Walldorff`s Kalenderblätter - Drittfassung

  • 20.11.1907 - Todestag von Paula Modersohn-Becker

    Ich muß mich ganz im stillen mit meiner Außenwelt reiben, sonst werde ich...so eine Art Molluske, die ihre Hörner immer einzieht. Oder hat diese Tier Fühler? Einerlei, ich habe mir vorgenommen, meine Hörner oder Fühler zu brauchen, nicht zum Stoßen, sondern zum leisen ruhigen Schieben meines Lebensweges.

    Malen, malen, malen...ist die begleitende Melodie zu meinem jetzigen Leben. Oft klingt es leise, traumverloren, märchenhaft. Das nenne ich meine ''Versunkene-Glocke-Stimmung''. Oft laut und fein und groß. Dann möchte ich auf einem hohen Berge stehen und möchte laut, laut schreien. Da ich das aber nicht kann, bin ich innerlich und äußerlich ganz still. Es ist, als ob,,,nur meine Seele lebte. Das ist sehr, sehr schön. Man wagt sich kaum zu rühren, um den Zauber nicht zu verscheuchen. Es ist wie die Berge in Abendstimmung. ((Bremen, 14.07.1897))

    Schönes braunes Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunkeln Segeln. Es ist ein Wunderland, ein Götterland. Ich habe Mitleid mit diesem schönen Stück Erde, seine Bewohner wissen nicht, wie schön es ist...

    (Mackensen) malt Charakterbilder von Land und Leuten; je charakteristischer der Kopf, desto interessanter... Mir deucht, er könnte (den Bauern) nicht so gut verstehen, wäre er nicht selbst in kleinen Verhältnissen aufgewachsen. Es klingt hart von mir, grausam hart, es liegt ein großer Dünkel darin, und doch muß ich es sagen. Dies ''In Kleinen Verhältnissen Aufgewachsensein'' ist sein Fehler, für den er ja selbst nichts kann. Daß der Mensch es doch nie abschütteln kann, wenn er mit den Groschen gekämpft hat, auch später nicht, wenn er im Wohlstand lebt; der edle Mensch wenigstens nicht. Dieser Kampf läßt Spuren zurück. Sie sind fast unsichtbar, aber ihrer sind viele, viele... (Vogeler) ist nicht so ein Wirklichkeitsmensch wie Mackensen, er lebt in einer Welt für sich. Er führt bei sich in der Tasche Walther von der Vogelweide und des Knaben Wunderhorn... Er liest jedes Werk so intensiv, den Sinn des Wortes so träumend, daß er das Wort selbst vergißt. So kommt es, daß er...keins der Gedichte auswendig weiß. Im Atelier...steht seine Gitarre. Auf ihr spielt er verliebte, alte Weisen. Dann...träumt er mit seinen großen Augen Musik... Er hat sich die altdeutschen Meister zum Vorbild genommen. Er ist ganz streng, steif streng in der Form... Und doch ist es für mich etwas Rührendes, zu sehen, wie dieser junge Kerl seine drängenden Frühlingsträume in diese gemessene Form kleidet... ((Fritz Mackensen gilt als Gründer der Künstlerkolonie W. // Mit >WK I< geriet seine Karriere ins Wanken... Am Ende vertrat er gar die nationalsoz. Kunstauffassung / v. volksstimme.de)) ((Heinrich Vogeler >gründete 1908< die 'Worpsweder Werkstätten', in denen Möbel und sonstiges Interieur entworfen wurden... Der Ausbruch >v. WK II< führte...zu seiner Zwangsevakuierung nach Kasachstan. / v. lempertz.com))

    (Modersohn habe ich) nur einmal gesehen und da auch leider wenig gesehen und gar nicht gefühlt. Ich habe nur in der Erinnerung etwas Langes in braunem Anzuge mit rötlichem Bart. Er hatte so etwas Weiches, Sympathisches in den Augen. Seine Landschaften...hatten tiefe Stimmung in sich. Heiße, brütende Herbstsonne, oder geheimnisvoll, süßer Abend. Ich möchte ihn kennenlernen, diesen Modersohn. Nun kommt der Overbeck. Ihn habe ich versucht, fühlend zu sehen... Seine Landschaften sind tollkühn in der Farbe, doch ich glaube, sie haben nicht das Modersohnsche Empfinden. ((Worpswede, Sommer 1897))

