Teodor Currentzis

  • Lieber Sadko,
    über mein Verhältnis zu Bernd (arundo donax) brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Wir kennen uns seit Jahren, hatten auch schon PN-Kontakt miteinander.

    Bezieh' das, was ich geschrieben habe, gern auf Dich. Es gibt Menschen, deren Schriftwerk in diesem Forum ich als relevant einstufe. Und es gibt Menschen, deren Schriftwerk ich als irrelevant einstufe.

    In diesem Sinne a gut's Nächtle!

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Passt! Dann tut es mir leid, wenn ich Deinen Beitrag falsch verstanden habe.
    Dir auch gute Nacht! :D

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Und in meinen Augen ist es unangemessen, Leute, die man nicht kennt, mit dem Vornamen anzureden, noch dazu öffentlich. Ich spreche/schreibe/denke ja auch nicht vom "Herbert" (Blomstedt), "Neeme" (Järvi) oder von der "Marin" (Alsop) - um drei von mir geschätzte, derzeit aktive Dirigenten zu nennen. Ich denke nicht, dass Du mit Currentzis per Du bist.


    Das kann ich als U-Musik-Fan nun gar nicht nachvollziehen. Musiker distanziert ausschließlich beim Nachnamen zu nennen, scheint mir jedenfalls vor allem ein Ding innerhalb der "Blase" E-Musik zu sein. Ich würde mir merkwürdig vorkommen, wenn ich im Gespräch mit anderen Beatles-Fans nicht von John, Paul, George und Ringo sprechen könnte... Oder mich mit Jazz-Fans nicht über Miles, den Duke und Herbie zu unterhalten...

  • Musiker distanziert ausschließlich beim Nachnamen zu nennen, scheint mir jedenfalls vor allem ein Ding innerhalb der "Blase" E-Musik zu sein. Ich würde mir merkwürdig vorkommen, wenn ich im Gespräch mit anderen Beatles-Fans nicht von John, Paul, George und Ringo sprechen könnte... Oder mich mit Jazz-Fans nicht über Miles, den Duke und Herbie zu unterhalten...

    Wir hatten in diesem Forum ja schon mal die Diskussion, ob man von Leonard Bernstein als "Lennie" reden dürfe. Ein inzwischen ausgeschiedener (von mir sehr hochgeschätzter) Forianer war insoweit sehr kritisch. Meine persönliche Antwort war: Ja, darf man, denn er selbst wollte so genannt werden. Auch Yuja Wang hat schon mal laut darüber nachgedacht, ob sie sich nicht fortan nur noch Yuja nennen sollte, denn gefühlt 60 % aller Chinesen heißen Wang. Dasselbe gilt für Yundi Li.

    Was Sadko aufspießte, war die Verwendung des Vornamens "Teodor" durch mich in diesem Forum. Er meint wohl, ich solle von "Herrn Currentzis" reden. Dabei wird in der Currentzis-Fanszene, in der ich inzwischen Leute kenne, ohnehin nur von "Teo" gesprochen.

    Aber okay: Hier ist nicht Currentzis-Fanszene. Also bitteschön: Herr Currentzis. Hoffentlich denke ich daran, wenn ich meine Meinung nach dem Mahler 9-Konzert vom 17. Dezember in der Elbphilharmonie äußere :kaffee1:

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Diese Musikkenner pilgerten seit Jahren nach Perm, nach Salzburg, nach Luzern, nach Paris, nach Athen

    Dieser erhebliche Anteil an Fans im Publikum relativiert allerdings den Beifallssturm des Publikums nach dem Konzert als Qualitätskriterium.

    Mahler 9-Konzert vom 17. Dezember in der Elbphilharmonie

    Da wollte ich auch hin. Keine Karten zu bekommen.

  • OT:
    War es nicht "Lennies" Wunsch, von allen Menschen der Welt geliebt zu werden? Er hätte sicher nichts dagegen gehabt, auch hier so genannt zu werden.

