Gottfried Heinrich Stölzel - die gesamte Palette der Barockmusik in der deutschen Provinz - leider nur ausschnitthaft überliefert
Hallo zusammen,
ich hatte vor einigen Wochen im Rahmen des Geniethreads versprochen, dass ich auf den von mir mit JS Bach auf eine Stufe gestellten Komponisten Gottfried Heinrich Stölzel zurückkommen und die Vorzüge seiner Musik in meinen Ohren vorstellen möchte.
Für die Lebensdaten 13.1.1690 (Grünstädtel im Erzgebirge) - 27.11.1749 (Gotha) und die Stationen seines Lebens möchte ich auf den deutschen und vor allem auf den sehr viel umfangreicheren englischen Wikipedia-Artikel verweisen.
Wie zahlreiche seiner Zeitgenossen studierte er (in seinem Fall ab 1707 Theologie) in Leipzig, dürfte dort Kontakt mit dem damaligen Kantor Melchior Hoffmann bekommen haben, sichere Kontakte aus dieser Zeit sind Johann Friedrich Fasch und Johann Georg Pisendel. Schon bald scheint sein Leben jedoch unter den Einfluss der Musik gekommen, erste Stationen sind Prag, Breslau, Bayreuth, Gera, mindestens zwei Italienaufenthalte sind bezeugt. Ab 1711 komponierte er Opern (Narcissus in Breslau scheint das erste Sujet zu sein). Seine Hauptposition als Hofkapellmeister am Hofe Herzog Friedrich II. in Gotha hatte er ab 1719 inne.
Ich bin fürwahr kein Spezialist für die reichhaltige Musik dieses Komponisten, kenne gerade mal ein paar CDs mit Musik dieses Barockmeisters. Aber alles, was ich kenne, steht auf (mindestens) gleicher qualitativer Stufe mit der Musik des in der heutigen Wahrnehmung vorherrschenden JS Bach. Das scheint der letzte übrigens auch so gesehen zu haben, er führte dessen Passionsoratorium Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld und etliche Kantaten in Leipzig auf. Zwei Kompositionen aus Stölzels Feder wurden lange Zeit als Werke JS Bachs angesehen: die Arie 'Bist Du bei mir' aus dem Clavierbüchlein BWV 508 und eine Kantate 'Bekennen will ich seinen Namen' BWV 200.
Überliefert sind gemäß des englischen Wikipedia-Artikels eine große Anzahl an Kirchenkantaten, die es anscheinend noch nicht auf CD geschafft haben, von seinen 18 Opern scheinen nur fünf Arien in einer zeitgenössischen Handschrift überliefert zu sein, eine davon ist die auch im Clavierbüchlein erhaltene 'Bist Du bei mir'.
Sein Nachfolger Georg Benda scheint seine Musik bis in die 1770'er Jahre hinein Werke Stölzels aufgeführt zu haben, auch CPE Bach war von der Qualität dieser Musik überzeugt, er kompillierte dessen Musik, drei Kantatenjahrgänge Stölzels waren in CPE Bachs Nachlass enthalten. Johann Philipp Kirnberger führte Werke Stölzels in seiner 1771 veröffentlichten Kunst des reinen Satzes auf.
Wer bei Barockmusik auf der Suche ausschließlich nach gelehrter Musik ist, also möglichst genau konzipierte Fugen (Tripelfugen gar!) als Qualitätsmerkmal ansieht, wird vermutlich keinen Zugang zu dieser Musik finden. Wer sich hingegen auf Musik einlassen kann, die ihn in unterschiedliche Richtungen mitreißen kann, ohne dass immer ein gelehrter Untergrund besteht, dem empfehle ich diese CD's, die ich mein eigen nenne, die mich durch z.T. absolut einzigartige Konzeption überzeugen.
An erster Stelle steht in meinen Ohren die Brockes-Passion, die es lediglich in der Aufnahme von Ludger Remy und Mitstreiteren gibt:
Nun ist es ja nicht so, als hätte dieser Text nicht auch noch andere Komponisten zu großen Werken inspiriert. Aber ich kann die Auseinandersetzung eben auch mit dieser Vertonung nur nahelegen.
Soviel für heute.
Gruß Benno