Jessye Norman - meine Primadonna in Wagner und Strauss

  • Jessye Norman - meine Primadonna in Wagner und Strauss

    Kurz vorab: Ich bin viel zu jung um Jessye Norman in Ihrer Glanzzeit jemals auf der Bühne live gesehen zu haben, geschweige denn damalige Diskussionen über ihre Stimme und ihr Auftreten mitverfolgt zu haben.
    Ich möchte in diesem Beitrag einmal Jessye Norman in ihren Aufnahmen der Wagner und Strauss Rollen huldigen.
    Folgende Rollen hat sie m. W. nach von Strauss und Wagner gesungen bzw. aufgenommen, mit der Bitte um Ergänzung und Kommentaren:

    Wagner:
    Kundry (Studioaufnahme unter Levine)
    Sieglinde (Studioaufnahme unter Janowski und Levine)
    Elisabeth (Liveaufnahme unter Davis aus den 1970ern)
    Elsa (Studioaufnahme unter Solti)
    Isolde (Nur in Ausschnitten: Liebesduett des 2. Akts + Liebestod 2x Studio und legendär live unter Karajan)

    + Es gibt eine Wagner-Ausschnitte CD, in welcher Norman "Starke Scheite", die Arie der Senta und Ausschnitte aus Tannhäuser eignespielt hat.

    Strauss:
    Salome (Studioaufnahme unter Ozawa, Rolle nie live gesungen)

    Ariadne (Studioaufnahme unter Masur. Auch live gesungen)

    Jedoch komme ich nicht drum herum:
    Ich liebe ihre Interpretationen der Elsa, Salome und co. Gestern hat mir der Postbote die Studioaufnahme der Salome unter Ozawa vorbeigebracht,
    Jessye Norman in der Hauptrolle! Ich bin ganz hin und weg und habe die Salome in einem Stück durchgehört.

    Natürlich sind mir all die anderen Größen der Vergangenheit und Gegenwart bewusst und stehen bei mir alle im Regal. Aber aus irgendeinem Grund bleibe ich immer und immer wieder an der Stimme von Jessye Norman hängen: Dieses Volumen, diese Tiefe, diese Erotik - hach....
    Auch wenn ich in Kritiken lese, dass ihre Sieglinde viel zu alt klingt und die Rolle nicht adäquat interpretiert sei, mich stört es nicht.

    Mein Beitrag war nun nicht sonderlich objektiv, ich weiß. Aber ich kann nicht anders :) Lege gleich nochmal Normans Salome auf!

    Wie ist Eure Meinung zu Jessye Norman? Übertreibe ich, oder kann man mir zustimmen? Wie gerne würde ich sie doch im Rosenkavalier, der Elektra oder als Isolde einmal hören, leider gibt es das nicht.

  • Zu Richard Strauss gibt es diese wunderbare Aufnahme:



    In Punkto "vier letzte Lieder" sicher eine der besten Aufnahmen auf dem Markt. Darüber wurde hier auch schon an unterschiedlicher Stelle geschrieben. Sie beherrscht gerade hier sowohl die tieferen als auch die höheren Lagen perfekt, und Ihre Umsetzung der Musik trifft m.E. genau den leicht melancholischen Unterton, den Strauss hier anschlägt.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Danke! Ist direkt bestellt.

    Soeben nochmal den Schlussgesang der Salome unter Jessye Norman angehört. Gänsehaut pur! Zwar kein 14-jähriges Mädchen vom Klang her, aber ein Volumen in der Stimme!!

  • Auch Wagners Wesendonck-Lieder sollten nicht vergessen werden ...
    London Symphony Orchestra, Sir Colin Davis 1975
    Das ist ein unbedingtes MUSS!! ;)
    Es gibt auch in der zwei CD Box "The Other Wagner" noch die Wesendonck-Lieder mit Piano, Irwin Gage.
    Weiß natürlich nicht ob dir der Rest auf der CD zusagt, deshalb habe ich sie nicht eingestellt.

    Und Strauss Lieder mit Geoffrey Parsons Piano 1986

    Das gibt es auch gekoppelt mit den Vier letzten Liedern ...

