Vom Konzertleben in Dresden

  • Bei der Staatskapelle Dresden sind aktuell 150 Musiker unter Vertrag. Deneben stehen die 15 Mitglieder der Guiseppe-Sinopoli-Akademie, Studenten der Musikhochschule als Akademisten und Bewerber um eine Festanstellung beim Orchesterstamm zur Verfügung.

    Dieser Pool ist erforderlich, um auch ausserhalb der Salzburger Osterfestspiele z.B. bei Konzertreisen den Opernbetrieb abzusichern.

  • Pelléas und Ravel mit Trifonov im 10. Symphoniekonzert

    Im Jahresprogramm der Staatskapelle war Sofia Gubaidulinas Komposition „Der Zorn Gottes“, ein Auftragswerk des Klangkörpers, für das Konzert angekündigt.

    Aber die betagte Dame hatte ihre Arbeit nicht fertigstellen können, so dass, wie bereits beim Antrittskonzert des Orchesters in Hamburg, eine Programmänderung von Nöten wurde.

    Und so kombinierten die Programmgestalter des 10. Symphoniekonzertes zwei Werke, die von Maurice Maeterlincks Spiel „Pelléas et Mélisande“ abgeleitet worden sind.

    Als Auftakt erklang das Prélude aus der Schauspielmusik op. 80 von Gabriel Fauré von 1898. Nach der Pause wurde dann Arnold Schönbergs „Symphonische Dichtung für großes Orchester nach Maeterlinck op. 5“ (Uraufführung 1905) geboten.

    Damit sind nach der leider inzwischen verschwundenen Inszenierung der Oper von Claude Debussy des Alex Ollé aus dem Jahre 2015 drei der fünf von Maeterlincks bezaubernden Märchendrama „Pelléas et Mélisande“ abgeleiteten musikalischen Werke in der letzten Zeit in Dresden aufgeführt worden.

    Zwischen dem AuftaktFaurés und Schönbergs Symphonischer Dichtung hatten die Programmplaner Maurice Ravels aufregend instrumentiertes Spätwerk „Konzert für Klavier und Orchester G-Dur“ (1928 bis 1931) gepackt. Mit diesem Konzert verabschiedet sich Daniil Trifonov als der Capell Virtuos der laufenden Saison von seinem Dresdner Publikum.

    Bereits in der Generalprobe hatte Trifonov vor dem Prélude am Flügel Platz genommen. Christian Thielemann, erst kürzlich von der Mehrheit des Orchesters zu einer weiteren Zusammenarbeit aufgefordert, leitete vom recht kurzen Auftakt unmittelbar zum Peitschenknall-Beginn des Klavierkonzerts über.

    Im Konzert war das nicht so überraschend. Aber möglicherweise, weil man wusste, was kommt.

    Vom Bretterknall führte Christian Thielemann das Klanggeschehen zu flirrenden Tönen der Pikkoloflöte und in der Folge zunehmend in ein Zirkusambiente des Allegramente. Unüberhörbar die Einflüsse der Freundschaft Ravels zu George Gershwin. Für Trifonov die Voraussetzung, sich in das Quirlige von Blues, Swing und Jazz regelrecht hineinzulegen.

    Im Adagio assai bot der Solist lyrische Kammermusik vom Feinsten. Die Anklänge an Mozarts Musik eigentlich unüberhörbar.

    Den Presto-Schlußsatz spielte dann Trifonov scharf maschinenhaft kühl und ziemlich aggressiv ohne Suche nach einem versöhnlichen Abschluss.

    Als Zugabe versöhnte er sein Dresdner Publikum mit Strawinskys „Russischen Tanz“ aus Petruschka, indem er noch einmal seine unwahrscheinliche Virtuosität abrief.

    Im zweiten Teil des Konzertes war ich recht froh, dass wir am Vortag bereits die Generalprobe erlebt hatten.

    In der Mediathek der „Digital Concert Hall“ ist zwar eine Einspielung der frühen Schönbergkomposition der Berliner Philharmoniker mit Christian Thielemann von 2009 verfügbar, aber inzwischen ist doch, insbesondere in der Probe, spürbar, welche Vertrautheit zwischen den Musikern der Dresdner Staatskapelle und ihrem Chefdirigenten entstanden ist.

    Mit der gewaltigen Orchesterbesetzung wurden die Handlungen des Maeterlinckschen Spiel mit einer berückenden Klarheit lebendig. Die überfließende Kreativität und der Reichtum der musikalischen Ideen des jungen Schönbergs gestalteten sich so zu einem musikalischen Ereignis.

    Eine Aufzeichnung des Konzertes wird am 16. Mai ab 20.05 Uhr von MDR Kultur gesendet.

  • Gergiev und das Mariinsky-Orchester im Konzertsaal-Umbau des Kulturpalastes


    Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich zu den Akustik-Bedingungen des neuen Konzertsaals im Kulturpalast erst zu äußern, wenn ich dort Veranstaltungen von unterschiedlichen Plätzen und mit variierten Stilrichtungen erlebt habe.

    Es erweist sich aber als nicht so einfach, Kartenin der notwendigen Varianz zu erhalten.

    Andererseits hatten wir nun unseren ersten Besuch, und dann auch gleich mit einem Konzert des Mrawinsky-Orchesters unter Gergiev, mit auch unterschiedlichen Klangfarben. Geboten wurde im ersten Teil des Konzertes Schostakowitschs „Fünfte Symphonie“, seine „Rehabilitationskomposition“ von 1937.

    Für uns sind das Spiel der „Mariinskys“ und die Interpretation einer Schostakowitsch-Sinfonie des Valery Gergiev über jeden Zweifel erhaben, so dass wir uns auf die Beurteilung des Klangerlebnisses im neuen Konzertsaal konzentrieren konnten.

    Die lyrischen Phasen des Moderatos kamen bei uns, im ersten Rang-links im hinteren Saal-Teil, unwahrscheinlich warm, transparent und plastisch an.

    Die Entwicklung zum Haupt-Thema hörte ich etwas verwaschen, was eventuell auf die unterschiedlichen Laufzeiten der Töne zurückzuführen sein kann.

    Immerhin waren, wenn ich mich nicht vertan habe, die Abstände der entferntesten Musiker gut 25 Meter größer, als die uns am nächsten positionierten Instrumente. Für den geübten Hörer sind diese 80 Millisekunden Laufzeit-Unterschied der Töne schon merkbar, zumal wenn man auf derartige Feinheiten spitzt.

    In der schärferen Rhythmik des zweiten Allegretto-Satzes hat sich dann dieser Eindruck verloren. Den Einwand anderer Anwesender bezüglich eines überbordenden Bleches, konnte ich nicht nachvollziehen.

    Faszinierend haben mich die leider wenigen Töne des Klaviers. Das Instrument schien regelrecht über dem Orchester zu schweben.

    Für den zweiten Teil des Konzertes hatte man Gergiev gebeten, den Saal mit einigen Richard-Wagner-Versatzstücken zu erproben.

    Für die von der Staatskapelle mit dem Dirigat Christian Thielemanns und den mystisch aus dem Graben aufsteigenden Klängen verwöhnten Hörer, konnte das nur schief gehen.

    Und so kam der „Karfreitagszauber“ tatsächlich als die, wie Wagner mal augenzwinkernd mal geäußert hat, „Feld- und Wiesenmusik“ daher. Da traf uns ein zu großer Anteil des Direktschalls. Die begrenzten Reflexionsmöglichkeiten des Saales werden hier offenbar.

