Vom Konzertleben in Dresden

  • Marek Janowski kommt mit Haydn und Bruckner zurück

    Das Dresdner Opern- und Konzertpublikum verbindet mit Marek Janowski (geb. 1939) eine Fülle von Begegnungen.

    Bereits 1975 konnte er, noch im „Großen Haus“, die Premiere der Tristan-Inszenierung von Harry Kupfer dirigieren. In den Jahren von 1980 bis 1982 hatte er in die Lukas-Kirche mit der Staatskapelle sowie bekannten Solisten, wie Theo Adam, Peter Schreier, Jessye Norman und Matti Salminen, eine Aufnahme des „Ring des Nibelungen“ eingespielt, die noch immer als eine interessante Deutung der Wagner-Arbeit gilt.
    Aus nicht recht durchsichtigen Gründen hatte Janowski 1989 eine Zusammenarbeit mit der Staatskapelle abgebrochen, weil er keine Lust mehr habe, im Graben „antisängerische Inszenierungen“ zu dirigieren. Auch habe es Unstimmigkeiten mit Musikern gegeben, denn Janowski gilt als durchsetzungsstarker Intensiv-Probierer. Aber Jene, die es genauer wissen könnten, hüllen sich mir gegenüber in Schweigen.

    2001 übernahm Marek Janowski den Chef-Posten bei der Dresdner Philharmonie unter der Bedingung, dass die Stadt mittelfristig ein ordentliches Konzerthaus errichten lässt. Die sich über Jahre hinziehenden Querelen über das Für und Wider eines Neubaus waren dann der Anlass, dass er das Orchester 2003 verließ.

    Nachdem sein Nachfolger wegen Unstimmigkeiten zum Orchester-Budget seinen Abschied nehmen wird, hatte der Orchestervorstand die Kulturbürgermeisterin aufgefordert, Janowski für eine Übernahme des Chefdirigats ab 2019 für drei Spielzeiten zu gewinnen.

    Im Vorgriff auf dieses Engagement hat er das Dirigat für ein Haydn-Bruckner-Konzert am 21. Oktober 2018 übernommen.

    Die Sinfonie G-Dur, im Hoboken-Verzeichnis 1 die 100.Sinfonie, ist 1794 in London komponiert und daselbst auch uraufgeführt worden.

    Die Bezeichnung „Militärsinfonie“ soll vom Komponisten wegen des intensiven Einsatzes von Pauke, Triangel, Becken und Großer Trommel sowie eines Trompeten-Signals im zweiten Satz selbst eingeführt worden sein.

    Marek Janowski dirigierte die Haydn-Komposition mit dem nötigen Feingefühl, brillant glänzend wo es angebracht war und bei den „militärischen“ Stellen auch krachend.

    Die Begegnung mit der Musik Richard Wagners, er hatte 1863 in Linz eine Tannhäuser-Aufführung erlebt, war für Anton Bruckner Anlass, etwas Vergleichbares zu schaffen. Als gläubigem Katholiken war ihm allerdings die Bühne suspekt, so dass er sich der geistlichen Chormusik intensiver widmete.

    Seine bis Dato geschaffenen Chorwerke legte er beiseite und erst die 1864 uraufgeführte d-Moll-Messe bezeichnete er als seine „erste“.

    Die im Konzert aufgeführte Messe Nr. 3 in f-Moll stellt allerdings bereits ein Schwellenwerk zum Sinfoniker Anton Bruckner dar.

    Im Sommer 1867 begann Bruckner, als er noch ein Nervenleiden auskurieren musste, mit der Komposition und beendete diese zunächst im September. Die Musiker der Wiener Hofkapelle lehnten eine Aufführung dieser Erstfassung zunächst ab, da sie diesen „Test des musikalisch Machbaren“ als unspielbar betrachteten.

    Eine vom Komponisten selbst geleitete und finanzierte Uraufführung im Jahre 1872 gelang ob widriger Umstände nicht besonders gut, hat aber zu seiner Anerkennung in Wien beigetragen.

    Nach vier Überarbeitungen (1876, 1877, 1881 und 1890 bis 93) avancierte die Messe inzwischen zu einem der beliebtesten Chorwerke der Romantik.

    Neben dem hervorragend von Philipp Ahmann vorbereiteten Rundfunkchor des MDR standen dem Dirigenten und der Dresdner Philharmonie mit der Sopranistin Camilla Nylund, der Altistin Christa Mayer, dem Tenor Bernhard Bechthold sowie dem Bassist Günther Groissböck hochkarätige Solisten, mit Gesangsleistungen ohne Fehl und Tadel, zur Seite.

    Marek Janowski interpretierte die Messe flüssig mit beherrschten Tempi und gab dem „vorsinfonischem Charakter“ der Messe einen breiten Raum.

    Ob der gewaltigen Orchesterbesetzung und wegen der doch etwas trockenen Klangverhältnisse im Konzertsaal des Kulturpalastes ging allerdings der kirchenmusikalische Charakter der Komposition weitgehend verloren und es blieb eine opulente chorsinfonische Aufführung.

  • Der Capell-Virtuos mit Martin Helmchen und einem Beethoven-Abend

    Für seinen Einstieg als Capell-Virtuosder Saison 2018/19 hatte sich Frank Peter Zimmermann den Pianisten Martin Helmchen mit in den Semper-Bau gebracht, um mit ihm ein Kammerkonzert zu meiner Freude ausschließlich mit Kompositionen von Ludwig van Beethoven zu gestalten.

    Vor sechzig Jahren hatte Franz Konwitschny häufiger mit dem Leipziger Gewandhausorchester Konzerte ausschließlich Beethoven gewidmet. In der Jetztzeit wird allenthalben mal die leider bei zu vielen Gelegenheiten fast inflationär gespielte „Neunte“ alleinstehend dargeboten.

    Mit der ihnen eigenen Meisterschaft spielten die beiden Virtuosen die Sonaten für Klavier und Violine Nr. 8 G-Dur op. 30 Nr. 3, Nr.9 A-Dur op. 47 „Kreutzer-Sonate“ und Nr. 10 G-Dur op.96.

    Besonders beeindruckend war der weiche Klang der von Zimmermann wiedererlangten „Lady Inchiquin“, jener Stradivari aus dem Jahre 1711, die bereits Rodolphe Kreutzer gespielt hatte.

    Nun folgte das Konzert bereits vier Tage nach dem wunderbaren Erlebnis der Alpenarte in Schwarzenberg. Ich hatte vom Festival, wenig beachtet, bereits im Forum berichtet.

    Junge,zwischen 1987 und 1997 geborene, hochbegabte und hervorragend ausgebildete Musiker, hatten uns in vier begeisternden Konzerten motiviert ihr Können geboten. Trotz ihrer Jugend haben sie bei zahlreichen Musikwettbewerben Erfolge vorzuweisen und sind bereits auf den Konzertpodien in aller Welt präsent.

    Nach dem Duo-Rezital kam für mich die Frage auf, warum die Wirkung der Konzerte auf mich so unterschiedlich gewesen war.

    Nach reiflicher Überlegung gab es für mich nur die Folgerung, dass die aufstrebenden jungen Musiker den Eindruck vermittelten, dass sie sich noch um ihre Zuhörer bemühen und auf das Publikum zugehen müssen, während die beiden Spitzenmusiker sich mit einer selbstbestimmten Gelassenheit dem Auditorium präsentierten.

    Sie verbeugten sich zwar artig mit Blick in den Saal, boten dann aber ihr Spiel eigentlich ohne Bemühung um einen Kontakt zu den Hörern zu zeigen, eben in der Gewissheit, das Gebotene werde schon aufgenommen und gebührend gewürdigt.

    Bei den Musikern der Alpenarte war schon das differenzierte Mienenspiel zu beobachten. Bei einigen noch hochkonzentriert, während andere entspannter blickten, lächelten oder den Partnern zublinzelten. Auch hatte man stets das Gefühl, dass sich zwischen Podium und Saal ein Kontakt aufbaute und die Musiker die Reaktionen des Saales regelrecht aufsaugten.