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

  • Da muss ich Dir zustimmen. Danke für Deinen ausführlichen, langen Beitrag, der gezeigt hat, dass ich inkorrekt/unsachlich argumentiert habe.
    Ich habe mir Deine beiden Links angehört und muss tatsächlich festhalten, dass ich von der Orchesterleistung sehr angetan bin (sofern man das über Lautsprecher beurteilen kann; es kommt ja vor, dass Aufnahmen nachbearbeitet werden - keine Ahnung, ob es hier passiert ist). Somit muss ich wohl davon abrücken, dass das Orchester "drittklassig" ist.
    Allerdings muss ich schon sagen, dass ich Currentzis-Nozze-Ouvertüre furchtbar finde: Wie er da durchhetzt, da kriegt man doch nix mehr mit vor lauter Schnelligkeit! Das klingt ja fast wie der Buchbinder als Dirigent statt als Pianist!


    Danke, dass Du so fair bist, diese Fehleinschätzung zu korrigieren. Vielleicht verstehst Du jetzt etwas besser, was mich an dem Artikel im "Merker" stört.

    Zu meinen Eindrücken von Currentzis' Mozart-Aufnahmen habe ich zu Beginn des Threads bereits geschrieben, und ich muss sagen, dass meine Bedenken durch seine Lesart der "Figaro"-Ouvertüre bestärkt werden - insofern gebe ich Dir diesbezüglich recht. Ich bin eigentlich ein Freund von musikalischen Übertreibungen, aber Currentzis' Mozart lehrt mich, dass man auch Übertreibungen übertreiben kann. Musik ist kein Geschwindigkeits-Wettbewerb, und mal spielt nicht besonders extra-HIP, indem man ans Presto noch fünfmal "-issimo" dranhängt. Eigentlich ist dies m. E. eine Verzerrung in Richtung des Grotesken.

    Meine Eindrücke von Currentzis' Leistungen bei der Aufführung von Musik anderer Komponisten bestärken mich aber darin, mich weiter mit diesem sehr interessanten Dirigenten zu befassen. Sein "Mozart on steroids" ist halt nicht so ganz mein Fall (obwohl ich die durchaus kontrovers diskutierten Mozart-Aufnahmen von René Jacobs sehr schätze).

    Was die Spitze gegen Buchbinder soll, erschließt sich mir wiederum nicht - das ist schon ein exzellenter Pianist (siehe sein Brahms-Zwo mit Harnoncourt).

    Und da muss ich jetzt wirklich lachen: Glaubst Du wirklich, der MusicAeterna-Chor sei "gewiss das grandioseste Vokalensemble, das man je erlebt hat"? Einfach nur absurd, diese Superlative!


    Wie gut, dass Deine Beiträge grundsätzlich frei von Übertreibungen sind. :D :ironie1:

    Ja wenn es wenigstens GUTE Dirigenten wären, die Du "verehrst".....


    Ich glaube nicht, dass wir uns um music lovers Kenntnisse der Dirigenten-Zunft allzu große Sorgen machen müssen...

    Aber okay: Hier ist nicht Currentzis-Fanszene. Also bitteschön: Herr Currentzis. Hoffentlich denke ich daran, wenn ich meine Meinung nach dem Mahler 9-Konzert vom 17. Dezember in der Elbphilharmonie äußere :kaffee1:


    Diese Eindrücke würden mich auf jeden Fall sehr interessieren! Als ich gesehen habe, dass Currentzis Mahler 9 macht, habe ich gehofft, es zu einem der entsprechenden Konzerte zu schaffen. Leider passt keiner der Konzerttermine in meinen vorweihnachtlichen Zeitplan.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • denn sie brauchen keinen zweiten Gott neben Petrenko. Und selbst Teodor kann nicht in Berlin...

