Herbert Blomstedt - Ein jung gebliebener Spätzünder (?)
Am heutigen 11. Juli 2017 wird der Dirigent Herbert Blomstedt, geboren in Springfield (Massachusetts) USA und aufgewachsen in Schweden, stattliche 90 Jahre alt. Am Pult der großen Orchester weltweit scheint er derzeit gefragt zu sein, wie nie zuvor in seiner Karriere als Dirigent. Als praktizierender Siebenten-Tags-Adventist hat Blomstedt nie die ganz großen Positionen angestrebt. Seine Dirigentenlaufbahn entwickelte sich nach eigener Aussage eher in "natürlichen Bahnen", und doch ist er inzwischen Ehrendirigent in San Francisco, Leipzig, Dresden, Stockholm, Kopenhagen, bei den Bamberger Symphonikern und beim NHK Symphony Orchestra in Tokyo. Bei 5 der Orchester hatte er auch schon Chefpositionen inne und prägte vor allem die sächsischen Orchester maßgeblich während der Zeit der DDR.
Blomstedt ist großer Anhänger der Musik von Bruckner, Bach und Beethoven, am bekanntesten dürfte er im Allgemeinen wohl aber für seine Förderung und die Aufnahmen der Symphonien von Carl Nielsen sein.
Darüber hinaus hat er eine kritische Ausgabe der Werke von Franz Berwald herausgegeben und ist auch hier Förderer von dessen Musik. Er hat es sogar geschafft, die Berliner Philharmoniker zu einer Aufführung der dritten Symphonie zu bewegen, mit großem Anklang.
Wer Blomstedt in letzter Zeit live erlebt hat, war sicherlich auch von seiner Vitalität und der Intensität, die immer noch von seinen sparsamen Gesten ausgeht, beeindruckt. Ich persönlich durfte ihn in München schon Beethovens 4., die Symphonie Fantastique und Nielsens 5. dirigieren sehen. Vor allem letztere war eine unfassbar gute Aufführung und eine der intensivsten Konzerterfahrungen, die ich in den letzten Jahren erlebt habe. Hier hat er sich wirklich als Nielsen-Experte bewiesen. Als Abonnent der Digital Concert Hall spürt man auch die wachsende Präsenz Blomstedts bei den Berliner Philharmonikern (alleine dieses Jahr 2 mal). Dies mag man als Geste des Respekts vor seinem Alter bewerten, ich sehe es vor allem als Beweis für seine Qualität als Dirigent. Die 7. Dvorak oder kürzlich die 1. Brahms...was für unglaublich spannende Interpretationen! Erstere habe ich wohl noch nie intensiver gehört (ja, das schließt Kubelik ein), auch beim Brahms saß ich auf der Stuhlkante.
Und trotzdem dirigiert Blomstedt ohne Taktstock und mit stets freundlichem Lächeln, was ist also sein Geheimnis? Ist es nur wieder die altbekannte Weisheit, dass Dirigenten im Alter grundsätzlich besser werden oder werden die Orchester tatsächlich erst jetzt auf ihn aufmerksam? Hier würden mich eure Meinungen interessieren, welche Aufnahmen kennt ihr von Blomstedt, welche Live-Erlebnisse habt ihr gemacht? Bin gespannt, ob ich hier in der Minderheit bin.
In jedem Fall empfehle ich euch, ein paar "Interviews" mit ihm anzuschauen: https://www.digitalconcerthall.com/de/concerts/co…ert%20blomstedt (alle kostenlos). D.h., es sind eher Einführungsvideos zu den jeweiligen Werken, bei denen Blomstedt direkt zur Kamera spricht und auf sehr persönliche und ungemein symphatisch kluge Weise die Stücke erklärt.