    Die Klassen Hausmann und Bauck bilden sich immer mehr zu Extremen aus. Ich bin sehr glücklich bei beiden zu arbeiten. Er hat ein echtes Künstlergefühl, ganz feine Anschauung, man merkt das, wenn er spricht, bis in die Fingerspitzen. Er ist aber unpraktisch... Er kann sich selbst nicht fassen, nicht sammeln. So geht es vielen, die alles haben, bis auf - ein bißchen Energie. Jeanne Bauck hingegen ist äußerst praktisch... ((Jeanna Bauck; 1840/1926 // In den Pariser Salons v. 1881 u. 82 zeigte sie ihre Bilder. 1893 war sie mit einem Gemälde auf der Weltausstellung in Chicago vertreten. / v. catplus.de)) (Sie hat sich übersprudelnde Jugend) bewahrt trotz ihrer fünfzig Jahr. Ich liebe sie sehr. Mit ihr zu sprechen ruft ein Gefühl des Wohlbehagens in mir hervor. Sie ist so reizend arglos, von jener Arglosigkeit, die einfach entwaffnend wirkt. ((Berlin, 28.10.1897))

    Ich habe in Wien herrliche Bilder gesehen. Unvergeßlich bleibt mir Morettos ''Divina Justina'' und die wundervollen Farben der noblen Tizian-Porträts und Rubens mit all seiner Pracht. ((Alessandro Bonvicino, gen. il Moretto; verst. 1554 in Brescia)) Die alten Deutschen nahmen mich ganz gefangen. Der Dürer hat bei aller Kraft und Männlichkeit so viel Rührendes, Zartes. Dann der Lukas Cranach mit seinen kleinen, halb kindlichen, halb koketten Evas und dem lieben Herrgott, der den Paradieseskindern ernst mit den Fingern droht. Ein ganz besonderes Lichtlein steckte der Holbein mir an...: die große Wirkung nobler Einfachheit.

    In der Galerie Liechtenstein hat es mir ein Köpfchen Lionardos ((?)) angetan und die glänzenden van Dycks. Ich habe geschwelgt. Da kriegt man eine gewaltige Ehrfurcht vor dem Menschen. Und das tut gut, denn die sinkt im Leben der Großstadt oft leider zu einem Minimum herab. Aber ich sträube mich dagegen, denn das macht andere nicht glücklich und mich unglücklich. ((Berlin, 04.12.1897))

    Es ist nur grün und blau, was hier in der Natur spricht. Sprechen kann man es eigentlich gar nicht nennen, sondern singen, flöten, jubilieren. Denn beim Anblick hüpft einem das Herz in freudigen Sprüngen. Oder...es schreitet sacht und leise...und träumt von Böcklinschen Gefilden. In der Ferne liegen die blauen Berge, von Fichten bestanden, die von der Abendsonne in ein strahlend goldenes Braun gekleidet werden. Jene holde Stimmung dauert ungefähr von neun Uhr bis elf. Alles geht hier mit himmlischer Ruhe vor sich. Es ist nicht, wie unser Abendroth, das im Nu verschwindet...

    (Der Namsen) hat die Breite der Weser und ist, wenn er sich gut benimmt, klar. Er kann aber sehr viel Unarten haben, und das Wetter kann die scheußlichsten Tricks spielen. Dabei ist der Lachs das denkbar launischste Geschöpf der Welt. Meine Seele schreit Petrus an nach Erfolg... Da soll man drei, vier Stunden warten, bis so ein Kerl anbeißt, um dann zehn Minuten das arme Tier zu Tode zu quälen. Ich finde es so recht einen Sport um schlechte Laune zu kriegen. Bis jetzt geht es noch ganz gut. Und es ist ganz entzückend zu sehen, mit welch knabenhafter Leidenschaft Onkel Wulf sich für die Sache begeistert. Ich behalte meine Antipathien natürlich auch weise für mich...

