Johann Sebastian Bach - hat er "revolutioniert" und "popularisiert"? "Der größte Aufklärer der Musikgeschichte"?

  • Johann Sebastian Bach - hat er "revolutioniert" und "popularisiert"? "Der größte Aufklärer der Musikgeschichte"?

    Der folgende Disput entspann sich im Nekrologthread anläßlich des Todes von Paul Bocuse. Um den großen Koch soll es hier allerdings nicht gehen (auch nicht um Bill Gates), sondern um den - eine Platitüde, denn wer wollte es bestreiten? :D - großen Komponisten Johann Sebastian Bach:

    Vielleicht der Johann Sebastian Bach unter den Köchen. Nouvelle Cuisine hat er popularisiert und das Kochen entscheidend revolutioniert.

    JS Bach hat weder etwas revolutioniert noch popularisiert, insofern kein besonders treffender Vergleich.

    Dann hat Bill Gates auch nichts revolutioniert...

    Was soll Bill Gates denn revolutioniert haben? (Ich weiss es wirklich nicht.)

    Anstatt einen weiteren fragwürdigen Vergleich zu bringen, könnte man ja die Frage beantworten, was Bach wie revolutioniert haben soll... Welche musikalische Revolution hat Bach eingeleitet? Welche Komponisten sprechen zu oder kurz nach Bachs Zeit von einer musica nova, als deren Begründer Bach gelten könnte? Meines Wissens niemand.

    Ich weiß nicht, was der verlinkte Artikel über von Bach ausgelöste Revolutionen aussagen soll.

    Mit einem Satz wie

    kann ich nicht viel anfangen. Wieso war Bach, der sich auf offener Straße prügelte, der frömmste? Woran macht man das fest?

    Fragen zur Rolle J. S. Bachs in der Musikgeschichte und zu seiner Bedeutung sind hier genug gestellt. Da gibt es für mich momentan nichts zu ergänzen. Außer vielleicht: Was macht J. S. Bach denn nun so ganz besonders? Oder aber auch nicht?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Der verlinkte Artikel enthält nur Behauptungen ohne Begründung und macht vor allem eines klar :der Aufklärer unter den Musikern (oder der Musiker unter den Aufklärern) war eben Jean-Philippe Rameau

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Im Sommer 1705 zu Arnstadt. Protokoll des Konsistoriums vom 4. August 1705. Nachzulesen bspw. in: Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 4. Auflage 2001, S. 93.

    Oder einfach nach "Zippelfagottist" googeln.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wieso war Bach, der sich auf offener Straße prügelte, der frömmste? Woran macht man das fest?

    Er prügelte sich doch nur einmal, und andere haben angefangen... :jaja1: :jaja1: :jaja1:

    Den Artikel habe ich gerade gelesen - sehr putzig. Irgendwie habe ich das Gefühl, da geht alles durcheinander: Bach, Buffonistenstreit, Rameau, Diderot...

    Aber nun ernsthaft...


    Hat er revolutioniert?
    Sehe ich nicht so: er erschuf nichts Neues, sondern trieb das Bestehende bis an seine Grenzen; lotete alles systematisch aus bis zu dem Punkt, wo alles durchdacht war - danach war alles erklärt, erläutert, ausprobiert. Er hatte in seinem Amt als Thomaskantor die bestehende Theorie über Musik sozusagen vorgelebt, indem er sie komponierend verfaßte und sie dann praktisch umsetzte. Solche Werke wie Die Kunst der Fuge sind nicht anders zu charakterisieren als Ausdruck eines forschenden Geistes.

    Hat er popularisiert?
    Was heißt das? Daß er darauf bedacht war, seine Werke gewinnbringend zu verkaufen, war damals nichts Ungewöhnliches, und natürlich war er sich seiner Qualitäten bewußt, die sich auch in klingende Münze auszuzahlen hatte - er mußte seine Familie ernähren. Sein Ruf war ihm wichtig, aber er ackerte dafür auch, um das zu erreichen und über die Jahre zu erhalten.

