J. P. Sweelinck: Musik für Tasteninstrumente (+ Lautenwerke)

  • J. P. Sweelinck: Musik für Tasteninstrumente (+ Lautenwerke)

    Da in diesem Faden hier die Fantasia cromatica von Sweelinck einen überraschenden Erfolg gehabt hat, eröffne ich mal einen Faden zu Sweelincks gesamtem Instrumentalwerk. Das sind bekanntlich zum größten Teil Werke für Tasteninstrumente, dazu gibt es einige Lautenkompositionen. Hier können also alle mit Sweelincks Instrumentalwerk zusammenhängenden Fragen angesprochen werden - wie detailliert oder zusammenfassend auch immer.


    Ein paar einführende Worte zu Person und Hintergrund in aller Kürze - weitergehende Infos sind leicht zu bekommen:


    Jan Pieterszoon Sweelinck (1562 - 1621) war bis zu seinem Tod etwa 45 Jahre lang Organist in der sog. Oude Kerk in Amsterdam (auch der Vater und ein Sohn Sweelincks hatten diese Position inne). Etwa 1-2 Jahre nach seinem Amtsantritt (vermutlich im Alter von 15 Jahren) wurde in den Niederlanden der Calvinismus eingeführt, damit entfielen die gottesdienstlichen Aufgaben für die Organisten. In den Niederlanden wurden die Orgeln aber zum erheblichen Teil nicht entfernt, sondern man richtete (wenigstens in wohlhabenderen Städten) regelmäßige Orgelkonzerte ein, wobei man an schon vorhandene Gebräuche anknüpfte. Für diese Konzerte war der Eintritt kostenlos, die Finanzierung übernahm die Stadt. Sweelinck soll so täglich zweimal jeweils eine Stunde lang konzertiert haben (es dürfte sich vorwiegend um Improvisationen gehandelt haben). Die Orgelkonzerte hatten wohl einen gewissen spektakulären Ruf, es gibt eine Tagebucheintragung eines jungen nach Amsterdam gereisten Fürsten, in der dieser schreibt "lebendigen Elefanten gesehen, Organisten behorcht" [Gedächtniszitat]. Sweelinck, der die Niederlande kaum verlassen hat, hatte einen großen Schülerkreis,neben niederländischen Organisten namentlich solche aus Deutschland (deutsche Städte vergaben Stipendien zum Studium bei Sweelinck). Die sog. "norddeutsche Orgelschule", deren Existenz bis ins 18. Jahrhundert hinein gesehen wird, wird auf Sweelinck zurückgeführt


    Sweelinck komponierte geistliche und weltliche Vokalwerke, den zentralen Teil bilden Psalmvertonungen, vorwiegend mehrstimmige Bearbeitungen des sog. "Genfer Psalters", einer von Calvin angeregten französischsprachigen Übersetzung sämtlicher Psalmen. Interessanterweise komponierte er aber auch einige Texte aus der katholischen Liturgie. Neben der Vokalmusik schrieb Sweelinck (wie schon erwähnt) ausschließlich Werke für Tasteninstrumente (abgesehen von wenigen Lautenwerken). Die Frage, ob für "Orgel oder Cembalo" können wir hier außer Betracht lassen.


    Die wichtigen Gattungen, die Sweelinck dabei bedachte, sind die Fantasien, die Variationen und Tokkaten (worunter man sich präludienartige Stücke vorstellen kann).


    Sweelincks Instrumentalwerke wurden zu Lebzeiten nicht gedruckt, es haben sich auch keine Autographe erhalten, sondern nur Abschriften. So bestehen Unsicherheiten in der Textfassung, etwa der Vorzeichen oder verzierungsartiger Wendungen, namentlich aber in der Einschätzung, welche Werke tatsächlich von Sweelinck stammen. Die Gesamtausgaben und kritischen Ausgabe der Instrumentalwerke differieren in dieser Frage.

    Zu Noten:

    auf ISMLP gibt es die erste Sweelinck-Gesamtausgabe noch aus dem 19. Jahrhundert. Der Band mit den Instrumentalwerken erschien 1894, herausgegeben von Max Seiffert:

    https://imslp.nl/imglnks/usimg/…_en_Klavier.pdf

    diese Ausgabe genügt natürlich nicht heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen. Leider fehlt überdies Vorwort und kritischer Kommentar in diesem Digitalisat. Man erhält aber doch einen brauchbaren Notentext. Die Fantasia cromatica wird auch von HIP-orientierten Interpreten praktisch wörtlich wie in dieser Ausgabe enthalten gespielt. Eine bearbeitete Neuauflage dieser Ausgabe erschien 1943.