    Ich ging auf meine Klippe, ganz nahe hin zum Wasser und sang hinein in das wirbelnde Gesprudel. Und schlanke große Fichtenstämme kamen das Wasser hinuntergeschwommen, tauchten unter, tauchten wieder auf und leuchteten mir zu... Und die kleine Bachstelze kam mit ihrem schwarzen Käpplein und ihrem schwarzen Brüstlein und wippte und piepte, und wir...saßen ein Weilchen ruhig nebeneinander und freuten uns. ((Lilleon / Norwegen, 20.08.1898))

    Getreulich (wandle ich) morgens und nachmittags zu meiner Mutter Schröder ins Armenhaus... Mit diesem steinalten Mütterlein sitze ich in einem großen grauen Saale. Unser Gespräch verläuft ungefähr so. Sie: ''Jo, komt se morgen wedder?'' Ich: ''Ja, Mudder, wenn Se's recht is?'' Sie: ''Djo, is mir einerlei.'' Nach einer halben Stunde beginnt das tiefsinnige Gespräch von neuem. Dazwischen kommen aber höchst interessante Episoden. Dann hat die Alte eine Art von Halluzination. Dann beginnt sie irgendwelche Jugendbilder zu erzählen. Aber so dramatisch in Rede und Widerrede, mit verschiedenem Tonfall, daß es eine Lust ist, zuzuhören... Leider verstehe ich nicht alles. Und fragen darf man nicht, sonst kommt sie aus dem Konzept und kehrt in ihr Jammerdasein zurück...

    Neben dieser Sibyllenstimme klingt noch ein liebliches Gezwitscher an mein Ohr. Das ist das kleine fünfjährige blonde Mädel, das seine Mutter ungefähr zu Tode prügelte und das jetzt zur Erholung die Armenhausgänse hüten darf. Nun hat sich dies Persönchen in ein Gewebe von Traum und Märchen eingehüllt und hält liebliche Zwiegespräche mit ihrer weißen Schar. Dazwischen kräht sie langsam ''Freut euch des Lebens'' - und versetzt einem naseweisen Huhn eins mit der Gerte. / /

    Mackensen kommt alle paar Tage und gibt eine famose Korrektur. Es tut mir gut, mit ihm umzugehen. Es brennt solch ein Feuer in ihm für seine Kunst. Wenn er davon spricht, hat seine Stimme einen warmen vibrierenden Klang, daß es in mir selber bebt und zittert. Wenn er Dürer zitiert, so tut er es mit einer Feierlichkeit in Ton und Gebärde, als wenn ein frommes Kind seine Bibelsprüche hersagt. Sein Gott ist Rembrandt... Inbrünstigen Schrittes (folgt er) seinen Spuren. / /

    Abends zeichne ich jetzt Akt, lebensgroß. Die kleine Meta Fijol mit ihrem kleinen frommen Cäciliengesicht macht den Anfang. Als ich ihr sagte, sie solle sich ganz ausziehen, antwortete das kleine energische Persönchen: ''Nee, dat do ick nich,'' ich brachte sie zu Halbakt und gestern, durch eine Mark, erweichte ich sie ganz. Aber innerlich errötete ich und haßte mich Versucher. Sie ist ein kleines, schiefbeiniges Geschöpflein, und doch bin ich froh, wieder einmal einen Akt in Muße zu betrachten.

    Ich lese jetzt das Tagebuch der Marie Bashkirtseff. (( < = verst. 1884 in Paris // Ihr Tagebuch...wurde in einer von der Mutter gekürzten und zensierten Fassung...1897 ins Deutsche (übersetzt) / v. wikipedia.org // Obschon eine große Anzahl >ihrer< Werk(e) von den Nazis...zerstört wurden, können etwa 60 Gemälde und Skulpturen noch identifiziert werden / v. artinwords.de)) Es interessiert mich sehr. Ich werde ganz aufgeregt beim Lesen. Die hat ihr Leben so riesig wahrgenommen. Ich habe meine ersten zwanzig Jahre verbummelt. Oder wuchs ganz in der Stille das Fundament, auf dem die nächsten zwanzig Jahre aufbauen sollen? / /

    Es ist ein sonderliches Gefühl. wie all das Bunte, Anerzogene, Geschauspielerte, was ich besaß, wegfällt, und eine vibrierende Einfachheit entsteht... Mackensen sagt: ''Die Kraft ist das Allerschönste.'' Am Anfang war die Kraft. Ich denke und erkenne es auch. Und doch wird in meiner Kunst die Kraft nicht Leitton sein. In mir fühle ich es wie ein leises Gewebe, ein Vibrieren, ein Flügelschlagen, ein zitterndes Ausruhen, ein Atemanhalten: wenn ich einst malen kann, werde ich das malen...