    Auch die Versatzstücke aus der Götterdämmerung, „Morgendämmerung“, „Siegfrieds Rheinfahrt“, und „Siegfrieds Trauermarsch“, konnten am Eindruck, dass dies nicht unsere „Wagner-Musik“ sei, kaum etwas ändern. Aber wann hört man mal Wagner vom Konzertpodium?

    Den Abschluss des Konzertes bildete der „Schlussgesang der Brünnhilde“ mit einer gut aufgelegten Eva-Maria Westbroek. Aber mit der geballten Kraft des Marinsky-Orchesters im Rücken hatte sie doch einige Schwierigkeiten, sich zu behaupten.

    Es gab noch keine Gelegenheit, mit Besuchern anderer Raum-Bereiche zu sprechen, ob die Sopranistin dort besser durchdringen konnte.

    Mein Eindruck ist aber, dass ein nicht unbedingt demokratischer Konzertsaal geschaffen worden ist. Diesen Verdacht zu widerlegen, dürfte Aufgabe möglichst baldiger weiterer Konzertbesuche sein.

    Deshalb stehen auch Schumann und Mendelssohn, übrigens mit Herbert Blomstedt, sowie Brahms auf dem Zettel.

  • Shaham statt Kavakos- Beitrag zur Klangentfaltung im neuen Saal

    Gebucht war ein Konzert des HR-Sinfonieorchesters unter Andrés Orozco-Estrada mit dem Geiger Leonidas Kavakos und dem Violinkonzert von Johannes Brahms umrahmt vom „Lontano“ des György Ligeti und dem „“Le sacre du printemps“ des Igor Strawinsky.

    Wir hatten im Juni des vergangenen Jahres Kavakos mit dem Brahms-Konzert gemeinsam mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters und Valeri Gergiev unter den hervorragenden akustischen Bedingungen des Bad Kissinger Max-Littmann-Saales erlebt und wollten nun die weitgehend identische Kombination auf Mittelplätzen der achten Reihe im Konzertsaal des Kulturpalastes Dresden vergleichen.

    Aber, wie groß war die Enttäuschung, als wegen eines Trauerfalls in seinem engsten Familienkreise Kavakos durch den Israeli Gil Shaham ersetzt wurde und statt Brahms Ludwig van Beethovens D-Dur Violinkonzert auf dem Zettelauftauchte.

    Nun lieben wir das Beethovenkonzert spätestens seit wir es 1961 mit Yehudi Menuhin und Franz Konwitschny im Gewandhaus-Interim Kongresshalle Leipzig gehört hatten. Aber was uns mit dem nervösen Einspringer geboten wurde, war doch recht außergewöhnlich.

    Der 46-Jährige entwickelte auf dem Podium keine Individualität. Von einer Solistenpersönlichkeit erwarte ich doch, dass sie sich entweder dem Orchester entgegenstemmt und den Dirigenten vor sich her treibt oder dem Orchester eine Unterhaltung oder Anregungen anbietet.

    Aber Shaham wirkte immer, als wäre er Orchestermitglied, gewissermaßen der Primus inter Paris des Orchesters und dem Dirigenten untergeordnet.

    Selbst die Kadenzen spielte er mehr verlegen und wirkte, als habe er Angst, sein wertvolles Instrument kaputtzumachen.

    Dabei kannte er die Noten und beherrschte die Partitur hervorragend. Mit der „Gavotte en Rondeau“-Zugabe von Bach demonstrierte er seine Virtuosität und die Beherrschung seiner Stradivari „Gräfin Polignac“.

    Das als Auftakt gespielte „Lontano für großes Orchester“ von Ligeti dürfte mit seinem extremen Aushalten von Tönen vor allem den Akustikern Gelegenheit gegeben haben, Schwächen der Klangentfaltung im noch jungen Konzertsaal aufzuspüren.

    Wir sind mit der Klangentfaltung zumindest im Mittelbereich des Parketts hoch zufrieden.

    Zu einem Höhepunkt des ersten Gastkonzertes des HR-Sinfonieorchester im neugestalteten Konzertsaal entwickelte sich dann im zweiten Teil Strawinskys „Le sacre du printemps“ (Das Frühlingsopfer) mit dem Orchester und Andrés Orozco-Estrada ihre Klasse fulminant unter Beweis stellten.

  • Mit Harding und Goerne in zwei unterschiedlichen Konzerträumen

    Die Staatskapelle Dresden hat mit ihrem Gastdirigenten Daniel Harding und dem Bariton Matthias Goerne nach dem 11. Symphoniekonzert im Semperbau mit dem gleichen Programm und den identischen Interpreten eine Europa-Tournee nach Brüssel, Amsterdam Wroclaw und Kattowice unternommen.

    Auf dem Programm der Konzerte standen, neben dem etwas merkwürdigen Mahlerschen Symphonischen Satz „Blumine“, seine „Kindertotenlieder“ nach Friedrich Rückert und die Symphonie Nr. 8 G-Dur von Antonin Dvořák.

    Bereits in der Generalprobe war auffällig, dass der noch junge Dirigent ausgezeichnet vorbereitet war. Er setzte selbstbewusst seine Akzente gegenüber den erfahrenen Musikern und dirigierte auswendig. Das hatte natürlich zur Folge, dass er seine Wünsche gegenüber dem Orchester nur mit emsigen Suchen in der Partitur artikulieren konnte.

    Interessierte Konzertfreunde der Gesellschaft der Freunde der Staatskapelle hatten die Gelegenheit der Nähe Wroclaws genutzt, und haben neben der Generalprobe und der Dresdener Aufführung, das Konzert im Saal des 2015 eröffneten „Nationalen Musikforums Breslau“ besucht, um die Klangentwicklung unter den doch deutlich abweichenden akustischen Bedingungen zu erleben und mit dem Stammhaus zu vergleichen.

    Der für 1820 Besucher konzipierte Saal ist, obwohl er auch über drei Ränge verfügt, dem „Schuhschachtel-Typ“ zuzuordnen. Die Wände und Decken sind aus schwarzem gegossenen Corian-Acryl und die Balkone aus einem weißen „speziellem Beton“ ausgeführt.

    Die gekrümmten Deckenelemente können zur Anpassung der Klangwirkung abgesenkt oder angehoben werden. Mit abtrennbaren sogenannten Akustikkammern lassen sich zusätzliche Dämpfungseffekte insbesondere für den Chorgesang erzielen. Für die Klangoptimierung auf den Rangplätzen sind offenbar auch elektronische Hilfen in Anspruch genommen worden.

    Die Akustik war von der US-Firma Artec unter Mitwirkung des Japaners Yasuhisa Toyota konzipiert worden.

    In Verkennung unseres Anliegens waren uns vom Partner Plätze im Vorderbereich des ersten Ranges, der nur wenige Meter über dem Parkett, etwa in Höhe des Orchester-Podestes, angeordnet ist, zur Verfügung gestellt worden.

    Dort war insbesondere der Gesang von Matthias Goerne außergewöhnlich sauber moduliert mit hohem Direktschall-Anteil zu hören. Die im Nahbereich befindlichen Instrumente, dabei insbesondere die Harfe, waren geringfügig überprivilegiert auszumachen.

