Neue elektronische Musik

  • Neue elektronische Musik

    Liebes Forum.

    mir persönlich fehlt noch ein Thread, der komponistenumspannend elektronische Kompositionen sammelt und aufzeigt. Hier soll es nicht um Klaus Schulze usw. gehen, sondern um die - wie klischeehaft :versteck1: - ernsteren Komponisten. Und hier auch weniger um das Gesamt-Oeuvre, sondern durchaus auch um einzelne Stücke. Auch stelle ich mir vor, hier mehr rein elektronisch produzierte Werke vorzustellen, und weniger "Konzerte für Theremin und Orchester" oder Ähnliches. Ich fange mal mit ein paar mir bekannten/wichtigen Werken an.

    Vielen bekannt dürfte der "Gesang der Jünglinge" von Stockhausen sein. Hier gibt es etliche Einspielungen auf CD, ich goutiere es eher spontan auf Youtube, daher kein Link von meiner Seite.

    Mir persönlich liegt Morton Feldman am Herzen. Er hat ein einziges Stück für Tonbandrealisation geschrieben, "Intersection for Magnetic Tape" (1953) Ich kenne nur eine Veröffentlichung auf dieser CD:
    .

    Keinesfalls auslassen kann ich Oskar Sala, der mit dem Mixtur-Trautonium u.a. die Filmmusik für Hitchcocks "Die Vögel" realisiert hat. Repräsentativ:

    Recht fetzig finde ich Morton Subotnicks "Key to Songs/Return":

    Dagegen hab ich vor Jahren mal für mich recht sinnlos akademisches Geblubber erstanden: Granulation. Langweiliges Gequietsche.

    EIn ganz wichtiger Vertreter für mich ist Asmus Tietchens. Vor allem seine Serie "Menge" (alpha bis zeta, wenn ich mich recht entsinne) ist exzellente abstrakte, elektronische Musik. Auch die vier "Pop"-Alben aus den 80ern auf Sky Reocrds lohnen als interessante, intelligente Miniaturen.

    Kürzlich entdeckt habe ich Roland Kayn (1933-2011), da muss ich mich erst aber noch einhören.

    Helli

  • Das ist ja schön. Ich dachte, Du magst die "ernste" elektronische Musik nicht.
    Auch durch Eure Threads motiviert, habe ich die letzten Tage nur Elektronisches gehört, zuerst Komponisten, die vor allem dafür bekannt sind, die Möglichkeiten elektronischer Klangerzeugung zu Zeiten früher Computer und Synthesizer auszuschöpfen und nicht die "großen Meister", die auch mal elektronische Klangerzeuger verwendeten und dann auch oft mit aufgenommenen Klängen arbeiteten.
    Es gab mal eine wergo-Reihe für (historische) Computermusik: DIGITAL MUSIC DIGITAL. Die Stücke klingen alle erstaunlich frisch im Sinne von nicht verrauscht/dumpf. Ich habe mich auf die 60er-Jahre (naja, bis 1971) beschränkt:
    https://www.amazon.de/Turenas-Stria-…s=john+chowning
    (der Cover-Link funktioniert nicht?)

    John Chowning (*1934): Sabelithe (1971)
    Die eher wie Galaxien verteilten synthetischen Klänge werden manchmal mit Melodien ergänzt - das hat mich früher gestört, heute nicht mehr. Es ist schön, so auf die Möglichkeiten gewisser Klangsynthesen aufmerksam gemacht zu werden, auch wenn es letztlich etwas gleichförmig klingt. Das gilt auch für die nächsten beiden:

    Morton Subotnick (*1933): Touch (1969)
    Hier gibt es neben den rein synthetischen Klängen das gesprochene Wort "T-ou-ch", das oftmals zerschnitten, beschleunigt und enggeführt wie ein Säuglingsgeschwader einem in die Ohren knattert. 30 Minuten ist schon ziemlich lang für so eine Komposition.