    Ich lese die ''Wahlverwandtschaften'' und bin durchwärmt von der Anmut dieses Buches. Zum ersten Male tritt mir der Mensch Goethe nahe. Ich fühle ihn als durch und durch ästhetischen Menschen, innerlich und äußerlich. Die Anmut der Unterhaltung, dieser Frauenliebreiz... Ich fühle mich wohl in dieser Atmosphäre. ((Worpswede, 18.09. / / 18.10. / / 11.11.1898 / / 19.01.1899))

    zit. v. projekt-gutenberg.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • 22.11.1959 - im ''Dt. Fernsehfunk'' geht ''Unser Sandmännchen'' auf Sendung....

    Die literar. Figur des Sandmanns ist seit Jahrhunderten aus verschiedenen Erzählungen bekannt, zum Beispiel...Hans C. Andersens >im Dez. 1841 erstmals erschienene< Ole Lukoje (übers. z. B. mit Ole Augenschließer) / v. wikipedia.org ... Hier c. die Hälfte d. Textes in der Übers. v. Julius Reuscher, zitiert nach der Ausgabe des Verlags Abel & Müller (Leipzig: um 1900).

    Einleitung... Er kommt die Treppe sachte herauf, denn er geht auf Socken; er macht ganz leise die Thüren auf und husch! da spritzt er den Kindern süße Milch in die Augen hinein, und das so fein, so fein, aber immer genug, daß sie die Augen nicht offenhalten und ihn deshalb auch nicht sehen können. Er schleicht sich gerade hinter sie, bläst ihnen sachte in den Nacken, und dann werden sie schwer im Kopf. Aber es thut nicht weh, denn der Sandmann meint es gut mit den Kindern; er will nur, daß sie ruhig sein sollen, und das sind sie am schnellsten, wenn man sie zu Bette gebracht hat; sie sollen still sein, damit er ihnen Geschichten erzählen kann...

    Dienstag... Nun hob der Sandmann den kleinen Friedrich gegen den Rahmen empor und stellte seine Füße in das Gemälde, gerade in das hohe Gras, und da stand er, die Sonne beschien ihn durch die Zweige der Bäume. Er lief hin zum Wasser und setzte sich in ein kleines Boot, welches dort lag; es war rot und weiß angestrichen, das Segel glänzte wie Silber, und sechs Schwäne, alle mit Goldkronen um den Hals und einem strahlenden blauen Stern auf dem Kopf, zogen das Boot an dem grünen Walde vorbei, wo die Bäume von Räubern und Hexen und die Blumen von den niedlichen, kleinen Elfen und von dem, was die Schmetterlinge ihnen gesagt hatten, erzählten.

    Die herrlichen Fische, mit Schuppen wie Silber und Gold, schwammen dem Boote nach; mitunter machten sie einen Sprung, daß es im Wasser plätscherte, und Vögel, rot und blau, klein und groß, flogen in langen Reihen hinterher, die Mücken tanzten und die Maikäfer sagten: ''Bum, bum!'' Sie wollten Friedrich alle folgen, und alle hatten eine Geschichte zu erzählen.

    Das war eine Lustfahrt! Bald waren die Wälder ganz dicht und dunkel, bald waren sie wie der herrlichste Garten mit Sonnenschein und Blumen. Da lagen große Schlösser von Glas und von Marmor; auf den Altanen standen Prinzessinen, und alle waren es kleinen Mädchen, die Friedrich gut kannte; er hatte früher mit ihnen gespielt. Sie streckten jede die Hand aus und hielten das niedlichste Zuckerherz hin, welches je eine Kuchenfrau verkaufen konnte, und Friedrich faßte die eine Seite des Zuckerherzens an, indem er vorbeifuhr, und die Prinzessin hielt recht fest, und so bekam jedes sein Stück, sie das kleinste, Friedrich das größte. Bei jedem Schlosse standen kleine Prinzen Schildwache, sie schulterten mit Säbeln und ließen Rosinen und Zinnsoldaten regnen...

    Mittwoch... Sie segelten so lange, bis kein Land mehr zu erblicken war, und sie sahen einen Flug Störche, die kamen auch von der Heimat und wollten nach den warmen Ländern; ein Storch flog immer hinter dem andern, und sie waren schon weit, weit geflogen! Einer von ihnen war so ermüdet, daß seine Flügel ihn kaum noch zu tragen vermochten... zuletzt sank er mit ausgebreiteten Flügeln tiefer und tiefer, er machte noch ein paar Schläge mit den Schwingen, aber es half nichts; nun berührte er mit seinen Füßen das Tauwerk des Schiffes, glitt vom Segel herab, und bums! da stand er auf dem Verdeck. Da nahm ihn der Schiffsjunge und setzte ihn in das Hühnerhaus zu den Hühnern, Enten und Truthähnen; der arme Storch stand ganz befangen mitten unter ihnen.