    Nach der Pause habe ich mir dann einen unbesetzten Platz in der Mitte der achten Parkettreihe erobert, um die Dvořák-Symphonie à la Schuhschachtel hören zu können.

    Dieses Hören hat mich dann wieder in meiner Schwärmerei für die „demokratische Schuhschachtel“ bestärkt. Ich musste mein Hörgerät, das ich vor allem zur Kompensation eines Höhenfrequenzeinbruchs nutze, zunächst dämpfen.

    Der Anteil des Reflexschalls von den Deckenelementen erreichte nahezu die Intensität des absolut symmetrischen Direktklangs vom Podium. Vermischt wurde das von diskreten, aber gut differenzierbaren Klangreflexen von den Rängen.

    Die Töne strömten gleichsam von allen Seiten und wohlgeordnet auf mich ein, so dass selbst der vom Orchester etwas verschlurte dritte Dvořák-Satz nicht unangenehm, auffiel.

    Ich wurde gleichsam von der Musik eingehüllt, wie ich es ansonsten nur, auch da selten, vom Max-Littmann-Saal in Bad Kissingen bzw. von ausgezeichneten Kopfhörern kannte.

    Gegenüber dem Semper-Saal, der eben kein ausgesprochener Konzertraum ist, klingt die Musik imWroclawer Haus damit noch etwas weicher und voluminöser.

    Und noch etwas fiel im Konzertsaal in Wroclaw auf: Junge Besucher dominierten das Publikum und machten uns Dresdner noch zusätzlich etwas neidisch.

  • Herbert Blomstedt wird 90

    Am 11.Juli vollendetHerbert Blomstedt sein 90. Lebensjahr.

    Die Staatskapelle Dresden gratuliert ihrem Ehrendirigenten und Chefdirigenten der Zeit von 1975 bis 1985 im 12. Symphoniekonzert mit einem Programm seiner Wünsche.

    Ausgewählt hatte der außergewöhnlich beliebte Musiker Anton Bruckners vierte Symphonie Es-Dur " Romantische" und Beethovens Klavierkonzert Nr.1 C-Dur.

    Die Generalprobe und die Konzerte dirigiert er für Dresden erstmalig im Sitzen und erspart uns Jüngeren die Scham vor seiner physischen Fitness eines stehenden Dirigats.

    Mit weit ausholenden Armbewegungen führt er die Musiker zu einer beeindruckend frischen Interpretation des Werkes. Hier wurde das Ergebnis einer langjährigen Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der gewaltigen Komposition präsentiert.

    Mit langanhaltendem stehendem Applaus dankten die Dresdner Konzertfreunde für das Musikerlebnis.

    Im ersten Teil des Konzertes hatte Herbert Blomstedt mit Sir András Schiff das Beethoven-Klavierkonzert als eine brillante altersmilde Aufführung zweier gereifter Musiker geboten. Dabei immer wieder der phantastische Tastenanschlag des inzwischen 64-jährigen Pianisten.

  • Saisoneröffnung 2017/18 der Staatskapelle mit Bruch und Bruckner

    Zum ersten Mal haben wir das erste Violinkonzert des Max Bruch mit Nikolaj Znaider 1999 in Bad Kissingen erleben dürfen. Der damals noch wenig bekannte dänische Geiger mit polnischen Wurzeln spielte in einem „Meisterkonzert“ mit der polnischen „Sinfonie Varsovia“ unter Krystof Penderecki.

    Am Abend nach dem Abschlusskonzert der Festspiele wurde ihm dann als erstem jungen Musiker der frisch ausgelobte Luitpold-Preis des Fördervereins des Kissinger Sommersübergeben.

    Seit dieser Zeit gastiert Nikolaj Znaider regelmäßig sowohl bei Kissinger Sommer als auch bei der Staatskapelle. Zuletzt auch im ZDF-Sylvester Konzert 2016 gleichfalls mit dem Bruch-Violinkonzert.

    In Erinnerung ist uns aber auch sein Gastauftritt im 6. Symphoniekonzert am 6. Februar 2015 geblieben, als in den letzten Takten des ersten Satzes des Violinkonzertes von Dmitri Schostakowitsch eine Handy-Klingel ertönte.

    Eine Dame links hinter uns kramte in ihrer typischen Damentasche. Christian Thielemann wandte sich doch ziemlich erregt an das Auditorium und meinte: „Unmöglich“.

    Der Dirigent brauchte dann auch offensichtlich den ersten Teil des zweiten Satzes, um seine Fassung wieder zu erlangen, während der Geiger Nikolaj Znaider scheinbar ungerührt seinen Part spielte.

    Die Probe zum Eröffnungskonzert der Saison 2017/18 am letzten August-Tag verlief allerdings ruhig, nachdem Christian Thielemann die jugendlichen Besucher am Beginn der Probe etwas streng angeschaut hatte. Auch im Konzert fehlte das Klingeln, so dass wir uns den himmlischen Längen des 1. Violinkonzertes von Max Bruch nun auch in der vierten Begegnung hingeben konnten.

    Die Introduktion spielte Nikolaj Znaider impulsiv und mit großzügigem Tempo, wobei ihm Orchester und Dirigent nichts schuldig blieben. Das Adagio eröffnete er warm und einfühlsam, während des Finales Allegro energico mit Bravour und im Gegenpart zum Orchester gespielt war.

    Es war doch erkennbar, dass sich Solist, Dirigent und Orchester bestens kennen. Einfühlsamkeit und Routine waren eine glückliche Synthese eingegangen.

    Die Entstehung der im zweiten Konzertteil gespielten Fassung der 1. Symphonie von Anton Bruckner war etwas komplex. Komponiert 1866 in Linz, war das Werk 1868 dort lediglich einmal von den Musikern des dortigen Ständetheaters und der örtlichen Garnison aufgeführt worden.

    Nachdem Bruckner 1877 einige Retuschen eingearbeitet hatte, verschwand die Komposition fast 20 Jahre in Bruckners Archiv. Um 1898 erfolgte dann die Umarbeitung zur sogenannten Wiener Fassung.

    Erst 1934/35 wurde im Zusammenhang mit der Drucklegung des Bruckner-Gesamtwerkes die „Linzer Fassung“ auf der Grundlage der Manuskripte des Komponisten veröffentlicht, die dann allgemein in den Konzertaufführungen bevorzugt worden war. Das Manuskript enthielt aber bereits Spuren der Brucknerschen Überarbeitung von 1898.

    Mit der „Neuen Anton Bruckner Gesamtausgabe“ bot sich dann die Gelegenheit, durch Einbeziehungen von überlieferten Einzelstimmen der Aufführung von 1868 eine „historisch-kritische Edition“ der „Linzer Fassung“ mit den etwas ungehobelten Passagen im ersten Satz wieder herzustellen.

    Die erste Symphonie von Anton Bruckner haben wir bisher seltener gehört. In Erinnerung ist uns letztlich nur ein Konzert im Juni 2011 mit dem Gewandhausorchester mit Herbert Blomstedt geblieben.

    Im Konzert am 1. September gelang die Linzer Fassung von 1877 zur Aufführung, eine Bauchentscheidung lautete die Auskunft nach Anfrage.

    Nach dem verhaltenen Anfang des einleitenden Allegro nahm das Spiel mit dem Hauptthema dann doch erheblich Fahrt auf. Aber hier Klang noch nicht der Bruckner seiner späteren Werke.