  • Mit Herbert Blomstedt "Für ein friedliches Miteinander"

    Vor ziemlich exakt fünfzig Jahren hat der damals 41 jährige Herbert Blomstedt sein erstes Probedirigat bei der Staatskapelle Dresden absolviert. Am 19. April des Folgejahres 1969 hatte er dann sein erstes Konzert mit dem Orchester aufgeführt.

    Seit dieser Zeit ist er der Kapelle ständig verbunden,von 1975 bis 1985 als deren Chefdirigent, häufiger Gastdirigent und seit dem vergangenen Jahr als dessen Ehrendirigent.

    In inzwischen deutlich über 300 Konzerten des Orchesters hat Herbert Blomstedt die Leitung inne gehabt.

    Für das Konzert „Für ein friedliches Miteinander“ am 12. November 2018 hatte Herbert Blomstedt sechs Musiker des Gewandhausorchesters Leipzig und den norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes in den Semper-Bau mitgebracht.

    Gespielt wurde zunächst das Konzert für Klavier und OrchesterNr. 1 d-Moll op. 15 von Johannes Brahms.

    Andsnes, geboren 1970, stellte sich mit eindrucksvoller Technik und einer durchdringenden Interpretation erstmalig in Dresden vor. Besonders hat uns sein differenzierter Anschlag angesprochen und wie er auf die Wünsche des Orchesterdirigenten eingegangen ist.

    Phantastisch fanden wir besonders die „quasi Kadenz“ im Finalsatz.

    Die Interpretation der Brahms´schen ersten Symphonie des Herbert Blomstedt wage ich nicht zu bewerten. Nur so viel, es war eine typische Blomstedt-Darbietung: meisterhaft, unaufgeregt und präzise durch seine artikulierten Zeichengebungen.

    Langanhaltende stürmische stehende Ovationen dankten Herbert Blomstedt.

  • Gestern habe ich das gleiche Programm mit Blomstedt und der Staatskapelle Dresden in der Berliner Philharmonie gehört. De lobenden Worte meines Vorredners kann ich nur unterstreichen. Besonders gut gefallen haben mir die langsamen Sätze, die perfekt ausgehört und mit hoher Sensibilität zu Gehör gebracht wurden.

    Am meisten beeindruckt war ich jedoch von Blomstedts Energie und Vitalität im hohem Alter. Ich würde mir wünschen, mit 91 Jahren ebenfalls noch so rüstig und fit zu sein ... Wunderbar!
    :wink:

  • Peter Eötvös dirigiert Eötvös und Bartok

    Nachdem der Capell-Compositeur der laufenden Saison Peter Eötvös beim ersten Symphonie-Konzert verabsäumt hatte, sich persönlich mit der Uraufführung seiner Hommage an sein Vorbild Luciano Berio beim Dresdner Publikum vorzustellen, holte er die Begegnung mit einem Sonderkonzert im Konzertsaal des Kulturpalastes nach und dirigierte neben eigenen Werken auch Bela Bartoks „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“,

    Zunächst aber erklang von Peter Eötvös „Das Gleiten des Adlers in den Himmel“ (Originaltitel: The Gliding oft he Eagle in the Skies), als Auftragswerk des Baskischen Nationalorchesters 2012 komponiert und 2015 überarbeitet.

    Die Basken und Ungarn verbindet, obwohl ihre Sprachen nicht verwandt sind, dass selbige mit denen ihrer territorialen Nachbarn nichts zu tun haben. Daraus resultiert für beide eine gewisse kulturelle Isolation.

    Dabei charakterisiert die baskische Volksmusik der massive Einsatz einer Vielzahl von Trommeln und Pfeifen.

    Dementsprechend verwendete Eötvös eine gewaltige Perkussionsbatterie, zwei Solotrommler sowie unterschiedlich abgestimmte Piccolos. Für die langsamen, tiefen Töne wurden Posaunen bzw. Tuben und für die schnelleren, sich wiederholenden Töne Fagotte, Hörner, Trompeten eingesetzt.

    Auf eine für die baskische Volksmusik typische rhytmisch-asymetrische Passage folgten eine Kadenz für die Solo-Violine im höchsten Register, ein Rückruf der Piccolo-Klänge und ein abrupter Abschluss, der das Geschehen regelrecht zerfaserte.

    Im Konzert gestaltete Peter Eötvös seine Komposition zu einem kompakten Hörerlebnis.

    Vor dem Memorial für die Columbia-Astronauten erläuterte der Komponist mit einer sehr persönlichen Ansprache die Entstehung der Komposition.

    Die TV-Übertragung des Sterbens von zwei Astronautinnen und fünf Astronauten am 1. Februar 2003, als die Raumfähre Columbia beim Eintritt in die Erdatmosphäre auseinander brach, hatte Peter Eötvös extrem beeindruckt. Besonders ein mit den zahllosen Trümmerteilen scheinbar unversehrt auf die Erde gestürzterAstronautenhelm versinnbildlichte ihm die Tragik des Geschehens und veranlasste ihn, der Erinnerung an die Verunglückten eine musikalische Form zu geben.

    Ein Violinkonzert als musikalischer Dialog zwischen Solistin und Orchester schien ihm besonders geeignet.

    Als Interpretin hatte Eötvös die Japanische Geigerin Akiko Suwanai gewonnen, die bereits 2007 die Uraufführung des Konzertes auf dem Lucerne Festival gespielt hat.

    Die Zahl sieben bestimmte die gesamte Struktur der Komposition. Die 49 Orchestermusiker waren in sieben Gruppen aufgeteilt. Im Saal waren auf den oberen Rängen neben der Solistin weitere sechs Geigen verteilt, so dass die sieben Violinen gleichsam wie Seelen im Raum schwebten.

    Auch die ungewöhnliche Anordnung der Musikergruppen auf dem Podium, zum Beispiel stand der konzentrierten Anordnung der sieben Cellisten die aufgeteilte Platzierung der Kontrabässe gegenüber, sowie das wundervolle Flötensolo von Andreas Kißling führten zu außergewöhnlichen Klangeffekten.

    Jeder der Sieben erhielt eine persönliche Widmungskadenz, die deren Persönlichkeit und deren Herkunfts-Kultur spiegeln sollte.

    Zum Abschluss dirigierte Peter EötvösBela Bartoks „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta Sz. 106“.

    Das Werk besticht trotz der Beschränkung auf Streicher, einige Schlaginstrumente und eine Celesta durch seinen Reichtum an Klangfarben.

    Eötvös dirigierte das viersätzige Werk recht kontrastreich: Das streng gebaute Andante tranquillo und das geheimnisvoll aufgebaute Adagio spannungsvoll und zwingend, während das Allegro und das finale Allegro molto betont rhythmisch, mit tänzerischem Elan und etwas zerfetzt geboten war.

    Für das außergewöhnliche Konzert gab es reichlichen und vor allem langanhaltenden Beifall, bis der Musikerabschied den Dirigenten und das Publikum regelrecht erlöste.

    Leider war das Konzert, obwohl die Ticketpreise mit 10 bis 20 € recht volkstümlich waren, nur spärlich ausverkauft. Obwohl die Orgelempore und die vorderen Ränge überhaupt nicht angeboten worden waren blieben gut zwei Fünftel der zum Verkauf angebotenen Plätze unbesetzt.

  • "Ariadne auf Naxos"- Neuinszenierung von David Hermann

    Nicht wenige Opernfreunde schätzen die Kammeroper „Ariadne auf Naxos“ als das schönste und vor allem das gelungenste Bühnenwerk des Richard Strauss. Wenn dann noch David Hermann eine klare und direkte Inszenierung mit ausgefeilter Personenregie und raffinierten Verbindungslinien zwischen den heterogenen Teilen der Oper beisteuert, dann sind alle Voraussetzungen für einen gelungenen Premieren-Abend gegeben.

    Mit dieser Verbindung aus musikalischer Komödie und „richtiger“ Oper, dem Gemenge aus Kunst und „wahrem Künstler-„ Leben bietet Hermann einen Cocktail aus mehreren Stilformen: Das Vorspiel als konkrete witzige dramatische Komödie mit scharfen Pointen. Dabei hatte David Hermann eine Anleihe bei Michael Frayn aufgenommen:

    An der Wand eines kahlen Ganges sind drei Türen angeordnet, die sich ständig öffnen und schließen. Und jedes Mal, wenn sich eine der Türen öffnet, passiert auch etwas, gibt es eine Überraschung.