    ''Sieh den!'' sagten alle Hühner. Der kalekutische Hahn blies sich so dick auf, wie er konnte, und fragte, wer er sei. Die Enten gingen rückwärts und stießen einander: ''Rapple Dich, rapple Dich!'' Der Storch erzählte vom warmen Afrika, von den Pyramiden und vom Strauße, der einem wilden Pferde gleich die Wüste durchlaufe; aber die Enten verstanden nicht, was er sagte, und dann stießen sie einander: ''Wir sind doch darüber einverstanden, daß er dumm ist?'' ''Ja, sicher ist er dumm!'' sagte der kalekutische Hahn... ''Das sind ja herrlich dünne Beine, die Ihr habt... Was kostet die Elle davon?'' ''Skrat, skrat, skrat!'' grinsten alle Enten, aber der Storch that, als ob er es gar nicht höre. ''Ihr könnt immer mitlachen,'' sagte der Kalekute zu ihm, ''denn es war sehr witzig gesagt, oder war es Euch vielleicht zu hoch? Ach, er ist nicht vielseitig, wir wollen für uns bleiben!'' Und dann gluckte er, und die Enten schnatterten: ''Gikgak! Gikgak!!'' Es war erschrecklich, wie sie sich selbst belustigten.

    Aber Friedrich ging nach dem Hühnerhause, öffnete die Thür, rief den Storch, und er hüpfte zu ihm hinaus auf das Verdeck. Nun hatte er ja ausgeruht, und es war gleichsam, als ob er Friedrich zunickte, um ihm zu danken. Darauf entfaltete er seine Schwingen und flog nach den warmen Ländern...

    Donnerstag... ''(Die kleine Maus) ist gekommen, um Dich zur Hochzeit einzuladen. Hier sind diese Nacht zwei kleine Mäuse, die in den Stand der Ehe treten wollen. Sie wohnen unter Deiner Mutter Speisekammerfußboden; das soll eine schöne Wohnung sein!'' ...und er berührte Friedrich mit seiner Zauberspritze, wodurch dieser sogleich kleiner und kleiner wurde; zuletzt war er keinen Finger lang. ''Nun kannst Du Dir die Kleider des Zinnsoldaten leihen; ich denke, sie werden Dir passen, und es sieht gut aus, wenn man Uniform in Gesellschaft hat!''

    ...zuerst kamen sie...in einen langen Gang, der nicht höher war, als daß sie gerade mit dem Fingerhut dort fahren konnten; und der ganze Gang war mit faulem Holze erleuchtet. ''Riecht es hier nicht herrlich?'' sagte die Maus, die ihn zog. ''Der ganze Gang ist mit Speckschwarten geschmiert worden! Es kann nichts Schöneres geben!'' ...(im Brautsaal) standen zur Rechten alle kleinen Mäusedamen, die wisperten und zischelten, als ob sie einander zum Besten hielten; zur Linken standen alle Mäuseherren und strichen sich mit der Pfote den Schnauzbart. Aber mitten im Saal sah man das Brautpaar; sie standen in einer ausgehöhlten Käserinde und küßten sich gar erschrecklich viel vor aller Augen...

    Es kamen immer mehr und mehr Fremde; die eine Maus war nahe daran, die andere tot zu treten, und das Brautpaar hatte sich mitten in die Thür gestellt, sodaß man weder hinaus noch hinein gelangen konnte. Die ganze Stube war ebenso wie der Gang mit Speckschwarten eingeschmiert, das war die ganze Bewirtung, aber zum Nachtisch wurde eine Erbse vorgezeigt, in die eine Maus aus der Familie den Namen des Brautpaares eingebissen hatte, das heißt den ersten Buchstaben. Das war etwas ganz Besonderes.

    Alle Mäuse sagten, daß es eine schöne Hochzeit und daß die Unterhaltung gut gewesen sei. Dann fuhr Friedrich wieder nach Hause; er war wahrlich in vornehmer Gesellschaft gewesen, aber er hatte auch...Zinnsoldatenuniform anziehen müssen...