    Mit dem folgenden Adagio wird der Einsamkeit des Komponisten Ausdruck gegeben. Phantastisch dabei das Spiel der Holzbläser des Orchesters. Aber noch entfernt vom Bruckner der späteren Jahre.

    Der dritte recht schnell gespielte Scherzo-Satz mit seinen Streicher-Staccato, die von Hornrufen beantwortet wurden, lassen dann schon eher den späteren Bruckner Geltung zu verschaffen. Ein Satz der durchaus das Potential zum Ohrwurm hat.

    Der Finalsatz, bewegt- feurig, beginnt, eigentlich untypisch für Bruckner, zunächst. strahlend und kraftvoll. Nach der Herausarbeitung der Hauptthemen entwickelt sich das Geschehen ruhiger, fast choralartig.

    Machtvoll dann noch einmal der Schluss, der durch ein wunderbares Zusammenspiel von Bläsern und Streichern beeindruckt.

    Mithin eine gelungene Annäherung des Orchesters und seiner Zuhörer an das für alle neue Werk.

  • Gewandhausmusiker mit Blomstedt im Kulturpalast

    Am 3. September war Herbert Blomstedt mit dem Gewandhausorchester und dem Gewandhauschor aus Leipzig gekommen, um einen Beitrag zum Ausloten der klanglichen Möglichkeiten des Konzertsaalumbaus zu leisten.

    Das Programm enthielt Werke, die wesentlich zur Tradition des Orchesters beigetragen haben.

    Das Konzertstück F-Dur für vier Hörner und großes Orchester op.86, im Februar 1849 in Dresden-Loschwitz konzipiert und bereits im März fertiggestellt, war 1850 vor einem „wohlwollend interessierten Publikum“ vom Gewandhausorchester uraufgeführt worden.

    Schumann hatte die erweiterten spieltechnischen Möglichkeiten der erst vor wenigen Jahren entwickelten mit Ventilen ausgestatteten Hörner erkannt und bereits mehrfach in seinen Arbeiten eingesetzt.

    Mit der Besetzung von gleich vier dieser Hörner begeht er aber sowohl spieltechnisch als auch formal Neuland.

    Dem höher geführtem ersten Horn folgen die drei anderen Instrumente über Strecken durchaus gleichwertig.

    Der Komponist hat aber eine Gegenüberstellung der Solistengruppe mit dem kompakten Orchester weitgehend vermieden und ein abwechslungsreiches Zusammenspiel gestaltet, so dass ein eher farbenfrohes und opulentes Klangbild entsteht.

    Mit Bernhard Krug, Juliane Grepling, Jan Wessely und Jochen Pleß hatte Herbert Blomstedt auch vier hauseigene und in Leipzig ausgebildete Hornisten zur Verfügung, so dass er die prachtvollen Vorgaben des Komponisten auch zur Geltung bringen konnte.

    Die Sinfonische Kantate „ Lobgesang op. 52“von Felix Mendelssohn -Bartholdy, auch als seine 2. Sinfonie bezeichnet, war ursprünglich ein Auftragswerk erteilt vom Rat der Stadt Leipzig zur Würdigung der Erfindung des Buchdrucks anlässlich der städtischen Vierhundertjahrfeier.

    Die Vorgabedes Auftraggebers, ein sinfonisches Werk mit Chor zu komponieren, bereitete dem Komponisten zunächst Schwierigkeiten, da er an eine großartige Psalm Vertonung oder an ein Oratorium gedacht hatte. Letztlich entschied er sich für die Mischung aus einer Sinfonie und einer Kantate. Die am 25. Juni 1840 im Festkonzert in der Thomaskirche uraufgeführte Fassung erweiterte er mit sinfonischen Sätzen zur im Dezember 1840 aufgeführten noch immer gängigen Fassung.

    Der beginnende instrumentale Teil besteht aus drei ineinander übergehenden Sätzen (Maestoso con molto-Allegro, Allegretto un poco agitato, Adagio religioso). Ihm folgt die Kantate mit Bibelzitaten und dem Kirchenlied „Nun danket alle Gott“. Die Anknüpfung an den Anlass der Komposition erreichte Mendelssohn mit den Texten“ Der Aufstieg des Volkes Gottes aus der Finsternis zum Licht“.

    Ein exzellent vorbereiteter Chor und die Solisten Sophia Brommer (Sopran)von der Oper Graz, Marie Henriette Reinhold(eigentlich eine Mezzosopranistin aus Leipzig) und der als Oratoriensänger bewährte Tenor Tilman Lichdi sowie die Persönlichkeit Herbert Blomstedt gestalteten den Abend zu einem musikalischen Ereignis.

    Gewandhausorchester und Gewandhauschor hatten übrigens das Konzert am 20. April 2012 in der Audienzhalle des Vatikans zum 85. Geburtstag des Papstes Benedikt aufgeführt.

    Auf unseren Seitenplätzen in der ersten Reihe der rechten Saalempore war das Orchester richtig gut zu hören. Der weiche Klang der Instrumentengruppen des Gewandhausorchesters fügte sich zu einem durchaus befriedigenden Klangbild zusammen. Besonders die kompakte Hornsolisten-Gruppe der Schumann-Komposition beeindruckte.

    Die Musiker folgten konzentriert dem etwas verhaltenen Dirigat des Herbert Blomstedt. Dieser dirigierte übrigens das gesamte Konzert frei stehend ohne den zu seinen Geburtstagskonzerten im Sommer verwendeten Dirigentenstuhl.

    Die guten Gesangsolisten waren im Saalemporen-Bereich nur begrenzt gut hörbar. Auch der doch mächtige Chor mit den 75 Sängern drang bei den forcierten Phasen etwas stumpf durch.

    Dieser Klangeindruck änderte sich sofort, als ich mich dank der Seitenplätze etwas eindrehen und um eine Armlänge nach vorn schieben konnte. Umgehend strahlten die Klänge von Chor und Solisten.

    Der in Dresden außergewöhnlich beliebte Herbert Blomstedt wurde am Konzertschluss mit stehenden Ovationen und nahezu frenetischen Jubelrufengefeiert.

    Noch eine Warnung an sensible Konzertbesucher: Auf den Beton-Rangbrüstungen wurden massive Stahlgeländer auf gedübelt und in den Freiräumen unter den Querriegeln sind bis zu vier horizontale Stahlseile gespannt. Offenbar doch das Ergebnis von Bauvorschriften, weil den Betonbrüstungen einige Zentimeter Höhe fehlen. Aber Entschlossene können die Geländer trotzdem unschwer überwinden.

    Für mich sind damit die Plätze in den ersten Reihen der Ränge im neuen Konzertsaal „verbrannt“.

  • Zum 469. Jahrestag der Gründung der Staatskapelle

    Wie in jedem Jahr feierten am 22. September Mitglieder der Staatskapelle Dresden mit der Gesellschaft der Freunde des Orchesters den Jahrestag der1548 als „Kurfürstliche Hofkapelle erfolgten Gründung des Klangkörpers.

    Die Veranstaltung fand in diesem Jahr im oberen Saal des Palais im „Großen Garten“ statt. Der Raum, eine typische Schuhschachtel mit einer beinharten Gewölbedecke, verfügt über erstaunlich gute Möglichkeiten einer prachtvollen Klangentfaltung.