    Gleichsam im Stil des „nackten Wahnsinns“ wird mit derber Komik die Tragik des Geschehens vorangetrieben.

    In der Oper trifft dann die etwas oberflächliche Welt der Zerbinetta auf die leidenschaftliche spritzig-schwitzende griechische Tragödie der Ariadne.

    Todesangst und Todessehnsucht stehen gegenüber und versuchen mit einem opulenten, der Tragik der Situation eigentlich wiedersprechenden musikalischen Rokoko-Gemälde eine Annäherung.

    Das Bühnenbild von Paul Zoller und die Kostüme von Michaela Barth stützen das Konzept der komplexen Umsetzung des Librettos des Hugo von Hofmannsthalin die Musik von Richard Strauss.

    Unterhaltsam und überraschend, wie die recht kleine Besetzung der Staatskapellen-Musiker unter Leitung Christian Thielemanns die Orchesterklänge opulent verströmen ließ, pointiert und schlank, aber immer Sänger-freundlich. Die Musiker folgten dem Dirigenten vom ersten Ton der Ouvertüre hingebungsvoll mit dem durchsichtigen und geschmeidigem Dresdner Klang.

    Dabei nahm sich der Musikalische Leiter ausreichend Zeit, um jede Nuance der Komposition auszukosten, jede Silbe, jede Kleinigkeit des Textes verwandelte sich in Klänge und gab damit der exquisiten Sängerbesetzung ein stabiles Gerüst.

    Als Primadonna brillierte mit makellosem Deutsch die Bulgarische Sopranistin Krassimira Stoyanova. Eine der prachtvollsten Sopranstimmen unserer Zeit gab der Titelrolle ein vokales und darstellerisch kräftiges Profil. Die grandiose Kombination von Klangkultur und Gestaltungsvermögen machte den Premierenabend zu einem unvergesslichen Abend.

    Gegenüber diesem Schwergewicht konnte der Bacchus von Stephen Gould mit seinem heldisch inzwischen etwas schwerer gewordenen Tenor mühelos insbesondere in den lyrischen Passagen bestehen und sich dem belkantesken Anspruch der Sopranistin anpassen.

    Dass Daniela Fally mit ihrem immensen Bühnentemperament und ihrer tollen Koloraturstimme eine außergewöhnliche Zerbinetta bieten kann, ist spätestens seit der Wiener Bechtolf-Inszenierung bekannt. Ohne diese ihre hervorragenden Möglichkeiten zu vernachlässigen, wurde ihr Temperament von der Regie stilisiert und schlüssig zur Entwicklung ihrer Nachdenklichkeit geführt.

    Der idealistische Komponist war von der klangprächtigen Mezzosopranistin Daniela Sindram, abseits von oft kabarettistischen Ausdeutungen, als sympathische und leidenschaftliche Person geboten.

    Eine Überraschung war, dass der Haushofmeister am Premierenabend vom Intendanten des Skala Alexander Pereira übernommen worden war.

    Das Trio , das die Trauer der Ariadne und die Ankunft des Gottes auf Naxos kommentiert, war mit den Sopranistinnen Evelin Novak (Najade), Tuuli Takala (Echo) und der Altistin Simone Schröder (Dryade) stimmlich sowie darstellerisch sehr ordentlich aufeinander abgestimmt , so dass ihre Passagen eindringlich, gefühlvoll vom Orchester unterstützt, gestaltet worden waren.

    Albert Dohmen gefiel vor allem mit seiner Bühnenpräsenz als Musiklehrer.

    Mit schönen Höhen gefiel der Harlekin des Österreicher Bariton Rafael Fingerlos. Nach mehrfachen Gastauftritten an der Wiener Staatsoper bestritt der mexikanische Tenor Carlos Osuna mit der Partie des Scaramuccio sein Hausdebüt an der Semperoper. Der Bassist Torben Jürgens, ansonsten seit Saisonbeginn als Don Fernando im Fidelio eingesetzt, hatte die Partie des Truffaldin übernommen.

    In den weiteren Rollen demonstrierten Sänger aus dem Ensemble und dem Jungen Ensemble der Semperoper die Leistungsfähigkeit der Haussänger: Der amerikanischeTenor Aaron Pegram, seit 2009 im Haus und in der bisherigen Inszenierung als Brighella, nunmehr als Tanzmeister eingesetzt;der Tenor Joseph Dennis als neuer Brighella; der tschechische Bariton Jiři Rajniš (seit 2017 im Jungen Ensemble) als Perückenmacher; der koreanische Tenor Beomjin Kim (seit 2018 im Jungen Ensemble)als Offizier und der Bariton Bernhard Hansky (2017/18 im Ensemble) als Lakai.

    Die Regie wäre unvollkommen, wenn sie das Publikum mit dem Klangrausch entlassen würde: Bereits vor dem Beginn der Vorstellung waren hinter dem ersten Rang die Besucher von einer hochmütigenTischgesellschaft inclusive Tafelmusik empfangen worden. Und diese „Mäzen- Gesellschaft“ zerstörte mit ihrem Huschen über die Bühne in den letzten Takten der Musik, führte zur Selbstreflexion der Schöpfer der Oper zurück und zwingt damit zu einem nachdenklichen Schluss.

    Eine gelungene, schlüssige Regiearbeit von David Hermann und eine durchweg gelungene Aufführung mit Gesang und Orchestermusik auf höchstem Niveau. Der frenetische langanhaltende Beifall bestätigte die Besonderheit des Abends.

  • Als Wiederaufnahme einer Übernahme: Arabella mit der wunderbaren Camilla Nylund

    Als Wiederaufnahme einer Übernahme von den Osterfestspielen bot am 7. Dezember 2018 die Semperoper eine recht ordentliche Arabella-Aufführung.

    Im November 2014, als die Gesellschaft der Freunde der Staatskapelle noch eine übersichtliche Gruppe war, hatte der Technik-Direktor der Semperoper zu einer Besichtigung seines Tätigkeitsbereiches eingeladen. Während des Rundganges wurde gerade aus einem Transporter die zurückgeführten Bühnenaufbauten der Arabella entladen und Jan Seeger erklärte mit einem gewissen Stolz, welche Segmente des von Martina Sagna für die Felsenreitschule erdachten und in den Staatschauspiel –Werkstätten gebauten gewaltigen „Verschiebebahnhof“ für die hiesige Übernahme der Inszenierung auf der deutlich kleineren Bühne des Hauses in Wegfall kommen werden.

    Bei den Osterfestspielen galt es vor allem wegen der Bühnengröße die Klangbilder zusammen zufassen, was in Dresden eigentlich nicht von Nöten ist.

    Nun wurden die Bühnenaufbauten nach 2015 für drei weitere Aufführungen aus der Einlagerung geholt.

    Die Inszenierung der Florentine Klepper hatte 2014 etwas irritiert, da sie die Handlung um etwa 50 Jahre nach vorn verlegte. Das ermöglichte ihr aber, das Stück als Plädoyer für die erotische Selbstbestimmung der Frau,als Plädoyer für das Recht auf kompromisslose Liebe ohne Wenn und Aber einschließlich auch der Pflicht zum Verzeihen zu gestalten. So wurde aus der Hofmannthalschen Komödie im Grunde ein emanzipatorisches Frauenstück.

    Die Titelrolle gestaltete Camilla Nylund mit ihrem feinen doch sehr kräftigen Sopran und überzeugender Darstellung. Mit einem von Innen kommenden Selbstbewusstsein erreicht sie, nur den für sie „Richtigen“ heiraten zu können. Mit ihrem noblen Sopran und ihrer Bühnenpräsenz setzte sie immer wieder richtige Akzente im Geschehen.

    Mit einem blitzsauberen silbernen Sopran gestaltete die in Kirgistan geborene Katharina Konradi die doch etwas tragische Rolle der verkleideten Zdenka. Mit einer natürlichen, sympathischen Darstellung wirkte sie immer glaubhaft. Rührend die Dringlichkeit, mit der sie um die scheinbar vergeblicheLiebe zum Matteo ringt.

    DerMandryka von Bo Skovhus wirkt gesanglich und darstellerisch mitunter etwas zaghaft, als ob er die Unsicherheit des Provinzlers in der Kaiserstadt Wien zum Ausdruck bringen wollte.

