Der Heimatfilm – Genre zwischen Happy-End, Kitsch und Moderne

  • Bist du im richtigen Thread? Das ist beim besten Willen kein Heimatfilm...

    Die niederbayerische Provinz mit ihrer Enge und Banalität plus die in ihr gewachsene Religiosität und die zugehörige Doppelmoral sind durchaus handlungsrelevant. Spielte dieser Film jetzt in Berlin oder Hamburg oder Köln, würde er bei gleichem Horror doch ein ganz ein anderer sein.

    Da es sich bei diesem Film aber doch primär um einen Horrorfilm handelt, ist seine Nennung hier hier natürlich nur mit einem Augenzwinkern erfolgt. Augenzwinkern deshalb, weil ja gerade die billigeren Heimatfilme ebenfalls eine ganz spezifische Art von Horror aufweisen, eine spezifische Art von Horror, die auch in der sog. volkstümlichen Musik zu finden ist, die einem sofort weiterschalten oder -schlimmer- mit Grauen, Entsetzen und Ekel ausharren lässt, bis es vorbei ist. <X

    :megalol: :megalol: :megalol:
    Spartacus

    Für Monika

  • eine spezifische Art von Horror, die auch in der sog. volkstümlichen Musik zu finden ist,

    Oja, diesen Horror kenne ich... :D

    Jedes Mal, wenn ich sowas höre, liege ich wie weiland Marlon Brando auf der Erde und röchel: "Das Grauen! Das Grauen!" :jaja1:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Die niederbayerische Provinz mit ihrer Enge und Banalität plus die in ihr gewachsene Religiosität und die zugehörige Doppelmoral sind durchaus handlungsrelevant. Spielte dieser Film jetzt in Berlin oder Hamburg oder Köln, würde er bei gleichem Horror doch ein ganz ein anderer sein.

    Da es sich bei diesem Film aber doch primär um einen Horrorfilm handelt, ist seine Nennung hier hier natürlich nur mit einem Augenzwinkern erfolgt. Augenzwinkern deshalb, weil ja gerade die billigeren Heimatfilme ebenfalls eine ganz spezifische Art von Horror aufweisen, eine spezifische Art von Horror, die auch in der sog. volkstümlichen Musik zu finden ist, die einem sofort weiterschalten oder -schlimmer- mit Grauen, Entsetzen und Ekel ausharren lässt, bis es vorbei ist.

    Sehr amüsant! Und so gar nicht herablassend!
    Mich packen eher Ekel und Grauen, wenn ich mich mit den Errungenschaften moderner Kunst auseinandersetzen muß, seien es nun Regietheater oder moderne und ach so fortschrittliche Kunstwerke aus Malerei oder neuer Musik.
    Und die armen in "Enge und Banalität" verharrenden Bayern sehen das bestimmt nicht anders wenn sie nach Köln, Hamburg oder Berlin blicken. Und als (leider noch) in Berlin lebender kann ich das Grauen, dass einen beim Blick auf die Zustände in dieser Stadt packt, außerordentlich gut nachempfinden. Hier muss man keine Horrorfilme mehr schauen - das hat hier man jeden Tag real auf der Straße...

    Was heißt hier modern? Betonen Sie das Wort mal anders! Richard Strauss

  • Heimatfilm, der keiner ist, und ein Outing

    Ein Antikriegsfilm, der im schönen Cham spielt und somit für alle Bewohner dieser Stadt und ihres Kreises - ich gehöre da übrigens auch dazu - der Heimatfilm par excelence ist.
    Als vor einigen Jahren die alte Florian Geyer Brücke aus dem Film durch einen Neubau ersetzt worden ist, wurde zum Gedenken dieses Filmes auf der neuen Brücke sogar ein kleines Denkmal errichtet.


    Sehr amüsant! Und so gar nicht herablassend!

    Lieber Gneisenau, ich wurde im oberpfälzer Teil des Bayerischen Waldes unmittelbar an der Grenze zu Niederbayern geboren und lebe auch noch da. Ich bin also ein Einheimischer und weiß, wie es ein paar Kilometer südlich von meinem Wohnort in der niederbayerischen Provinz zugeht, nämlich auch nicht anders als wie hier bei mir in der oberpfälzer Provinz.
    Aber trotzdem vielen Dank für deine Apologie der bayerischen Provinz!
    :cincinbier: .

    Und ich hab auch nichts gegen Heimatfilme, weder gegen alte, noch gegen neue, sofern sie denn einigermaße Qualität haben. Aber Lausbubengeschichten Teil 27, Lederhosenfilme und solche mit irgenwelchen Schlagersternchen und -stars aud den 60ern und 70ern inklusive einer handvoll andere damals omnipräsenter Schauspieler sind für mich einfach unerträglich.


    Jedes Mal, wenn ich sowas höre, liege ich wie weiland Marlon Brando auf der Erde und röchel: "Das Grauen! Das Grauen!"

    Esw ist das Grauen, lieber Josquin Dufay, es ist das Grauen! <X

    Spartacus


    .

