Die Elbphilharmonie und ihre Konzerte

  • LIeber Christian, es gibt ja laut Volksmund angeblich zwei funktionierende Konzepte für Ehen: Gleich und gleich gesellt sich gern oder Gegensätze ziehen sich an.
    Hier trifft dann eindeutig das Zweite zu..... :D Nach meiner bescheidenen Erfahrung (ich gehöre zu den seltenen Exemplaren die erst einmal verheiratet waren bzw sind) funktioniert dieses Prinzip eher am Anfang einer Beziehung, wobei mit sinkendem Erotikspiegel Prinzip eins immer wichtiger wird.
    Bei der Elphi ist derzeit der Erotikspiegel auf dem Hochpunkt, also läuft es glänzend und wir sprechen uns in 30 Jahren wieder...... :love: :evil:

    Wenn man ganz gemein sein will, ist das verbindende Element in jedem Fall der Mammon. Wenn man subtiler vorgeht, ist es die Tradition der Stadt, in der Handel und Weltoffenheit bzw Hochkultur sich miteinander verbunden haben, ohne dass es vielleicht auf den 1. Blick eine Verbindung gibt. Wobei es die m.E. sehr wohl gibt- denn wer in die weite Welt fährt, und sei es nur um Geld zu machen, bringt auch deren Kulturenreichtum mit und wird automatisch weniger bauchnabelbezogen.
    Was das Konzerthaus als Schiff angeht: wie muss denn ein Konzerthaus aussehen, damit es kein Kitsch ist? Wie eine Violine oder wie ein Klavier? DAS wäre in meinen Augen wirklich Kitsch.
    Das Schiff hat vordergründig nichts mit dem Zweck zu tun sondern mit dem Symbol für die Stadt und damit ist auch die Verbindung zum Speicher gegeben, der ja der Schiffsrumpf ist. Das Schiff verstehen alle Hamburger und können sich wahrscheinlich damit sehr gut identifizieren. Allein das rechtfertigt für mich die Wahl, denn sie haben es ja schließlich bezahlt, womit wir wieder bei Handel und Mammon sind.

    Ein Konzerthaus ist leider (oder glücklicherweise für die Musiker) nunmal auch ein Kaufhaus für möglichst gute Musik. Ob wir das nun gut finden oder nicht. Du möchtest auch für deine Konzerte bezahlt werden, n'est-ce pas? ;) Wenn das dann wie hier dazu genutzt wird, eher unpopuläre und auch schwierige moderne Musik unters Volk zu bringen und sogar bejubeln zu lassen, kann doch eigentlich nur Jeder profitieren. Wo also ist das Problem ?( :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • die Verbindung von Speicher und Neubau kommt mir eigentlich recht geglückt vor. Jedenfalls - wenn ich mir das ganze Ding im Stil des Oberteils ausgeführt denke, so wäre das doch wohl auf eine Glas-Monumentalität hinaus gelaufen. So relativiert sich das. Das "Verbindende" ist einfach der identische Grundriß. So blank aufeinander gesetzt steht das Ding da wie ein Tritonus bei Ligeti.

    Die Schiffsform wird ja primär durch die Landzunge nahegelegt und ist m.E. nicht übermäßig betont, was mich allerdings stören würde.

    Prinzipiell finde ich auch die Einbeziehung von Wohnungen + Hotel gut, weil es damit unterschiedliche Gründe gibt, sich dort aufzuhalten. Ob das auf die Dauer auf die Umgebung ausstrahlen kann, kann ich nicht beurteilen.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Wenn eine Sache in Form einer ganz anderen auftritt, kann das natürlich Kitsch sein, muß aber nicht. Ich würde sogar sagen, in bezug auf Architektur kommt es sehr häufig vor, daß man nicht vom Äußeren auf den Zweck schließen kann. Zu manchen Zeiten wollte man es ganz klar für den Betrachter machen, was da auf ihn wartet, zu anderen Zeiten wieder weiß man von außen überhaupt nicht, was drin steckt (vor allem in etlichen modernen Bauten). Es ist reine Geschmackssache, was man als besser empfindet.
    Wenn ein Konzerthaus aussähe wie eine Violine oder ein Klavier, wäre es aber auch nicht vornherein kitschig, sondern sogenannte architecure parlante. Davon gibt es berühmte Beispiele (unter Fachleuten sehr bekannt etwa Ledouxs Entwurf eines Bordells, dessen Grundriß dem membrum virile entspricht ;) - aber natürlich ist das ein sehr drastisches Exempel).
    Ein Monumentalbau wie die Elbphilharmonie dient nicht nur einem Zweck. Es ist kein reiner Kulturbau, sondern offenbar bewußt als Wahrzeichen gedacht. Die Schiffssymbolik an sich gilt aus meiner Sicht zunächst wertfrei; es kommt darauf an, wie sie umgesetzt ist. Für Hamburg und den speziellen Standort scheint so etwas im Prinzip angemessen.Da ich nur nach Fotos urteilen kann, vermag ich klarerweise kein definitives Urteil abzugeben. Von außen schaut es für mich nicht sehr gelungen aus, doch da können die wenigen Abbildungen, die ich bis jetzt gesehen habe, durchaus täuschen. Innen hingegen bin ich sehr beeindruckt. Ob das bei einem Besuch vor Ort ebenso anhält, muß offen bleiben. Aber sicher ist das kein Dutzendniveau.

