Rzewski: The People United Will Never Be Defeated – Variationen für das neue Jahrtausend

  • Rzewski: The People United Will Never Be Defeated – Variationen für das neue Jahrtausend

    Liebe Capriccios,

    ich möchte euch heute einen aus meinen Augen hoch interessanten Klavierzyklus (besser wohl Reihe von Variationszyklen) vorstellen, der bereits als "Diabelli-Variationen"des neuen Jahrtausends gerühmt wurde.
    Da mag manch einer die Nase rümpfen ob des gewaltigen und wohl kaum zu übertreffenden Beethovens und auch ich halte von solch überschwenglich, werebwirksamen Vergleichen recht wenig.

    Doch der Reihe nach.

    Frederic Rzewski, 1938 in Westfield /Massachusetts geboren, dürfte heute einer der interessanten und eigenwilligsten Komponisten Amerikas sein. Bereits 1954 begann er ein Kompositionsstudium an der
    Harvard University. Zu seinen Lehrern gehörten dort Walter Piston und Roger Sessions, Kontrapunkt eignete er sich bei dem amerikanischen Komponisten Randall Thompson (nicht zu verwechseln mit Virgil Thomson - R.Thompson sollte der Nachwelt mit einem einzigem Werk, dem "Alleluja" in Erinnerung bleiben) an.
    1958-60 setzte er dann seine Studien an der renommierten Princeton University unter Milton Babbitt (Komposition) und Oliver Strunk fort. 1960 siedelte er schließlich nach Italien über, um seine Kompostionstechniken
    bei Dallipicola zu vollenden.

    Von da an machte er in Europa schnell als Pianist zeitgenössischer Klaviermusik (v.a Stockhausen) von sich Reden. Seine frühe Freundschaft mit Christian Wolff und David Behrman als auch seine Bekanntschaft mit John Cage sollten sowohl seine kompositorisches als interpretatorisches Output beeinflussen. Sein kompositorischer Stil war im Laufe der Zeit einem steten Wandel unterworfen sein. Machte er sich in den 60ern und Anfang der 70er Jahre v.a. mit Live-Improvisationen elektronsicher Musik durch sein selbst gegründetes Ensemble MEV einen Namen, so finden sich später minimalistsiche Phasen und schließlich eine Phase des Gegenüberstellens komplementärer Elemente in groß angelegten Werken. Volkslied trifft auf Jazz, atonales auf tonales, alles ohne je ein Bekenntniskampf daraus werden zu lassen. Dem einzigen Bekenntnis, dem sich Rzewski in seiner Musik hingibt,
    ist ein politisches.

    Rzewski ist ein "Linksintelektueller", um nicht zu sagen Marxist. Als solcher verfolgte er selbstverständlich den Putsch durch Pinochet in Chile und den resultierenden Niedergang der Allende-Regierung, welcher 700000
    Menschen auf die Straße trieb, die für die Allende-Regierung demonstrierten. Diesen Menschen zollte Rzewksi 1975 durch The People United Will Never Be Defeated seinen Tribut.

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    zum
    Aufbau des Werkes:

    Dem Werk liegt das von dem chilenischen Komponisten Sergio Ortega (1938 - 2003) erdachte gleichnamige Lied zugrunde, welches dieser für eben diesen Widerstand der chilenischen Bevölkerung geschrieben hatte.
    Rzewskis Werk selbst entstand aber nicht aus freien Stücken, sondern wurde von der Pianistin Ursula Oppens in Auftrag gegeben, die ein Begleitstück zu Beethovens
    Diabelli-Variationen suchte.

    The People United Will Never Be Defeated gliedert sich klar in 6 Abschnitte bzw. 6 Zyklen. Jeder Zyklus enthält genau 6 Variationen, so daß sich 36 Variationen ergeben - genau so viele, wie das Originalthema an Takten
    enthält. Laut Christian Wolff repräsentieren die ersten Variationen jeweils einen Finger, während die 6. Variation die geschlossene Faust versinnbildlichen soll. (Ob es eine Anregung oder
    "nur" eine Deutung Wolffs war, entzieht sich leider meiner Kenntnis.) Das spannende ist nun die Einteilung der 6 Abschnitte nach musikalischen Elementen:

    1. Abschnitt (Zyklus): Einfache Ereignisse
    2. Abschnitt: Rhythmen
    3. Abschnitt: Melodien
    4. Abschnitt: Kontrapunkte
    5. Abschnitt: Harmonien
    6. Abschnitt: eine Synthese aus allen