    Sonnabend... Der ganze Regenschirm sah aus wie eine große chinesische Schale mit blauen Bäumen und spitzen Brücken und mit kleinen Chinesen darauf, die dastanden und mit dem Kopfe nickten. ''Wir müssen die ganze Welt zu morgen schön ausgeputzt haben,'' sagte der Sandmann; ''es ist ja morgen Sonntag. Ich will die Kirchtürme besuchen, um zu sehen, ob die kleinen Kirchkobolde die Glocken polieren, damit sie hübsch klingen; ich will hinaus auf das Feld gehen und sehen, ob die Winde den Staub von Gras und Blätter blasen, und was die größte Arbeit ist, ich will alle Sterne herunterholen, um sie zu polieren. Ich nehme sie in meine Schürze; aber erst muß ein jeder numeriert werden, und die Löcher, worin sie da oben sitzen, müssen auch numeriert werden, damit sie wieder auf den rechten Fleck kommen, sonst würden sie nicht festsitzen und wir würden zu viele Sternschnuppen bekommen, indem der eine nach dem andern herunterpurzeln würde!''

    ''Hören Sie, wissen Sie was, Herr Sandmann?'' sagte ein altes Bild, welches an der Wand hing... ''ich danke Ihnen, daß sie dem Knaben Geschichten erzählen, aber Sie müssen seine Begriffe nicht verdrehen. Die Sterne können nicht heruntergenommen und poliert werden! Die Sterne sind Kugeln, ebenso wie unsere Erde, und das ist gerade das Gute an ihnen.'' ''Ich danke Dir, Du alter Urgroßvater,'' sagte der Sandmann... ''aber ich bin doch älter als Du! Ich bin ein alter Heide; Römer und Griechen nannten mich den Traumgott! Ich bin in die vornehmsten Häuser gekommen...; ich weiß sowohl mit Geringen wie mit Großen umzugehen! Nun kannst Du erzählen!'' Und da ging der Sandmann und nahm seinen Regenschirm mit. ''Nun darf man wohl seine Meinung gar nicht mehr sagen!'' brummte das Bild...

    zit. v. zeno.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • 26.01.1790 - Im 'alten Burgtheater' in Wien wird Mozarts dramma giocoso 'Cosi fan tutte' uraufgeführt

    In dieser 1875 geschriebenen (i. F. zu etwa einem Viertel wiedergegebenen) Polemik des Wiener Kritikers Eduard Hanslick sind die zur damaligen Zeit gängigen Ansichten zur 'Cosi' (lt. Csampai / Holland) ''wie in einem Brennspiegel gebündelt''...

    Warum gibt man nicht mehr Mozart's 'Cosi fan tutte'? So hört man klagen zu jeder Zeit und überall, wo es in Deutschland eine große Opernbühne gibt. Alle zehn Jahre fühlen denn auch die Directionen ein classisch Rühren und wagen den Versuch mit der Weibertreue. Bei der ersten Vorstellung wird applaudirt, gerufen, gelobt, und im Zwischenact versichert ein Nachbar den andern seines Wonnegefühls über diese herrliche Musik. Aber selten geschieht es - anderwärts hat man stets dieselbe Erfahrung gemacht -, daß einer dieser Lobredner das Bedürfniß fühlt, sich 'Cosi' ein zweites oder drittes Mal anzuhören, und nach wenigen Vorstellungen spielt die Oper vor leeren Bänken. Die Ursache liegt theils im Publicum, theils in dem Werke selbst.

    Während des raschen Lebens- und Verbrennungs-Processes, den die Musik seit Mozart durchgemacht, sind wir an eine schärfere und lebhaftere Musik in der Oper gewöhnt worden. Mozart selbst hat uns in 'Don Juan', 'Figaro' und der 'Zauberflöte' ungleich packendere Musik gegeben. Wir sind schuld, oder die Zeit ist es, daß viele ehedem wirksame Partien in 'Cosi fan tutte' uns heute veraltet und formalistisch klingen. Eine andere, tiefliegende Schuld ruht in dem Werke selbst. Gibt es einen dürftigeren Stoff für eine ganze Oper, als die Worte zweier Officiere, die Treue ihrer Bräute verkleidet zu erproben? Gibt es eine abgeschmacktere Zumuthung, als die fortdauernde Blindheit der beiden Heldinnen, welche ihre Liebhaber, mit denen sie eine Viertelstunde zuvor noch gekost, nicht erkennen, ja ihr eigenes Kammermädchen unter einer Perücke ohne weiteres für den Arzt, dann für den Notar halten? Da Ponte's Original-Libretto ist geistlos, weil es den beiden Männern gelingt, ihre Geliebten zu täuschen und binnen wenigen Stunden treulos zu machen. Die Verzeihung, welche schließlich die Untreue dieser beiden Närrinnen deckt und welche damit gerechtfertigt wird, daß alle Frauen sich gleichen, ist eine noch viel gröbere Impertinenz als die früheren.