    Für jemanden, der wie ich sehr weit vom Schuß ist, entwickelt sich die Diskussion überraschend lebhaft, und das ist schon an sich etwas Positives. Sicher gibt es an dem Bau manches berechtigt zu kritisieren und manches Lobenswerte wird wohl außer Streit bleiben (die Akustik wird offenbar allgemein als überdurchschnittlich empfunden - daß sie an manchen Stellen vielleicht ein paar Probleme aufwirft, ist wohl bei einem solchen Saal unvermeidlich). Je mehr Aspekte in der Diskussion auftauchen, desto eher können wir unsere Eindrücke auf eine solide Basis stellen. daher verfolge ich diesen Thread mit großem Interesse. Ich begreife zwar, daß dem Kind bei der Geburt von seinem Erzeuger ein anderes Schicksal bestimmt war und er jetzt keine rechte Freude hat, aber die anfänglich intendierten Beiträge werden sicher noch kommen, und sind vielseitige Kinder unbedingt mißraten? Meine eigenen - realen - Kinder haben sich auch nicht in allem so entwickelt, wie ich es mir einmal gedacht habe, aber das ist wahrscheinlich ganz gut so. Sonst würde man ja nur Epigonen züchten. Das wäre letztlich fad.

    :wink: Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Was das Konzerthaus als Schiff angeht: wie muss denn ein Konzerthaus aussehen, damit es kein Kitsch ist? Wie eine Violine oder wie ein Klavier?

    Nein, natürlich nicht, denn das wäre ja wieder die "falsche" Form im Sinne von Gillo Dorfles. Beispiele für mutige, innovative, auch sperrige Konzerthausneubauten gibt es aus den letzten zehn oder fünfzehn Jahren genug: die Casa de la musica in Porto, das Heydar Aliyev Center in Baku, das Festpielhaus in Erl, das Konzerthaus Blaibach, das "Harpa" in Reykjavik, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, die Pariser Philharmonie und viele mehr. Auch an diesen Bauten gab und gibt es natürlich Kritik, aber gerade das spricht meines Erachtens eher für sie, denn sie scheinen mir durchweg weniger "gefällig" zu sein als die Elbphilharmonie, bei der sich die Kritik von ganz wenigen und leisen Ausnahmen abgesehen auf die zu hohen Kosten beschränkt. Ich halte es auch für keinen Zufallt, dass es z.B. das Konzerthaus Blaibach nicht in Form einer Ausstechform für Plätzchenbäcker oder als Pfeffer- und Salzstreuer zu kaufen gibt. Platt gesagt: Die Elbphilharmonie sieht für mich mehr nach "Walt Disney" aus als z.B. die Concert Hall dieses Namens in Los Angeles.

    Ein Konzerthaus ist leider (oder glücklicherweise für die Musiker) nunmal auch ein Kaufhaus für möglichst gute Musik. Ob wir das nun gut finden oder nicht. Du möchtest auch für deine Konzerte bezahlt werden, n'est-ce pas? Wenn das dann wie hier dazu genutzt wird, eher unpopuläre und auch schwierige moderne Musik unters Volk zu bringen und sogar bejubeln zu lassen, kann doch eigentlich nur Jeder profitieren. Wo also ist das Problem

    Wenn man die Philharmonie als Symbol der Kommerzialisierung der Kunst versteht, ist sie stimmig gebaut, da hast Du Recht. Ich hätte mir trotzdem etwas anderes gewünscht. Für Konzerte bezahlt zu werden ist etwas anderes als Konzerte zu spielen, um bezahlt zu werden. Immerhin setzt das Programm des Eröffnungsfestivals einen ermutigenden Kontrapunkt zur alles beherrschenden Kommerzialisierung. Von der Architektur kann ich das hingegen nicht behaupten.