    Jeder Zyklus entwickelt dabei einem den musikalischen Element entsprechenden Charakter. So ist der dritte Zyklus größtenteils lyrisch gehalten (gelegentliche Jazz-Einflüsse), der vierte von Konflikten bestimmt, wärend der
    fünfte Gleichzeitigkeit des Geschehens vermittelt.
    Die Variationen verlangen ein hohes Maß an technischem Können, Rzewski nutzt die volle Bandbreite der im 20. Jhd. üblichen Techniken. Sprachlich steht das Werk in der romantische Tradition des 19. Jhd.,
    Rzewski mischt die Sprache jedoch mit pandiatonischen, modalen als auch teil seriellen Techniken. Der hohe technische Anspruch anvanciert jedoch nie zum Selbstzweck sondern dient stets dem erwünschten Ausdruck der jeweiligen Variation.

    Rzewskis Bandbreite an Ausdruck, an vermittelten Emotionen im Verlaufe des Werkes ist beachtlich. Auch Rzewski entfernt sich zeitweise fast bis zur Unkenntlichkeit des Themas, die letzte Variation ist dann - ähnlich den Goldberg-Variationen - eine Neudarstellung des Themas.

    Für die Konserve wurde das Werk bereits mehrfach festgehalten:

    Da gibt es die etwas früher entstande Aufnahme mit dem
    auf Moderne spezialisierten Pianisten Stephen Drury:

    die von der Kritik hoch gelobte (ich kann dem beipflichten!) Aufnahme
    mit Marc-Andre Hamelin:


    als auch eine Aufnahme mit dem holländischen Pianisten Ralph van Raat, der mich besonders bei dem Winnsboro Cotton Mill Blues überzeugen konnte, ein Stück aus Rzewksis North American Ballads, das den Variationen . wie bei Hamelin auch - angefügt ist und zu einer der eindrucksvollsten Gattungsbeiträge zum Thema Sklavenarbeit in den Südstaaten gehört.
    Den Winnsboro Cotton Mill Blues mit Ralph van Raat kann man sich auch in Gänze auf youtube anschauen - eine unbedingte Empfehlung meinerseits!!
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    Selbstverständlich hat der Meister sein Werk auch selbst eingespielt, es ist momentan als DVD verfügbar:

    Bei dieser Auswahl gefällt mir am Hamelin am besten. Die Musik ist wie auf ihn zugeschnitten, er scheut keine Ekcen und Kanten, nimmt das Ganze trotz deutlichster Akzentierung mit einer Leichtigkeit, die bewundernswert ist.
    Rzewskis Einspielung gefällt mir aufgrund der etwas gedehnten Tempi und des weicheren legato-Spiels ehrlich gesagt weitaus weniger.

    Insgesamt gesehen sind das aber alles Einspielungen auf hohem und höchstem Niveau.

    Ob die Aufnahme mit Ursula Oppens noch verfügbar ist (sie erhielt für die damalige Aufnahme eine Grammy-Nominierung und wurde von einem Musikmagazin als "Aufnahme des Jahres" geadelt) entzieht
    sich auch hier leider meiner Kenntnis. Allerdings dürfte die Hamelin-Einspielung der Oppens-Einspielung in kaum einen Belange nachstehen.

    :wink:
    Wulf

    P.S. Der Text, den ich für ein Forum schrieb, dessen Mitglied ich einst war, habe ich nahezu unverändert übernommen. Die Frage, ob die Einspielung unter Urula Oppens noch verfügbar ist, konnte geklärt werden. Sie ist es.
    P.P.S Ich stelle gerade fest, dass die Tonqualität des Videos nicht gerade berauschend ist. Ich kann nur empfehlen, der Hamelin-Aufnahme ein Ohr zu schenken. Auch der Blues ist bei ihm unübertrefflich.


    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Lieber Wulf,
    danke für die schöne Einführung.
    Ich habe das Lied von Ortega in den 70er Jahren in einem sehr eindrucksvollen Konzert der chilenischen Gruppe Quilapayun kennen gelernt.

    Um diese Zeit habe ich auch Eislers Solidaritätslied zum ersten Mal gehört und war dann viele Jahre später überrascht, beiden Liedern in Rzewskis fantastischem Zyklus wieder zu begegnen.
    Ich besitze die Einspielung von Hamelin, die mir sehr gut gefällt.