    Ab 1968 erschienen die Instrumentalwerke im Rahmen einer neuen Gesamtausgabe ("Opera omnia"), wobei Gustav Leonhardt ein Mitherausgeber war. Auch hier gab es eine zweite Auflage.

    Eine hohen Ansprüchen genügende Ausgabe der Werke für Tasteninstrumente ("Sämtliche Orgel- und Klavierwerke"), herausgegeben von Siegbert Rampe, erschien bei Bärenreiter. Diese Ausgabe in 8 Bänden bzw. Heften bietet eine wissenschaftliche Aufbereitung einschl. kritischer Berichte.

    Achtung: einzelne Bände könnten bei amazon gebraucht zu geringeren Preisen erhältlich sein.

    Eine weitere, preisgünstigere kritische Ausgabe ist bei Breitkopf erschienen, hrsg. von Harald Vogel u.a. ("Sämtliche Werke für Tasteninstrumente").

    (nur Bd. 1 verlinkt).

    Rampe bietet unterschiedliche Quellenlagen z.T. als Alternativfassungen und hat gegenüber der Ausg. Vogel die ausführlicheren Informationen zu den Quellen. Vogel bietet einen größeren Essay zu Spieltechnik inkl. Fingersatz und Verzierung.


    In knappster Form und schematisch nun ein paar Informationen der Musikgeschichte zu Sweelincks Fantasien.


    Die sog. "Fantasie" (in Italien sprach man auch vom "Ricercar") in der Mitte des 16. Jahrhunderts hat nichts mit der uns später aus der Barockzeit und auch der Klassik bekannten Fantasie zu tun, sondern gehört in die Vorgeschichte der Fuge, ist also als eher "strenge" Form zu bezeichnen. Sie war damals eine instrumentale Form mit einem oder mehreren quasi selbsterfundenen Themen, also Themen, die nicht auf einer Tonfolge beruhten, welche aus einer vokalen Vorlage (z.B. aus dem gregorianischen Choral) entnommen war. Das mehrthemige Ricercar verarbeitet in einer imitatorischen Manier mehrere Themen abschnittsweise, dabei soll das Vorbild der vokalen Motettenform eine Rolle gespielt haben. Im einthemigen Ricercar tritt an die Stelle der verschiedenen Themen ein einziges, das dafür abschnittsweise abgewandelt wird, wobei die sog. Vergrößerung und Verkleinerung (d.h. eine Verdoppelung oder Halbierung der Notenwerte bzw. Tondauern) eine besondere Rolle spielen.


    In Sweelincks Fantasien kann man eine Art Synthese des mehrthemigen und des einthemigen Ricercars insofern sehen, als hier zwar ein Thema im Vordergrund steht, das auf die beschriebene Weise eingesetzt wird, dazu jedoch zeitweise festgehaltene Gegenthemen (sog. "obligate Kontrapunkte") eintreten, oder daß sogar bestimmte Abschnitte von einem weiteren Thema geprägt sind ohne das Hauptthema zu verwenden, wobei aber diese weiteren Themen doch sekundär bleiben. Des weiteren ist das Ricercar bzw. die Fantasie dadurch gekennzeichnet, daß instrumententypische sog. "Spielfiguren", also ausgesprochen virtuose, nur auf einem Instrument ausführbare Figurationen, Skalen, Akkordbrechungen etc. in großem Maße Verwendung finden. Solche Spielfiguren waren namentlich in England entwickelt worden. Das Ganze hat dann, wie gesagt, schon viel mit der späteren musikalischen Form der Fuge zu tun.


    Einiges zur Fantasia cromatica

    die Fantasia cromatica gilt als berühmteste Instrumentalkomposition Sweelincks. Bezeichnend für den Ruhm der FC ist, daß von dieser in der zeitgenössischen Überlieferung eine "erleichterte Bearbeitung" gibt (derartiges existiert allerdings auch noch für eine oder zwei weitere Fantasien Sweelincks), eine gekürzte und an technisch besonders schwierigen Stellen vereinfachte Fassung. Als "Thema" fungiert in der FC ein chromatischer Gang eine Quart abwärts. Da dieser Gang als "Lamentobaß" einen über Jahrhunderte hinweg zu einer Darstellung von Klage und Trauer verwendeten Topos darstellt, hat man auch die FC mit diesem Affekt in Zusammenhang gebracht. Mir fällt eher ins Ohr, daß mit dem chromatischen Gang eine bis auf wenige Stellen allgegenwärtige eindringlich hörbare "harmonische Fortschreitung" (das ist natürlich "modern" formuliert) verbunden ist