    Christian

  • Wenn man die Philharmonie als Symbol der Kommerzialisierung der Kunst versteht, ist sie stimmig gebaut, da hast Du Recht. Ich hätte mir trotzdem etwas anderes gewünscht. Für Konzerte bezahlt zu werden ist etwas anderes als Konzerte zu spielen, um bezahlt zu werden. Immerhin setzt das Programm des Eröffnungsfestivals einen ermutigenden Kontrapunkt zur alles beherrschenden Kommerzialisierung. Von der Architektur kann ich das hingegen nicht behaupten.

    Inwiefern siehst du "Kommerzialisierung" bei der Elphi durch die Architektur ausgedrückt? ?(

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Prinzipiell finde ich auch die Einbeziehung von Wohnungen + Hotel gut, weil es damit unterschiedliche Gründe gibt, sich dort aufzuhalten

    Ha, ich warte schon auf den Tag, wo ein Hotelbesucher im Schlafanzug mit Mütze und Bommeln abends an die Saaltür bollert und um Ruhe bittet oder gar aufs Podium geht und den Dirigenten auffordert, leiser zu spielen, schließlich "Gäbe es hier Leute, die ihren Schlaf verdient hätten." :thumbup:
    Wer weiß?
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Ha, ich warte schon auf den Tag, wo ein Hotelbesucher im Schlafanzug mit Mütze und Bommeln abends an die Saaltür bollert und um Ruhe bittet oder gar aufs Podium geht und den Dirigenten auffordert, leiser zu spielen, schließlich "Gäbe es hier Leute, die ihren Schlaf verdient hätten."
    Wer weiß?

    ich würde das jedenfalls nicht als den Untergang der Elbphilharmonie ansehen... ;)

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Inwiefern siehst du "Kommerzialisierung" bei der Elphi durch die Architektur ausgedrückt?

    So direkt natürlich nicht, es war nur eine Replik auf Fairys Einwand, in einem Konzerthaus werde ja auch Musik verkauft, weshalb es ruhig aussehen könne wie ein Kaufhaus (ok, das habe ich jetzt mit einiger künstlerischer Freiheit zusammengefasst...). Aber: Das Haus steht zwischen alter Speicherstadt bzw. neuer Hafencity und neuem Hafen an einer Stelle, in deren Umgebung es ausschließlich um Handel, Geschäfte, Kommerz geht. Und dagegen erhebt es architektonisch keinen Einwand, ist kein künstlerisches "Gegengewicht", kein "Stachel im Fleisch" oder ähnliches, sondern fügt sich brav und konform, nur etwas protzig ein. Natürlich hat Waldi vollkommen Recht, dass man einem ambitionierten Konzerthaus nicht unbedingt ansehen muss, dass in ihm Musik gespielt wird, aber ich erwarte schon, dass es sich von einem Luxuskaufhaus oder -hotel sichtbar unterscheidet, zumal in dieser Umgebung. Ich finde diesen Bau zu gefällig, zu wenig störend, zu konform mit seiner merkantilen Umgebung. Das mag ja alles nach Hamburg passen, und es hat auch ohne Zweifel eine gewisse "Wirkung", aber es ist eher die Stein bzw. Glas und Holz gewordene Wirkung von Filmmusik oder Musical als die widerspenstige, rätselhafte großer Kunst.

    Christian

  • Ich finde diesen Bau zu gefällig, zu wenig störend, zu konform mit seiner merkantilen Umgebung.

    Findest du denn z. B. die Berliner Philharmonie in ihrer Umgebung "störend"? Oder die Musikhalle in Hamburg?

    maticus

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  • Findest du denn z. B. die Berliner Philharmonie in ihrer Umgebung "störend"? Oder die Musikhalle in Hamburg?

