Mahler, Gustav: Lieder nach Texten aus "Des Knaben Wunderhorn"
Liebe Capricci,
ich habe zwar schon einiges aus dem Werk Gustav Mahlers irgendwann einmal gehört, mich jedoch bisher noch nicht näher mit seiner Musik befasst. Bis ich die Revelge aus seinen Wunderhorn-Liedern hörte, die mich in ihrer Mischung aus Sentiment, Bitterkeit und grimmigem Sarkasmus (das waren jedenfalls meine ersten Assoziationen) so beeindruckt hat, dass ich seine Musik insgesamt näher kennenlernen und damit bei seinen Liedern anfangen möchte.
Des Knaben Wunderhorn, eine Sammlung "alter deutscher Lieder“, von den Herausgebern Achim von Arnim und Clemens Brentano zum Teil neu bearbeitet und auch mit neuen eigenen Strophen und Gedichten bereichert (von ihnen selbst als „Restauration und Ipsefacten“ bezeichnet), ist von vornherein als romantisches Kunstwerk geplant und gestaltet worden. Der Plan hierzu entstand 1802, als die beiden engen Freunde eine gemeinsame Reise den Rhein entlang machten. 1805 erschien der erste Band, der in der Literaturszene sehr kontrovers aufgenommen wurde: von den Rationalisten belächelt, von Goethe positiv rezensiert, von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm, die zu den Sammlern der Lieder gehörten, aber eine streng historische Forschungs- und Arbeitsweise anstrebten, als Verfälschung alter Volks- und Naturpoesie betrachtet.
Beim ersten Blick auf Gustav Mahlers Lieder hat mich die große Bedeutung von Des Knaben Wunderhorn für sein Liedschaffen erstaunt. Die Texte sind Vorlage für eine Reihe von Liedern und haben zum Teil auch Eingang in seine ersten vier Symphonien gefunden. Insgesamt sind es 24 Lieder nach 26 Wunderhorn-Texten, die zwischen 1888 und 1901 entstanden. Donald Mitchell hat dem zweiten Band seiner mehrbändigen Biographie über Gustav Mahler den Titel The Wunderhorn Years gegeben.
Mahler selbst äußerte sich zu seiner Beschäftigung mit den Wunderhorn-Liedern: „Etwas anderes ist es, daß ich mich mit vollem Bewußtsein von Art und Ton dieser Poesie (die sich von jeder anderen Art Literaturpoesie wesentlich unterscheidet und beinahe mehr Natur und Leben – also die Quelle aller Poesie – als Kunst genannt werden könnte) mich ihr sozusagen mit Haut und Haar verschrieben habe.“
(März 1905 in einem Brief an Ludwig Karpath)
Ich habe mich gefragt, was einen Komponisten an der Schwelle des 20. Jahrhunderts gerade an diesem Werk so fasziniert hat, dass er über lange Jahre hinweg immer wieder zu ihm zurückgekehrt ist, während die Lyrik seiner Zeit kaum (oder gar keinen?) Eingang in seine musikalische Welt gefunden hat.
Und wie bei allen Kunstliedern interessieren mich auch hier die Frage: Was macht die Musik mit dem Text? Unterstützt sie seine Aussage, ironisiert sie ihn oder gibt sie ihm völlig neue Sinnhorizonte?
Meine erste Begegnung mit den Liedern ist diese Aufnahme mit Thomas Hampson, Bariton, und dem Pianisten Geoffrey Parsons:
Wie ich dem Booklet dazu entnehmen kann, ist dies die erste Aufnahme der Originalfassungen für Singstimme und Klavier, geschrieben zwischen 1892 und 1901, von denen 14 zu Mahlers Lebzeiten noch gedruckt wurden, kurz nach seinem Tod jedoch bereits in veränderter Fassung veröffentlicht wurden. Dies hing wohl damit zusammen, dass diese Lieder auch als Orchesterlieder vorliegen und die ursprünglichen Klavierfassungen durch den Verlag an die Orchesterpartituren angeglichen wurden. Thomas Hampson hat an der Kritischen Edition der Lieder mitgearbeitet, welche die Grundlage für diese Einspielung ist.
Die Reihenfolge der Lieder in dieser Ausgabe:
1. Der Schildwache Nachtlied
2. Revelge
3. Rheinlegendchen
4. Wer hat dies Liedlein erdacht?!
5. Verlorne Müh´!
6. Trost im Unglück
7. Lob des hohen Verstands
8. Des Antonius von Padua Fischpredigt
9. Lied des Verfolgten im Turm
10. Der Tambourg´sell
11. Wo die schönen Trompeten blasen
12. Das irdische Leben
13. Das himmlische Leben
14. Urlicht
15. Es sungen drei Engel einen süßen Gesang
Ich möchte zunächst einmal diese Lieder und später gern auch die anderen Wunderhorn-Vertonungen Mahlers hier vorstellen und würde mich natürlich freuen, wenn einige aus unserer großen Runde ebenfalls Zeit und Lust dazu hätten, das eine oder andere Lied zu übernehmen.
Ansonsten freue ich mich überhaupt auf vielfältige Meinungen zu Mahlers Wunderhorn-Liedern, gern auch mit Euren Favoriten hinsichtlich der Einspielungen.
Liebe Grüße,
Petra