    Der Offizier Matteo wird von Thomas Blondelle mit einem gewissen, aber zur Rolle passendem Überengagement gesungen.

    Die Eltern Kurt Rydl als Graf Waldner und Christa Mayer als besorgte Mutter Adelaide bildeten das dritte Paar auf der Bühne. Christa Mayer war in jeder Hinsicht gesanglich und darstellerisch die Dame von Adel, die mit mütterlicher Sorge und Kontenance immer besorgt auf Etikette und Ansehen bedacht alles im Gleichgewicht zu halten.

    Eine komödiantische Leistung der besonderen Art bot Kurt Rydl mit seiner köstlichen Charakterstudie voller Witz und Ironie, wie er immer wieder das frisch erhaltene Geld zählt, aber umgehend wieder verspielt.

    Olga Pudova gilt als eine der aufregendsten Koloratursopranistinnen unserer Zeit. Ansonsten als Königin der Nacht im Hause tätig, gab sie mit der Fiakermilli ihr gelungenes Rollendebüt. Uns beglückte sie mit einer prachtvollen sängerischen und darstellerischen Leistung.

    Aber auch die Rollen der weiteren Bewerber um die Hand der Arabella fügten sich mit Martin-Jan Nijhof als Graf Dominik, Patrik Vogel als Graf Elmer und Alexandros Stavrakakis (seit 2018 im Ensemble)als Graf Lamoral in die Qualität der Aufführung mit ordentlichem Gesang ein.

    Sabine Brohm war eine präsente Kartenlegerin.

    Recht dezent rundete der massive Chor den optischen Eindruck der Aufführung ab.

    Naturgemäß waren die Erwartungen hoch, wie Asher Fisch die Musikalische Leitung bewältigen wird, haben doch viele noch die Aufführungen von 2014 und 2015 im Ohr.

    Andererseits hat Asher Fisch, seit er 2010 nach der überstürzten Flucht Fabio Luisis das Dirigat des Siegfried übernommen und bravurös bewältigt hatte, bei den Dresdenern einen Stein im Brett. Seit dem dirigierte er mehrfach das Wagner-Repertoire, Rigoletto und Maskenball im Hause; er und die Musiker kennen sich damit bestens.

    Damit war es ihm möglich, seine Intensionen bei seinem ersten Strauss-Einsatz im Hause mit dem ihm auch folgendem Orchester ordentlich umzusetzen.

    Leider kam aber die in Dresden häufig erlebte Harmonie zwischen Graben und Bühne insbesondere im ersten Aufzug zu kurz. Oft wurde regelrecht nebeneinander musiziert und es blieb der Wunsch, dass bei leiserem Gesang das Orchester hätte zurück genommen werden sollen.

    Die Ovationen waren herzlich und heftig, aber erstaunlich kurz.

  • Guten Abend,

    ich war auch in der ARABELLA in der Semperoper und zwar in der Vorstellung am 7.12., die thomathi beschrieben hat, sowie gestern (13.12.) nochmals. Camilla Nylund in der Titelrolle war in großartiger stimmlicher Form, das kann ich nur bestätigen und unterstreichen, die mir bis dato unbekannte Katharina Konradi (Einspringerin für Genia Kühmeier) als Zdenka ebenso (passte nebenbei auch optisch perfekt). Beide Damen bescherten mir phasenweise endlich einmal wieder einen halluzinatorischen siebten Opernhimmel :fee: , nicht nur im Aber-der-Richtige-Duett (da natürlich besonders): zwei bergkristallklare, fast instrumental geführte Stimmen mit brillanten Höhen und, wenn nötig, kultivierter(!) Durchschlagskraft. <3 :verbeugung1: :clap: Als hätte der olle Strauss die beiden gekannt und ihnen die Rollen in die Kehlen geschrieben. Wenn es jetzt noch einen Mandryka auf dem Niveau gegeben hätte, wäre es schön gewesen: Bo Skovhus gelangen schöne Passagen, die leider seinem wiederholten Untergang gegen das Orchester entgegenstanden. Die Personenregie dieser Inszenierung, die mich weder stört noch begeistert, ist bereits ziemlich hinüber. Die Oper war zu beiden Terminen schlecht besucht und der Applaus wirklich ungerechtfertigt erschreckend kurz. Fast zum Schämen. :neenee1: :heul1:

    :wink: Amaryllis

    PS: thomathi: Kann ich Deinen (und meinen) Beitrag evtl. ins Operntelegramm 2018/19 verschieben?

  • (Einspringerin für Genia Kühmeier)

    Wann hat Genia Kühmeier eigentlich das letzte Mal tatsächlich gesungen?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Wann hat Genia Kühmeier eigentlich das letzte Mal tatsächlich gesungen?

    Habe gerade im Web gesucht und entsprechende Konzertkritiken vom April bzw. Mai 2018 gefunden. Wann sie das letzte Mal Oper gesungen hat, keine Ahnung... Ich selber habe sie bisher nur ein einziges Mal live gehört, im Oktober 2015 als Zdenka in o.g. Arabella-Inszenierung in Dresden.

  • Zwei junge Musiker vertreten erfolgreich die Chung-Legende

    Eigentlich waren wir für das 4. Symphoniekonzert der Saison 2018/19 der Staatskapelle auf die legendäre Interpretation der Geschwister Chung des D-Dur-Violinkonzerts von Johannes Brahms eingestimmt.

    Das D-Dur-Violinkonzert von Johannes Brahms spieltdie 1948 geborene Chung Kyung Wha inzwischen seit über 50 Jahren. Sie erklärt, dass es jedes Mal, wenn sie es anpacke ihr frischer, aufregender und erstaunlicher erscheint.

    Ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Chung Myung-whun ist als Erster Gastdirigent der Staatskapelle in Dresden bestens eingeführt.

    Leider musste das koreanische Geschwisterpaar aus gesundheitlichen Gründen ihre Mitwirkung absagen, so dass an ihrer Stelle hoffnungsvolle junge Interpreten und mit einem geänderten Programm gewonnen wurden.

    Der 1986 in Oslo geborenen Geigerin Vilde Frang hatte man mit dem Beethoven-Violinkonzert gewaltige Fußtapfen zur Beschreitung vorgegeben. Gehört das Konzert doch zu jenen Werken, die wir in sechzig Jahren Konzerthörens am häufigsten und von den hervorragendsten Interpreten dargeboten, erlebt hatten.

    An erster Stelle natürlich das Menuhin-Konzert am 10. September 1981 mit dem Gewandhausorchester Leipzig und Kurt Masur. Das Konzert war dem 50. Jahrestag gewidmet, als der 15-jährige Yehudi Menuhin gemeinsam mit Bruno Walter sich im später zerbombten Gewandhaus mit eben diesem Konzert vorgestellt hatte.

    Aber auch David und Igor Oistrach, Gidon Kremer, Leonidas Kavakos und viele Große und weniger Große der Zunft haben uns mit dem D-Dur Konzert für Violine und Orchester heftiger oder gedämpfter beeindruckt.

    Aber die Norwegerin nahm die Herausforderung an und erfreute mit einer beachtlichen Leistung.

    Mit schlanken, differenzierten Klängen nutzte sie den Einklang von Akustik des Semperoper-Raums und der Resonanz ihres Instruments, einer Geige von1866 aus der Werkstatt von Jean Baptiste Vuillaume. Gleichsam intim, ohne Heldentum und Massivität verließsie sich auf ihr musikalisches Gespür.

    Da war schon eine ordentliche Erfahrung zu spüren, wie man eine Klangentfaltung meistert, wie der Raum die leisen Töne und wie sich der Nuancenreichtum im Beethovenschen Pianissimo bis an die Grenze zur Unhörbarkeit auch zur Geltung bringen lässt.

    Das war nicht jedermanns Geschmack, ragte aber auf jeden Fall, nicht zuletzt dank des der Virtuosität der Geigerin, aus der Fülle der üblichen Beethoven-Interpretationen.

    Das Orchester mit der Leitung des 1983 in Freiburg (Breisgau) in einer aus dem Iran stammenden Familie geborenen David Afkham umhüllte einfühlsam das zum Teil extrem zurück gehaltene Spiel der Solistin , stützte es aber, wo es angebracht war. Dabei gefielen vor allem die hervorragenden Holzbläser der Staatskapelle mit dem herausragenden Solo-Fagottisten Thomas Eberhardt.