    Ganz unabhängig von der Frage, ob man Dirigenten beim Vornamen nennen darf, steckt in der gewählten Formulierung natürlich auch ein Sprachwitz. Denn im Wort 'Teodor' steckt natürlich das griechische "theos", also auch Gott. Currentzis wäre dann zwar "nur" ein Geschenk der Götter. Aber damit bin ich auch zufrieden.

  • Sieh ihn Dir einfach mal live an, lieber Wolfram.

    Und wenn Du Dir eine Karte für ein Hamburger Konzert kaufst: Sag' mir bitte Bescheid, denn dann würde es mich sehr freuen, Dich vorher und/oder hinterher zu treffen.

    Erstmal an Karten kommen. ^^ Ich bin leider für die Hamburger Konzerte immer ein wenig zu spät beim Vorverkauf. Das muss ich für die nächste Saison dringend ändern.
    Und ja, wenn es dann irgendwann klappt, melde ich mich unbedingt. :thumbup:

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Wirklich innovativ wäre er beispielsweise

    Lieber Sadko, müssen Menschen, die polarisieren immer auch innovativ sein? Das ist es nämlich gar nicht, was ich an ihm interessant finde oder an anderen polarisierenden Menschen und Künstlern. Viel wichtiger finde ich den eigenen Standpunkt, den sie einnehmen, der möglicherweise völlig verquer ist, der aber aufreißt, der einen wachrüttelt und der einem neue Sichtweisen (und das können auch rückwärtige sein) eröffnet. Das letzte mag ein Widerspruch sein, aber ich denke dabei an Interpreten, die mit ihrem polarisierenden Werk sich gegen den Zeitgeist noch einmal stemmten.

    Eigentlich ist dies m. E. eine Verzerrung in Richtung des Grotesken.

    Bzgl. der Figaro-Ouvertüre. Vielleicht ist das aber gerade die Absicht, was wiederum für mich eine interessante andere Sicht auf das Werk ermöglicht.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ich habe mir übrigens gerade, weil zufälligerweise als fast vollständige Version endlich auf YouTube erwischt, seinen Tschaikowsky mit Kopatchinskaja angehört.

    https://www.youtube.com/watch?v=Kbdy5Ldeo70

    https://www.youtube.com/watch?v=WWXJLtCj6uc

    Dritter Satz ist leider gesperrt.

    Ich schwanke. ^^ Ähnlich wie beim Beethovenschen VK (mit Herreweghe) finde ich zunächst einmal ihr Spiel faszinierend. Gerade diese Sucht jede Phrase anders spielen zu wollen als allgemein üblich, sprach mich zunächst total an. Beim zweiten Hören erging es mir dann allerdings schon anders. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass das auch zur Marotte werden könnte, weil sie einen solchen Weg nicht wird durchhalten können, dass eben aus einer berechtigten und künstlerisch interessanten anderen Sicht auch eine Verpflichtung zum ständigen Gegen-den-Strich-Bürsten erwachsen könnte, die dann mit dem angestrebten Ergebnis nicht mehr mithalten kann.

    Ähnlich ergeht es mir hier beim Tschaikowsky VK mit TC. Im ersten Moment, beim ersten Hören grandios, weil beide völlig neue Wege erforschen, erkunden, finden, weil sie noch radikaler im Zusammenspiel sind, weil sie für mich so unglaublich verstörend in meinen Hörgewohnheiten agieren. Das ist so anders, so sperrig, so ungewohnt, aber gleichzeitig dadurch auch so mitreißend. Großartig! Wie es bei einem zweiten Hören funktioniert, kann ich noch nicht sagen. Ich befürchte aber, dass es mir wie bei Beethoven ergehen könnte. Haltet ihr diese Position, die man dann irgendwann von euch auch erwartet, wirklich durch oder verkommt das alles zur bloßen Geste.