    Die Musikhalle ist über 110 Jahre alt, das lässt sich natürlich nicht vergleichen. Vor allem ihre Umgebung dürfte kaum noch wiederzuerkennen sein :) . Auch wenn letzteres bei der Berliner Philharmonie nicht viel anders ist (sie steht ja nur wenige Meter von der ehemaligen Grenze und vom Potsdamer Platz entfernt), "stört" sie in ihrer Umgebung durchaus, wenn auch in einem anderen Sinne: Der Platz, an dem sie steht, war von Albert Speer im Rahmen der Umgestaltung Berlins zur "Welthauptstadt Germania" für eine monumentale "Soldatenhalle" vorgesehen. Die Entscheidung für den Bau an genau dieser Stelle (ursprünglich war ein anderer Standort vorgesehen) war ein bewusstes Zeichen, ihr betont un-monumentales, sachliches Erscheinungsbild ebenso. Ihre "Störkräfte" richten sich also weniger gegen die damalige Gegenwart als gegen die Vergangenheit, von der allerdings in der Gegenwart der späten 50er und frühen 60er Jahre kaum jemand etwas wissen wollte. "Brav und konform" war ihr Bau also nicht.

    Christian

  • ich würde das jedenfalls nicht als den Untergang der Elbphilharmonie ansehen... ;)

    Untergang sowieso nicht. Die Elbphilharmonie gilt als unsinkbar!!! Also keine Panik auf der Ti... äh, ja.

    Ich finde den Bruch zwischen massivem Speicher und luftig-fluidem Aufsatz übrigens sehr gelungen inszeniert, gerade weil eben keine verbindenden Elemente vorhanden sind. Darin liegt für mich etwas hart Kontrastierendes, das mir einer vermeintlichen Harmlosigkeit der Architektur entgegenzuwirken scheint. Es bleibt halt ein Bruch.
    Zudem bekommt der merkantile Sockel damit einen seinem Wesen entgegengesetzten Überbau, in dem die künstlerische Ungebundenheit hoffentlich ihre Triumphe feiert. Ich projiziere hier einfach mal eine naive Sinnfälligkeit hinein, die mir gefällt.
    Zudem bewege ich mich äußerst gern auch im Gebäude um den großen Saal und in diesem selbst umher. Da ist alles hell und in dieser lichten Atmosphäre auch wieder eine sinnfällige Harmonie aus Leben/Lebendigkeit (es gibt praktisch keine Symmetrien, keine harten Fixpunkte, sondern nur fließende Formen, Übergänge und Räume, die dem Auge immer unterschiedliche Bilder ohne exakte Wiederholungen bieten) und Ruhe (schlichtes Interieur, keine schmückenden Elemente, z.T. große Flächen).
    Mit den Garderoben und dem Ausschank bin ich weniger zufrieden, da hätte es z.T. gern noch großzügiger sein dürfen. Ist aber nun wahrlich nicht so wichtig.
    Wichtiger: Die Treppen, die auch recht "lebendig" :rolleyes: gestaltet sind, scheinen gerade älteren Menschen einiges abzuverlangen - man muss da ziemlich aufpassen. :alter1: (Mir machen sie allerdings Freude.)

    ...schreibt Christoph :wink:

  • Ich komme gerade von einem Literatur-Konzert mit Gedichten von Apollinaire, Paul Valery, Blaise Cendrars und Klaviermusik von Debussy in einem potthässlichen Theater und denke mir, dass es eigentlich egal sein kann, wie der Bau von aussen aussieht, in dem grosse Kunst aufgeführt wird- sie tut ihre Wirkung, so oder so.
    Aber wir reden ja hier über Architektur als eigene Kunstgattung und erstmal bedanke ich mich bei Christian für die Photos der Konzertbauten, die ich bis auf die Pariser Philharmonie nicht kenne. Besonders gut gefällt mir "Harpa" in Reykjavik und ich finde diesen Bau ebenfalls sehr passend zu seiner Umgebung und dem Bild das ich von Island habe, so wie die Ephi zu meinen unbedarften Hamburg-Bild passt.
    Das Argument, dass ein Kunstwerk störend wirken soll, leuchtet mir natürlich ein und ist wirklich bedenkenswert. Ohne störende Kunstwerke wären wir nie wirklich weitergekommen und um unendlich Vieles ärmer. Aber muss deshalb Alles immer störend sein?
    Darf Kunst nicht auch hin und wieder auf dem Marktplatz taugen und der Menge gefallen? Der Figaro wurde auch von Hinz und Kunz auf der Gasse gepffiffen und ist trotzdem grosse Kunst. Ich finde nicht, dass das Gefällige automatisch qualitativ minderwertig ist. Und im Falle dieser Elbphilharmonie bin ich der Ansicht, dass sich auch der Hafenarbeiter aus Übersee damit identifizieren sollen kann und nicht nur der intellektuelle Hochkulturinsider. Das was Benutzername zu dem Bruch zwischen Speichersockeln und Glas-überbau schreibt habe ich ja anfangs schon als ehe der Gegensätze zu beschreiben versucht und dieser Bruch ist tatsächlich nicht sehr gefällig, kann aber trotzdem gefallen, weil er eben Gegensätze vereinigt und nicht total trennt.