    Aber für den Ruf in der Nachwelt ist er nicht mehr verantwortlich; das haben andere getan, sehr erfolgreich sogar. Daß er den Ruhm, einer der bekanntesten und am Meisten aufgeführtesten Komponisten aller Zeiten zu sein, mit einer Armada an Aufnahmen bis heute, durchaus verdient, ist nicht das Problem - es ist die Tatsache, daß viele ebenso großartige Komponisten nicht genauso auf den Altar ausgestellt werden wie er.

    Der größte Aufklärer der Musikgeschichte?
    Ist Systematik und Vernunft das Gleiche? Hat er der Musik die Vokale gegeben? Naja - da ist mir nicht richtig klar, was der Artikel damit sagen will. Klingt abstrus. Seine schöpferische Kreativität war jedenfalls sehr ausgeprägt und auf absolut höchstem Niveau.

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    Bin gespannt, was sonst noch zur Sprache kommt... :)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Dass Bach ein großer Komponist war, steht nicht zur Debatte. Dass er mittelfristig einen gewissen Einfluss hatte, ebenfalls nicht.

    Aber es haben weder in den 1720ern noch in den 1740ern oder nach Bachs Tod andere Komponisten oder Kritiker typischerweise kommentiert, dass diese Werke auf eine unerhörte, "gantz neue besondere Art" komponiert seien. Es hat keine von Bach wesentlich ausgelösten Stilwandel gegeben, im Gegenteil, der sich anbahnende Stilwandel Mitte des 18. Jhds. geschah eher als Absetzbewegung von stilistischen Merkmalen, die Bach zwar nicht erfunden, aber exemplarisch verkörpert hat. Es hat auch kein großer Komponist in der zweiten Hälfte des 18. Jhds. bewusst an Bachs angelehnte Werke geschrieben, oder sich hauptsächlich an Werken Bachs "abgearbeitet". Das gab es vielleicht vereinzelt, aber eher später (Mendelssohn und Schumann in der Romantik) und es war auch kein revolutionärer, sondern entweder ein indirekter oder ein eher "konservativer" Einfluss.

    Populär waren seine Werke eh nicht, auch eher im Gegenteil. Seine damals wichtigsten und einflussreichsten Werke waren im weiteren Sinne "Lehrwerke", die hauptsächlich anderen Musikern bekannt waren und hauptsächlich der Aus- und Weiterbildung dienten. Dass 300 Jahre später "Air", Weihnachtsoratorium u.a. vergleichsweise populär geworden sind, ist weder Verdienst noch Mangel Bachs.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich stimme dem Kater voll zu. Darüber hinaus: Bach hat nicht revolutioniert, sondern synthetisiert. Die vorhandenen Stile, italienisches Concerto, französische Verzierungen, norddeutscher stylus phantasticus integrierte er zu etwas Ganzem, in welchem die einzelnen Aspekte klar erkennbar sind, aber sich bruchlos ins Ganze einfügen.

    Exemplarisch in seinen fünf späten freien Orgelwerken, den Präludien und Fugen in c-Moll, C-Dur, h-Moll, e-Moll und Es-Dur (BWV 546, 547, 544, 548 und 552). Die Präudien stehen alle in italienischer Concerto-Grosso-Form mit Ritornell und Zwischensätzen, benutzen oberdrein die norddeutsche Pedaltechnik. Das Es-Dur-Präludium hat im ersten Thema die Anmutung der Französischen Ouvertüre. Die e-Moll-Fuge integriert Fuge, Konzert und Toccata zu etwas Neuem. Die Es-Dur-Tripelfuge beginnt mit dem ersten Thema im Stilo antico (quasi Ricercar), ihr zweiter Abschnitt (mit dem zweiten Thema) ist eher italienisch-spielfreudig, der dritte Abschnitt mit dem dritten Thema nimmt den Gestus großer norddeutscher 12/8-Fugen auf - und im letzten Teil werden ersten und drittes Thema kombiniert sowie die spielfreudige Bewegung der zweiten Fuge dazu genommen.