    Nun ist diese Aufnahme ja nicht unbedingt neu und ich denke, dass TC diesem Ansatz (noch) treu bleibt. Bei Kopatchinskaja weiß ich es nicht, da ich keine neueren Aufnahmen mit ihr gehört habe. Ich glaube auch nicht, dass sie zu meinen Lieblingsaufnahmen dieses Werkes wird. Aber ich bin andererseits froh, dass sie überhaupt existiert als ein Beispiel für Mut einen anderen Weg beschreiten zu wollen und diesen auch konsequent weiter zu verfolgen. Zudem zwingt sie einen, gerade auch bei diesem Werk, genauestens hinzuhören, weil es plötzlich völlig neu erklingt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Vielleicht verstehst Du jetzt etwas besser, was mich an dem Artikel im "Merker" stört.

    Ja, verstehe ich - allerdings stammt der Artikel ja nicht von mir, ich bin dafür nicht verantwortlich. Aber trotzdem ist der Autor des zitierten Textes einer der ganz wenigen Kritiker ist, deren Texte ich gerne lese, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin (wie gesagt, seine Meinung über Inszenierungen ist genau diametral zur meinigen).

    Was die Spitze gegen Buchbinder soll, erschließt sich mir wiederum nicht - das ist schon ein exzellenter Pianist

    Ich bin gar nicht dieser Meinung, für mich ist Buchbinder einer der meistüberschätzten Pianisten ("Weltstar in Österreich" sagt man in meinem Freundeskreis), die von ihm verbreitete Hektik halte ich einfach nicht aus. Das können wir aber gerne, wenn Du magst, anderswo diskutieren, vielleicht nicht im Currentzis-Thread, der ohnedies schon von off-topics trieft :/


    Wie gut, dass Deine Beiträge grundsätzlich frei von Übertreibungen sind. :D :ironie1:

    stimmt :thumbup:

    Lieber Sadko, müssen Menschen, die polarisieren immer auch innovativ sein? Das ist es nämlich gar nicht, was ich an ihm interessant finde oder an anderen polarisierenden Menschen und Künstlern. Viel wichtiger finde ich den eigenen Standpunkt, den sie einnehmen, der möglicherweise völlig verquer ist, der aber aufreißt, der einen wachrüttelt und der einem neue Sichtweisen (und das können auch rückwärtige sein) eröffnet. Das letzte mag ein Widerspruch sein, aber ich denke dabei an Interpreten, die mit ihrem polarisierenden Werk sich gegen den Zeitgeist noch einmal stemmten.

    Puh, das ist eigentlich eine interessante Frage, über die ich noch nicht besonders lange nachgedacht habe. Nach nur kurzem Nachdenken würde ich nicht mit Dir übereinstimmen - denn wenn man polarisiert UND trotzdem ernstgenommen werden will, muss man schon wirklich was draufhaben und kompetent sein, sonst ist man ein schräger Vogel. Wenn ich richtig informiert bin, war Bruckner zu Lebzeiten eine polarisierende Persönlichkeit, aber heute wissen wir, dass er sehr innovativ war und die Gattung der Symphonie bedeutend weiterentwickelt hat. Hätte Bruckner nur polarisierende Musik geschrieben, die aber nicht innovativ ist, sondern langweilig/nichtssagend - dann würde ihn heute kein Mensch mehr kennen.
    Soweit meine derzeitigen Gedanken in tiefer Nacht zu diesem Thema :D Weiß nicht, ob das gut zu dem passt, was Du gemeint hast.

    Ähnlich ergeht es mir hier beim Tschaikowsky VK mit TC. Im ersten Moment, beim ersten Hören grandios, weil beide völlig neue Wege erforschen, erkunden, finden, weil sie noch radikaler im Zusammenspiel sind, weil sie für mich so unglaublich verstörend in meinen Hörgewohnheiten agieren. Das ist so anders, so sperrig, so ungewohnt, aber gleichzeitig dadurch auch so mitreißend. Großartig!

