Johannes Brahms: Werke für Violine und Klavier

  • Das Finale von op. 108 fand ich immer schon toll, v.a. natürlich das Thema. So toll, dass ich mich als 20-jähriger, als ich das Werk kennenlernte, dazu verstiegen habe, zu meinen, Brahms hätte die ganze Sonate nur geschrieben, um diesen Einfall nutzen zu können. Der Meinung bin ich heute nicht mehr, finde aber nach wie vor, dass diese Sonate eigentlich nichts mehr neues bringt und am wenigsten zündet. Bei Grieg, sozusagen im Bereich der romantischen Violinsonate DER Konkurrent, sind die drei Sonaten voneinander im Klang viel unterschiedlicher.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die d-moll war aber wohl lange die populärste, oder?
    (bei zwei sehr packenden Aufnahmen, Oistrakh/Richter und Ricci/Katchen wurden nur 2+3 eingespielt, das mag aber schlicht daran liegen, dass dann die LP eben voll war.)

    Auch wenn sie alle unterschiedliche Opusnummern haben und nicht in einem Rutsch komponiert wurden, sehe ich die drei Sonaten schon annähernd wie z.B. auch die drei Streichquartette in der klassischen Tradition (wie etwa Beethovens op.30) drei ziemlich unterschiedliche Werke zu liefern. Die G-Dur ist die lyrisch-introvertierte, die A-Dur die spielerische und die d-moll die dramatisch-passionierte.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Kann ich schwer beurteilen, aber unter Amateuren muss wohl die Nr. 1 die beliebteste sein, denn die kann man auch als Nicht-Profi spielen (analog der Cellosonate in e-Moll). Die anderen eher nicht, sicher nicht die dritte.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ja, beim späten Brahms wird man von zwei furchtbar gescheiten Leuten durchgeprügelt, beim f-a-e Scherzo wird man nur durchgeprügelt...

    Ach was, manchmal war der Hanslick einfach in Idiot. Was gibt es denn Ausdrucksvolleres, Zärtlicheres, als das Seitenhema im Kopfsatz der Es-Dur-Sonate, trotz Quint-Kanon, gleichzeitiger Umkehrung usw.? Dieses zärtliche Gespräch zwischen Klarinette (bzw. Bratsche bzw. Violine) und Klavier, was hat das mit "gescheit" zu tun? Oder die wehmütige, sanfte Coda: Verliert die an Innigkeit, an Ausdruck, weil sie auf einem Motiv das Hauptthemas und seiner Umkehrung basiert? Bei Beethoven sind (u.a.) die Spätwerke nicht minder durchgearbeitet, ohne dass irgendjemand von "Durchprügeln" faselt. Der hatte einfach das Glück, dass Hanslick bei seinem Tod erst ein Jahr alt war...

    finde aber nach wie vor, dass diese Sonate eigentlich nichts mehr neues bringt und am wenigsten zündet.Bei Grieg, sozusagen im Bereich der romantischen Violinsonate DER Konkurrent, sind die drei Sonaten voneinander im Klang viel unterschiedlicher.

    Ob sie "zündet" oder nicht, liegt (eine "zündende" Darstellung vorausgesetzt) im Ohr des Hörers. Ansonsten bringt sie sogar eine ganze Menge Neues: Der unruhige Sotto-voce-Charakter des Anfangs, die mysteriöse, irgendwie gleichzeitig bewegte und still stehende Durchführung, die große Kantilene des zweiten Satzes, der merkwürdig ambivalente Charakter des Scherzos ("un poco presto e con sentimento") und die Dramatik des Finals: Nichts von alledem gibt es schon op. 78 oder op. 100. Alle drei Sonaten sind vollkommen unterschiedlich, und alle drei sind absolute Meisterwerke der Musikgeschichte. Ich habe diese wunderbaren Stücke mindestens fünfzig mal öffentlich gespielt, ohne dass ich je genug davon hatte. Und das ist dann bei den Grieg-Sonaten trotz all ihrer Qualitäten doch anders.

    Christian

  • Mit nichts neues meinte ich eigentlich nicht nur die Violinsonaten, sondern generell Brahms' Kammermusik. Zum Beispiel die "geharnischte" Episode des ersten Themas ab Takt 24 (1. Satz) ist etwas, das ich meine bei Brahms oft zu hören (schon ab seinen frühen Werken). Ich muss zugeben, dass mich dieses Element in Brahms' Tonsprache stört. Was mich am Thema des ersten Satzes auch fuchst, ist der harmonische Verlauf. Das Cis und überhaupt diese Ausflüge nach D-Dur, die das Thema unternimmt, stören mich beim Hören sehr und wirken auf mich, wie wenn man in eine Bittermandel beißt. Sicherlich mein persönliches Problem, aber immerhin eines, das ich genau benennen kann.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Mit nichts neues meinte ich eigentlich nicht nur die Violinsonaten, sondern generell Brahms' Kammermusik. Zum Beispiel die "geharnischte" Episode des ersten Themas ab Takt 24 (1. Satz) ist etwas, das ich meine bei Brahms oft zu hören (schon ab seinen frühen Werken). Ich muss zugeben, dass mich dieses Element in Brahms' Tonsprache stört. Was mich am Thema des ersten Satzes auch fuchst, ist der harmonische Verlauf. Das Cis und überhaupt diese Ausflüge nach D-Dur, die das Thema unternimmt, stören mich beim Hören sehr und wirken auf mich, wie wenn man in eine Bittermandel beißt. Sicherlich mein persönliches Problem, aber immerhin eines, das ich genau benennen kann.