    Als Zugabe spielte Vilde Frang das „Lied der Deutschen“ aus den Kaiserhymnen von Joseph Haydn.

    Für den zweiten Teil des Konzertes hatte sich David Afkham Antonin Dvořáks D-Moll-Symphonie Nr. 7 ausgewählt.

    Diese „böhmischste“ seine Symphonien verinnerlicht das Verlangen Antonin Dvořáks nach einem Nationalstaat. Folglich hatte der Komponist bevorzugt Volksmusik seiner Heimat als Ausdruck eines musikalischen Patriotismus verarbeitet. Entsprechend den Empfindungen seines Volkes lässt der Komponist tänzerische Rhythmen mit elegischen Stimmungen doch recht rasch wechseln.

    David Afkham nutzt seine präzise Orchesterführung und deutliche Ansprache an das Orchester, um die Dynamik und die Modulationen aus der Partitur publikumswirksam auch umzusetzen. Allerdings einige Schattierungen und Phrasen hätte man sich ausgeprägter gewünscht.

    Besonders im poco Adagio hätten die Übergänge Voraussetzungen für eine individuelle Gestaltung gegeben. Das Scherzo und das Finale wurden mit einer nahezu ausgewogenen Orchesterführung bewältigt. Lediglich dominierten im Finale die Streicher und überdeckten streckenweise die Wirkung der Holzbläser.

    Ich bin mir bewusst, dass diese Bemängelungen ein Meckern auf einem hohen Niveau ist und dass David Afkham ein hochbegabter Orchesterführer mit deutlicher Schlagtechnik ist, der auch präzise mit dem Orchester arbeitete.

    Aber in dieser Konzertreihe der Sächsischen Staatskapelle sind wir nun einmal Orchesterleiter vom Format eines Christian Thielemann, eines Herbert Blomstedt, eines Christoph Eschenbach, eines Danielle Gatti und eben eines Myung –Whun Chung gewohnt.

    Alle drei Konzerte waren, nicht zuletzt dank des verwöhnten DresdnerAbonnenten-Publikums ausverkauft und es wurde auch heftig applaudiert.

  • Das Silvesterkonzert 2018 der Staatskapelle- Bericht von einer der Aufzeichnungen

    Weil der Chefdirigent im fernen Wien sich mit den dortigen Philharmonikern an der leichten Muse versucht, holte sich die Staatskapelle Dresden für ihr ZDF-Silvesterkonzert 2018 mit dem musikalischen Leiter Franz Welser-Möst einen profunden Kenner der klassischen Wiener Operette.

    Was wäre ein Silvesterkonzert ohne die Highlights der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Welser-Möst hatte in seiner vergangenen Tätigkeit mehrfach Gelegenheit, sich mit den unterschiedlichsten Interpretationen dieses Paradestück der Wiener Operetten zu beschäftigen, so auch 2008 in Zürich mit Michael Stürmingers „Dracula-Inszenierung“.

    Aber im Silvesterkonzert wurden tiefgründige Zeitbezüge oder Gesellschaftskritiken nicht gefragt.

    Die Ursprünge der „Fledermaus“ sind übrigens in Sachsen zu suchen. Der Leipziger Schriftsteller Roderich Benedix hatte die Idee für eine Posse ausgearbeitet und 1851 in Berlin unter dem Titel „Das Gefängnis“ zur Aufführung gebracht. Henry Meilhac und Ludovic Halèvy übernahmen 1872 diesen Stoff in ihre Komödie „Le Réveillon“ für Aufführungen in Paris. Der in Königsberg gebürtige Carl Haffner erhielt den Auftrag, das in Paris so erfolgreiche Stück für das „Theater an der Wien“ dem örtlichen Geschmack anzupassen. Ein Erfolg stellte sich allerdings erst ein, als der aus Danzig stammende Komponist und Librettist Richard Genée das Stück mit Melodieskizzen des Johann Strauß kombinierte und kreativ ergänzte. So stammt auch die Melodie des Chorwalzers „Brüderlein und Schwesterlein“ von Genée.

    Eine halbszenische Aufführung auf einer Konzertbühne ist immer etwas heikel, weil nur wenig Platz zur Verfügung steht. Wenn dann noch Kameratechnik in das Geschehen eingreift, so ist das zumindest der Freude der Konzertbesucher abträglich.

    Am Silvestervorabend sollten ausschließlich die Melodien des Johann Strauß für Stimmung und Unterhaltung sorgen, so dass man auf die Dialoge verzichtete. Deshalb erklärte das Moderatoren-Paar Christine Schütze und Sky de Mont, was man so wissen sollte.

    Bereits mit der Ouvertüre wird offenbar, dass hier ein glänzend aufgelegtes Orchester auf einen Dirigenten, der Wiener Schmäh und tänzerischen Esprit der Partitur beherrscht, getroffen war. So forsch und zugleich leicht hat man die Ouvertüre selten gehört.

    Welser-Möst beschränkt sich dann auch nicht auf ein leichtfüßiges Tänzeln durch die Partitur. Konsequent und mit einer gewissen Strenge treibt er die Musiker durch die eben nicht nur walzerselige Musik und strafft auch die Übergänge, so dass das Stückwerk des Programms, letztlich trotz des häufigen Zwischenbeifalls, elegant und geschlossen wirkt.

    Die Sänger-Besetzung an diesem Abend war absoluter Luxus.

    Besonders gespannt war das Auditorium, wie Jonas Kaufmann sein Rollendebüt als Gabriel von Eisenstein bewältigen wird.

    Seine Anhängerinnen und Anhänger werden mit seinem souveränen und weltmännischen Auftreten schon ordentlich zufrieden sein. Stimmlich hatte sein Tenor allerdings nur wenig Operettenschmelz zu bieten. Für meinen Geschmack wäre er als Alfred möglicherweise besser eingesetzt gewesen.

    Mit Rachel Willis Sørensen, von 2012 bis 2015 Semperoper- Ensemblemitglied,hatte er eine erfahrene Partnerin zur Seite, die derzeit an der Deutschen Oper die Rosalinde im Repertoire singt. Die Rosalinde der Amerikanerin ist einfach großartig: ihre Stimme hat eine strahlende glockenklare Höhe verfügt aber auch über die notwendige Tiefe im Csárdás „Klänge der Heimat“, zeigt dabei auch Freude an der Komödiantik des Geschehens.

    Andreas Schager war ein charmant-überdrehter Alfred, der seinen Tenor mit den erforderlichen Übertreibungen komödiantisch zur Geltung bringen konnte. Seine Erfahrungen der Operettenzeit waren unverkennbar. Warum er seine schöne Introduktion gar so entfernt, kaum hörbar singen musste, blieb allerdings unklar.

    Die mit großen Vorschusslorbeeren bedachte Haus-Koloratursopranistin Tuuli Takala hatte krankheitshalber absagen müssen.

    Dafür war extrem kurzfristig Nicola Hillebrand vom Nationaltheater Mannheim, die dort im Repertoire als Adele eingesetzt ist, gewonnen worden. Locker und sicher spielte und sang sie sich mit einem schön timbrierten Koloratursopran durch den Abend.

    Der Prinz Orlofsky von Elisabeth Kuhlmann ist inzwischen bereits mit dem Couplet „Ich lade gern mir Gäste ein“ zur Legende geworden. Warum sie aber dieses Paradestück so extrem aufreizend vorgetragen hatte, war der Wirkung ihrer sonstigen Leistung abträglich.

    Den Gefängnisdirektor Frank bietet der Wiener Bariton Michael Kraus mit dem Charisma eines Lebemanns, wobei er jedes getrunkene Glas Champagner nutzt, um über die recht enge Bühne zu poltern.

    Angenehm überraschte auch der Doktor Falke des Haus-Bariton Sebastian Wartig mit seinem Einstieg zum Chorwalzer „Brüderlein und Schwesterlein…“.

    Als Ida und Dr. Blind fügten sich die Mitglieder des Jungen Ensembles der Semperoper Tahnee Niboro und Beomjin Kim recht ordentlich in die Sängergruppe ein.