    Diese Passage finde ich sehr interessant und aufschlussreich, weil sie ungefähr das wiedergibt (nur mit einer komplett anderen Bewertung), was auch ich denke: "anders, sperrig, ungewohnt" - aber eben nur vordergründiger Effekt. Ich kann keinen Sinn dahinter entdecken. Currentzis hat eben unter anderem deswegen Erfolg, weil die Musik bei ihm "anders" klingt als bei anderen, weil er die Leute "mitreißt" ( = in teils wahnwitzigem Tempo spielen lässt), aber eben einfach so, da erkenne ich kein Konzept und keine tieferen Gedanken als "Alles möglichst effektvoll, damit die Leute mich auf jeden Fall interessant finden". Ich kann da nur auf den allerersten Beitrag dieses Threads verweisen, in dem es heißt:

    Durch nichts anderes als eine pseudo-lebendige Dauererregung eine internationale Karriere zu machen, ist tatsächlich "bemerkenswert". Er verfügt über ein einziges gestalterisches Mittel: Kontraste so extrem wie irgend möglich zu spielen. Ich kann mir kaum etwas langweiligeres vorstellen.

    Insofern erleben ja ein Currentzis-Nicht-Fan und ein Currentzis-Eher-Fan einen ziemlich ähnlichen Eindruck, nur dass ihn beide komplett anders bewerten.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Soweit meine derzeitigen Gedanken in tiefer Nacht zu diesem Thema Weiß nicht, ob das gut zu dem passt, was Du gemeint hast.

    Lieber Sadko, das passt schon zu dem, was ich meine, auch wenn ich es nicht unbedingt teile. Die Verbindung von Polarisierung und Innovation ist sicherlich häufiger anzutreffen, trotzdem gibt es auch das Gegenteil. Der Künstler eben, der mit seinen Interpretationen eher aus der Zeit gefallen zu sein scheint, der sich an vergangenen Idealen orientiert und trotzdem für einen Teil des Publikums eine große Wirkung erzielt, allerdings seine Kunstrichtung innovativ nicht weiterentwickelt.

    Insofern erleben ja ein Currentzis-Nicht-Fan und ein Currentzis-Eher-Fan einen ziemlich ähnlichen Eindruck, nur dass ihn beide komplett anders bewerten.

    Gott sei Dank! Das macht solch ein Phänomen wie TC ja auch so spannend. Wenn wir alle immer einer Meinung wären, könnten wir das Forum ja fast schließen. ;)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Das Verdi-Requiem ist übrigens schon vorhanden im Archiv der DCH. Gerade höre ich den Anfang des Dies Irae über Anlage und Lautsprecher. Ich werde morgen am Tag nochmal reinhören, bei höherer Lautstärke. Jedenfalls ist das ein richtig guter Sound... Letzte Woche live hatte ich leider nur per Laptop Gelegenheit, und das auch noch ohne Kopfhörer. Das waren alles andere als gute akustische Bedingungen, ich hatte aber per geistiger Extrapolation dennoch den Eindruck, dass die Musik sehr gut war.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • https://www.digitalconcerthall.com/de/interview/52511-2

    Und hier das ganze Interview mit Sarah Willis, wie immer kostenlos.

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

  • Ich habe das Interview jetzt gesehen. Ich habe den Eindruck, dass Sarah das nicht ganz leicht fiel. Ihr konstantes Lächeln kam mir manchmal etwas angestrengt rüber. Also mein subjektiver Eindruck ist, dass sie manches von Currentzis nicht ganz nachvollziehen konnte. Aber ich mag falsch liegen. Weil ich persönlich nicht viel Sinn für Esoterik habe. Insofern mag ich das projizieren. Häufig sind Interviews inhaltlich ja doch recht sinnfrei. Interessant an dem Interview fand ich jedenfalls die Diskussion über den "Schlag" und wie (wann) das Orchester darauf reagiert, sowie den Hinweis, dass das Hässliche auch zur Schönheit gehört; der Vergleich zum Roman war da wirklich sehr überzeugend.

    maticus

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    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Vielen Dank für die Verlinkung dieses Interviews, lieber Tichy!

