G.P. Telemann: TWV 42 - Kammermusik für zwei Instrumente und Bc

  • Ich stelle fest, daß auch ein Smartphone durchaus dazu in der Lage ist, aus dem Stehgreif Ausziehrungen vorzunehmen. Leider nicht besonders gute, da sie den Text nicht verständlicher machen und so das eigentliche Werk unterstützen.

    Doch zurück zum Thema:
    Die herausragendsten notierten freien Verzierungen (z.B. die Methodischen Sonaten von Telemann oder Corelli op.5 in der Fassung der eminent Masters) halte ich keineswegs für ein Abbild der Musizierpraxis. Vielmehr eben für lehrreiches Exempel, was möglich ist.

    Meine Vermutung gründet sich auf die Beobachtung, daß die gegebenen Beispiele und Möglichkeiten (die einem Setzbaukasten gleichen) in den entsprechenden Instrumentallehrwerke der Barockzeit (am bekanntesten sicher Quants, Versuch einer Anleitung), wesentlich knapper und auch näher am ursprünglichen Notentext gehalten sind. Diese Elemente und Floskeln sind auch so ausformuliert, daß sie wirklich in Reihe letztbar sind und wie Repertoire an Möglichkeiten für den (kompositorisch) weniger begabten Instrumentalisten dienen können.

    Die oben erwähnte Beispiele dagegen sind fast schon eher ambitionierte kompositorische Ausarbeitungen der zugrunde liegenden "einfachen" Melodie. Ich möchte damit nicht sagen, daß diese nicht aus dem Stegreif möglich wären, zumal ja damals ein Musiker nur in diesem Stil seiner Zeit unterwegs war. Ich würde aber behaupten wollen, daß sie nicht die Regel waren, noch nicht einmal allzeit verbreitet waren.
    Vielleicht kann man die heutige Parallele bei Orgelimprovisationen sehen: auch da gibt es herausragend gute, wirklich freie Improvisationen, aber viel eher hört man doch Improvisationen, die sich an Stereotypen orientieren

  • Zweifellos ist die Grundsubstanz der Methodischen Sonaten technisch extrem simpel gehalten und kann von leicht fortgeschrittenen Geigenspielern schon zufriedenstellend gespielt werden (wie ich aus Erfahrung weiß). Dass die Verzierungen dann sozusagen als Leistungsschau draufgepackt werden, erscheint mir daher recht plausibel. Leider konnte ich keine Partituren der Trietti und Scherzi finden (TWV 42: G2, A1, D2, E1, d1, D3), die auch diesen "methodischen" Anspruch haben, aber technisch deutlich fortgeschrittener sind. Das wäre ein interessanter Vergleich!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Zitat

    Die herausragendsten notierten freien Verzierungen (z.B. die Methodischen Sonaten von Telemann oder Corelli op.5 in der Fassung der eminent Masters) halte ich keineswegs für ein Abbild der Musizierpraxis. Vielmehr eben für lehrreiches Exempel, was möglich ist.

    Ein Beispiel, das das gut ilustriert, wären die überlieferten Auszierungen der Arie "Digli ch'io son fedele" aus Hasses Oper Cleofide von Friedrich II. und von Faustina Bordini. Während man bei ersteren ernsthaft bezweifeln kann, ob die sängerisch überhaupt und sowieso technisch zu bewältigen sind, es sich also (sofern überhaupt machbar) um ein Paradebeispiel nacktester Virtuosität um ihrer selbst willen handel, ohne musikalischen Mehrwert, sind die sehr viel moderateren Bordonis durchaus geeignet, dem musikalischen Ausdruck Stimme zu verleihen. Jetzt war Bordoni aber zweifellos eine der gefragtesten Sängerinnen ihrer Zeit. und man kann unbesehen annehmen, daß sie das, was von ihr überliefert ist, auch tatsächlich so ausgeführt hat. M.a.W.: Nicht alles, was jemand (z.B. als Fingerübung) aufgeschrieben hat (Friedrich II) oder technisch realisiert hat (Orgelwalze) war auch ein Abbild der Realität.

    Wir sind da ja in einer vergleichsweise bequemen Situation und müssen nicht hypothetisieren: Für musikalisch Sinnvolles sind da z.B. die Hinweise Telemanns bezüglich Appoggiatura im Vorwort zum Harmonischen Gottesdienst, für verschieden Händelopern- und Kantaten gibt es autographe und von mehreren Kastraten überlieferte Auszierungen, auch Mozart hat Einschlägiges hinterlassen (KV 293s, KV 294)


    PS: ich habe übrigens nur geschrieben, daß die die Beschäftigung mit den Methodischen Sonaten heute zum einschlägigen (Ausbildungs-) Standard gehört.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Um auch hier wieder zum eigentlichen Thema zurückzufinden:

    Florilegium spielt Sonaten und Trios aus den Werkgruppen TWV 41 und 42, eben Auszüge aus der Sammlung.
    Insofern ist ein wirklich lauterer Vergleich zur Aufnahme mit "Battalia" kaum möglich, die ich zumal nur in Auszügen kenne bisher.
    Direkte Vergleiche einzelner Werke habe ich auch nicht vorgenommen, mich eher auf eine Art Gesamtsicht beschränkt.

    Giovanni di Tolon schrieb, frei zitiert, etwas verwundert, dass Skandinavier Telemann könnten... naja, wieso auch nicht? Hatte doch Telemann selbst sehr wohl Handelsbeziehungen in den Norden, seine Dänischen Kantaten beweisen es.
    Mich wundert eher, dass er nicht auch in Bolivien mit Eingeborenen musizierte.... :D .

    Die Einspielung des Ensemble Battalia gefällt mir ebenfalls sehr, ist in sich schlüssig und läuft nie Gefahr, routiniert zu werden. Insgesamt, so finde ich, musiziert man großen Linien folgend ohne Details zu unterschlagen.
    Felix M. möge mich korrigieren?!

    Florilegium geht kleingliedriger zu Werke, etwas affektbetonter, rhetorischer, vielleicht auch deutlicher im Ansinnen, Klangfarben deutlich herauszuarbeiten.

    Konkurrenz zu Battalia würde ich diesen Ansatz nicht nennen, eher eine Ergänzung, eine andere, ebenso überzeugende Sicht.
    Beide jedoch differenzierter, klangsinnlicher, weniger routiniert dargeboten als die ja doch schon betagte Aufnahme der Camerata Köln.

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

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