    Jean-Claude Risset (1938 - 2016): Computer Suite from Little Boy (1968)
    Hier gibt es ab und an poppige Anklänge.

    Nicht ganz meine Welt (das wäre eher Xenakis), aber durchaus ansprechend und ein ganz eigenes Gebiet, in dem die Faszination für die Technik wohl eine große Rolle spielt.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • rein elektronische hab ich mir bisher nicht viel reingezogen.
    diese Nono-CDs…

    sowie Stockhausens Kontakte (natürlich auch seine Jünglinge).
    Stockis Kontakte kommt mir bisher am geilsten rüber von der modernen E-Mucke.
    Davon existieren zwei Versionen.

    1. Eine ausschließlich für Tonband
    http://www.youtube.com/watch?v=Y1Psx24n3rM

    2. und eine spätere Version für Tonband mit ebenso fetziger Schützenhilfe von Klavier und Schlagwerk
    http://www.youtube.com/watch?v=lxRcr-eWe-E

    Mucke mit Live-Elektronik (bzw. Band) schmeiß ich mir ungleich häufiger rein: vor allem Luigi Nono, aber auch Nunes, Boulez, Bazi .. und .. und .. und.. (dazu könnte jemand einen Thread eröffnen)

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ja, die Kontakte mag ich auch sehr!
    Habe ich sogar einmal live konsumiert, die Musiker waren rhythmisch super auf das Band eintrainiert.

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  • Moin,

    ich mache mal weiter mit der Serie "Roots of Electronica". Bei Spotify gibt es fünf Folgen zum Hören.
    Beispielhaft das Cover der ersten Folge (von amazon):
    [Blockierte Grafik: https://images-eu.ssl-images-amazon.com/images/I/61sSdC8My%2BL._SS500.jpg]

    Mir sind nicht alle Namen geläufig, die mir bekannteren sind Ligeti, Klebe, Stockhausen, Varèse, die Brüder Russolo, Kagel, Messiaen. Muss ich mich aber noch durchhören.

    Helli

  • Ich hoffe, dass ich jetzt hier keine Haue bekomme:

    Ευάγγελος Οδυσσέας Παπαθανασίου, Evangelos Odysseas Papathanassiou (Vangelis):

    Beaubourg (1978)

    ... sind zwei soundscapes

    ... ist das Einzige - sagen wir mal "Avantgardistisches" was ich von ihm kenne - und sehr schätze.

    Auch sehr interessant, was die Instrumentierung betrifft (schöne alte analoge Synths :verbeugung1: )

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Mit einer DG-Veröffentlichung? Eigentlich sollten die doch wissen, was E und was U ist. Wenn nicht die DG, wer dann?

    Aber vor 20 Jahren hab ich schon überlegt, ob die DG dem guten Vangelis nicht auf den Leim gegangen ist und der sich noch heute ins Fäustchen über den gelungenen Scherz macht.

    Helli

  • Hi,

    dann fast noch eher "Invisible Conections". Die kam damals bei der DG raus.

    ja, die gibt es ja auch noch.

    Ach ob E oder U - was hatte seinerzeit Leonard Bernstein gesagt?

    OK, in diesem Thread kann man ja schon mal filtern. :)

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  • Guten Abend,

    als "besinnlichen Ausklang" des heutigen Abends mache ich weiter mit der vorgestern eingetroffenen 16-CD-Box "A Little Electronic Milky Way Of Sound" von Roland Kayn (1933-2011), die in 22 Teilen ein fast 14-stündiges einzelnes Werk bildet. Die Box ist in einer Auflage von 750 1000 Exemplaren erschienen.


    Der Amazon-Preis ist ein Mondpreis, man bekommt die Box für etwa 110 €, meine ist von dronerecords.de.

