Philipp Heinrich Erlebach - ein Ostfriese an einem Provinzfürstenhof in Thüringen war einer der fleißigsten Veröffentlicher in den 1690'er Jahren - bruchstückhaft überliefert
Hallo zusammen,
weil unser Forum ja noch immer sehr 19.-Jh.-lastig ist, mag ich hier einen Lieblingskomponisten des späten 17./frühen 18. Jhs. vorstellen: Philipp Heinrich Erlebach, geboren am 25.7. 1657 in Esens, gestorben am 17.4.1714 in Rudolstadt. Weder die deutsche noch die englische Wikipedia hilft sonderlich weiter. Klar ist, dass Erlebach vermutlich recht wenige Reisen unternommen hat, sich allein anhand der ihm zugänglichen Noten, aber dennoch sehr stark in die zeitgenössischen Strömungen (insbesondere Frankreichs) eingearbeitet hat.
Leider kenne ich viel zu wenig von Erlebach, aber das bisschen, was ich kenne, halte ich für beste Ware der 1690'er bis frühen 1710'er Jahre. Ich will mich nicht mit den wenigen Stationen seines Lebenslaufes aufhalten: Esens - Aurich - Schwarzburg/Rudolstadt, alle keine Zentren der damaligen Musikwelt und doch finde ich die eingespielten Kompositionen Erlebachs ganz außerordentlich gelungen, würde ihn unter seinen Zeitgenossen auf eine Stufe stellen mit Dietrich Buxtehude, Johann Christian Bach, Johann Kuhnau, Henry Purcell, Alessandro Scarlatti, Reinhard Keiser.
Wie vielen seiner Zeitgenossen nahmen sich Feuer seiner Noten an, beim Ableben sollen mehr als 2500 Stücke erhalten geblieben sein, zwanzig Jahre später waren 'allesamt von Feuer verzehret'.
Die vermutlich am weitesten verbreitete CD mit Musik Erlebachs ist diese hier, auf der seine Orchester-Musik neben die seiner norddeutschen Zeitgenossen gestellt wird:
Die hier eingespielte Ouvertüre Nr. 4 d-moll entstammt der Veröffentlichung von VI Ouvertures, Begleitet mit ihren darzu schicklichen Airs, nach Französischer Art und Manier aus dem Jahre 1693. Hier wird man gewahr, wie sehr sich französischer (hier musikalischer) Einfluss selbst in eher abgelegene Ecken des deutschen Reiches niederschlägt. Wenn ich es recht zuordne, bezieht sich die Aussage eines Zeitgenossen, Wolfgang Caspar Printz, auf diese Stücke, der Erlebach einen Musiker nennt, 'welcher unter den deutschen Componisten die meiste Satisfaction giebt und sich trefflich hervortut'.
Mir bedeutet eine CD vor allem mit Gesangsstücken aus der 1697 und 1710 in zwei Bänden erschienenen Harmonische Freude Musicalischer Freunde, eine Sammlung 'Moralisch- und politische Arien nebst zugehörigen Ritornellen' am meisten. In meinen Ohren ist das eine der zehn besten CDs mit barockem Gesang (und da habe ich wirklich so einige):
Was Stylus Phantasticus und Victor Torres hier veranstalten, ist sicher eine thematisch begrenzte Auswahl aus diesen Arien, fast alle hier vorgestellten Stücken sind Lamenti, das Rührend-Sentimentale dieser Musik wird absolut bewundernswert vorgestellt.
Dort sind auch drei Sonaten aus den 1694 im Druck erschienenen Sonaten für Violine, Viola da Gamba und b.c. enthalten, die Pablo Valetti, Friederike Heumann und Mitstreiter ungemein einfühlsam gestalten.
Daneben stehen noch diese beiden Aufnahmen in meinem Regal:
Beide Aufnahmen sind hervorragend musiziert, ich könnte sie nicht genügend loben, wenn nicht die Stylus Phantasticus-CD einen so extrem hohen Stellenwert bei mir hätte.
Ich hoffe, es gibt noch andere Mitglieder im Forum, die sich an Erlebachs Musik erfreuen können.
Gruß Benno