    Leider hatte sich der als Dirigent nominierte Peter Schreier einen Fuß gebrochen, so dass zwar mit Michail Jurowski ein namhafter Vertreter eingeflogen worden war .Aber es fehlten eben die Emotionen einer Wiederbegegnung mit Peter Schreier.

    Während in den früheren Jahren vor allem Kompositionen ehemaliger Hofkapellmeister das Programm bestimmten, war in diesem Jahr eine anders geartete Programmfolge gewählt worden.

    Das Konzert begann mit der Aufführung einer Komposition des „Capell-Compositeur der Saison 2017/18“ Arvo Pärt „Festina lente“ für Streichorchester und Harfe.

    Der lateinische Werktitel bezieht sich auf das altgriechische Motto, sinngemäß übersetzt, „Eile mit Weile“ und folgt Pärts Grundsatz „der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“.

    Das Ausgangsmaterial, der Eindruck einer finnischen Landschaft, ertönt zeitlich gedehnt und gleichzeitig gestrafft. Das Grundthema der Melodie kommt rasch, mäßig schnell und langsam zeitlich verschoben insgesamt sieben Mal zum Vorschein.

    Diese eigentlich mathematische Konstruktion führt zu einer nahezu irrationalen Wirkung auf den Zuhörer.

    Im zweiten Teil des Konzertes wurde in Anwesenheit des britisch-chinesischen Komponisten Jeffrey Ching die Uraufführung seiner Adaption von Versatzstücken aus zum Teil unvollständigen Relikten des Nachlasses von Wolfgang Amadeus Mozart als „Sinfonia concertante A-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Orchester“ geboten.

    Aus hinterlassenen 134 Takten einer geplanten Sinfonia concertante für Violine, Viola, Cello, zwei Oboen, zwei Hörnern und Streicher war ein Allegro-Satz rekapituliert worden.

    Ein im Köchelverzeichnis als alleinstehendesWerk KV 261 für Solovioline, zwei Flöten, zwei Hörnerund Streicher erfasstem Stück, war ein Adagio in E-Dur als zweiter Satz gefügt. Vermutlich hatte Mozart die Noten als Alternative des langsamen Satzes des A-Dur-Violinkonzertes KV 219 geschrieben.

    Den Abschluss bildete dann die „Rettung“ des Rondos eines Streichquartett-Fragments A-Dur (KV Anh. 72) von 1784/ Januar 1785.

    Mit seiner „Sinfonia concertante“ ist dem Komponisten Jeffrey Ching gelungen, Notenmaterial Mozarts, das ansonsten in den Archiven verkümmert geblieben wäre, mit einem durchaus geschlossenen Werk dem Konzertpodium zu erschließen.

    Mit den Orchestermusikern spielten als Solisten der Konzertmeister Matthias Wollong (Violine), Sebastian Herberg (Viola) und Norbert Anger (Violoncello)gewohnt gekonnt.

    Nach der Pause erklang dann die zweisätzige h-Moll-Symphonie von Franz Schubert, mit dem Beinamen die „Unvollendete“, in einer recht frischen und flotten Interpretation.

    Jeder Musiker erhielt dann von der Gesellschaft der Freunde des Orchesters eine rote Rose und das Orchester bedankte sich mit einer Prokofjew-Zugabe.

    Der Tradition folgend, luden im Anschluss des Konzertes die Freunde der Staatskapelle die Musiker und Gäste zu einem Empfang mit Crémant und Brezen ein.

  • Die Neuproduktion "Les Troyens/ Die Trojaner" der Semperoper

    Wahrscheinlich angeregt von einem Gespräch mit der Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein über seine Leidenschaft für Shakespeare und die Liebe zur Antike im Frühjahr 1856 in Weimar hat Hector Berlioz die Verse des gewaltigen Opernlibrettos „Les Troyens“ niedergeschrieben.

    Die Komposition des Monumentalwerkes hat die Lebensgefährtin des Franz Liszt dann auch mit fast wöchentlichen Korrespondenzen in der Zeit vom August 1856 bis 1858 begleitet und wohl auch beeinflusst.

    Die Fürstin wusste über Wagners Arbeit am Ring-Projekt bestens Bescheid und ärgerte sich wohl, dass es beim Sachsen keine einzige Frauenfigur gibt, die nicht aus ihrer Beziehung auf Männer definiert wird.

    In Berlioz sah sie den Komponisten, der Wagners Konzept von einem Gesamtkunstwerk etwas Gleichwertiges, wenn nicht Besseres, entgegensetzenkönnte.

    Offenbar zerbrach auch die Freundschaft Wagners zu Berlioz nicht zuletzt, als der Franzose voller Begeisterung sein Libretto „die Trojaner“ vorgetragen hatte und Wagner damit nicht das Geringste anfangen konnte.

    Berlioz hatte, doch recht erheblich von der Vorlage des Vergil abweichend, zwei Frauen in den Vordergrund des Geschehens gestellt: Die mit dem sprichwörtlich schlechtem Ruf behaftete Prophetin Cassandraund die verwitwete karthagische Königin Dido, die auch an ihrer zweiten Liebe scheitert, schon weil ihr männliche Götter das neue Glück missgönnen.

    Dagegen kommen die antiken Helden deutlich schlechter weg, so dass den beiden Heldinnen in Ermangelung würdiger Gefährten letztlich bleibt, selbst den Tod zu suchen.

    Die noch junge amerikanische ehemalige Sängerin und Opern-Regisseurin hat das Vierstunden-Opusmit der Staatskapelle Dresden, über 120 Chorsängern und 19 Solisten inszeniert. Die musikalische Leitung der Aufführung hatte John Fiore übernommen.

    Die musikalischen Eindrücke des Premieren-Spätnachmittags-Abends hat vollständig meinen Erwartungen entsprochen.

    Zusammengehalten wurde die Vorstellung, nicht überraschenderweise, von den Musikern der Staatskapelle, die von dem Amerikaner John Fiore als einem ihnen bereits bekannter Partner inspirativ und mit straffen Tempis geführt wurden.

    Jörn Hinnerk Andresen, unterstützt von der Kinderchorleiterin Claudia Sebastian-Bertsch, hatten die opulenten Chorszenen hervorragend vorbereitet. Insbesondere der Hass-Chor am Schluss des fünften Aktes half dem Erfolg des Abends.

    Bei den Gesangssolisten hat es für meine Empfindung keine, den Anforderungen nicht entsprechende Leistungen, gegeben.

    Mit der Dido-Darstellung hat Christa Mayer die Premiere zu ihrem Abend gemacht. Stimmlich hervorragend in Form, hat sie ihrer Figur Klangschönheit und Seele verliehen. Einerseits der drohende Kontrollverlust der Machtfrau in der eigentlich „verbotenen“ Liebesbeziehung und andererseits die konsequente Trennung von Enée sowie die Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber, waren schon beeindruckend.

    Entsprechend auch der besondere Jubel für die beliebte Künstlerin beim Schluss Beifall.

    Doch etwas im Schatten der Christa Mayerblieb die Cassandre von Jennifer Holloway. Ihre besten Momente erreichte Sie im Duett mit dem Chorèbe des Christoph Pohl. Dessen heller Bariton entsprach den Rollenanforderungen, die allerdings, außer dem Duett, nur wenige Möglichkeiten zu einer weiteren Stimmenentfaltung gaben.