    Wie auch immer: ist doch toll, wie lebhaft dieser Thread nun noch geworden ist und es wird Music Lover sicher freuen, dass die Bewunderer der Elphi eindeutig in der Überzahl sind und sogar ein ausgewiesener Fachmann aus dem südlichen Gefilde des deutschsprachigen Kulturkreises dazugehört. Waldi kennt sich allerbesten mit der Architekturgeschichte aus und verreisst die Elphi nicht- ich hoffe, also, dass unser Music Lover nun versöhnt zu Bett gehen kann :wink: . :fee:

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  • Darf Kunst nicht auch hin und wieder auf dem Marktplatz taugen und der Menge gefallen? Der Figaro wurde auch von Hinz und Kunz auf der Gasse gepffiffen und ist trotzdem grosse Kunst.

    Gerade der "Figaro" ist aber schon durch die Wahl eines für die Aufführung verbotenen Stoffes extrem widerspenstig. Offene Kritik an der Herrschaft des Adels, Spott über die Unmoral des Grafen usw.: "Störender" kann ein Kunstwerk doch kaum sein! Und dass seine Melodien auf der Straße gepfiffen wurden, machte die Sache aus der Sicht der Mächtigen mit Sicherheit noch schlimmer.

    im Falle dieser Elbphilharmonie bin ich der Ansicht, dass sich auch der Hafenarbeiter aus Übersee damit identifizieren sollen kann und nicht nur der intellektuelle Hochkulturinsider.

    Einverstanden, aber wenn man den "Hafenarbeiter aus Übersee" nicht nur als einen in romantisch verklärter Sicht für die Kunst gewonnenen Quoten-Proleten versteht, dann wüsste ich nicht, womit er sich bei diesem Bau eigentlich "identifizieren" könnte. Was ihn in seiner Lebenswirklichkeit zum "Hafenarbeiter" macht und zum Beispiel vom gut situierten Hamburger Bürgertum unterscheidet, findet sich jedenfalls in der Architektur kaum wieder. Beim Konzertprogramm mag das anders sein.

    Christian

  • In aller Kürze, da ich mit dem Antworten eh nicht hinterherkomme und der Thread eh schon vom eigentlichen Thema abgekommen ist: ich gebe music lover in dem Punkt recht, dass ich mir die Diskussion über die Architektur ebenfalls an anderer Stelle wünschen würde. Passende Threads zu diesem Thema gibt es bereits, wo viele der hier zu lesenden Beiträge wunderbar reinpassen würden. Nun hat sich hier ein "Nebenkriegsschauplatz" entwickelt und die Diskussion über das Gebäude und die Architektur zerfleddert. Da wird geschrieben, dass Diskussionen in Pro- und Contra-Threads aufgeteilt werden könnten (oder gerade besser nicht?) - dabei hätte DAS immerhin noch Struktur, aber so wird sich der geneigte Leser in ferner Zukunft die Beiträge über dieses Gebäude selbst in Kleinarbeit aus verschiedensten Diskussionsfäden zusammensuchen können.

    Mit etwas Gutwillen ließe sich der Eröffnungsbeitrag von music lover vielleicht so verstehen (so hatte ich ihn jedenfalls verstanden): wer nun akzeptiert hat, dass die ElPhi nun in dieser Art so dasteht und eröffnet ist (mit allen mehr oder weniger zweifelhaften Mehrkosten, die sie hatte...), kann sich hier nun über Konzerte/Konzerterfahrungen in diesem Gebäude austauschen. Schlechte Konzertkritiken waren ausdrücklich nicht ausgenommen davon.
    Wir fangen doch aber bei jedem Konzertbericht aus dem Münchner Gasteig oder aus der Alten Oper Frankfurt auch nicht jedes Mal von neuem an, über die Unzulänglichkeiten eines Konzerhauses zu schwadronieren... oder über teure Bau- oder Renovierungskosten... oder über dessen Architektur... oder sehe ich das falsch?