    In der F-Dur-Toccata (BWV 540) integriert er das Modell der süddeutschen Pedal-Toccata mit Kanonkunst und hängt einen italienischen Konzertsatz dran - mit norddeutscher Pedaltechnik. Usw. usw. ...

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Die Behauptung, mit Bachs Wohltemperiertem Klavier habe die Musik angefangen, sich von der Sprache zu emanzipieren, also autonomes Kunstwerk zu sein, finde ich einigermaßen willkürlich. Warum nicht schon im italienischen Solokonzert?

    Aber die Tendenz, Bach (und auch Händel) irgendwie gedanklich aus dem Barock zu lösen und zu den ersten "humanistischen" Komponisten zu erklären, kann man auch in Konzertführern aus der DDR finden - irgendwie wollte man diese Komponisten schon der Aufklärung zuschlagen - ob das wirklich schlüssig ist?

    Für mich wäre Bach eher ein Beispiel dafür, daß nicht nur Revolutionäre und Neuerer dauerhaften Nachruhm ernten, sondern auch Vollender und, um es mit Mauerblümchen zu sagen, "Synthetisierer".

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Es hat auch kein großer Komponist in der zweiten Hälfte des 18. Jhds. bewusst an Bachs angelehnte Werke geschrieben, oder sich hauptsächlich an Werken Bachs "abgearbeitet".

    man könnte schon einwenden, daß der, seinerseits Homophonie und Polyphonie "synthetisierende" Spätstil Mozarts ohne die intensive Beschäftigung mit Fugen nicht denkbar ist - aber hier ist der Bezugspunkt wohl auch mehr Händel als Bach gewesen.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Eine andere Meinung als die hier vorwiegend vertretene findet sich in einem Aufsatz von Heinrich Besseler:

    Bach als Wegbereiter / Heinrich Besseler. In: Archiv für Musikwissenschaft, 12. Jahrg., H. 1. (1955), S. 1-39
    (online über jstor).

    Die Thesen Besselers sind sicher umstritten, namentlich auch in Hinblick auf die von Besseler angenommene Chronologie. Sie widersprechen m.E. den vor allem in den Beiträgen von Kater Murr (#6) und Mauerblümchen (#7) vorgebrachten Ansichten nicht, sondern gehen auf andere Aspekte von Bachs Werk ein.

    Hier die Hauptpunkte von Besseler:

    (1)
    Seit 1716 wurde das "Gefühlshafte" in der Gestalt des "inneren Singens" Grundlage der Bachschen Polyphonie. Zum kantablen Orgelstil trat um 1720 der expressive Klavierstil, der in die Sprache der Empfindsamkeit einging.

    (2)
    Seit etwa 1720 war die Expressivpolyphonie des ,,feierlichen Klavierstiicks" mit einer Ausdrucksdynamik verbunden (trotz Cembalo).

    (3)
    Um 1720 schuf Bach sowohl für Konzerte wie auch für die Tastenfuge das auf Gliederung und Kontrast beruhende "Charakterthema" (aus dem "typischen" Thema wird durch Kontrastbildung das individuelle, "charakteristische" Thema). CPE Bach überführt dieses vor allem in die ersten Sätze der Klaviersonate.

    (4)
    Ausgehend von der Chromatischen Fantasie entwickelt Bach eine Bach auf Überraschung beruhende ,,erlebnishafte" Harmonik, die auch in geschlossene Formen eindringt. Von CPE Bach fortgeführt namentlich in der freien Fantasie.

    (5)
    Das individuell-persönliche Musikerlebnis führte zur Umwandlung der bisherigen "Strukturform" in die neue ,,Erlebnisform". Besondere Bedeutung hat hierbei seit etwa 1720 der langsame Satz in der Klaviermusik, bei Johann Gottfried Müthel 1756 der Sonaten-Mittelsatz, später bei CPE Bach außerdem in der Fantasie.