    Bryan Register war erst verzögert in die Probenarbeit einbezogen worden, hat aber bereits von der Frankfurter Höckmayr-Produktion Erfahrungen als Énée mitbringen können. Richtig wurde er aber erst im „Mondschein-Duett“ mit der Dido-Christa Mayer seiner Heldentenor- Rolle gerecht. Ansonsten wirkte er leicht kratzig und es fehlte das Strahlende, gut Hörbare

    Als Glanzlichter im Kreise der Solisten zeigten sich die polnische Gastsängerin Agnieszka Rehlis stimmlich sowie darstellerisch als Dido-Schwester Anna und das Ensemble-Mitglied Emily Dorn als etwas komödiantisch angelegter Énée-Sohn Ascagne.

    Aber auch Ashley Holland als Panthée und Joel Prieto als Iopas mitseinem Lied konnten gefallen.

    Obwohl ich Missfallenskundgebungen in Oper und Konzert stets ablehnend gegenüber stehe, konnte ich die Buh-Rufe beim Vorstellungsschluss gegenüber der Regietheater-Inszenierungs-Truppe nachvollziehen:

    Der erste Akt war von Lydia Steier auf dem Theaterplatz vor dem Semper Bau etwa in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts eingeordnet. Die Kostüme der Statisten eher pariserisch, in Dresden ging man etwas dunkler gekleidet. Die Stimmung locker, mit Oktoberfest-Andeutungen, und nur vom Schicksal des Laokoon, aber kaum vom Kummer der Andromache getrübt. Entsprechend auch die Schwarm-Dummheit gegenüber den Warnungen der Cassandre. Warum dann das Double des Denkmals des „Guten König Johann „ als das todbringende Menetekel genutzt wurde, mag noch hingehen. Aber eben nicht unbedingt schlüssig.

    Dass aber im dritten Akt das doch optimistische Leben im vortrojanischen Karthago mit roten Fähnchen sowie den mit Hammer und Sichel hantierenden Narbal und Iopas charakterisiert wurde, konnte wirklich nur einer Amerikanerin einfallen, die fern vom „entwickelten System“ gelebt hatte.

    Im vierten Akt verändert sich die Zeiteinordnung zur Jahrhundertwende: Industrieller Bühnenaufbau und Arbeiterkleidung der Statisterie.

    Irgendwie zerflatterte sich für meine Wahrnehmung das Regiekonzept.

    Wahrscheinlich muss ich doch noch eine zweite Aufführung besuchen, um die Substanz der Regiearbeit aufzuspüren.

    Natürlich ist es schwierig, einem modernen Opernbesucher den Spannungsbogen zu vermitteln, dass ein göttlicher Auftrag den Énée vom untergegangenen Troja zur Gründung des römischen Reiches ohne Rücksicht auf irgendwelche Zwischenereignisse , wie eben eine neue leidenschaftliche Liebe und das Angebot eines Thrones zwingt.

    Hervorragend fand ich die Personenführung und ich denke auch für die Französischsprechenden, bis auf Ausnahmen, die Textverständlichkeit. Für die Übrigen stehen deutschsprachige und englische Übertexte zur Verfügung.

    Störend fand ich, dass es bereits ab dem zweiten Teil gehäuft Szenenapplaus gab. Eine Unsitte die ich eigentlich in Dresden für überwunden glaubte.

  • Der Capell-Virtuosus der Saison 2017/18 stellt sich vor

    Es ist eine schöne Gepflogenheit, dass der Capell-Virtuos der Staatskapelle in einem Konzert sein musikalisches Können völlig allein dem Dresdner Publikum präsentiert.

    Der Virtuosus der Saison 2017/18 Denis Matsuev hat das am 8. Oktober mit einem Klavierrezital im Semper-Bau getan.

    Der 41-jährige Sibirier betrat zügig die Bühne und stürzte sich nach knapper Begrüßung auf den Flügel und begann unverzüglich zu spielen.

    Zunächst bot er die zwölf charakteristischen Bilder „Die Jahreszeiten“ op. 37b von Peter Tschaikowski.

    Temporeich, mit weichen Bässen entstanden nahezu perfekt als leuchtende Kantilenen die zwölf Monatsbilder seines Landsmannes.

    Insbesondere das „Herbstlied“ für den Monat Oktober stattete er mit einer poetischen Tiefe aus.

    Danach folgte die Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110 von Ludwig van Beethoven.

    Den ersten und dritten Satz spielte er mit verführerischer Klangfülle und erzeugte so dank seiner intuitiven Spielweise regelrecht luxuriöse Eindrücke.

    Im zweiten Satz Allegro molto war dann doch ein Bemühen spürbar, dem Wohlklang nicht die Transparenz und Substanz der Komposition zu opfern.

    Der „Meditation“ 0p. 72 Nr. 5 von Tschaikowski folgte dann als Programmabschluss die Klaviersonate Nr. 7 B-Dur op. 83 von Sergej Prokofjew.

    Regelrecht gehetzt erklang der erste Satz Allegro inquieto, während im Andante caloroso eine eher verhangene Lyrik zum Ausdruck gebracht wurde. Die etwas chaotische Komposition des dritten Satzes war dann auch wenig geeignet, zu einer Art Klärung des Gehörten beizutragen.

    Deshalb war es auch folgerichtig, dass Denis Matsuev mit üppigen fünf Zugaben sein Publikum in die zweite Tageshälfte entlassen wollte. Dabei hatte er natürlich auch die Möglichkeit ergriffen, die Musik Sergei Rachmaninows, die ihn in seiner Heimat besonders populär gemacht hat, den Dresdnern zu bieten.

  • Arvo Pärt und Gustav Mahler im 2. Saisonkonzert

    Im zweiten Saison-Symphoniekonzert der Staatskapelle hatte der inzwischen leider nach Leipzig gewechselte Tobias Niederschlag eine Komposition des Capell-Compositeur Arvo Pärt von 1977 mit einer späten Arbeit von Gustav Mahler kombiniert.

    Das zweiteilige Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester und einem präpariertem Klavier „Tabula rasa“ begann mit „Ludus“-con moto, also eigentlich„schlammig“.

    Die beiden Konzertmeister-Stellvertreter des OrchestersThomas Meining und Jörg Faßmann trieben das Streichorchester gleichsam vor sich her, während das Klavier, dessen Dämpfungen teilweise mit Schrauben präpariert waren, nahezu zufällig der Verfolgung Einhalt zu geboten schien.

    Damit entstanden recht interessante Klangbilder.

    Der zweite Teil der Komposition „Silentium“- Senza moto schien hingegen den „reinen Tisch“ bereits vorzufinden, denn die Musik schleppte sich als ein Gleichklang der beiden Solostreicher und des Orchesters über den Spielverlauf, um dann irgendwie im Nirgendwo zu verklingen.

    Pärt hatte sich zum „Tabula rasa“ geäußert:“ In schweren Zeiten spüre ich ganz genau, dass alles, was eine Sache umgibt, keine Bedeutung hat. Vieles und Vielseitiges verwirrt mich nur und ich muss nach dem Einen suchen.“

    Für die beiden Solisten war die Aufführung ohne Zweifel ein schöner Erfolg und auch Donald Runnicles konnte mit dem präzisen Spiel des Orchesters den Beweis einer seit Jahren bestehenden Partnerschaft unter Beweis stellen.

    Dem etwas irritierten Hörer wurde in der Folge dann Gustav Mahlers Spätwerk, die Symphonie für Soli und Orchester „Das Lied von der Erde“ geboten.

