Interessant hier.....
Du siehst im Theater eine Aufführung einer vergangenen Zeit? Das interessiert mich: Erzähl doch mal, wie es so war in vergangenen Zeiten! Und im welchem Theater man dieses Wunder eines Zeitsprungs erleben kann.
Christian
Ich glaube, ihr redet hier von zwei verschiedenen Dingen. Dem "Kunstwerk" einerseits und seine Aufführung andererseits. "Kunstwerk" ist hier wohl gemeint, als Grundlage (Libretto und Patriturfür bei der Oper) der Aufführung. Ersteres ist sicher ein eigenes Kunstwerk, das Schaffen und Festhalten der grundlegenden Vorgabe für eine Aufführung. Daraus ergibt sich für mich, dass jede Aufführung ein eigenes Kunstwerk ist, auch wenn sie noch so "werktreu" daherkommt.
"Werktreue" ist genaugenommen auch ein unpräziser Begriff. es kommt ja schon darauf an, wie detailliert die Vorgaben sind. Bei Wagner sind sie ziemlich detailliert, bei den Anfängen der Oper bestehen manchmal nur Fragmente. Trotzdem ist auch z. B. jede Wagner - Inszenierung ein neues "Kunstwerk".
Das zeitliche Auseinanderklaffen ist jedenfalls zwangsläufig.
Es geht um nicht weniger als um die Frage, was Theater ist, und von diesem Punkt ausgehend, um die Frage, ob es eine Pflicht zur Treue irgendeinem Werk gegenüber geht.
Ist dies als eine Quintessenz aus dem davor Gesagten? Ok. das "ist dann mal ein Wort". Teilweise wurde bei der Minimierung schon eine Annäherung an Antworten versucht, jedoch wird man hier nie auf eine absolute Antwort kommen. Ich sehe durchaus, dass eine Opernregie und die des Sprechtheaters viele gemeinsame Fragestellungen zu bearbeiten haben, jedoch bietet m. E. gerade das Vorhandensein der Komposition und der Szene auf der anderen Seite zusätzliche Herausforderungen. Die "alte" Form der klassischen Oper in Kombination mit der ggf. "modernen" Szene inpliziert ein ganz eigenes Spannungsfeld in meinen Augen.
wenn ich den Fadenersteller recht verstanden habe, hat er versucht, diese Fragestellung mal zu verändern, und er hat vertreten, daß die "Untreue" dem Werk gegenüber beim RT halbherzig ist únd nicht weit genug geht.
So habe ich das auch verstanden. Mein derzeitiges Kopfkino dazu, also die Vorstellung, dass in die Komposition eingegriffen wird, irritiert mich jedoch ein wenig (ich lasse hier Subjektivität zu). Meeses Mondparsifal macht das z. B. Hier ist ein anderer Komponist am Werk, der Wagners Musik umbaut (?) oder sich auch nur von ihr inspirieren lässt. Ich kann hier aber beim besten Willen keinen Nachweis erkennen, dass es noch aus Wagners "Vorgaben - Kunstwerk " abzuleiten ist. Es ist was anderes.
Theater ist nach meinem Verständnis beides: sowohl Reproduktion von Vorhandem also auch Produktion von Neuem. Beides gegeneinander auszuspielen, indem man behauptet, nur eines davon gelte, habe ich als "Streit um des Kaisers Bart" bezeichnet.
ok, das ist für mich gut nachvollziehbar.
Das Werk Shakespeares ist eine Dichtung. Die muss nicht realisiert werden
hat er doch selbst schon. Zuerst lesbar (wurde ja schon diskutiert). Man kann es aber auch rezitieren, vorlesen und szenisch umsetzen. Ich verstehe nicht, warum es falsch sein soll, dass man dies Realisierung nennt.
Fällt dir auf, dass du vom Theater schreibst, nicht von der Oper?
Fällt dir überdies auf, dass beim Ergebnis deiner Reduktion die Musik nicht vorkommt, auch nicht der Text bzw. das Libretto?
Die Diskussion schob sich zum Teil in Richtung Sprechtheater und dessen Anforderungen. Dass Regisseure wie Carstorff, Neuenfels, Bieito u.a. die Komposition nicht antasten, liegt wohl auch an den Rezipienten, die Wagners Komposition im neuen Aufführungswerk hören und erkennen wollen, als auch daran, so entnehme ich diversen Interviews, diese regisseure selbst sich diesem für die Oper wichtigen Postualt anpassen wollen, also die Szene drumherum setzen. Was anders kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen.
Beste Grüße