    (6)
    Vom "Charakterthema" (s. oben) ausgehend entwickelte JS Bach in Konzertsätzen die "thematischen Arbeit" (diese liegt vor, wenn Thementeilchen in Ritornellen verarbeitet werden.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Das interessante ist daher für mich auch eher, warum Bachs Musik, obwohl in den meisten Hinsichten klar "Zusammenfassung und Abschluss" einer Epoche und obwohl sogar viele der für Bach selbstverständlichen Formen (concerto grosso, Präludium und Fuge etc.) danach stark an Bedeutung verloren, doch relevant bleiben konnte, wenn auch nicht im Sinne eines revolutionären Impetusgebers oder mit Werken, die als unmittelbare Vorbilder der nachfolgenden Komponisten dienten.
    Dazu tragen sicher einige der Punkte Besselers (auch wenn man nicht alle unterstützen mag und man einige davon auch bei anderen Komponisten finden wird) bei.
    Aber "revolutionär" ist das alles nicht, sondern eher maßvoll/subtil "evolutionär".

    Ein weiterer Punkt, für den Bach wichtig ist, den ich aber auch nicht revolutionär nennen würde, selbst wenn dieser Aspekt bei kaum einem Zeitgenossen so deutlich ist, ist die Bewegung zu einer "absoluten Musik", also die Ablösung der Instrumentalmusik von der unmittelbaren Affektdarstellung und die Ablösung der Musik von der konkreten Aufführungsgelegenheit (z.B. h-moll-Messe). Das heißt natürlich nicht, dass die typischen "Lehrwerke" affektfreie Abstraktionen wären oder so, aber besonders in den extremen Fällen (Kunst der Fuge usw.) bieten sie Ausarbeitungen der rein musikalischen Möglichkeiten in seltener Konsequenz und der Rest (Affekt, divertissement etc.) scheint eher zweitrangig. Mit beiden Punkten hängt auch die meist sehr sorgfältige Ausarbeitung, die viel weniger als damals üblich dem Ausführenden überlässt, zusammen.
    In diesen Punkten ist Bach aber viel zu "modern", um in seiner Zeit revolutionär wirken zu können; denn dieser Aspekt ist bei den beiden nachfolgenden Generationen eher sekundär und kommt erst mit Beethoven wieder so richtig zum Tragen, hat daher m.E. auch keine starke Wirkung auf Mit- und unmittelbare Nachwelt Bachs.
    Und man sollte andererseits auch nicht unterschlagen, dass zahlreiche andere Werke Bachs genauso zeit- und gelegenheitsgebunden sind wie etwa die Händels und der meisten anderen Zeitgenossen.

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    (B. Pascal)

  • Ein weiterer Punkt, für den Bach wichtig ist, den ich aber auch nicht revolutionär nennen würde, selbst wenn dieser Aspekt bei kaum einem Zeitgenossen so deutlich ist, ist die Bewegung zu einer "absoluten Musik", also die Ablösung der Instrumentalmusik von der unmittelbaren Affektdarstellung und die Ablösung der Musik von der konkreten Aufführungsgelegenheit (z.B. h-moll-Messe).

    das geht ja in die Richtung des im oben zitierten Artikels genannten: Bach als zumindest Weiterentwickler der Musik als autonome Kunstform.

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  • In Sachen Nachhaltigkeit ist JS Bach aber nicht zu toppen. Es gibt m.W. keinen anderen Komponisten, der seine Kollegen zu derart vielen Bearbeitungen angeregt hat. Das zeigt zumindest, dass sich eine große Menge Musiker mit Bach beschäftigt haben, und das hat auch in deren Originalkompositionen Spuren hinterlassen. Dieser immense Einfluß, den Bach auf andere Musiker ausgeübt hat, ist zwar nicht revolutionär, zeigt aber welche Bedeutung seine Musik in der Musikgeschichte ab der Mitte des 18. Jh. ausgeübt hat.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Dieser immense Einfluß, den Bach auf andere Musiker ausgeübt hat, ist zwar nicht revolutionär, zeigt aber welche Bedeutung seine Musik in der Musikgeschichte ab der Mitte des 18. Jh. ausgeübt hat.

