Die Pianistin Jenny Lin - eine Virtuosin mit Vorliebe für selten gespieltes Repertoire
Die am 31. Januar 1973 in Taiwan geborene Pianistin Jenny Lin wuchs in Österreich auf und lebt inzwischen in New York. Sie begann im Alter von 4 Jahren mit dem Klavierspiel. Im Alter von 10 Jahren nahm sie ihr Studium an der Wiener Musikhochschule bei dem Pianisten Noel Flores auf. Im Alter von 14 Jahren setzte sie ihr Klavierstudium bei Julian Martin am Peabody Conservatory in Baltimore (USA) fort und erlangte das Konzertexamen. Danach übersiedelte sie nach Genf, wo sie weiteren Unterricht bei Dominique Weber erhielt. Sie besuchte ferner Meisterklassen bei Leon Fleisher, Richard Goode, Blanca Uribe, Dimitri Bashkirov und Andreas Staier.
Parallel zu ihrer musikalischen Ausbildung studierte sie an der Johns Hopkins University in Baltimore Deutsche Literatur und schloss diese Studien mit dem Bachelor ab.
1996 gewann sie den zweiten Preis beim José Iturbi-Wettbewerb in Valencia. Im selben Jahr veröffentlichte sie bei Sunrise Records ihr erstes Album, auf welchem sie virtuoses Standardrepertoire einspielte: Schumanns Fantasie C-Dur und Liszts Sonate h-moll.
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Schon bei ihrer zweiten CD-Aufnahme wandelte sie abseits des Mainstream-Repertoires, indem sie die Suite für Klavier "Prabhutaratna" des 1957 geborenen chinesischen Komponisten Guan Xia einspielte. Das Cover der nicht mehr erhältlichen CD findet sich samt einer Hörprobe hier:
http://jennylin.net/albums/piano-suite-prabhutaratna/
Diesen beiden ersten Alben folgten eine Vielzahl weiterer CD-Aufnahme als Solistin, als Solistin mit Orchester und als Kammermusikerin, auf welchen Jenny Lin fast ausschließlich Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts und dort vorwiegend selten gespielte Werke von selten aufgeführten Komponisten einspielte:
Beispielhaft für ihre Programmauswahl nenne ich nur mal die Programme der drei Alben "The Eleventh Finger", "InsomniMania" und "Preludes to a Revolution - Russian Piano Preludes 1905 - 1922":
Artur Kampela: Nosturnos (1922 / 2003)
György Ligeti: Etüde Nr. 16 "Pour Irina" (1996/97)
György Ligeti: Etüde Nr. 17 "A bout de souffle" (1997)
György Ligeti: Etüde Nr. 18 "Canon" (2001)
Stefano Gervasoni: Studio di Disabitudine (2000)
Randy Nordschow: Detail of Beethoven's Hair (2002)
James Tenney: Chromatic Canon (1980/83)
Elliott Sharp: Suberrebus for piano and computer processing (2005)
Claude Vivier: Shiraz (1977)
John Cage: Dream
Cornelius Dufallo: Night Visions
Robert Helps: Friday Night in Greenwich Village (from "Postcards")
John Musto: Midnight Harmonies (from "Five Concert Rags")
Frederic Rzewski: Mayn Yingele
Michael Byron: As she sleeps
Daniel Felsenfeld: Insomnia Redux: 4 a.m.