    Formübersicht

    A. Thema in Halben T. 1

    darin:
    -- Engführung T. 55
    -- erneut Normalabstand mit Zwischenspiel T. 70
    -- neues Thema ohne Hauptthema T. 94

    B. Thema in Ganzen T. 104

    darin:
    -- 1. Themeneinsatz, der zum neuen Thema hinzutritt T. 104
    -- 2. Themeneinsatz ("Ruhezone") T. 119
    -- 3. Themeneinsatz T. 127
    -- 4. Themeneinsatz + irreguläre Einsätze des Themas T. 139

    C. Thema in Vierteln T. 149

    darin:
    -- vorwiegend Sequenzierung abwärtsmit teilweise "diatonisiertem" Thema T. 149
    -- Engführung T. 171

    D. Thema in Achteln (quasi Coda) T. 184

    auf youtube habe ich bei der Einspielung von Glen Wilson diesen Formüberblick als Kommentar eingestellt (mit Zeitangaben statt Taktzahlen):

    https://www.youtube.com/watch?v=c2cF9DSz9IY

    eine Noten-Einzelausgabe der Fantasia cromatica gibt es auf ISMLP:

    http://imslp.eu/files/imglnks/…-_Sweelinck.pdf

    (Text der Gesamtausgabe "Opera omnia").

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Die Sweelinckeinspielung von Wilson bei Naxos kann ich uneingeschränkt empfehlen!

    danke für die Bestätigung!

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ja, ich stimme definitiv auch speziell bei der Cromatica zu, die sehr klar phrasiert wird und leichter zu hören ist als sonst. Die anderen Stücke auf der CD profitieren ebenso von dieser Spielweise. Der einzige Wermutstropfen ist für mich, dass mir die Werkauswahl nicht optimal erscheint. In dieser Hinsicht gefällt mir Woolleys Aufnahme bei Chandos besser.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Kennt jemand diese Gesamtaufnahme der Werke für Tasteninstrumente von Sweelinck?

    (Ich will ja immer gleich alles haben)

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Ja, habe und kenne ich. Ich rate aber vom Kauf ab, da ich die meisten Interpretationen langweilig und geradezu steril finde. Ich empfehle die Einspielungen auf Naxos und - falls noch erhältlich - Chandos (Woolley).

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Freunde von Sweelincks Fantasia cromatica möchte ich auch noch auf die Interpreation Anneke Uitenboschs aufmerksam machen, die das Stück auch mit viel Verve und wenig Schnörkeln spielt:--

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Freunde von Sweelincks Fantasia cromatica möchte ich auch noch auf die Interpreation Anneke Uitenboschs aufmerksam machen, die das Stück auch mit viel Verve und wenig Schnörkeln spielt:--

    Na ja, zumindest trifft sie den klagenden Tonfall recht gut.

    Eine vorzügliche, charaktervolle Orgeleinspielung an einem wunderschönen einmanualigen historischen italienischen Instrument (Andrea Gavinelli,1690 organ of the church of Madonna del Popolo in Romagnano Sesia) mit Irene de Ruvo an den Tasten und Pedalen kann man hier nachverfolgen:

    https://www.youtube.com/watch?v=MKn3XGK4eHo

  • Kennt jemand diese Gesamtaufnahme der Werke für Tasteninstrumente von Sweelinck?

    (Ich will ja immer gleich alles haben)

    Peter

    Wenn man sich ein möglichst umfassendes Bild über das Sweelincksche Werk für Tastenistrumente verschaffen möchte, wäre diese Box (Orgel/Cembalo) möglicherweise die bessere Wahl:

    Inhalt und Interpreten (9 CDs)


    Neben den Werken, die Sweelinck mehr oder weniger eindeutig zugeschrieben werden können (davon sollen ausweislich des 216seitigen Begleitbüchleins 65 Werke umfasst sein), enthält die Produktion zum großen Teil ergänzend zu der der Glossa-Box (6 CDs), auch

    - Kompositionen, von denen bezweifelt werden muss, dass sie von Sweelinck stammen (5 Werke),
    - Kompositionen, die wahrscheinlich fälschlicherweise Sweelinck zugeschrieben werden (9 Werke),
    - von anderen Komponisten geschriebene Varianten der Werke Sweelincks (4 Werke),
    - anonym überlieferte Kompositionen aus Sweelincks Einflussbereich (8 Werke).

    Eine Besonderheit der Glossa-Produktion besteht allerdings darin, dass einige Stücke vokal begleitet werden (Gesualdo Consort, Harry van der Kamp) - sicher ein ganz nettes Schmankerl.

