Bach, Johann Sebastian: Magnificat Es-Dur/D-Dur BWV 243a/243
Das Magnificat von Johann Sebastian Bach gab lange Zeit Rätsel auf. Warum gibt es zwei Fassungen in verschiedenen Tonarten? Was bedeuten die weihnachtlichen Einlagesätze in der Es-Dur-Fassung? Wann wurde es uraufgeführt? Warum ist der Chor fünfstimmig besetzt?
Licht ins Dunkel hat vor allem Andreas Glöckner im Bach-Jahrbuch 2003 mit seinem Beitrag „Bachs Es-Dur-Magnificat BWV 243a – eine genuine Weihnachtsmusik?“ gebracht. Dort hat er wichtige Argumente gegen die frühere Auffassung, Bach hätte das Werk zum Vespergottesdienst am 25. Dezember 1723 in Leipzig komponiert, vorgetragen. Somit ist nun das Fest Mariä Heimsuchung, 2. Juli 1723, der wahrscheinlichste Kandidat für den Uraufführungstermin. – Mehr dazu weiter unten. Wie es wirklich war, lässt sich freilich nicht mit letzter Sicherheit nachweisen.
Auf Grundlage der Glöcknerschen Arbeit ist von wenigstens drei Fassungen auszugehen:
(1) Es-Dur – die Komposition, die am 2. Juli 1723 in Leipzig aufgeführt wurde, als BWV 243a bezeichnet,
(2) Es-Dur – wie (1), aber für den 25./26. Dezember 1723 ergänzt um vier weihnachtliche Einlagesätze, ebenfalls als BWV 243a bezeichnet,
(3) D-Dur, ohne Einlagesätze wie (1), als BWV 243 bezeichnet.
(Zur liturgischen Verortung des Magnificat siehe hier.)
Der Text des Magnificat
Der Text des Magnificat ist der Lobgesang der Maria, die lateinische Version von Lk 1, 46–55, wie er in der Vulgata steht (die deutschsprachige Wikipedia informiert dazu m. E. ausgezeichnet). Traditionell ergänzt man das „Gloria Patri“, also die „kleine Doxologie“, wie sie im Christentum gerne als trinitarischer Schwanz auch an Psalmgebete angehängt wird: „Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto, sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum, amen.“ = „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“
Leipziger Magnificat-Tradition
Obwohl Martin Luther die Marienfrömmigkeit eingrenzte, setzte er sich mit dem Magnificat in einer wichtigen Schrift auseinander („Das Magnificat, verdeutscht und ausgelegt“, 1520/21) und legte fest: „Es ist billig, dass man dies Lied noch lasse bleiben in der Kirche!“ Der Lobgesang der Maria ist also keinesfalls eine eher katholische Angelegenheit.
Ein Chronist berichtete im Jahre 1717, dass man in den Leipziger Gottesdiensten das Magnificat an „normalen“ Sonntagen auf Deutsch sang, an hohen Festtagen aber auf Lateinisch „musicierte“. Das „musicierte“ darf man wohl als Aufführung mit Solisten, Chor und Instrumenten verstehen. Diese Lesart wird dadurch gestützt, dass für die Zeit von 1700 bis 1722 einige solcher Kompositionen nachweisbar sind, die in den Leipziger Hauptkirchen zu Gehör kamen, unter anderem von Johann Schelle, Melchior Hoffman, Georg Philipp Telemann sowie von Johann Sebastian Bachs Vorgänger Johann Kuhnau.