    Für Monika

  • Rosen blühen auf dem Heidegrab (1952)

    Einer der wenigen Heimatfilme, denen es gelingt, ein echtes Feeling für Heimat und Drama zu entwickeln und eben nicht im Kitsch zu baden. Kennt heute kaum eine Sau, aber der Film ist es wert angesehen zu werden.

    Der Film ist vor Kurzem neu von Filmjuwelen gekommen:

    Ich habe ihn mir zugelegt und soeben gesehen. Und tatsächlich hat sich mein Eindruck nicht geändert: ein beeindruckender Film, der deutlich weniger Heimatkitsch auspackt als die bekannten Beispiele dieses Genres. Darüber hinaus ist es ein wunderbar fotographierter Film mit einer manchmal expressiven Stimmung.

    Die DVD hat eine sehr gute Bildqualität und weist deutsche (und englische!) Untertitel auf. Eine tolle Veröffentlichung... :thumbup:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Üblicherweise wird der Begriff "Heimatfilm" auf den deutsch-österreichischen Raum eingegrenzt, aber bei Wikipedia wird nicht zu unrecht darauf hingewiesen, daß traditionelle Westernfilme letztlich ein sehr verwandtes Phänomen darstellen. Außerdem will es mir scheinen, daß etliche Rosamunde-Pilcher-Streifen - mit ihren oft sehenswerten Milieuschilderungen von Landschaft und Gartenparadiesen - im Grunde auch nichts anderes als Heimatfilme sind. Nicht von ungefähr sind sie ja auch in der Mehrzahl deutsche Produkte (wobei ich mich dunkel an eine englische Produktion aus den Anfängen dieser Serie erinnere, die qualitativ die deutschen weit hinter sich ließ). Im Lauf der Entwicklung sickerten aber immer mehr Elemente anderer Gattungen ein. Die Leinwand-Pilcher-Imitationen à la Inga Lindström oder Katie Fforde tendieren bezeichnenderweise noch viel stärker weg vom Typ "Heimatfilm" zum Typ "Herzkino".

    Die Ausweitung von Alpen, Heide, Schwarzwald etc. auf "fremde" Gegenden oder gar auf exotische Paradiese ("Traumhotel", "Traumschiff") entspricht nur dem veränderten Freizeitverhalten der Gesellschaft, die sich letztlich immer wieder an vertraute Klischees klammert. Ein Dauerbrenner seit vielen Jahrzehnten bleibt Italien, besonders Venedig. Im Prinzip habe ich dagegen gar nichts einzuwenden, außer daß es eben überwiegend Billigware ist, die das ganze Genre schlechter aussehen läßt als es im Grunde sein müßte. Die Sehnsucht nach der heilen Welt ist nicht verwerflich, nur die - filmischen - Methoden desavouieren sie immer wieder.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Interessant - der Western ist aber eher nicht so "Sehnsucht nach der heilen Welt", oder? Obwohl natürlich die Südstaaten-Nostalgie mit Sklaverei-Idylle ...

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Auch im (traditionellen) Western wird meist der Böse bestraft und der Held siegt und kriegt die Schöne. Wenn das nicht heile Welt ist... :D

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Im Prinzip habe ich dagegen gar nichts einzuwenden, außer daß es eben überwiegend Billigware ist, die das ganze Genre schlechter aussehen läßt als es im Grunde sein müßte. Die Sehnsucht nach der heilen Welt ist nicht verwerflich, nur die - filmischen - Methoden desavouieren sie immer wieder.

    So kommen letztlich die meisten Filme rüber:
    fetzige Heimatschnulze wie Jacobs Heidi (1965):
    https://www.youtube.com/watch?v=CpdwiBThvy8
    ...oder irgend welche Vorabend-Serien...
    ... die meistens Krimis (TV- und/oder Kino (etc)-Ware) erheben funzenden bürgerlichen Staat zur "heilen" Monstranz, der sich dann gegen fiese Ganoven/Banden zum Ende hin regelmäßig durchsetzt.. .

    Interessant - der Western ist aber eher nicht so "Sehnsucht nach der heilen Welt", oder? Obwohl natürlich die Südstaaten-Nostalgie mit Sklaverei-Idylle ...

    kommt m.E. auf Western an...Hawks El Dorado würde in das Schema passen.
    Cooler Knaller wie Leones Zwei glorreiche Halunken (Il buono, il brutto, il cattivo) oder Barbonis lustiger Vier Fäuste für ein Halleluja (continuavano a chiamarlo Trinità) passen darin nicht.komplett ...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Im Prinzip habe ich dagegen gar nichts einzuwenden, außer daß es eben überwiegend Billigware ist, die das ganze Genre schlechter aussehen läßt als es im Grunde sein müßte. Die Sehnsucht nach der heilen Welt ist nicht verwerflich, nur die - filmischen - Methoden desavouieren sie immer wieder.