  • Lieber zabki,

    vielen Dank für das Eröffnen dieses Threads, der eigentlich schon überfällig war! Sweelinck scheint mir fast der Zentralpunkt in der Entwicklung der Tastenmusik um 1600 zu sein. Sein Werk war für Relevanz nicht nur für die norddeutschen Komponisten sondern auch für die britischen Virginalisten. Philips und Bull besuchten Sweelinck ja in persona, obwohl Sweelincks Instrumentalmusik stilistisch für mich vielmehr nach dem klingt, was in Italien etwas später oder gerade noch gleichzeitig Frescobaldi machte, und sich klar an die italienische Musik aus der Zeit anlehnt. Charakteristischerweise ist Sweelinck der einzige Ausländer, dessen Werke teilweise in das Fitzwilliam Virginal Book aufgenommen wurden! Wie das möglich war, obwohl Sweelinck, wie Du richtig schreibst, seine Werke für Orgel und Cembalo gar nicht druckte, weiß ich nicht, denke aber, dass Amsterdam damals ein, wenn nicht das, europäische Zentrum war, wo sehr viele Menschen - meist aus der Motivation, Handel zu treiben - ein und aus gingen. Bei der Gelegenheit konnte ein kunstsinniger Händler auch gleich eine Kopie eines von Sweelincks Werken anfertigen lassen.
    Zu Sweelincks Lebzeiten waren aber wahrscheinlich trotzdem dessen Vokalwerke noch viel bekannter. Diese ließ Sweelinck auch bereitwillig drucken. Sie scheinen mir viel konservativer aber keineswegs schlechter als die Instrumentalwerke zu sein. Jedenfalls handelt es sich bei Sweelincks Vokalwerken mMn noch klar um Renaissancemusik, während seine Instrumentalmusik das Tor zum Barock weit öffnet.

    Einen wirklichen Reißer stellt für mich übrigens die a-Moll Toccata SwWV 297 dar! Ein tolles, virtuos mitreißendes Stück!

    Diese Platte, zurzeit sogar im Angebot, kann ich jedem nachdrücklich ans Herz legen, der Sweelincks Instrumentalmusik schätzt!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Sweelinck scheint mir fast der Zentralpunkt in der Entwicklung der Tastenmusik um 1600 zu sein. Sein Werk war für Relevanz nicht nur für die norddeutschen Komponisten sondern auch für die britischen Virginalisten. Philips und Bull besuchten Sweelinck ja in persona, obwohl Sweelincks Instrumentalmusik stilistisch für mich vielmehr nach dem klingt, was in Italien etwas später oder gerade noch gleichzeitig Frescobaldi machte, und sich klar an die italienische Musik aus der Zeit anlehnt. Charakteristischerweise ist Sweelinck der einzige Ausländer, dessen Werke teilweise in das Fitzwilliam Virginal Book aufgenommen wurden!

    Lt. grove ist Sweelinck eher ein Vollender als ein Innovator gewesen, sein Einfluss reicht im Gegensatz zu Frescobaldi nur bis ca. 1650. Als Vorbilder sind genannt:
    Andrea Gabrieli, Merulo
    Cabezón, Milán
    Coelho
    Bull, Philips
    Die paar Stücke, die ich von Gabrieli und Merulo kenne, sind schon deutlich anders, allerdings ist Merulo zeitlich nahe und hat seine Stücke dem sich ändernden Geschmack entsprechend revidiert.
    Sonst muss ich noch einiges nachholen und meiner Sammlung einverleiben ...
    :/
    Am ähnlichsten finde ich noch die Stücke von Scheidt und Scheidemann - das wäre dann der Einfluss bis ca. 1650.

    Nachdem ich kürzlich meine Scheidts, Scheidemanns und Sweelincks wieder angehört habe, sind sie mir nun näher gekommen. Meine Sweelinck-Aufnahme ist diese:

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Lt. grove ist Sweelinck eher ein Vollender als ein Innovator gewesen, sein Einfluss reicht im Gegensatz zu Frescobaldi nur bis ca. 1650.