    Viele Grüße

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Ich bin auf das Werk von Frederik Rzweski durch einen Artikel in der Frankfurter Sonntagszeitschrift aufmerksam gemacht worden und musste dann sofort eine Aufnahme ordern. meine erste war die von Hamelin und sie gefiel mir ausgesprochen gut. Auch die Aufnahme von Ursula Oppens fand ich ansprechend, wenngleich sie auf die Cadenz verzichtet.

    Mittlerweile habe ich, neben den bereits genannten von Drury, die ich sehr schätze, weil sie zu Beginn das Volkslied in voller länge beinhaltet und der von van Raat und dem Meister himself noch folgende Aufnahmen:

    Die Einspielung von des jungen deutschen Kai Schumacher finde ich ausgesprochen gut, vielleicht sogar noch etwas souveräner und interpretatorisch spannender als die von Hamelin.

    Relativ neu ist die Aufnahme von Christopher Hinterhuber, der das Werk von Rzweski mit Stücken von Bach kontrastiert.

    Von der Einspielung von Ole Killerich ist mir dagegen kaum etwas erinnerlich:

    (vielleicht hatte ich auch einfach einen schlechten Tag; muss ich nochmal hören).

    Jedenfalls gehört dieses Werk mittlerweile zu meinen Lieblingsstücken auf dem Klavier, direkt nach den Goldbergvariationen.

  • Jüngst hab ich mir den SWR2-Talk-Sendungs-Mitschnitt mit Lotte Thaler & Stefan Litwin reingezogen. Thema: Rzewskis Klaviervariationen “The People United Will Never Be Defeated”, seine vermutlich beliebteste und erfolgreichste Komposition.

    Rzewskis “The People United Will Never Be Defeated”

    http://www.youtube.com/watch?v=q_mQiL19XmI“ ff

    Das zugrunde liegende Thema der Variationen von Sergio Ortega (El pueblo unido jamás será vencido:(
    http://www.youtube.com/watch?v=PhpSwSBbdxM”

    Stefan Litwin verweist einerseits auf die relativ große Beliebtheit diese Komposition. Andererseits beklagt er eine überhandnehmende “ Entkontextualisierung ” dieses Werkes. Selbst seine Schüler/Studenten, mit denen er die Variationen erarbeitet, haben heutzutage gar keinen Schimmer mehr vom blutigen Militärputsch in Chile am 11.09.1973 gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Salvatore Allende, dem mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. General Pinochet wurde niemals richtig zur Rechenschaft gezogen; einer der furchtbarsten Polit-Gangster des Massenmords. während der grausamen Militär-Diktatur.

    Stefan Litwins Motivation für seine aktuelle Einspielung richtet sich auf die Wiederherstellung des politischen Kontextes dieser Variationen, der gänzlich zu entschwinden droht in Auffürungen des Werks, die sich fokussieren z.B. auf technische Fertigkeiten, klangliche Brillanz..

    Nun gibt es auch andere zeitgenössische Kompositionen, die sich ebenfalls auf historischen Ereignisse in Chile während Zeit Salvatore Allendes beziehen. Meine bevorzugten Mitschnitte:

    Luigi Nono: Como una ola de fuerza y luz für Sopran, Klavier, Orchester und Tonband (1971/72)

    Stefan Litwin: Allende, 11. September 1973
    « 2004, rev. 2012
    (Weitere Infos zur Stefan Litwins Allende:
    http://www.stefanlitwin.com/html/kompositionen.html“)


    Nonos oder Litwins Kompositionen, atonal geschrieben, sind nicht auf unmittelbare Kommunikation angelegt, trotz des gesprochenen Allende-Textes bei Litwin.
    Die Tonsprache beider Werke panzert bzw. rüstet sich auf mit notwendiger Härte, trotz des Pathos bei Nono.
    Beide Werke unterliegen daher weit weniger der Gefahr dessen, was H.K. Metzger in einem Interview mal als „Negativitätsverlust“ bezeichnete.