    Ich verstehe kein Wort. Wo macht denn das erste Thema "Ausflüge nach D-Dur" und was hat das Cis (welches überhaupt?) damit zu tun? D-Dur-Episoden gibt es in diesem Satz einmal bei der Reprise des Seitenthemas,welches logischerweise von F-Dur in der Exposition hier zum Grundton wechselt, und in der Coda als Ausdruck der Entspannung und zur Vorbereitung des Adagios. Und was genau hast Du an der Forte-Entwicklung des ersten Themas schon im Frühwerk oder sonst "oft" gehört? Viel bemerkenswerter als ein angebliches D-Dur (welches es hier gar nicht gibt) finde ich am harmonischen Verlauf dieses Themas die frühe Ausweichung nach F-Dur im dritten Takt, die bereits das zweite Thema vorbereitet (neben der Tonart ganz deutlich an Melodie und Rhythmus der Violinstimme zu sehen).

    Christian

  • Was mich am Thema des ersten Satzes auch fuchst, ist der harmonische Verlauf. Das Cis und überhaupt diese Ausflüge nach D-Dur, die das Thema unternimmt, stören mich beim Hören sehr und wirken auf mich, wie wenn man in eine Bittermandel beißt.


    Das verstehe ich - ebenso wie Christian - nicht. Ich finde im Thema kein D-Dur. Das cis ist leittönig in d-moll. Die Verwendung dieses Tons ist bei einem d-moll-Thema somit wohl kaum allzu verwunderlich.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich meine das Cis in der Violinstimme in Takt 9. Ich habe mich übrigens nur auf die Violinstimme bezogen. Leitton gut, aber der leitet ja eben zur Tonika über, was hier nicht geschieht. Weiters wird in Takt 15 das b aufgelöst, was für mich auch so anhört, als würde die Geige plötzlich Dur spielen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich meine das Cis in der Violinstimme in Takt 9. Ich habe mich übrigens nur auf die Violinstimme bezogen.


    Jetzt wird es für mich noch mysteriöser. Das cis ist an der Stelle doch einfach Teil eines gebrochenen und mit Durchgangstönen versehenen Dominantseptnonakkords. D-Dur ist da immer noch nicht, das Ding leitet sich von A-Dur ab.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Dann halt nicht D-Dur. Mich stört die Wendung nach Dur.


    Die Dominante steht bei einer Moll-Grundtonart aber nunmal üblicherweise in Dur. Kein sehr logisches Argument.

    Stört Dich auch die Dur-Dominante am Beginn des "Don Giovanni"?

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Die Dominante steht bei einer Moll-Grundtonart aber nunmal üblicherweise in Dur. Kein sehr logisches Argument.

    Hier kommt noch dazu, dass das auf das "cis" unmittelbar folgende "b" ganz eindeutig den Bezug zur Moll-Tonika herstellt. Da wendet sich einfach nichts nach Dur.

    Christian

  • Ich kann nur sagen, dass sich das lange Cis und die Töne danach für mich seltsam und nicht angenehm anhören. Ich würde nicht sagen, dass ich "Argumente" gebracht hätte, sondern eher, dass ich Eindrücke geschildert habe.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich kann nur sagen, dass sich das lange Cis und die Töne danach für mich seltsam und nicht angenehm anhören. Ich würde nicht sagen, dass ich "Argumente" gebracht hätte, sondern eher, dass ich Eindrücke geschildert habe.

    Egal, ich muss ja nicht alles verstehen.

    Auch auf die Gefahr, dass sich wieder jemand "durchgeprügtelt" fühlt: Diese Töne nach dem Cis sind eine Variante der absteigenden Klavierlinie am Anfang (dort a-g-f-e, hier b-a-g-f) sowie des Motivs im zweiten Takt des Geigenthemas (dort d-c-b-c-a, hier f-e-d-e-cis).

    Christian

  • Was am ersten Satz der dritten Sonate aber sehr erstaunlich ist, jedenfalls für mich als Laien, ist das synkopierte Unisonospiel im Klavier zu Anfang der Sonate. Muss hammerhart zu spielen sein.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Beiträge, die sich nicht mehr mit den Brahms Werken für Violine und Klavier befassen sondern mit Brahms allgemein wurden hiermit dorthin verschoben, dort kann gerne allgemein zu Brahms weiter diskutiert werden.
    Erster neuer Beitrag:

    https://www.capriccio-kulturforum.de/index.php?thre…4655#post454655
    Letzter neuer Beitrag zum Zeitpunkt der Verschiebung:
    https://www.capriccio-kulturforum.de/index.php?thre…4715#post454715
    AlexanderK, Moderation

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Was am ersten Satz der dritten Sonate aber sehr erstaunlich ist, jedenfalls für mich als Laien, ist das synkopierte Unisonospiel im Klavier zu Anfang der Sonate. Muss hammerhart zu spielen sein.


    Finde ich nicht. Wenn, dann vielleicht höchstens im Zusammenspiel mit der Violine. Pianistisch könnte selbst ich das beinahe vom Blatt spielen. Für den Rest der Sonate gilt das dann natürlich nicht mehr...

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich kann das natürlich nicht so gut einschätzen. Klavierspieler trainieren so etwas wohl von Anfang an. Für mich aber sieht es fürchterlich aus. Geigerisch scheint das Werk allerdings bis auf den letzten Satz auch nicht so schwer zu sein, wenn man einen guten Bogen für all die Bariolageeffekte hat. (Ich muss sagen, v.a. der Geigenpart stört mich bei dem Werk.)

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

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