    LG palestrina

    PS: Ich habe sie viermal in Liederabende gehört , Strauss, Schubert, Schumann, Schönberg/Mahler

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Es gibt auch in der zwei CD Box "The Other Wagner" noch die Wesendonck-Lieder mit Piano, Irwin Gage.
    Weiß natürlich nicht ob dir der Rest auf der CD zusagt, deshalb habe ich sie nicht eingestellt.

    Das sind sogar 3 CDs. Die anderen Stücke sind durchaus hörenswert, und für jemand der sich für Wagner "in toto" interessiert eine gute Ergänzung zu seinen Bühnenwerken.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Das sind sogar 3 CDs. Die anderen Stücke sind durchaus hörenswert, und für jemand der sich für Wagner "in toto" interessiert eine gute Ergänzung zu seinen Bühnenwerken.

    Peter

    Du hast natürlich Recht, das es 3 CDS sind , die WdL sind ja auf der dritten CD, und natürlich ist es eine tolle Box, auch wegen dem Liebesmahl der Apostel.

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Schade, dass nach ihrem Tod dieser Faden hier nicht fortgeführt wurde. So werde ich mal ein paar persönliche Eindrücke von ihr niederschreiben.

    Im Thread 'Soeben verstorben' habe ich mich ja schon zu ihr geäußert, aber hier ist vielleicht eher der Ort, auch Kritisches zu ihr zu sagen.

    Grundsätzlich liebe ich sie sehr und habe mit ihr unvergessliche Stunden in Live-Liederabenden erlebt. Unvergesslich, weil sie für mich noch einmal einen Sängertypus verkörperte, der mir irgendwie ausgestorben zu sein scheint. Die Diva, die mit großer Stimme, großer Geste, großem Auftreten, mit diesem 'bigger-than-life' den Raum und die Imagination füllen konnte.

    Das wohl ist es, was ich an ihr so geliebt habe und was ich aber auch, höre ich nur ihre Aufnahmen, ein Stück an ihr kritisiere.

    Ich nehme mal ihre hier schon erwähnte Aufnahme der 'Vier letzten Lieder' unter Kurt Masur. Genau diese Aufnahme habe ich, als ich von ihrem Tod erfuhr, mal wieder aufgelegt und war zutiefst erschüttert und wirklich zu Tränen von diesem Gesang berührt. Das ist alles in allem wirklich überwältigend. Ich liebe es, wenn jemand die großen Strauss-Bögen auch wirklich gesanglich nachvollziehen kann, wenn jemand über diese Atemkontrolle bei langsamen Tempo verfügt, wenn jemand überhaupt diesen Atem besitzt, gesanglich-technisch wie auch gedanklich und emotional. Aber ich bin, höre ich sie nur, hin- und hergerissen wie so oft bei ihr. Das Thema des Sterbens und des Abschiednehmens bietet sich für ihre Art der Interpretation an, aber die Lieder vielleicht nicht unbedingt. Man kann es so singen, aber man muss es nicht. Meine Lieblingsaufnahme wird es nicht werden. Da schwanke ich weiterhin zwischen Schwarzkopf und der 'ollen' Flagstad. Wie gesagt, das Thema bietet sich für diese Form von Pathos an, aber vielleicht ist eine vokale Reduzierung in diesem Fall sogar sinnvoller.

    Der 'Liebestod'. Hier, denke ich, kann man, muss man alles geben, hier passen Pathos und große Geste. Und dann überrascht sie uns bei Karajan mit diesem zurückgenommenen, sehr intimen Abschied. Das ist wirklich groß gerade in der Reduzierung und dadurch besonders berührend. Anders übrigens als in der Studio-Aufnahme unter Tennstedt, die für mich zu konventionell geraten ist.