    Dagegen verweilen Rzewskis Variationen überwiegend im tonalen Modus, selbst wenn Litwin ihnen Anleihen bei Stockhausens Klavierstücken zubilligt.
    Die kompositorische Konzilianz gegenüber dem Hörer in Rzewskis Variationen bewirkt m.E. die von Stefan Litwin beklagte „Entkontextualisierung “.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • :wink:

    Ich hatte die genannte Sendung gehört, die viel Hintergrundinformationen gab und gut gemacht war, und mir einen Tag später Zeit genommen Thema und Variationen noch einmal ganz in Ruhe angehört. Die eingangs von Wulf genannten Lobeshymnen und sogar Vergleiche mit den besten Variationenzyklen finde ich berechtigt. Wunderbare Einfälle in strengem Aufbau, ein sehr durchdacgtes Konzept brilliant umgesetzt. Ich habe nur die Einspielung von Hamelin, die ich phantastisch finde. Der von Litwin genannten Entkontextualsierung dürfte nur schwierig musikalisch entgegenzuwirken sein, falls man davon überhaupt sprechen möchte. Das verwendete Thema hat definitv in seiner Auswahl den ebenfalls genannten politischen Aspekt. Aber inwiefern das in der Musik der Variationen, abgesehen von dem Eisler-Zitat, wiederzufinden wäre, erschließt sich mir nicht. Ist aber auch egal, es ist großartige Musik.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • .... Ist aber auch egal, es ist großartige Musik.

    Ich habe da Zweifel.

    Es ist ziemlich lange her, dass ich das Stück von der Hamelin-CD gehört habe. Es ist mir aktuell wieder im Zusammenhang mit dem Thread über "Komponisten, wenn´s richtig unschön an die Nerven geht!" eingefallen, fand es aber dann doch unangemessen, ausgerechnet das Stück dort zu nennen.

    Es mag zwar sehr gut komponiert sein, aber ich komme nicht drum herum, dass ich das Klavier für "heutige" Musik, zumal wenn sie mit großem Anspruch auftritt, als nicht mehr zureichend empfinde. Mir kommt das alles zu angestrengt, zu perkussiv oder schlicht zu banal vor, die Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks auf dem Klavier halte ich heute für zu begrenzt. Die melodische und/oder rhythmische Prägnanz, die die Klaviermusik in ihren besten Zeiten von der Frühklassik bis zur frühen Moderne auszeichnete, ist anscheinend heute nicht mehr möglich, allenfalls kurze abstrakte Stücke - z.B. die Ligeti-Etüden - können mich da noch überzeugen. Dagegen geht mir ein so ausgedehntes programmatisches Werk, wie das von Rzewski so "richtig unschön an die Nerven."

    Aber es kommt noch etwas hinzu, was wichtiger ist: der Titel. Mir fehlt der Kontext, in dem das Werk steht, nicht; ich kenne ihn noch recht gut, auch wenn er mehr als vierzig Jahre vorbei ist. Rzewski - oder der Autor des Liedes, auf dem sein Werk beruht - macht eine bezeichnende Einschränkung: "United". Würde man das streng übersetzen, hieße es: "Unter der Voraussetzung, dass das Volk einig ist, wird es nie besiegt werden." Das dumme ist nur, dass diese Voraussetzung nie erfüllt wird: das Volk ist nicht einig. Es war nicht einig zu Zeiten Allendes, und gerade das hat auch zu dem Putsch geführt. Ich fand das damals empörend, und kann mich immer noch nicht damit abfinden. Ich komme aber auch nicht darum herum, die Feststellung zu treffen. Nach allem was ich weiß, wird diese Vorausetzung - der Einigkeit des Volkes - nie erfüllt sein, sie ist eine Illusion. Vielleicht ist es sogar gut, dass es diese Einigkeit in Wahrheit nicht gibt, denn unter dem Vorzeichen "Ein Volk usw" ist im letzten Jahrhundert noch viel schlimmeres Unheil angerichtet worden als in Chile nach dem Putsch. Da aber die Voraussetzung nach allem was ich weiß, nicht zu erfüllen ist, trifft auch die Folge, die der Titel suggeriert, nicht zu: das Volk ist besiegt worden, in Chile und anderswo und es gibt leider keine Anzeichen, dass es anders werden könnte.

    Mir geht der Titel deshalb noch viel unschöner auf die Nerven als die Begrenztheit des eingesetzten Instruments. Gut, die Texte von Bach-Kantaten sind auch zu einem ganz großen Teil völlig verlogen, darüber kann man aber eher hinwegsehen als über die anmaßende Verlogenheit im Angesicht der Opfer, die in dem Titel steckt.

    Trübe Gedanken, ich gebe es zu. Wahrscheinlich werde ich das Stück doch noch einmal hören müssen; vielleicht ist ja alles was ich dazu meine, ganz falsch.