    Um dem abzuhelfen, hat man später das Libretto dahin umgearbeitet, daß die beiden Schwestern rechtzeitig die Falle entdecken, und um ihre Liebhaber zu strafen, sich blos stellen, als ließen sie sich von den Fremdlingen berücken. Solche an sich recht glückliche Wendung der Fabel hat aber die große Inconvenienz zur Folge, daß sie zu der musikalischen Charakteristik des zweiten Actes nicht paßt, indem die Mädchen jetzt nur zum Scheine äußern müssen, was Mozart's Musik im vollen Ernste meint. Es sind noch zahlreiche andere Umarbeitungen dieser Oper unternommen worden, die wol einzelne Äste beschneiden oder stützen, allein nicht das Grundübel beheben können.

    Unstreitig hat in 'Cosi fan tutte' der stete Verkehr mit dem Flachen, Unwitzigen und Herzlosen der Dichtung Mozart's Schöpferkraft unter ihre normale Höhe herabgerückt. Damit soll weder der vollendeten Schönheit einzelner Nummern etwas genommen werden, noch dem unvergleichlichen Hauch von Anmuth, der auf dem Ganzen ruht. Das erste Finale ist ein Gebilde von Meisterhand, reizend in der Melodie, bescheiden-geistreich in der Begleitung, von treibender Lebendigkeit des Ausdrucks. Das kleine Quintett in F-dur und das Terzett 'Soave sia il vento' sind musikalische Blüthen von frühlingsmäßigem Duft und Schmelz. Den schwächeren Teil bilden die Arien und Duette; viele davon sind rein conventionelle Ausfüllungen stereotyper Formen, sowohl im pathetischen als im Buffostyle.

    Wol wäre der Erfolg von 'Cosi' gesichert, wenn der zweite Act sich auf der Höhe des ersten erhielte. Leider fällt er dramatisch wie musikalisch ab, anstatt das Vorhergehende zu steigern und rasch zu schließen. Mit dem ersten Fallen des Vorhanges ist die armselige Intrigue bereits vollständig abgenützt, der zweite Act kann nur lästige Wiederholungen und eine längst vorausgesehene Lösung bringen.

    Lt. Csampai / Holland ''leitet(e)'' eine - von Richard Strauss dirigierte und am 25.06.1897 erstmals gegebene - Münchner Produktion ''die Wende in der Rezeptionsgeschichte (dieser) Oper ein''. Den folgenden (hier zu c. einem Drittel wiedergegebenen) Text verfasste Strauss anlässlich deren Wiederaufnahme im Dezember 1910...

    Werke von großen Meistern, die im dramatischen Aufbau oder im Text selbst Schwächen aufweisen, waren von jeher Opfer ''denkender'' Bühnenleiter und Regisseure. Die harmlosen unter ihnen begnügen sich damit, derlei Werke einfach nicht zu geben, die gefährlicheren pflegen so ein Werk zu bearbeiten, was man in der Theatersprache ''retten'' nennt. Bei 'Cosi fan tutte' speziell haben (sie) sich meistens damit geholfen, diejenigen Nummern und Secco-Recitative einfach wegzustreichen, die als nicht auf der Höhe des eigentlichen Mozart stehend erschienen waren. Besonders in den Secco-Recitativen, die, als nur zur Handlung gehörig, nicht den erwünschten Ohrenschmaus bereiteten - wenn sie auch gerade in 'Cosi' mit der größten Sorgfalt behandelt sind -, hat der Blaustift energisch gewütet.