    Der gewaltigen Orchesterbesetzung unter Donald Runnicles standen die schottische Mezzosopranistin Karen Cargill und der deutsch-kanadische Tenor Michael Schade zur Seite.

    Leider war Michael Schade merkbar indisponiert, so dass seine Stimme keine Chance bekam, sich gegenüber der Orchester-Übermacht zu behaupten.Selbst im Piano konnte sich keine tenorale Strahlkraft entwickeln und Schade blieb unter seinen Möglichkeiten.

    Dafür entschädigte die eventuell derzeit beste Mezzosopranistin Karen Cargill mit ihrem großzügigen samtweichen poetischen Gesang und verhalf so dem Abend zu einem glanzvollen Abschluss.

  • Pärt hatte sich zum „Tabula rasa“ geäußert:“ In schweren Zeiten spüre ich ganz genau, dass alles, was eine Sache umgibt, keine Bedeutung hat. Vieles und Vielseitiges verwirrt mich nur und ich muss nach dem Einen suchen.“

    Kann ich verstehen: Für mich sind die schwersten Zeiten die, in denen ich Pärt höre, und ich muss dann schnellstens nach dem Ausgang suchen.

    Christian

  • Kammermusik-Gesprächskonzert der Freunde der Staatskapelle

    Die Gesellschaft der Freunde der Staatskapelle hatte am Sonntagabend in die Aula des Sächsischen Landesgymnasiums für Musik zum zweiten Gesprächskonzert mit dem Moderator Tobias Teumer eingeladen.

    Als Mitwirkende waren das Dresdner Streichquartett Thomas und Barbara Meining (Violine) Andreas Schreiber (Viola) sowie Martin Jungnickel (Violoncello) mit den Gästen Anke Heyn (Violoncello) und Luke Turrell (Viola) angekündigt, um sich und zwei Streichsextette vorzustellen.

    Tobias Teumer erläuterte die Kompositionen Streichsextett op. 18 B-Dur von Johannes Brahms und das Streichsextett op. 4 „Verklärte Nacht“ nach einem Gedicht von Richard Dehmel und unterhielt sich mit den Mitwirkenden über ihren Werdegang, ihre Pläne, vor allem über ihr Verhältnis zur Musik, zu den beiden Werken sowie zu ihren Lebensumständen in Dresden.

    Alle sechs Musiker sind Mitglieder der Staatskapelle Dresden. Das Dresdner Quartett spielt inzwischen seit 25 Jahren in dieser Besetzung.

    Mir war besonders aufschlussreich, was der britischeBratschist Luke Turrell, der über ein Stipendiat bei der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker im vergangenen Jahr zur Staatskapelle gekommen war, über die unterschiedliche Kultur beider Orchester berichtete.

    Bei den Berlinern spielen 131 leidenschaftliche und hervorragende Instrumentalisten miteinander, während er in Dresden erstmalig in seiner Musikerlaufbahn einen „Klangkörper“ erlebt.

    Außerdem gab es noch einen aufschlussreichen Vergleich zweier Instrumente:

    Der Konzertmeister der Staatskapelle Thomas Meining spielte das Brahms-Streichsextett mit einer Stradivari-Violine, die sich seit 1831 im Besitz des Orchesters befindet, und die Schönberg-Komposition mit einem Instrument von Guarneri.

    Da war doch deutlich merkbar, dass die Stradivari über den gesamten hörbaren Frequenzbereich einen weichen Klang entwickelte, während das zweite Instrument doch bei den höheren Tönen eher spitz und fast aggressiv klingt, dabei natürlich aber auch über intensivere Durchdringung verfügt.

  • Mir war besonders aufschlussreich, was der britischeBratschist Luke Turrell, der über ein Stipendiat bei der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker im vergangenen Jahr zur Staatskapelle gekommen war, über die unterschiedliche Kultur beider Orchester berichtete.

    Bei den Berlinern spielen 131 leidenschaftliche und hervorragende Instrumentalisten miteinander, während er in Dresden erstmalig in seiner Musikerlaufbahn einen „Klangkörper“ erlebt.

    Vielleicht ist er noch in der Probezeit...

    Christian

  • Nach Yundi die "Sinfonia domestica" im §. Symphoniekonzert 2017/18

    Das Klavierkonzert in A-Dur KV 488, in der Zählung des Komponisten das siebzehnte, vollendete Wolfgang Amadeus Mozart 1786. Es gehört zu den „sinfonischsten Konzerten“ Mozarts.
    In seinem 3. Symphoniekonzert spielte die Staatskapelle Dresden das Konzert mit dem chinesischen Pianisten Yundi (eigentlich: Li Yundi) unter der Leitung des Gastdirigenten Alan Gilbert.
    Yundi, Jahrgang 1982 gehört eigentlich zu den etablierten Pianisten, auch wenn er nicht das Glamouröse eines Lang Lang oder Daniil Trifonov vor sich her trägt.
    Das A-Dur-Klavierkonzert haben wir nun mehrfach im Konzert erleben dürfen und von Tonträgern und Konzertmitschnitten in einer Fülle von Interpretationen hören können.
    Wenn man aber im Dresdner Konzert etwas Außergewöhnliches erwartet hatte, so wurde man enttäuscht. Der Solist bot eine technisch ausgezeichnete Leistung, ließ aber einen eigenen Stil vermissen. Alan Gilbert versuchte zwar bereits in der Probe im ersten und dritten Satz etwas Schwung in das Geschehen zu bringen, aber änderte kaum den Gesamteindruck.
    In letzter Konsequenz blieb eine Aufführung, die sich zwar in der Fülle des bereits Gehörten behaupten kann, aber nicht heraus ragt.
    Aber letztlich ist meine Meckerei eine Kritik über ein hohes Niveau, denn die einfüllsame Zugabe des Yundi kompensierte das Vermisste.
    Im zweiten Konzert-Teil stand die seltener gespielte, dafür aber öfter mit Häme bedachte „ Sinfonia domestica“ von Richard Strauss von 1902/03 auf dem Programm.
    Eigentlich sollte man über Proben Stillschweigen halten. Deshalb nur so viel, dass sich „Klangkörper“ und Dirigent bei der Beprobung des Finales zunächst recht schwer taten.
    Mit dem Einsatz von exakt 100 Musikern hatte der Komponist ein sinfonisches Selbst- und Familienportrait, eine Rhapsodie über sein Familienleben und sein Heim geschaffen.
    Vier pausenlos ineinander übergehende Teile spiegeln die Idee des Familienlebens wider:
    Im ersten Teil: Der Papa (F-Dur) kommt müde und etwas mürrisch von einer Reise, aber letztlich gemütlich, die Mama (H-Dur) zeigt sich lebendig und graziös und der Bubi (d-Moll) als Gemisch Beider, aber eher dem Vater ähnelnd.
    Der zweite Teil, das Scherzo, über das Glück der Eltern und der dritte Teil, das Adagio, ein Wiegenlied.
    Kennt der Probenbesucher nun bereits das Finale, so schleppen sich für ihn diese drei Teile in ihrer glücklich-schlichten Sphäre etwas gemächlich, denn mit dem vierten Teil entfesseln Dirigent und Orchester die Situation mit der Schilderung einer bewegten Liebesnacht und einem lustigen Streit nach dem Aufstehen am folgenden Morgen; nach dem Probenerlebnis eine weitere Erkenntnis bezüglich der Qualität des „Klangkörpers“.
    Mit der verkappten Viersätzigkeit der Komposition hatte sich Strauss dem Vorwurf einer Rückkehr zur „absoluten Musik“ ausgesetzt, was er allerdings energisch zurückwies.
    Auch die Merkwürdigkeit, dass der Komponist diesen Einsatz des Riesenorchesters für ein eigentlich persönlich-spießiges Thema gewählt und fast gleichzeitig die lasziv-dekadente „Salome“ bearbeitet hat, sollte erwähnt werden.