    Der Heimatfilm unserer (deutscher) Prägung hat damals um 1950 die gleichen Schwierigkeiten gehabt: im Laufe der ersten zehn Jahre kam auch Vieles dazu, was nicht gerade Gold war, was glänzte. Und selbst manche "Klassiker" wirken doch ungemein beliebig in ihrer Gefühlsduseligkeit. Wie immer heißt es da: Spreu vom Weizen zu trennen.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Der Heimatfilm unserer (deutscher) Prägung hat damals um 1950 die gleichen Schwierigkeiten gehabt: im Laufe der ersten zehn Jahre kam auch Vieles dazu, was nicht gerade Gold war, was glänzte. Und selbst manche "Klassiker" wirken doch ungemein beliebig in ihrer Gefühlsduseligkeit. Wie immer heißt es da: Spreu vom Weizen zu trennen.

    Was ja letztlich für jedes Genre gilt. Nur registriert man beim klassischen Heimatfilm v.a. immer die 'Schmonzetten', die ein ganzes Genre in Misskredit gebracht haben. Wobei ich mich jetzt zunächst auf den deutschen Heimatfilm beziehe.

    Vielleicht waren es ja auch ganz besonders viele 'Schmonzetten' und nur ein paar wirklich richtig gute, aber anteilsmäßig gilt das doch auch für den Western, den Horrorfilm, den Kriegsfilm etc. Nur beim 'Heimatfilm' stehen dem anständig Filminteressierten ( ;) ) sofort alle Haare zu Berge. Da kommt sicherlich auch ein politisches Element hinzu. Will sagen, das bundesdeutsche Nachkriegskino als Flucht- und Verdrängungsmöglichkeit nach '45 (was es durchaus ja auch war) gerne in Bausch und Bogen verdammend mit dem Heimatfilm als Spitze des Eisbergs. Und nur wenige sind dann bereit, dieses Kino inklusive der Heimatfilme einmal genauer zu untersuchen.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Übrigens finde ich, dass das bundesdeutsche Nachkriegskino insgesamt besser ist als sein Ruf. Natürlich sind die bedeutenderen, anspruchsvolleren Filme im Verhältnis gering gegenüber dem reinen Unterhaltungskino. Aber das gilt für jedes andere Land genauso.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Nur registriert man beim klassischen Heimatfilm v.a. immer die 'Schmonzetten', die ein ganzes Genre in Misskredit gebracht haben.

    Haben sie doch gar nicht - es ist Bestandteil des deutschen Heimatfilms, wie die Musik beim Bollywood-Kino... :D

    Tatsächlich ist diese Heiles-Welt-Empfinden ja nichts Neues - schau sich einer mal die ganzen Disney-Zeichentrickfilme an. Oder die Heldentote beim US-Kriegsfilm. Überall nur dieses Gesinnungsgesüffe... :megalol:

    Übrigens finde ich, dass das bundesdeutsche Nachkriegskino insgesamt besser ist als sein Ruf.

    Ist ja auch keine Neuigkeit mehr. Es gab tatsächlich mal eine Zeit, da deckte Heimatfilm und Musikfilm die ganze Sicht auf den deutschen Film der 1950er Jahre zu, aber inzwischen sind die Perlen wieder deutlich hervorgetreten.

    Der Heimtfilm ist halt eine Verklärung, die aus der konkreten Nachkriegssituation entstanden ist - es gab auch Versuche, diese aufzubrechen, wenn auch nicht durchgängig erfolgreich. In den 1970er gab es einige Remakes, die sich der alten Seichtigkeit etwas entledigen wollten, sowas wie Schloß Hubertus (1973) - ich finde sie in der Hinsicht auch etwas erträglicher. Mir ist wichtig, daß die Darsteller nach Möglichkeit nicht anfangen zu singen... 8)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Haben sie doch gar nicht - es ist Bestandteil des deutschen Heimatfilms, wie die Musik beim Bollywood-Kino...

    Macht es das besser? :P ;)

    Tatsächlich ist diese Heiles-Welt-Empfinden ja nichts Neues - schau sich einer mal die ganzen Disney-Zeichentrickfilme an. Oder die Heldentote beim US-Kriegsfilm. Überall nur dieses Gesinnungsgesüffe...

    Schönes Wort übrigens und so richtig. Nur Disney schaut die Welt. Und schaut irgendwie trotzdem weg. :D

    Ist ja auch keine Neuigkeit mehr.

    Da bin ich mir nicht sicher. Ganz, ganz viele hängen bestimmt immer noch Knoblauch ins Fenster, wenn ein BRD-Film aus den Fifties anrollt. ;)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Da bin ich mir nicht sicher. Ganz, ganz viele hängen bestimmt immer noch Knoblauch ins Fenster, wenn ein BRD-Film aus den Fifties anrollt.

    Das sind aber auch die, die über Mono-Ton murren. Uninteressant... :herrje1:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Mich freut es, daß es Heimatfilme gibt, die dieses Kischee aufbrechen können - die sind umso wertvoller.

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    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Nur Disney schaut die Welt. Und schaut irgendwie trotzdem weg.

    Trotzdem ist gut - gefällt mir... :D

    Ich habe inzwischen arge Probleme, so einen Film wie Der Glöckner von Notre Dame (1996) zu sehen - ja, ich weiß: ich hätte den Roman von Victor Hugo nicht lesen sollen... :rolleyes:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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