  • Lieber uliwer,

    man könnte hier eine Riesenfass für eine im positiven Fall philosophische und im negativen Fall ideologische Debatte aufmachen. ich lasse dies von meiner Seite aus mit einem Satz bewenden: Revolutionen, also Umstürze durch Erebung der Mehrheit einer Bevölkerung, gelingen, wenn in jeder Schicht/Klasse ein kleinster gemeinsamer Nenner gefunden wird, meist: Diese Regierung/dieser Diktator muss weg. In Deutschland 1918 war das: Krieg beenden, Monarchie abschaffen.

    Danach klaffen die Interessen meistens schon wieder auseinander. In Chile ging es darum, die Regierung (Allendes), die auf dem Willen der normalerweise Schwächeren gestützt war, zu erhalten, was traurigerweise nicht erfolgreich war. Das Ereignis hat 1973 weltweit die Menschen berührt und empört, auch diejenigen mit konservativer Einstellung und sogar wir 12jährigen Schulkinder hatten das bedürfnis, in der Unterrichtsstunde mit unserer Klasslehrerin darüber zu reden, worauf sie erfreulicherweise bereitwillig einging. Ich finde das heute noch beeindruckend.

    Zum Stück: Ich hatte, ehrlich gesagt, keine Ahnung, dass sich hinter "Un pueblo unido jamás sera vencido" eine halbwegs(?) klassische Klavierkomposition verbirgt. Und, nach Anhören der Youtube - Videos: mir gefällts.

    Außerdem meine ich, dass das Melodiethema, das sich vorzüglich als Gesang für Demos eignet und das ich sowohl so als auch als durch die Anden - Combo Inti Ilimani interpretiert, kenne, die Aussage des kleinsten gemeinsamen Nenners ziemlich schlüssig auf den Punkt bringt: Kurz, trocken, eingängig und taff.

    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Neue Aufnahmen

    Tach,

    fyi es gibt drei neue Aufnahmen dieses grandiosen Werkes:

    Igor Levit - zusammen mit den Goldbgervariationen und Beethovens Diabelli-Variationen:

    Corey Hamm

    und Lee Sangwook

    Sangwook habe ich gerade gehört. Er spielt sehr flott, ohne Pausen und läßt die Schreie und das Pfeifen weg. Corey Hamm beschäftigt sich sehr etlichen Jahrzehnten mit dem Werk, seit er es als Jugendlicher in der Aufnahme von Ursula Oppens gehört hatte und berichtet, dass er es zum ersten Mal aufgeführt hat, während Rzewski anwesend war. Eine schöne Interpretation, wie ich meine, auch wenn sie deutlich langsamer ist als andere. Na ja und Levit ist sowieso gut.

    VG Bernd

  • Na ja und Levit ist sowieso gut.

    Gut finde ich vor allem, dass Igor Levit beim 2. Internationalen Musikfest Hamburg völlig neue Wege beschreitet und den Rzewski als Gesprächskonzert am 16. Mai in der "Fabrik" (!) - also einer location, die tagsüber Stadtteilzentrum und abends Spielstätte für Jazz, Blues, Rock und Folk, aber keineswegs für Klassik ist - aufführt. Das hat es noch nie gegeben. Nach der Aufführung findet ein Publikumsgespräch mit ihm über das Werk statt. Näheres hier:

    "https://www.elbphilharmonie.de/events/000000e9:0002700a.de"

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Hallo,

    bei dem Konzert wäre ich gerne dabei. Einmal dieses Werk live zu hören, ein großer Wunsch von mir. Ich fürchte nur, seine Erfüllung wird mir versagt bleiben.

    Gestern ist mir dann noch eine weitere Aufnahme über den Weg gelaufen:

    Oppens und LOwentahl spielen das Werk vierhändig. Ich weiss gar nicht wie das gehen soll.

    VG Bernd

  • Four Hands

    Hallo!

    Ich dachte zuerst auch, da sei etwas vierhändig gespielt worden. Es handelt sich aber um eine zweite Komposition Rzewskis, die sich auch auf der CD befindet und den Titel "Four Hands" trägt.


    lg,
    Horst

  • Hallo!

    Ich dachte zuerst auch, da sei etwas vierhändig gespielt worden. Es handelt sich aber um eine zweite Komposition Rzewskis, die sich auch auf der CD befindet und den Titel "Four Hands" trägt.


    lg,
    Horst

    Du hast Recht. Es handelt sich um die zweite Einspielung des Werkes von Ursula Oppens plus diesem vierhändigen Stück.