  • Neu-Inszenierung von Donizettis "Lucia di Lammermoor"

    Achtzig Jahre hat das Dresdner Opernpublikum auf eine szenische Neuinszenierung von Gaetano Donizettis Belcanto-Oper „Lucia di Lammermoor“ warten müssen.

    Zwar gab es2008 eine konzertante Aufführung mit Edita Gruberova in der Semperoper, aber nun hat es innerhalb eines Jahres gleich zwei Neuinszenierungen der „Lucia“ in unserem Einzugsgebiet gegeben.

    In Leipzig hatte Katharina Thalbach eine prachtvoll ausgestattete Inszenierung mit einer kuriosen Premiere im November 2016 vorgestellt: Die Sängerin der Titelpartie Anna Virovlansky hatte sich einen Bänderriss zugezogen und musste im Rollstuhl auftreten. Die Regisseurin sprang als böser Geist ein, um der gehandicapten Lucia zu helfen, sich auf der Bühne zu bewegen, was im Zeitalter des Regietheaters durchaus auch als Regieeinfall hätte durchgehen können.

    In Dresden hat nun der durch seine unkonventionellen Regiebearbeitungen bekannte Dietrich W. Hilsdorf die Oper als sein Hausdebüt ganz im Geist von Walter Scotts Roman „Die Braut von Lammermoor“ inszeniert. Keine bemühte Symbolik, kein erhobener Zeigefinger- volle Konzentration auf den Gesang, der von zwei Sängerpersönlichkeiten dominiert wird:

    Für die schwierige Titelpartie wurde die junge Russin Venera Gimadieva, uns bereits seit 2016 als hervorragende Violetta bekannt, gewonnen.

    Mit einem prachtvollen vokalen Fundament entwickelt sie in allen Lagen weiche warme Töne zu einem tiefen sich zur Wahnsinns-Szene steigernden Charakterbild.

    Ihr mächtiger Konkurrent im Sängerensemble ist Georg Zeppenfeld, der den Part des Raimondo, selbiger von der Regie vom Vertrauten der Lucia zu ihrem Bruder aufgewertet, zum zweiten Höhepunkt des Opernabends führt. Wir sind dankbar, dass unser Nachbar Georg Zeppenfeld als ausgewiesener Familienmensch gern zu Hause übernachtet und deshalb doch häufiger im Hause präsent ist, als andere Weltstars, die im Ensemble der Semperoper gestartet sind und sich hier rar machen.

    Auch wenn der Raimondo dem Enrico Ashton in der Inszenierung die Führerschaft inm Hause Ashton streitig macht, mit seinem Gesang und der darstellerischen Leistung erweist sich der italienische Bariton Simone Piazzola den beiden Protagonisten absolut ebenbürtig, so dass sich die Szene zu einem tollen Stimm-Fest entwickeln konnte.

    Der litauische Tenor Edgaras Montvidas, im Hause ansonsten als Don Ottavio präsent, bietet uns einen stimmlich und schauspielerischen ausgezeichneten Edgardo Ravenswood, den Geliebten der Lucia. Insbesondere mit seinem Abschied von der toten Lucia im letzten Akt wusste er das Auditorium emotional zu berühren.

    Der amerikanische Tenor Simeon Esper, seit 2011 vielbeschäftigtes Mitglied des Solistenensembles des Hauses, war ein ordentlicher Lord Arturo Bucklaw. Auch das aus Norwegen stammende Ensemblemitglied Tom Martinson hatte als Intrigant Normanno seine gute Leistung.

    In wenigen Szenen geistert noch die Mezzosopranistin Susanne Gasch als Lucias verstorbene Mutter Alisa über die Szene; das Hausdebüt der Dresdnerin.

    Der Staatsopern-Chor, hier vorbereitet von Cornelius Volke, trieb die Handlung voran, hatte seine Freude am Spektakel und, rundet den musikalischen Gesamteindruck des Abends.

    Im Graben die an Wagner geschulten Musiker der Staatskapelle unter der Leitung des Belcanto-Spezialisten Giampaolo Bisanti. Detailgenau kommt jeder Ton, jeder Akkord knallhart auf den Punkt, die Sänger mal begleitend und gelegentlich unterstützend.

    Leider ließ sein Dirigat nach musikalischen Höhepunkten zu viel Raum für den unmöglichen Szenenapplaus. Insbesondere in der Wahnsinns-Szene gab es Pausen, von Bisanti möglicherweise als Ruhepunkte gedacht. Aber da, wo Berührtheit angebracht war, stürzte sich das Auditorium in rauschenden Beifall sowie Bravo-Rufe und beschädigte so den Eindruck des ansonsten hervorragenden Abends.

    Eine Besonderheit der musikalischen Gestaltung ist, dass es gelungen war, für die reichen Koloraturen der Wahnsinns-Szene die von Donizetti vorgesehene Glasharmonika mit dem Dresdner Sascha Reckert zu erwecken und damit Lucias psychischen Zusammenbruch nervenaufreibend zu zerdehnen. Ein ungewohntes Klangbild mit Rückenschauer-Charakter.

    Das Bühnenbild von Johannes Leiacker minimalistisch, düster und in schwarz gehalten: Ein Tisch, eine verwüstete Tafel, ein Sarg, das Bett und eine rotglühende Bibel. Dem angepasst auch die Kostüme von GesineVöllm und die Lichtgestaltung von Fabio Antoci.

    Für mich war der Abend ein Beitrag meiner selektiven Versöhnung mit Regietheater-Inszenierungen, eine Entwicklung, die mit Katharina Wagners Tristan begonnen hat.

    Keine gewaltsamen Aktualisierungen, bei diesem Stoff doch mit seinem absurdem Handlungsablauf ohnehin schwer, das Fehlen zeitlicher und örtlicher Einordnung, auch wenn einige das Geschehen in Schwaben gegen Ende des 19. Jahrhunderts angesiedelt sehen möchten, erlaubten, dass man sich vollständig der Musik und dem prachtvollen Gesang hingeben konnte.

    Sollte es gelingen, die Qualität der Gesangsleistungen über die Jahre zu retten, so könnte die „Lucia“ von Hilsdorf ein Publikumsmagnet des Dresdner Touristen-Repertoires werden.

  • Neu-Inszenierung von Donizettis "Lucia di Lammermoor"

    Hallo thomathi,

    danke für den ausführlichen und aussagekräftigen Bericht! Ich habe die Inszenierung auch gesehen (möglicherweise sogar dieselbe Vorstellung).
    Eigentlich wollte ich selbst etwas dazu schreiben, doch deinen Worten gibt es für mich nichts hinzuzufügen. Einfach Klasse! Ich bin begeistert!

    Siehe auch hier. Weitere Beiträge zu dieser Operninszenierung können dann bitte dort gemacht werden.
    Lionel - Für die Moderation -

    Viele Grüße aus Sachsen
    Andrea

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!