Die Louis Armstrong All Stars von 1947 - 1971
Es ist unbestritten, dass ohne Louis Armstrongs Einfluss die Entwicklung der Jazzmusik "anders" verlaufen wäre. Er war zur Stelle, als Andere nicht mehr weiterkamen, und er war mehr als nur einmal zur Stelle, als es darum ging Geschichte zu schreiben.
Zunächst löste er die alten Formeln und Regeln in der Musik aus New Orleans, dann setzte er mit seinem Trompetenspiel neue Maßstäbe für rund 15-20 Jahre und dann schaffte er noch den Wandel zum Swing hin, den er mit seinen Einspielungen einleitete.
Mit dem Aufkommen des "modernen Jazz" war seine Zeit als Erneuerer aber vorbei gewesen, und doch schuf er erneut Neues, indem er mit einem Ensemble durch die ganze Welt tourte, dass eine Mischung aus altem Jazz, Kommerz und erstklassiger Show war, wie sie SO zuvor noch nicht erreicht worden ist. Und genau über diese kleine Gruppe, die den Namen "All Stars" bekam, möchte ich hier berichten.
Der Erfolg Louis Armstrongs war auch ein Erfolg des langjährigen Managers an seiner Seite, ohne den dieser Erfolg niemals möglich gewesen wäre. Ich spreche von Joe Glaser (1896-1969). Glaser, ein erstklassiger weißer Geschäftsmann, kannte die Musikszene aus dem Eff-Eff, und seine gewiss harte Hand, die mit einem Bein auch immer auf der Seite der Ganoven der damaligen Zeit stand, machte es erst möglich, für Armstrong bestimmte Jobs und Gagen zu erhalten, die er sonst wohl nie bekommen hätte als schwarzer Künstler. Seine Agentur besteht heute noch, über 45 Jahre nach seinem Tode.
Wie kam es zur Gründung der "All Stars"? Gab es Vorläufer? Wenn ja, welche Gruppen waren das gewesen? Kann der Name "All Stars" die Erwartungen wirklich erfüllen? All diese Fragen gilt es zu beantworten und auch zumindest in Kurzform zu erklären. Zu komplex ist das Thema, dem sich unzählige "Jazz-Kenner" und "Aarmstrong-Spezialisten" gewidmet haben. Zu vielseitig sind die ganzen Bücher, die über ihn geschrieben wurden. Ich selbst habe davon nicht wirklich so viele, dafür sind es aber die meiner Meinung wichtigsten Quellen darüber.
Als der junge Armstrong die Jazz-Szene betrat, stand diese noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Es gab keine "größeren" Bands, sondern nur Combos oder die berühmten "Marching Bands", die durch die Straßen von New Orleans zogen und dabei mehr Lärm als Musik machten. Sie spielten die Musik der damaligen Zeit, und das nicht besonders jazzmäßig, sondern allenfalls mit einer gewissen "Hot Intonation", wobei das vermutlich eher durch die technischen Unzulänglichkeiten herkam als dass es bereits "gewollt" und mit Absicht geschah.
Sein Werdegang ist hinreichend dokumentiert worden. Vom Waisenhauskind hin zum Weltmusiker sicher eine typische Traumkarriere ganz nach einem schmierigen Kitschfilm a la Hollywood. Es ist erstaunlich, dass man sein Leben niemals als Film herausbrachte. Glenn Miller und Benny Goodman hatten dies als weiße Musiker bereits in den 1950-er Jahren geschafft, Ray Charles und Billie Holiday in neuerer Zeit ebenfalls.
Das nur einmal ganz grob und kurz als Einleitung.
Die "Urformen der All Stars":
Armstrong, der seinen künstlerischen Höhepunkt mit Sicherheit in der Zeit von 1925-1931 hatte (ca), konnte in der Zeit von 1925-1929 Aufnahmen mit zwei reinen Studio-Bands machen, die die Namen "Louis Armstrong and his Hot Five" und "Louis Armstrong and his Hot Seven" bekamen. Beide Bands bestanden aus exzellenten Musikern, die damals mit Armstrong auch vom Können her durchaus auf einer Höhe standen, wenn auch insgesamt technisch nicht das Niveau hatten von ihm. Darunter waren der Posaunist Kid Ory, Klarinettist Johnny Dodds, seine zukünftige Frau Lil Hardin, Baby Dodds am Schlagzeug und Johnny St.Cair an Banjo und Gitarre. Später kam noch Earl Hines dazu.
Diese beiden Bands machten eine unglaublich große Anzahl ein Einspielungen, denen man heute den Begriff "Klassisch" oder "Legendär" geben kann. "West End Blues", "Cornet Shop Suey", "Big Butter and Egg Man", "Muskrat Ramble", "King of the Zulus" oder "Potato Head Blues", "Ory's Creole Trombone", "Melancholy Blues", Wild Man Blues"; "Struttin'with some Barbecue" - alle diese Stücke wurden damals eingespielt und fast alle sind heute Standards im traditionellen Jazzbereich geworden. Und ich habe nur eine Auswahl hier aufgelistet, um zu zeigen, wie hoch die Qualität war, die man damals aufgenommen hat. Leider zu einer Zeit, in der die Aufnahmetechnik noch in den Kinderschuhen steckte, wie die Musik selbst auch.
Doch dann verschwanden diese kleinen Bands von der Szene, denn die größeren Ensembles, denen man dann den Namen "Bigband" gab, fingen an sich durchzusetzen. Auch hier war Armstrong von Anfang an dabei gewesen, spielte er doch bei einigen dieser Bands eine wichtige Rolle, sei es als Sideman (Fletcher Henderson) oder als Solist vor deren Orchestern (Chick Webb, Louis Russell).
Auch wenn Armstrong während der Bigband-Zeit immer wieder in allen möglichen und unmöglichen Formationen Aufnahmen machte, fand erst wieder 1937 eine Aufnahme-Session statt, die so etwas wie den Charakter einer "All Star-Band" hatte, auch wenn sie nur wenige Titel aufgenommen hat. Hier wirkten immerhin Musiker wie J.C.Higginbotham an der Posaune, Lee Blair an der Gitarre, Red Callender am Bass und der Drummer Paul Barbarin mit (15.11.1937). Sie spielten auch alle in der Russell-Band, und Russell saß auch selbst am Klavier.
Es sollte vier weitere dauern bis man ihm wieder die Gelegenheit geben sollte mit einer kleinen Besetzung ins Studio zu gehen, die von der Besetzung her der der All Stars nahe kam, wenn auch die Musiker nicht alle die Qualität hatten, die man ihm zugehstehen hätten müssen. Immerhin saß mit Big Sid Catlett der wohl vielseitigste Drummer der Zeit mit in der Band, der auch zu den ersten All Stars gehören sollte. Weiterhin waren es erneut Musiker aus der Luis Russell-Band, die hier rangezogen wurden. Meines Wissens wurden acht Stücke aufgenommen, so dass damit vier Platten in den Handel kamen.
Doch diese Aufnahmen waren nur ein "Vorgeplänkel" gewesen, und nichts deutete darauf hin, dass hier nur wenige Jahre später ein Wechsel stattfinden sollte, und zwar nicht nur ein Wechsel des Musikgeschmacks allgemein, sondern auch ein Wechsel Armstrongs wieder zurück von der Bigband zur kleinen Besetzung.
Was war geschehen?