    Die schwierigste Aufgabe hatte unter den Bedingungen der Fernsehaufzeichnung in der halbszenischen Aufführung Franz Welser-Möst zu bewältigen, obwohl ihm das präzis auf kleinste Ansagen reagierende Orchester seinen Part erleichterte.

    Der von Cornelius Volke bestens vorbereitete Chor agierte als Orlofskys Festgesellschaft auf einem Podest hinter dem Orchester, so dass die Solisten im Regelfall hinter den Musikers auftraten und sich durch eine Gasse zur Rampe nach vorn bewegen mussten. Damit gerieten sie aus dem Blickbereich des Dirigenten.

    Da alle Beteiligten ausgewiesene Profis sind, waren allerdings merkbaren Verständigungsprobleme zwischen Gesang und Orchesterbegleitung nicht erkennbar und das Zusammenwirken perfekt.

    Bei allen begeisterten Ovationen erreichte der geniale Schwung der Musik das Publikum nur begrenzt, letztlich fehlte im Saal die eigentlich erforderliche lockere Stimmung.

    Sendetermin eines Zusammenschnitts von drei Aufzeichnungen ist der 30. Dezember 2018 22 Uhr 10 im ZDF.

  • Zur TV-Ausstrahlung

    Wir waren doch recht angenehm überrascht, was die ZDF-Tontechniker aus den drei Aufzeichnungen gemacht hatten.
    Die zum Teil ungünstige Sänger-Verteilung auf der Bühne, welche dem Besucher , je nach Platzwahl, eine recht differenzierte Klangentfaltung beschert hatte, war einem ordentlichen Klangteppich gewichen. Auch sollte man sich die Besuche derartiger Konzerte überhaupt überlegen, denn die bewegte Kameratechnik nervte doch ordentlich.
    Vor allem die beiden Herren, die mit eingeknickten Knien dicht am Podestrand hin und hehr wanderten, dass man fürchten musste, sie könnten abstürzen.
    Offenbar hatte der ZDF-Produktionsleiter die Besucher etwas eingestimmt, denn der Zwischenbeifall war jeweils recht kurz und brach aprupt ab, so dass Franz Welser-Möst recht elegante Übergänge hinbrachte.
    Auch war die Stimmung im Bereich des Finales deutlich gelöster und die Ovationen heftiger.

  • Porträtkonzert und 5. Symphoniekonzert zum 75. Geburtstag von Peter Eötvös

    Wie werden zwei verschlungene Kaffeetassen Teil einer Komposition? Ist es ein Fehler, wenn der Schlagzeuger die Drumsticks während des Stückes fallen lässt? Welchen Klang kann das letzte Röcheln des sterbenden Martin Luther King schön klingen lassen?

    Da helfen nur Blicke in die Werkstatt eines der kreativsten Komponisten unserer Zeit!

    Es ist inzwischen zur Gewohnheit geworden, dass das Schaffen des amtierenden Capell-Compositeurs der laufenden Konzertsaison in einem Portrait-Konzert interessierten Musikern des Orchesters und Freunden der Staatskapelle nahe gebracht wird. Das waren bisher stets interessante und zeitlich ausgedehnte Abende. Auch das Portraitkonzert mit Peter Eötvös im Festspielhaus Hellerau dauerte am 11. Januar 2019 von 19 Uhr bis 23 Uhr 30.

    Für Peter Eötvös, der am 2. Januar 1944 im damals zu Ungarn gehörigem und jetzt rumänischen Odorheiu Secuiesc geboren worden ist, wurde das Konzert zur Feier seines 75. Geburtstags.

    Er gehört als Komponist, Dirigent und Lehrer zu den bedeutenden den Musikern unserer Zeit.

    Seine Musik ist vom Einfluss verschiedener Komponisten geprägt und häufig von äußeren Einflüssen inspiriert. Dabei bedient er sich erweiterter Techniken, um Klangfarben und Klangwelten zu erschließen.

    Mit der Uraufführung seiner Huldigung „Per Luciano Berio“, seinem “The Gliding oft he Eagle in The Skies“ sowie seinem Memorial für die verunfallten Astronauten „Seven“ hatte er in Dresden bereits, unter anderem als Dirigent, Teile seines kompositorischen Schaffens beeindruckend vorgestellt.

    Ein Kammerorchester, Solisten der Sächsischen Staatskapelle und einige Gäste hatten zehn weitere Proben aus der Komponier-Werkstatt des Peter Eötvös herausgesucht und zum Teil mit den Quellen seiner Inspirationen verbunden. Diese reichten von Samuel Beckett, Domenico Scarlatti, Claude Debussy, Igor Strawinsky bis zu Juri Gagarin. Selbst Beobachtungen in seinem Garten hatte Peter Eötvös zu interessanten musikalischen Einfällen genutzt.

    Das „Levitation“ für Streichorchester handelt von vier Formen eines im übertragenen Sinne schwebenden Stoffwechsels, gleichsam eine Interpretation eines surrealistischen Bildes. Die Soloklarinettisten Robert Oberaigner und JanSeifert sorgten mit warmen, dynamisch flexiblem Ton, dass das Phänomen Menschen oder Gegenstände auf unerklärbare Weise zum Schweben zu bringen plastisch hörbar wurde, bevor ein Akkordeonspieler die Erdung der Zuhörer wieder herstellt.

    Den Abschluss des Abends bildete dann ein, ursprünglich von Gagarins Flug angeregtes Stück für zwei Klaviere. Die beiden Flügel waren bis an die Randgebiete der Spielfläche in etwa 25 Meter Abstand platziert worden. Auf Wunsch konnten wir uns ziemlich exakt zwischen beide Instrumente setzen, so dass das das Spiel der Emi Suzuki das rechte Ohr und der Klang von Petr Popelka das linke Ohr dominierten.

    Damit kamen die Themenvorgaben des einen Klaviers bevorzugt am rechten Ohr an, während die Aufnahme und Ausarbeitung der Themen des zweiten Instruments vom linken Ohr aufgenommen worden sind. Die Zusammenführung der beiden Impulse im Hörzentrum des Gehirns der privilegierten Hörer hatte eine phantastische Hörerfahrungzur Folge.


    Petr Popelka, eigentlich Kontrabassist der Staatskapelle und Emi Suzuki fühlten sich in diesem voller Überraschungen steckenden Kosmos pudelwohl und beendeten den langen Abend mit abrupten Schlägen, langen Triller-Ketten und heftig auseinanderspringenden Akkorden.

    Im Talk äußerte sich Peter Eötvös recht begeistert, dass er an einem Abend eine derartige Vielfalt seiner Arbeiten in einer so hohen Qualität erleben durfte.

    Haben wir erst kurz vor der Mitternacht das Festspielhaus Hellerau verlassen, so trafen wir uns bereits am folgenden Tag um 10 Uhr in der Generalprobe des um 19 Uhr in der Semperoper beginnenden 5. Symphoniekonzerts der Saison.

    Lionel Bringuier, leitete bei seinem Orchesterdebüt die SächsischeStaatskapelle, wieder in Anwesenheit des Komponisten zunächst die Aufführung von Peter Eötvös „zeroPoints“ für Orchester.

    Wie so typisch für den Komponisten, hatte er sich diesmal von Pierre Boulez Komposition „Domaines“ anregen lassen.Boulez zählte dabei die Takte als 1; 2; 3; etc.

    Eötvös wollte dieser ganzzahligen Welt etwas entgegensetzen und teilt deshalb seine Komposition in die neun Abschnitte 0.1; 0.2;.....0.9, die er allerdings ohne Übergang zusammenfasst.

    Die Abschnitte sind auch nicht gesondert charakterisiert, so dass über 17 Minuten unterschiedliche musikalische Ausdrucksarten auf den Hörer einstürzen.

    Das erfordert natürlich vom Hörer, dass er sich auf diese Musik einlässt und seiner Einbildungskraft freien Lauf lässt.