    VG Bernd

  • Einmal dieses Werk live zu hören, ein großer Wunsch von mir. Ich fürchte nur, seine Erfüllung wird mir versagt bleiben.

    Du musst nur am Samstag, den 1. Dezember 2018 nach Frankfurt kommen. Frederic Rzewski spielt dort das Werk höchstselbst:
    https://www.mousonturm.de/events/the-peo…er-be-defeated/

    Das ist so hammergeil, dass jedenfalls ich von Hamburg aus anreise. Vielleicht hast Du ja auch Zeit und Lust?

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Lust schon, aber meine Gattin würde mich steinigen, weil der 1.12. unser Hochzeitstag ist und sie bereits ein Restaurant gebucht hat.

    VG Bernd

    Schottland. Zwei Golfer stehen am Abschlag des 12. Lochs, als ein Trauerzug vorbeikommt. Der eine nimmt die Kappe ab, faltet die Hände und bleibt mit gesenktem Kopf stehen, bis der Zug vorüber ist. Sein Freund meint: "Eine schöne Geste angesichts des Todes!" Der erste antwortet: "Das war doch das mindeste, schließlich waren wir 34 Jahre verheiratet!"

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Das nächste Wochenend-Schachturnier steht an. Fragt der eine Schafreund seinen Kumpel, ob er kommt. Antwortet der, dass seine Frau ihm gedroht hat, dass sie ihn verlasse, wenn er jemals wieder ein Schachturnier spielt. Fragt der Schachfreund, was er nun macht. "Na, 1.e4, wie immer." :)

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Du musst nur am Samstag, den 1. Dezember 2018 nach Frankfurt kommen. Frederic Rzewski spielt dort das Werk höchstselbst:
    https://www.mousonturm.de/events/the-peo…er-be-defeated/

    Ein beeindruckender Abend. Der mittlerweile 80jährige Rzewski agierte knapp zwei Stunden lang ohne sicht- oder hörbare Ermüdungserscheinungen. Seine rein pianistischen Reserven sind nicht mehr so enorm wie früher, Pianisten wie Hamelin oder Levit (aber auch Rzewski selbst in jüngerem Alter) spielen The People United wesentlich virtuoser, brillanter. Am Samstag gab es schon ein paar Teller voll falscher Töne, zudem muss Rzewski inzwischen bei den schnellen Variationen oder technisch sehr anspruchsvollen Passagen das Tempo erheblich zurücknehmen. Davon war gelegentlich auch die Dynamik betroffen, so dass es stellenweise zu einer Nivellierung der Differenzen zwischen den Variationen kam. Die Darbietung überzeugte weniger als spektakuläres Feuerwerk, sondern eher als eine konzentrierte, auf die musikalische Substanz verweisende Interpretation, bei der Rzewski nüchtern die fünf Stapel von Notenblättern abarbeitete, aus denen er spielte - und die er auch selbst umblätterte, was des öfteren zu kleineren Pausen oder nonchalanten Überbrückungen (ein länger ausgehaltener Ton oder Akkord z.B.) führte.

    Vor The People United gab es Saints & Sinners (2016), ein knapp viertelstündiges Stück, dessen Semantik Rzewski vorher kurz andeutete, dessen musikalische Struktur sich mir aber nicht erschlossen hat. Als Zugabe Stuporman (2014), ein teils sarkastisches antikapitalistisches Melodram, das schließlich zum Gebet wird - eine Bitte an Gott, Mensch bleiben zu dürfen und nicht zum Roboter werden zu müssen.

    Der Beifall steigerte sich nach den einzelnen Werken und war nach der Zugabe durchaus enthusiastisch. Das urbane Hornbrillenpublikum hatte teils erhebliche Mühe, zwei Stunden stillzusitzen, kicherte aber während Rzweskis kurzen (teils englischen, überwiegend deutschen) Anmoderationen dankbar bei ganz unironisch benutzten Wörtern wie "katholisch". Der cool und lakonisch, ohne irgendwelche Bescheidenheitsgesten auftretende Rzewski legte Wert auf die Etikette: Nachträglichen Einlass in den Saal gab es - für den Mousonturm untypisch - nur zwischen den ersten beiden Stücken, die Zuspätkommenden wurden von ihm streng auf die Plätze verwiesen.

    Eine Rezension von Kerstin Holm in der FAZ: https://www.faz.net/aktuell/feuill…i-15921434.html

    :wink:

    .

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