  • Wenn es in diesem Thread ausschließlich um Konzerte gehen soll und nicht auch um das Gebäude an sich kann die Moderation ja in einen anderen Thread verschieben . Es stimmt natürlich dass es für Leser die speziell Kommentare zur Architektur suchen, schwierig wird sie überall zusammenzuklauben. Wobei das in einem Forum eigentlich die Regel ist, wir sind bei aller Struktur ja nun mal kein Archiv sondern ein lebendiger Diskussionsverein. Lieber Christian , zu den Identifizierungen eines Hafenarbeiters aus Übersee mit einem Gebäude sage ich besser nichts mehr, weil ich kein solcher bin und unter keinen Umständen snobistisch klingen will. Ich glaube einfach aus Erfahrung mit vielen vielen eher Kulturfernen Menschen, dass es leichter ist mit weniger abstrakten Kunstwerken vertraut zu werden und sich heimischer zu fühlen. Aber das ist nur ein Standpunkt , der gewiss keine Allgemeingültigkeit beansprucht. Die Geschichte wird zeigen wie dieses Gebäude von allen Bevölkerungsschichten angenommen wird oder nicht. Ansonsten lasse ich einfach mal unsere verschiedenen Auffassungen nebeneinander stehen und kann Deine Argumentation durchaus nachvollziehen. Intellektuell leuchtet sie mir ein, aber mein ästhetisches Empfinden vor diesem Gebäude ändert das nicht. Und man kann in allem Respekt und ohne persönliche Angriffe :thumbup: diese beiden Standpunkte vertreten. Schönen Sonntag ringsum :fee:

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  • Wir fangen doch aber bei jedem Konzertbericht aus dem Münchner Gasteig oder aus der Alten Oper Frankfurt auch nicht jedes Mal von neuem an, über die Unzulänglichkeiten eines Konzerhauses zu schwadronieren... oder über teure Bau- oder Renovierungskosten... oder über dessen Architektur... oder sehe ich das falsch?

    Ja, ich glaube, dass Du das falsch siehst: Für reine Konzertberichte gibt es ein entsprechendes Unterforum, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine Nebendiskussion zur Architektur stattfinden würde. Hier geht es nach dem (inzwischen geänderten) Thread-Titel hingegen um "Die Elbphilharmonie und ihre Konzerte", nicht nur um "Konzerte in der Elbphilharmonie". Das geht auch aus dem Eröffnungsbeitrag hervor, in dem Music Lover doch selbst seine positive Meinung zum Haus betont hat (noch deutlicher im ursprünglichen Thread-Titel). Er wollte halt (hier) nur keine Gegenmeinung dazu lesen, aber positive Stimmen zum Haus waren doch ausdrücklich willkommen! Wenn man hier nur über Konzerte schreiben sollte, könnte es dem Thread-Ersteller übrigens auch ganz egal sein, welche Haltung der Schreiber zum Gebäude usw. hat. War es ihm aber nicht.


    Ich glaube einfach aus Erfahrung mit vielen vielen eher Kulturfernen Menschen, dass es leichter ist mit weniger abstrakten Kunstwerken vertraut zu werden und sich heimischer zu fühlen.

    Ich will nicht an Deiner Erfahrung zweifeln, aber ist nicht auch der umgekehrte Fall möglich? Zum Beispiel im Museums-Bau der letzten Jahrzehnte gibt es doch Beispiele von mutigen, provokativen Gebäuden, die in kurzer Zeit geradezu Kultstatus erreicht haben und Massen von Besuchern anziehen, die zu einem großen Teil offenbar eher wegen der avantgardistischen Architektur als der dort gezeigten Ausstellungen kommen. Das ist vielleicht sogar ein Trend, der inzwischen seinerseits wieder zu glatt bedient wird, so dass manche Bauten (zum Beispiel von Frank Gehry) eher Scheinprovokationen mit klug kalkulierter Nutzenrechnung als echte künstlerische Wagnisse sind. Insofern könnte man sogar sagen, dass die Erbauer der Elbphilharmonie ehrlicher sind, weil sie gar nicht so tun, als wollten sie irgendwen provozieren oder erschrecken.