    Derzeit bin ich bei CD 5, und ich bin immer noch recht sprachlos, sollte ich diese Musik beschreiben. Ich höre elektronisch erzeugte Musik seit über 35 Jahren schwerpunktmäßig zu 90%, und dies ist ein Monster. Die unterliegende Struktur erschließt sich mir derzeit noch nicht. Die Musik fließt, sie klingt nicht akademisch-experimentell, sondern sehr organisch, ohne nennenswerte Bezüge zu akustischen Instrumenten. Viele Klänge sind obertonreich, oft ungeradzahlig bis geräuschhaft. Das Augenmerk liegt auf sich verändernden Klängen, die vielschichtig sein können, aber nicht müssen. Traditionelle Melodien, Harmonien oder auch durchgehende Rhythmen gibt es hier nicht. Insofern könnte man hier ohne Weiteres von ausgedehnten Soundscapes sprechen, obwohl die Landschaften hier eher zerklüftet und oft schroff sind.

    Sehr lohnend, aber schwierig zu erschließen, allein schon aufgrund der Länge.

    Helli

  • sie klingt nicht akademisch-experimentell, sondern sehr organisch

    Hm, es klingt doch einige elektronische Avantgarde-Musik eher "kosmisch" als "akademisch", wobei das Begriffspaar "akademisch-experimentell" ja eine lustige Konstellation ist. Welche anderen Komponisten haben für Dich "organische" Musik hervorgebracht?

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  • Du meinst von den älteren "E-Komponisten" bzw. Werken? Außer R. Kayn nur Oskar Sala bisher. Stockhausen, Cage, Schaeffer und Russolo jedenfalls nicht. Aber ich bin kein Experte.

    Helli

  • Bei Sala habe ich jetzt kurz via youtube reingehört, da gab es schon eher traditionelle Elemente - Melodien quasi.

    Mich würde ja interessieren, wie es Dir mit Xenakis geht.

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  • Für mich ist Xenakis nämlich irgendwie der ideale Elektroniker mit seinen vielschichtig naturhaft ausgebreiteten Klangwelten und der darin problemlos verbundenen heterogenen Materialien ohne auf traditionelle musikalische Gestaltungsweisen zurückzugreifen.
    Durchaus "organisch" würde ich das bezeichnen.
    https://www.amazon.de/Iannis-Xenakis…xenakis+legende

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  • Dies "La Légende d'Eer (Diatope)" wäre richtig gut, aber mir ist es im Teil 4 durch nervtötendes Gequietsche verdorben. Dessen Notwendigkeit in der Komposition erschließt sich mir nicht. Vor allem ergänzt es sich recht übel mit meinem Tinnitus. Im Teil 6 ist es grenzwertig, geht aber noch.

    Helli

  • Dass die Teile bei Xenakis nicht zwingend zusammenzugehören scheinen, sondern man genausogut hier etwas weglassen oder dort etwas anderes dazubauen könnte, ist schon richtig. Insofern sind monoilithische Stücke wie Concret PH oder Bohor in ihrer Geschlossenheit vielleicht "perfekter". Mich stört das an sich nicht, es wird nur etwas ermüdend, wenn man viele Xenakis-Stücke hintereinander anhört, und immer mal wieder ähnliches anders aneinandergestöpselt wird. Das "Stöpseln" gelingt aber doch (fast?) immer, was doch manchmal überrascht, wenn die Dinge nichts miteinander zu tun haben. Aber das liegt wohl daran, dass er mit allem ähnlich arbeitet.

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  • Ich denke, dafür müssten wir Xenakis' Kompositionstheorie studieren, vielleicht ein Thema für einen weiteren Faden.

    In der Zwischenzeit habe ich auf YT seine letzte elektronische Komposition "S. 709" angehört. Für mich klingt das nicht so sehr wie Musik, sondern viel mehr wie ein Forschungsprojekt. Interessant und vielleicht in der Theorie nützlich, aber nicht proaktisch in der Anwendung.

    Helli

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