindestens?) drei Klaviertrios mit Bläsern komponiert. Dabei folgt nur eines der durch Mozart, Schumann und Bruch halbwegs etablierten Besetzung Klarinette, Viola, Klavier. Die beiden anderen kombinieren Klavier und Horn mit Oboe bzw. Klarinette. Man würde eigentlich vermuten, dass sich anhand des sehr überschaubaren romantischen Kammermusik/Solo-Repertoires Bläser auf diese Stücke stürzen würden. Das ist zumindest anhand von Einspielungen aber nicht der Fall. Eine Audite-Platte mit op. 264 und 274 von 1986 (ohne Bild (Rodenhäuser: Klar., Voss: Va., Gaag: Horn, Deutsch), ich besitze die und die claves mit Tuckwell und Goritzky) beansprucht Ersteinspielung zu sein und man findet zwar einige weitere Aufnahmen, aber die meisten sind schon wieder vergriffen. Zweimal gibt es alle drei Trios (dabei wurde in der Einspielung aus Dallas aber angeblich im a-moll-Trio gekürzt), sonst in anderen Kombinationen.

    op.188 a-moll: Oboe, Horn, Klavier

    op.264 A-Dur: Klarinette, Viola, Klavier

    op.274 B-Dur: Klarinette, Horn, Klavier

              < >


    Das stimmungsvollste und klanglich aparteste ist m.E. das a-moll-Trio, aber das B-Dur-Trio bietet auch eine schöne Abwechslung romantischer Stimmungen. Das A-Dur-Trio scheint mir etwas einförmig, lyrisch, ohne rechten Kontrast und auch von der Melodik etwas fad.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Eine Audite-Platte mit op. 264 und 274 von 1986 (ohne Bild (Rodenhäuser: Klar., Voss: Va., Gaag: Horn, Deutsch)...

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Carl Reinecke

    Angeregt durch eine Runde
    SRF 2 Kultur "Diskothek im Zwei"
    in der das Flötenkonzert besprochen wurde ( https://www.srf.ch/sendungen/disk…enkonzert-d-dur )


    habe ich mal meinen "Bestand" an Reinicke gesichtet - viel ist es nicht. So habe ich heute auch nachgekauft.

    Zwei CD die mich doch durchaus ansprachen habe ich dann durchgehört:
    Trio für Viola, Klarinette & Klavier op. 264; Fantasiestücke für Klarinette & Klavier op. 22; Sonate "Undine" für Klarinette & Klvier op. 167; Introduktion & Allegro appassionato für Klarinette & Klavier op. 256


    Olivier Dartevelle, Pierre Henri Xuereb, Jean Schils

    Aufnahme Luxemburg 10/2004

    ....

    Violinkonzert op.141, Romanzen für Violine & Orchester op. 93 & op. 155; Symphonie Nr. 1


    Ingolf Turban, Berner Symphonie-Orchester, Johannes Moesus

    Aufnahme Bern 09-10/2004

    Das Violinkonzert von 1876 (UA Joseph Joachim) wird hier als Welt-Ersteinspielung präsentiert!

  • Violinkonzert op.141, Romanzen für Violine & Orchester op. 93 & op. 155; Symphonie Nr. 1


    Ingolf Turban, Berner Symphonie-Orchester, Johannes Moesus


    Aufnahme Bern 09-10/2004

    Ja, die Einspielung hatte ich schon 2016 gepostet.....

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ich durfte vor Jahren mal im Flötenkonzert mitwirken, und irgendwie haben viele der Beteiligten Assoziationen zur Filmmusik gehabt. Jedenfalls waren wir total überrascht, wie romantisch-fetzig ein Flötenkonzert sein kann. Das Violinkonzert, das ich mir daraufhin gekauft habe, war hingegen eine Enttäuschung. Gibt es einen gewissen "Spätstil", oder ist dieses Flötenkonzert ein Zufallstreffer? Ich meine das gar nicht despektierlich - andere Werke von R gefallen mir gut (die Trios z.B.), fesseln mich aber nicht so sehr, wie dieses Konzert.

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

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