William Bolcom: Dream Shadows (from "Three ghost rags")
Raymond Scott/Wayne Barker: The Sleepwalker
Anatol Liadov: Prélude Des-Dur op. 57/1
Reinhold Glière: Prélude op. 26/1
Alexei Stachinsky: 5 Préludes (1907)
Alexei Stachinsky: Prélude (1908)
Alexei Stachinsky: Prélude en mode lydique (1908)
Arthur Vincent Lourié: 5 Préludes fragiles op. 1
Anatoli Alexandrov: 4 Préludes op. 10
Alexander Scriabin: 5 Préludes op. 74
Nikolai Obouhov: 7 Préludes (Prayers)
Ivan Wyschnegradsky: 2 Préludes op. 2
Samuel Feinberg: 4 Préludes op. 8
Nikolai Roslavetz: 5 Préludes (1919-22)
Neben diesen oben abgebildeten Alben gibt es noch weitere Aufnahmen von ihr, z.B. die beiden Alben "Contemplations" und "Dreams of Serenity" mit Klavierwerken von Jacques Baldassari, welche nur direkt beim Komponisten bezogen werden können, oder das Album "23 Rubai'yat" mit Werken von John King, der selbst als Live-Elektroniker das Klavierspiel von Jenny Lin unterstützt (erhältlich nur als Download). Eine Gesamtübersicht aller Jenny Lin-Aufnahmen findet sich auf ihrer Homepage:
http://jennylin.net/albums/
Bei der spezifischen Ausrichtung Jenny Lins auf Raritäten der Klaviermusik verwundert es nicht, dass sie im Jahre 2010 auch beim gleichnamigen Festival in Husum auftrat. Insoweit existiert ein Mitschnitt auf CD, auf welchem sie eine "Hommage à Fauré" von Robert Helps aus dem Jahr 1972 aufführt:
Die beiden jüngsten Alben von Jenny Lin (2016 und 2017 erschienen) sind einerseits eine Zusammenarbeit mit dem New Yorker Jazzmusiker und Avantgardisten Uri Caine an zwei Klavieren, andererseits ein Album mit Musik für Kinder (von den "Menus propos enfantins" von Erik Satie bis hin zum "Children's song" von Chick Corea):
Uri Caine ist nicht der einzige Jazzmusiker, mit dem Jenny Lin zusammgearbeitet hat. Es gab laut Wikipedia auch Sessions mit Chris Wiesendanger, Marc Ribot, George Lewis, Nels Cline und Glenn Kotche.
Die Liste der Komponisten, die für Jenny Lin Werke geschrieben haben, ist ellenlang. Wikipedia nennt insoweit Folgende:
ZitatComposers who have written for Lin and whose works she has premiered include Steve Antosca, Jonathan Bepler, Timothy Beyer, Luc Brewaeys, Gerald Busby, Uri Caine, Unsuk Chin, Boudewijn Cox, Cornelius Dufallo, Daniel Felsenfeld, Elena Firsova, Luca Francesconi, Jason Freeman, Vivian Fung, Stefano Gervasoni, Marc-Andre Hamelin, Robert Helps, Huang Ruo, Vincent Ho, Ethan Iverson, Laura Kaminsky, Arthur Kampela, John King, Stefan Malzew, Jeffrey Mumford, Randy Nordschow, Gabriela Ortiz, John Psathas, Jim Pugliese, Frederic Rzewski, Elliott Sharp, Valentin Silvestrov, Salvatore Sciarrino, Johannes Maria Staud, James Tenney.
(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Jenny_Lin)
Es existiert auch ein Dokumentarfilm namens "Cooking for Jenny" (2008), der im Norden Spaniens gedreht wurde und Jenny Lins Aufeinandertreffen mit dem spanischen Komponisten Javier López de Guereña dokumentiert, dessen Klavierkonzert "ZAHARA" sie uraufgeführt hat. Hier ist das Cover der DVD abgebildet:
http://jennylin.net/albums/cooking-for-jenny/
Im normalen Handel habe ich diese DVD leider noch nicht gefunden.
Das riesige Repertoire von Jenny Lin ist auf ihren zahlreichen Alben nur unzureichend dokumentiert. Hier ist eine Liste von Komponisten, deren Werke für Soloklavier sie aufführt, sowie eine Liste aller Werke für Klavier und Orchester, die sie einstudiert hat:
http://jennylin.net/repertoire/
Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, wenn man sich mit dieser Pianistin beschäftigt, finde ich.
Dies soll als Eröffnungsbeitrag genügen. Zu ihren einzelnen CDs und/oder Live-Auftritten dann mehr in den folgenden Postings. Ich freue mich auf Eure Beiträge!