    Mahlers 'Lied von der Erde', was ich unter Levine damals live in Berlin erlebt habe und das für uns alle zu einem unvergesslichen und unvergleichlichen Erlebnis wurde. Das war etwas, was uns gefühlte Minuten lang den Atem stocken ließ. Höre ich aber heute die Aufnahme habe ich immer das Gefühl, dass sie an die vokale Selbstverständlichkeit einer Ludwig auch technisch nicht herankommt. Hier fehlt es und da fehlt es, v.a. vielleicht, weil ihre Art des Singens Dinge verspricht, die sie dann doch nicht einhalten kann. Was wir allerdings damals live nicht bewusst wahrgenommen haben.

    Ich glaube also, man kann die Norman nicht von den Live-Erlebnissen trennen. Hat man das ganze 'Paket' erlebt, dann war es überwältigend, dann war sie groß, dann war sie einzigartig. Aber das ist es vielleicht gerade auch, was Opern- und Liedgesang ausmacht. Als Wagner, Strauss, Mahler und all die anderen geschrieben haben, schrieben sie für den Augenblick auf der Bühne, nicht für Menschen, die irgendwann eine CD 'reinschieben würden. Sie konzipierten das 'Gesamtpaket' und in dem Sinne war die Norman ideal, war sie Diva, war sie raumgreifend, war sie groß.

    Und dieses Raumgreifende, diese Größe verbunden mit dieser einzigartig schönen, alles überflutenden Stimme, das ist es wohl, was mir immer in Erinnerung bleiben wird und was ich immer an ihr lieben werde. Sie war wohl halt zu groß für das kleine Mikrophon.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ich finde Deine Eindrücke zu Jessy Norman sehr lesenswert - "larger than life"? Das trifft es sehr gut, wie ich finde, eine Diva im besten Sinne des Wortes.

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Zurück zu den Anfängen...

    im Netz findet man die Arie, mit der Jessye Norman 1968 den 1. Preis des ARD-Musikwettbewerbs gewann:
    https://www.br.de/mediathek/vide…364e900132135f2

    :wink:

    amamusica

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Schade, dass nach ihrem Tod dieser Faden hier nicht fortgeführt wurde. So werde ich mal ein paar persönliche Eindrücke von ihr niederschreiben.

    Habe ihren Liebestod mit Karajan, warum auch immer, erst jetzt mal wirken lassen. In der Tat: Und dann überrascht sie uns bei Karajan mit diesem zurückgenommenen, sehr intimen Abschied. Das ist wirklich groß gerade in der Reduzierung und dadurch besonders berührend.

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Aus Jessye Normans Nachlass erscheinen drei CDs mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen.

    1. CD (Studioaufnahmen) - Richard Wagner: Tristan und Isolde (Auszüge / Jessye Norman, Thomas Moser, Ian Bostridge, Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur)

    2.CD (Live-Aufnahmen) - Richard Strauss: Vier letzte Lieder; Richard Wagner: Wesendonck-Lieder (Jessye Norman, Berliner Philharmoniker, James Levine)
    3.CD (Live-Aufnahmen) - Joseph Haydn: Scena di Berenice; Hector Berlioz: Cleopatre; Benjamin Britten: Phaedra op. 93 (Jessye Norman, Boston Symphony Orchestra, Seiji Ozawa)

    "Es war Frau Normans Perfektionismus, das Gefühl, dass die Musik oft besser war, als jeder Interpret ihr gerecht werden konnte, das sie dazu veranlasste, die Aufnahmen zurückzuhalten, die nun das Licht der Welt erblicken. Jetzt, wo die Originalbänder liebevoll restauriert und neu gemastert wurden, können Jessyes zahllose Bewunderer, die sich schon lange danach gesehnt haben, diese wichtigen Dokumente einer der größten Sängerinnen, die jemals aufgenommen wurden, hören." (Werbetext bei jpc)


    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Richard Wagner: Wesendonck-Lieder (Jessye Norman, Berliner Philharmoniker, James Levine

    Das wird aus dem Konzert in Berlin sein, in dem im zweiten Teil dann das 'Lied von der Erde' gegeben wurde (DGG). Die 'Wesendonck-Lieder' haben uns damals wirklich überwältigt, nach der Pause wurde der Eindruck dann sogar noch getoppt.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

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