    Das Credo von Currentzis kommt gut herüber: Es steht alles in der Partitur, man muss es nur freilegen unter all den Zutaten, die es im 20. Jahrhundert gegeben hat. Er ist vom HIP-Gedanken stark beeinflusst.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Ich habe heute nochmal die ca. ersten 70 Minuten des Requiem gehört (ob der Länge^(1) nicht ganz), über Hifi und Lautsprecher, und ich finde es ganz fantastisch. Kann so gut wie keine Schwäche erkennen. Allerdings kenne ich Currentzis' Aufführungen mit seinem eigenen Orchester nicht, kann also nicht sagen, inwieweit die Aufführung mit den Berliner Philharmoniker hier *vergleichsweise* technisch wirkte oder nicht. Ich empfinde die Berliner Aufführung jedenfalls keineswegs als "kalt" o. ä.

    (1) Ich finde das Musikwerk, so schön ich es finde, etwas zu lang; in der zweiten Hälfte empfinde ich die eine oder andere Länge.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Das Credo von Currentzis kommt gut herüber: Es steht alles in der Partitur, man muss es nur freilegen unter all den Zutaten, die es im 20. Jahrhundert gegeben hat.

    Neben den anderen Problemen, die ich mit Currentzis habe (wie etwa dem Hang zum plakativen Überwürzen oder zur effektheischerischen Mönchskutten-Maskerade) kann ich dieses Credo nicht im Geringsten teilen: Vieles Entscheidende steht gerade überhaupt nicht in den Noten/der Partitur. Da steht nichts über Spannungsentwicklungen, über Details des Timings, über größere Zusammenhänge - im Zweifelsfall steht da außer groben dynamischen Anweisungen auch nichts über die Balance zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen. Und je weiter man in der Zeit zurückgeht, desto weniger steht da: Bezüglich der Musik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts findet sich oft genug rein gar nichts zu so fundamentalen Dingen wie Artikulation und grundsätzlicher Differenzierung der Dynamik - dies alles ist durch "die Partitur" überhaupt nicht eindeutig festgelegt; es muss von dem jeweiligen Interpreten/den jeweiligen Interpreten keineswegs "freigelegt", sondern immer wieder individuell gedeutet werden - was dann auf der Grundlage verschiedener Konventionen, aber keineswegs alleine auf der Grundlage des in der Partitur Gegebenen erfolgt.

    Unsere Notenschrift ist und bleibt unvollkommen, weil sie nur bestimmte Parameter des "Werks" festhalten kann - und selbst diese kann sie vielfach nicht besonders exakt festhalten (ein Staccatopunkt z.b. steht für ganz unterschiedliche Arten von Staccato).

    Er ist vom HIP-Gedanken stark beeinflusst.


    Ob das bei Currentzis auch der Fall ist, weiß ich nicht genau, aber diverse HIPler glauben, dass es so etwas wie einen "objektiven" Zugang zur Musik verflossener Jahrhunderte gibt. Ich dagegen vertrete die Auffassung, dass ein solcher Zugang nicht existieren kann, was keinesfalls heißt, dass man darauf verzichten soll, sich Gedanken darüber zu machen, wie Musikwerke aus früheren Jahrhunderten zu ihrer Entstehungszeit interpretiert wurden. Man sollte nur darauf verzichten, zu glauben, dass man dadurch in den Besitz von irgendwelchen allgemein gültigen Wahrheiten gelangt.

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Lieber Bernd! Ganz genauso sehe ich es auch, und ich denke, dass uns jeder, der schon mal mit Musik gearbeitet hat, zustimmen wird. Mahler soll ja nicht grundlos gesagt haben: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten.".

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

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