    Am Beginn scheint man Vogelgezwitscher zu hören, das sich zu einer Menagerie steigert. Danach folgen feierlich anwachsende und wieder verklingende dunkle Bläserstimmen gefolgt von einer resoluten Auseinandersetzung unterschiedlicher Instrumentengruppen untermalt von gleitenden Paukenschlägen. Dem folgt eine Phase der Beruhigung, in der Perkussionsinstrumente dominieren. Ein erneutes Aufflackern des Motivaustauschs, der zu einer choral-artigen Phase führt. Eine abrupte Beruhigung mit Pianissimo untermalten Holzbläser-Melodien, gefolgt von sehnsuchtsvollen Rufen hoher Klänge, die eine Mondlichtstimmung über einer Wasserfläche assoziieren könnte. Aufgenommen von wellenförmigen Blechklängen leiten wieder Celesta und Perkussions-Klänge zur Schlusssteigerung von Klavier, Harfe und Schlagzeug, die mit gedämpftem Metallophon abschließt.

    Lionel Bringuier dirigierte das Werk akzentuiert und die Musiker des Orchesters folgten ihm ernsthaft, sehr diszipliniert und konzentriert.

    Erwartungsgemäß hatte sich das recht konservative Publikum nur zum Teil auf die Klangfolge eingelassen, so dass es nur freundlichen Beifall gab.

    Abgeschlossen wurde die „Geburtstagsfeier für Peter Eötvös“ mit dem Konzert für Orchester Sz. 116 des Eötvös-Landsmanns Béla Bartók.

    Eötvös hatte Bartók als seinen Maßstab charakterisiert. Nicht nur als Künstler, sondern auch in seiner moralischen Haltung als Weltbürger, vergleichbar mit einem Weltbaum, dessen Wurzeln in der Transsilvanischen Heimatstehen, dessen Äste aber die ganze Erde überdecken.

    Das Konzert, 1943 von Béla Bartók mit 62 Jahren nach seiner USA-Emigration geschrieben, gehört zu seinen bekanntesten und zugänglichsten Werken.

    Lionel Bringuier bot eine spannungsgeladene Interpretation, voller Emotionen und Detailreichtum. Die Staatskapelle spielte alle Ecken und Kanten der Partitur, lässt nichts unbelichtet, kein Schlagzeugeffekt geht unter.

    Zwischen diesen beiden Stücken spielte Yuja Wang mit dem Orchester das im sächsischen Raum häufig und dabei unterschiedlich ausgelegte a-Moll-Klavierkonzert von Robert Schumann.

    Die Pianistin beeindruckt mit ihrer Technik, ihrer instinktsicheren Virtuosität, ihrer starken Interpretation und ihrem erfrischend unkonventionellen Auftreten bei einer etwas kühl-akzentuierten Darbietung. Dank ihres Vermögens, sich komplett auf die Musik einzulassen, haben die glamourösen Äußerlichkeiten letztlich keine Bewandtnis.

    Mit diesem in Dresden uraufgeführtem Werk beginnt die Sächsische Staatskapelle Dresden gleichsam die Erinnerungen an den 200. Geburtstag derErstaufführenden Clara Schumann.

  • Für Peter Eötvös, der am 2. Januar 1944 im damals zu Ungarn gehörigen und jetzt rumänischen Odorheiu Secuiesc geboren worden ist

    Es war der zweite Wiener Schiedspruch vom 30.08.1940, der Rumänien dazu zwang, 43.492 km² von Transylvanien an Ungarn abzutreten. Dieser Schiedspruch wurde von den Alliierten vom Anfang an für null und nichtig erklärt und nach dem zweiten Weltkrieg annuliert.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Christian Thielemann dirigiert dia Holländer-Inszenierung der Florentine Klepper

    Als Florentine Klepper im Juni 2013 ihre Inszenierung des " fliegenden Holländers" anlässlich des 200. Geburtstags Richard Wagner am Ort der Uraufführung vorstellte, wurde ihre Arbeit von der Kritik und der Mehrheit der Besucher regelrecht zerrissen.

    Fast sechs Jahre nach der Konzeption dieser Inszenierung haben wir spätestens nach dem Castorf-Ring fast akzeptiert, dass auch die Arbeiten des Meisters zerteilt werden dürfen und entlang seiner Partituren beliebig wieder komplettiert werden können.

    Der Texter, selbst wenn es der Meister selbst war, steht dann wie ein Depp daneben, wenn es der Regie nur gelingt, ein gesellschaftliches Anliegen der unsterblichen Musik unterzuschieben.

    Und so sehen wir 2019 der Arbeit der Florentine Klepper doch deutlich aufgeschlossener, zumal ihr Anliegen in der Gesellschaft noch immer relevant ist.

    Dabei löst sich die Regie von der märchenhaften Geschichte des verdammten Seefahrers, seiner an die Treue einer Frau gebundenen Erlösung und konzentriert sich auf die Psyche der Senta, ihrer Entwicklung von einer traumatisierten zu einer emanzipierten Frau.

    Dieses Anliegen erfordert folglich einen völlig abweichenden Handlungsfaden:

    Zur Beerdigung ihres Vaters nach Hause gerufen, durchlebt eine traumatisierte Senta noch einmal die Gründe ihrer Flucht aus dem Elternhaus: Den offensichtlichen Missbrauch als Kind, die bigotten Zwänge des scheinbar wohlbehüteten Lebens als Tochter eines wohlhabenden Schiffseigners und der Zukunft in einer fragilen Ehe mit möglichst vielen Kindern und einem versoffenen Ehemann.

    Senta schafft sich mit der Vision des Holländer ihren Ausweg aus der traumatischen Situation, der Enge des Daseins.Ihre Sehnsucht gilt dem Verfluchten,den sie mit ihrer Befreiung auch von seinem Fluch befreien möchte.

    Im Finale darf der Besucher dann erkennen, dass Senta sich nicht geopfert, sondern die Holländer-Fiktion genutzt hat, ihre traumatische Situation zu bewältigen und selbstbewusst die Szene abschließt.

    Die kindliche Senta springt befreit von der Bühne.

    Diese Konfrontation mit dem scheinbar Überwundenen und das Phantasiegebilde des rastlosen Seemanns hat Florentine Klepper in bewegende Bilder umgesetzt. Über weite Strecken handwerklich gut gemacht, wird es aber dem arglosen Opernfreund nicht leicht gemacht, die verworrenen Handlungsfäden auch zu verfolgen.

    Die zum Kreißsaal umfunktionierte Spinnstube symbolisiert die Reduktion der Rolle der Frau auf die Nachzucht doch recht unglücklich. Aber was soll eine hilflose Regie machen. Die Partitur Wagners beinhaltet nun mal das fröhliche „Summ und brumm, du gutes Rädchen“ und muss irgendwie in den Handlungsfaden eingepresst werden.

    Auch den Matrosenchor von einer reichlich alkoholisierten Totenwache singen zu lassen, was dann folgerichtig ausartet, war schon schräg.

    Aber letztlich war das Geschehen eigentlich eine Fiktion der Senta. Und da sind schon irrationale Abläufe denkbar. Nur sollte es für den Opernbesucher nachvollziehbar bleiben.

    Trotz mehrfachen Ansehens der Inszenierung bleiben mir noch immer offene Deutungen.

    Da half dann letztlich nur, sich der phantastischen musikalischen Umsetzung hinzugeben.

    Das Dirigat von Christian Thielemann und die großartig aufspielende Staatskapelle entwickelte das gesamte Potential der Partitur Richard Wagners. Die Momente von Natur, Mystik, Hoffnung und Verzweiflung hochdifferenziert geboten, gaben den Sängern ein stabiles Grundgerüst für ihre durchweg hervorragenden Leistungen.

    Wie Christian Thielemann die Tempi modelliert, wie er unter einem Holzbläsermotiv die leisen Streicher wuchtig hochziehen lässt, ist schon eine Klasse für sich. Eine phantastische Wirkung entfalteten auch die leisen Stellen, wenn sie noch ein Quäntchen langsamer gespielt wurden, als gewohnt.

    Die Senta von Anja Kampe war eine Interpretation mit einer seltenen Intensität einer starken Mittellage, ausgezeichnet verankert in der Tiefe und akzeptabel in den Höhen.

    Beim Holländer von Albert Dohmen war deutlich, dass hier ein Sänger seine inzwischen begrenzten stimmlichen Möglichkeiten dank seiner Erfahrung zu einer prachtvollen Gesangsleistung richtig in der Tiefe und gut in den Höhen führen konnte. Es hat schon seine Gründe, warum er immer wieder von Christian Thielemann zu seinen Opernaufführungen herangezogen wird.