    Also ich finde Sweelinck ist wesentlich näher bei Frescobaldi als bei den anderen Komponisten für Tasteninstrumente aus der Zeit. Das wäre natürlich alleine noch nicht so besonders, allerdings ist Sweelinck eine Generation früher als Frescobaldi geboren. Der weniger lang wirkende Einfluss dürfte teilweise auch der geringen Zahl von Kopien Sweelinckscher Werke geschuldet sein, denn leider ließ er keines seiner Instrumentalwerke drucken. Seine Vokalwerke hingegen schon, allerdings sind diese definitiv mit dem Wirken Monteverdis in Vergesseneheit geraten, da stilistisch wohl eher an di Lasso orientiert.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Also ich finde Sweelinck ist wesentlich näher bei Frescobaldi als bei den anderen Komponisten für Tasteninstrumente aus der Zeit. Das wäre natürlich alleine noch nicht so besonders, allerdings ist Sweelinck eine Generation früher als Frescobaldi geboren. Der weniger lang wirkende Einfluss dürfte teilweise auch der geringen Zahl von Kopien Sweelinckscher Werke geschuldet sein, denn leider ließ er keines seiner Instrumentalwerke drucken. Seine Vokalwerke hingegen schon, allerdings sind diese definitiv mit dem Wirken Monteverdis in Vergesseneheit geraten, da stilistisch wohl eher an di Lasso orientiert.

    Ich habe jetzt noch ein wenig bei MGG nachgelesen. Sweelinck war als Komponist für Tasteninstrumente wahrscheinlich ein "Spätzünder" und hat vor 1605 eher nur improvisiert. Insofern war er nicht früher dran als Frescobaldi (libro primo 1608).
    Für die Toccaten wird als Vorbild auf Quagliati verwiesen:

    das wird dann sozusagen um englische Fingerfertigkeit ergänzt.

    Da Sweelinck durch Abschriften recht verbreitet war, nehme ich doch eher an, dass seine Musik um 1650 allmählich altmodisch wurde und deshalb nicht weiterwirkte. Bei den Norddeutschen habe ich natürlich auch große Lücken, jedenfalls klingen Buxtehude, Lübeck und Kollegen schon ganz anders als noch Scheidt und Scheidemann, insofern kann ich schon nachvollziehen, dass um 1650 sich was gewandelt haben dürfte.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Da Sweelinck durch Abschriften recht verbreitet war, nehme ich doch eher an, dass seine Musik um 1650 allmählich altmodisch wurde und deshalb nicht weiterwirkte. Bei den Norddeutschen habe ich natürlich auch große Lücken, jedenfalls klingen Buxtehude, Lübeck und Kollegen schon ganz anders als noch Scheidt und Scheidemann, insofern kann ich schon nachvollziehen, dass um 1650 sich was gewandelt haben dürfte.

    Im Bereich der Tastenmusik waren sicher die Franzosen und Froberger extrem einflussreich im Wandel des Geschmacks. Ich bin ja jetzt auch überfragt, aber Frescobaldi scheint mir ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch eher ein Komponist für Kenner gewesen zu sein, wenn man Orgelmusik als eher sakrale Schiene der Musik, in welcher "Wissenschaft" vor Geschmack kommt, sieht.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich habe mal inspiriert von der Diskussion hier etwas in meine Sammlung hineingehört und einen Komponisten gefunden, den ich stilistisch sehr nahe an Sweelinck empfinde: Hippolito Tartaglino (1539 - 1582). Leider scheint es von ihm nichts zu geben, außer den zwei Stücken, die auf dieser höchst verdienstvollen Anthologie zu finden sind:

    Es handelt sich um Tracks 6 und 7 der CD. Die Figurationen in der rechten Hand (wahrscheinlich auf den Schnipseln nicht zu hören), erinnern frappant an Sweelinck. Auch die harmonischen Wendungen erinnern stark an den Niederländer.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Sweelinck war als Komponist für Tasteninstrumente wahrscheinlich ein "Spätzünder" und hat vor 1605 eher nur improvisiert.

    die Schwierigkeit der Datierung hängt damit zusammen, daß die abschriftliche Überlieferung großenteils posthum ist. Es gibt anscheinend überhaupt nur ein einziges Instrumentalwerk Sweelincks, das mit Datierung überliefert ist, eine Fantasie von 1612 (in einem andern Fall liegt eine Verwechselung vor). Auf 1605 als eventuellen Beginn der instrumental-kompositorischen Tätigkeit Sweelincks kommt man, weil man diese mit seiner Lehrtätigkeit in Zusammenhang bringt, die erst 1605 eingesetzt haben soll. Ein bißchen problematisch macht mir an diese Theorie die Frage, wie man sich den "Ruhm" Sweelincks vorstellen soll, der ja irgendwie schon dagewesen sein muß, um den Schülerandrang zu bewirken. War das nur ein Gerücht, daß es da in Amsterdam einen tollen Orgelimprovisator gab?

    (Angaben nach Dirksen, Sweelincks keyboard music).

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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