    Unbestritten. - Na ja, sagen wir: Ab der Generation von Mendelssohn und Schumann.

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Unbestritten. - Na ja, sagen wir: Ab der Generation von Mendelssohn und Schumann.

    wenigstens quasi als "Geheimtip" wuselte Bach-Mucke doch irgendwie bei Mozart und Beethoven herum
    .. wenn ich richtig auf Schirm habe gibt es sogar von Mozart eine Bearbeitung eines WTK-Stücks für Streichquartett ..

    Beethoven rekurriert m.E. in seinen Diabellis auf WTK z.B. die Fugetta-Variation. Und zitiert in op. 110 aus JP ("Es ist vollbracht") .. ob man dabei von großen Einfluss von Bach-Mucke sprechen kann, bin ich allerdings nicht sicher..
    erhielten Beethovens Fugen (z.B. op. 106, op. 133, Missa, Cellosonate Nr. 5) Impulse durch seine Beschäftigung mit Bach-Mucke ?

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Unbestritten. - Na ja, sagen wir: Ab der Generation von Mendelssohn und Schumann.

    Das Bach erst unter dem Einfluß von Mendelssohn quasi wiederentdeckt wurde ist eine häufig geäusserte Meinung, die aber der musikhistorischen Bewertung nicht standhält. Man sollte hier auch trennen zwischen öffentlicher Rezeption und der Beschäftigung von Musikern mit Bach. Bei denen hat dessen Musik und Schaffen zweifellos eine große Bedeutung gehabt. Sein Sohn Carl Philipp Emanuel beruft sich sogar ausdrücklich auf seinen Vater, von dem er alles gelernt habe. Die Verwendung polyphoner Elemente bei Komponisten der Wiener Klassik dürfte ebnefalls auf den Einfluß von JS Bach zurückgehen. (Die Fugen von Händel, den Beethoven besonders schätzte, sind in aller Regel deutlich einfacher gearbeitet als die von JS Bach).
    Von Chopin wird berichtet, dass er sich intensiv mit JS Bach beschäftigt habe, und dessen Musik auch regelmäßig spielte.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Die Autorschaft ist nicht 100% sicher, aber es gibt einen Schwung von Bach-Bearbeitungen Mozarts (Fugen aus WTK und Kunst der Fuge). Aber man kann kaum ernsthaft zwei solche relativ isolierten Fälle wie diese wenigen Stücke Mozarts und dann den späten Beethoven, etwa 40 bzw. 70 Jahre nach Bachs Tod, als starken oder gar revolutionären musikhistorischen Einfluss werten. Wenn man sich die Zeit von 1730-1830 generell anschaut, ist der Einfluss Bachs gering. Auf keinen Fall kann man sagen, dass er in dieser Zeit die Musik entscheidend beeinflusst hat. (Test: Was wäre in der Wiener Klassik oder irgendeiner anderen (franz./Ital. etc.) Musik 1730-1820 grundlegend anders gelaufen, wenn Bach wirklich "vergessen" gewesen wäre? Dass ein paar Werke Mozarts oder Beethovens nicht oder ein bißchen anders komponiert worden wären, hätte daran nichts geändert.)
    Wobei Bach seit der Forkel-Biographie und mehr und mehr Ausgaben zumindest der Klavierwerke ab ca. 1800 schon durchaus bekannt war. Man sollte aber den Mythos "bis Mendelssohn völlig vergessen" nun nicht durch einen alternativen ebenso fragwürdigen ersetzen.

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    (B. Pascal)

  • Bach wurde jedenfalls bis zur Zeit Mendelssohns nicht wirklich als aufführenswerte, ästhetisch zu rezipierende Musik wahrgenommen. Dass zahlreiche Komponisten, u.a. ja auch Chopin, Bach sehr schätzten, ist hingegen klar belegbar.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

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