    Georg Zeppenfelds Bass verfügt über einen Farbenreichtum, den er auch einsetzte und scheinbar spielend die Partie des Daland unanfechtbar über den Abend trug. Es ist immer wieder faszinierend, wie jugendlich anmutend diese Stimme noch immer strahlend über die Bühne geht.

    Christa Mayer sang und spielte mit ihren kurzen Auftritten eine energiegeladene immer präsente Mary.

    Mit einem klangschönen und in der Höhe kraftvollen Gesang und differenzierter schauspielerischen Leistung war Tomislav Mužek ein berührender Erik. Gegen die Fiktion des Holländers hat er allerdings keine Chancen.

    Auch Tansel Akzeybek fügte sich mit seiner derzeitigen Stimmentwicklung ordentlich in die Gesamtwirkung ein. Klar und die melodische Phrase aushaltend, sang er das Lied des Steuermannes an die ferne Freundin.

    Einen nachhaltigen Eindruck hinterließenauch die von Jörn Hinnerk Andresen bestens vorbereiteten Chorszenen, auch wenn die schaurigen Verse des Gespensterchores von der Seitenbühne kaum durchdrangen.

    Mit frenetischem Schluss-Beifall dankte das Auditorium für die musikalische Umsetzung der Wagnerschen Partitur. So tobend erlebt man ein Publikum im Semperbau selten.

  • Die "Lady Inchiquin" und Carragans Edition der 2. Bruckner-Symphonie im Konzert

    Der Hobby-Geigenbauer und damalige Violinist der Berliner Philharmoniker Walter Scholefield entdeckte 1978 bei den Geigenhändlern Bein & Fushi in Chicago eine Violine mit einem außergewöhnlich gestalteten Korpus, die 1711 in der Werkstatt Antonio Stradivari gebaut worden war. Ob jahrzehntelanger Vernachlässigung waren dem Instrument nur mit extremer Anstrengung Töne zu entlocken. Es war eigentlich akustisch „tot“.

    Möglicherweise über Fritz Kreisler war das Instrument gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach England in eine Familie Foster gelangt. Deren Tochter Jane heiratete 1900 in eine gälische Familie königlichen Blutes, wurde damit zur Baronin von Inchiquin und somit zur Namensgeberin der Geige. Nach ihrem Tode im Jahre 1940 wurde die Stradivari zunächst in die Schweiz versteigert, gelangte bis in die späten 1960er Jahre in die berühmten Sammlung Cho-Ming Sin nach Hongkong, bis sie dann nach Chicago im Gegenzug für ein anderes Instrument regelrecht getauscht worden ist.

    Für 210 000 $ erworben, hat Scholefield mit einem professionellen Geigenbauer zweieinhalb Jahre an der Restaurierung seines Kaufs gearbeitet, bis die Geige nach Jahren geduldigen Arbeitens und Abwartens vor allem mit der Rekonstruktion des Holzes des Geigengrundkörpers endlich den perfekten Zustand, das Dunkle einer Guaraniund das Helle einer Stradivari, erreicht hatte.

    Nach Scholefield Pensionierung kaufte 2001 die Düsseldorfer Bank WestLB AG die Geige und stellte sie Frank Peter Zimmermann zur Verfügung.

    Nach einigen Wirrnissen gehört die „Lady Inchquin“ inzwischen den NRW-Kunstsammlungen „Kunst im Landesbesitz“, so dass Frank Peter Zimmermann die Geige mit ihrem wundervollen Klang im 6. Symphoniekonzert mit Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll vorstellen konnte.

    Der Solist setzte unmittelbar im zweiten Takt mit dem Hauptthema ein. Alles war einem starken Ausdruckswillen unterworfen. Die “Lady Inchiquin“ klang im Semper-Bau klar, schön und souverän, ein ästhetisches Erlebnis. Zimmermann spielte frisch mit Virtuosität wo nötig und mit Zurückhaltung, wo angebracht. Alles war einem starken Ausdruckswillen unterworfen, eine Interpretation, wie selbstverständlich.

    Christian Thielemann ging bei alledem voll mit, ein Spiel wie aus einem Guss. Orchester und Solist erwiesen sich als Verbündete. Tempowechsel der Sologeige wurden vom Orchester sofort aufgenommen. Da waren Künstler am Werk, die das Expressive voll auskosteten und bis ins Letzte darboten.

    Dem stürmischen Beifall folgte eine Bach- Zugabe Zimmermanns,eine faszinierende Verbindung von Sensibilität und emotionaler Intensität, sowie eine eindrucksvolle Demonstration der klanglichen Möglichkeiten der Lady.

    Als Abrundung seines Bruckner-Zyklus mit den Dresdnern hatte Christian Thielemann die 1877er-Fassung der 2. Symphonie der neuen Edition des William Carragan gewählt. Der Bruckner-Spezialist Carragan (geboren 1937) hatte Bruckners gründliche Überarbeitung von 1877 (in der Überlieferung des Kopisten Franz Hlawaczek) mit Aspekten des Erstdrucks der Partitur von 1892 (incl. Bruckners handschriftlicher Anmerkungen) verglichen. Dabei wurden insbesondere Wiederholungen und Zusatznoten eliminiert,fragwürdige Änderungen in Phrasierung und Dynamik korrigiert, sowie Änderungen von Instrumentierungen auf Bruckner zurückgesetzt. Erstmalig 1997 aufgeführt, wurde die Partitur 2007 in die Bruckner-Gesamtausgabe aufgenommen.

    Mit seiner Interpretation der c-Moll-Symphonie gelang Christian Thielemann ein abschließender Höhepunkt seines Bruckner-Zyklus mit der Sächsischen Staatskapelle.

    Die opulente Streicherbesetzung machte das vom ersten Einsatz deutlich. Neben dem Ideal des gedeckten, dunklen aber immer durchsichtigen Klangbildes der Dresdner erreichte das Gebotene eine prachtvolle Durchsichtigkeit und Klarheit. Die Blechbläser waren hervorragend im Klangbild eingebunden und akzeptierten in jeder Phase die anderen Instrumenten-Gruppen. Im Andante war der lyrisch- hochromantische Charakter der Bruckner-Arbeit besonders betont und bot eine Rückbesinnung auf Mendelssohn. Im Scherzo trieb der Dirigent seine Musiker unter Hochdruck nach vorn und formte damit ein höchst dramatisches Geschehen. Das Finale, flott angegangen, wurde dann geradezu sanft und lieblich, bis nach der großen Drei-Takt- Generalpause, der Sturm massiv losbrach. Besonders in den langen Generalpausen lagen die spannungsintensivsten Eindrücke der Darbietung.

    Letztlich setzte Christian Thielemann Anton Bruckners Wille auf eine Performance voller Nuancen, voller Kraft und Eloquenz auf eindrucksvolle Weise um.

    Fast überflüssig, den gewaltigen Beifall zum Abschluss des Bruckner-Zyklus der Staatskapelle zu erwähnen.

    Nach den Dresdner Konzerten gehen das Orchesterunter der Leitung Christian Thielemanns sowie seinem Capell-Virtuos Frank Peter Zimmermann mit dem Programm auf eine Tournee nach Wien in den Musikvereins-Saal, nach Baden –Baden ins Festspielhaus, nach Frankfurt in die Alte Oper und nach Hamburg in die Elbphilharmonie.

  • Nach den Dresdner Konzerten gehen das Orchesterunter der Leitung Christian Thielemanns sowie seinem Capell-Virtuos Frank Peter Zimmermann mit dem Programm auf eine Tournee nach Wien in den Musikvereins-Saal, nach Baden –Baden ins Festspielhaus, nach Frankfurt in die Alte Oper und nach Hamburg in die Elbphilharmonie.

    Also in FFM wird aber nicht Bruckner gespielt, sondern Schumanns 4. Symphonie ;) Leider kann ich das Konzert aufgrund meiner Arbeitszeit nicht besuchen; aber Deine Beschreibung des Violinkomnzerts hat mir große Lust darauf gemacht - es gibt sogar auch noch sehr gute Karten ...
    https://www.alteoper.de/de/programm/ve…hp?id=518224786

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

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