    Christian

  • ich glaub figure humaine schrieb sowas wie "mit etwas Gutwillen".

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    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • ich glaub figure humaine schrieb sowas wie "mit etwas Gutwillen".

    Meine Güte, ist jetzt vielleicht mit der Meta-Diskussion mal genug? Wer "zerschießt" hier eigentlich den Thread, diejenigen, die unter der Überschrift "Die Elbphilharmonie und ihre Konzerte" auch eine Diskussion über deren Architektur verstehen und engagiert führen, oder diejenigen, die ständig dazwischenfahren und behaupten, der Thread würde zerschossen? Wenn die Moderation der Meinung ist, die hier diskutierten Fragen sollten lieber im Architektur-Unterforum oder sonstwo diskutiert werden, kann sie ja die Beiträge verschieben. Ich bin mit allem einverstanden, außer mit der Vorab-Verpflichtung zu einer "positiven Grundhaltung". Welche Haltung ich zu den hier diskutierten Themen einnehme, entscheide ich selbst und niemand sonst. Übrigens finde ich es bemerkenswert, dass der gesellschaftliche Trend, nach dem der offene Disput zunehmend in Misskredit gerät und statt dessen die jeweiligen "Lager" sich nur noch selbst bespiegeln und die ewig gleichen vermeintlichen Wahrheiten nur noch untereinander austauschen, sich aber gleichzeitig gegen jeden Einfluss "von außen" immunisieren, nun auch schon hier Einzug halten soll. Ein Jubel-Thread, bei dem kritische Stimmen bitte draußen bleiben sollen: Wozu soll der nutzen außer der Bestätigung dessen, was man sowieso schon erkannt zu haben meint? Ich fände das hier genauso billig wie im politischen Alltag. Und das zu akzeptieren, dazu fehlt mir tatsächlich der "Gutwillen".
    Und jetzt bitte wieder zurück zum Thema.

    Christian

  • Mir ist es ebenfalls egal, wo diese Diskussion stattfindet und ob sie verschoben wird. Mir leuchtet es durchaus ein, wenn es Threads geben soll, in denen nur Konzerte besprochen werden.
    Aber ich lasse mich in keinem Thread auf eine vorgegebene Richtung festlegen und bin immer für offene und kontroverse Diskussionen, solange diese sich an der Sache und nicht an der Person orientieren. Ich bin überhaupt nicht Christians Meinung sondern vielmehr der von Music Lover was die Elphi angeht, aber die Argumente die Christian hier vorbringt, sind nicht von der Hand zu weisen und immerhin bedenkenswert. Intellektuell kann mich das erreichen, aber ästhetisch weniger. Ausserdem habe ich dank dessen etliche interessante neuere Konzerthallen gesehen, von der ich die Harpa in Reykjavik richtig klasse finde. Das ist für einen Live-Besuch zwar noch ein Stückchen weiter als Hamburg, aber wer weiss.... Nur in kontroversen Diskussionen lernt man etwas. Es ist sicher angenehm, sich gegenseitig zu bestätigen und zu vertiefen, ich mag das auch und besonders wenn es um meine Lieblinge geht, aber wenn Demokratie ein echter Wert ist , ist sie eben nicht nur bequem und angenehm. Im Kleinen kann man ausserdem sehr gut üben, was im Grossen funktionieren muss, wenn man demokratische Werte gegen zunehmenden Autokratismus und Populismus verteidigen will. Das ist mir im Moment ein Herzens- Anliegen, denn ich lebe in einem Land in dem die Gefahr, dass diese Werte und vor allen Dingen eine gute Diskussionskultur wieder mit Zähnen und Klauen verteidigt werden müssen, immer grösser wird.
    Nochmal zum Thema oben:

    Welches sind denn die provokanten Gebäude, die auch bei kulturfernen Menschen Kultstatus gewonnen haben? Wenn ich persönlich von Menschen meines Umfelds ausgehe, hat es kantige und sehr abstrakte Kunst umso schwerer je weniger bewandert diese Personen in künstlerischen Entwicklungen sind. Aber das sieht vielleicht in Deinen Kreisen, lieber Christian, ganz anders aus.
    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Welches sind denn die provokanten Gebäude, die auch bei kulturfernen Menschen Kultstatus gewonnen haben?

    Eiffelturm?

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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