    Herr Eduard Devrient - dessen Übersetzung von 'Cosi fan tutte' übrigens meist recht gut ist - war oberflächlich genug, (zu versuchen, die einzelnen musikalischen Schönheiten des Werkes dadurch zu retten), daß er mit einer Umarbeitung des Textes die anstößig frivole Rokokohandlung ins Gegenteil verkehrte. Bei (ihm) erfahren zu Beginn des zweiten Aktes die beiden Damen durch Despina, daß sie das Opfer einer Wette werden sollten. Beide() Damen - die von Mozart und seinem Dichter, abgesehen von einer großen Übertreibung in der Kundgebung ihrer Gefühle, doch durchaus ernsthaft behandelt sind - (spielen nun) ihrerseits mit ihren Liebhabern Komödie. Daß durch diese Veränderung die ganzen Ausbrüche des sentimentalen Gewissens der Fiordiligi als Ironie herauskommen, genierte Herrn Devrient nicht. Er war leichtsinnig genug, die feine Unterscheidung gar nicht zu bemerken, die Mozart im Gefühlsausdruck der je nach Maßgabe ihres Charakters sich durchaus ernsthaft gebenden Damen und demjenigen der nur Komödie spielenden Herren so genial durchgeführt hat. >>Bei ((deren)) hohlpathetischen Liebesschwüren sei nebenbei besonders auf die höchst originelle Verwendung der Trompeten aufmerksam gemacht.<< Herr Devrient war ferner oberflächlich genug, eine Arie der Fiordiligi - 'Fest wie Felsen', B-dur - von Dorabella singen zu lassen, als ob der feine Psychologe Mozart den Charakter der sentimentalen und gewissenhaften Fiordiligi nicht ganz genau von der munteren (und) leichter erregbaren Dorabella geschieden hätte. Dorabella ist die erste, die den falschen Schwüren des zweiten Liebhabers unterliegt, sie ist aber auch zugleich diejenige, deren Schmerz über den drohenden Verlust des Verlobten sich gleich zu Anfang - in einer köstlich komponierten, bis jetzt natürlich stets gestrichenen Arie: 'Furchtbare Qualen', Es-dur - in einer Weise übertrieben kundgibt, daß der aufmerksame Zuschauer, der nicht bloß als Musikfreund älterer Ordnung im Theater sitzt und durch unaufhörliche Konsonanzen geschmeichelt wissen will, unschwer erkennt, daß eine sich derart gebärdende Leidenschaft recht leicht in ihren Zielen wankend gemacht werden kann.

    Vor dem Auftreten Wagners hat man den großen Dramatiker Mozart neben dem Musiker Mozart nur so nebenher gelten lassen. Allenfalls in der herrlichen Komturszene des 'Don Juan' spürte man an seinen Nerven etwas, was man in der guten alten Zeit für eine dramatische Wirkung hielt. Daß jetzt Musiker und Laien auch für feinere Wirkungen in der Oper einen empfänglicheren Sinn mit ins Theater bringen, ist sicher das Verdienst Wagners und der von ihm durchgeführten Reform. Eine - allerdings noch kleine - Gemeinde erfreut sich heute an dem Reiz einer psychologischen, konsequent durchgeführten, sorgfältig abgetönten Handlung ohne große Haupt- und Staatsaktionen, wie es der in 'Cosi fan tutte' mit feinster Ironie behandelte humoristisch-pathetische, parodistisch-sentimentale Stil ist. Mozarts letzte Opera buffa stellt nicht nur ein Unikum der Mozartschen dramatischen Schöpfungen, sondern eine Perle der gesamten Lustspielliteratur vor Richard Wagners 'Meistersingern' dar.

    Was war nun wohl der Grund, warum 'Cosi' bis jetzt nicht die allgemeine Anerkennung gefunden hat? Vielleicht kam in einer Zeit, wo den rein musikalischen Bedürfnissen des Publikums zufolge die Sänger ihr ganzes Augenmerk auf die schwierige Darstellung des musikalischen Stils der Oper allein richteten, dieser eigentümlich parodistische Stil des Mozartschen Lustspiels dramaturgisch nicht in der von Ton- und Textdichter beabsichtigten Weise zur Geltung. Die diesen Stil am schärfsten ausdrückenden Nummern - die Es-dur-Arie der Dorabella im ersten Akt, die B-dur-Arie des Ferrando und die G-dur-Arie des Guglielmo im zweiten Akt - waren stets gestrichen.

    Von der im Grunde sehr naheliegenden Erkenntnis geleitet, daß Mozart doch wohl besser wußte, was er mit dem Werk gewollt hat, als Herr Devrient - und daß es bis jetzt vielleicht doch mehr an Vortrag und szenische(r) Darstellung gelegen, wenn 'Cosi' nicht die beabsichtigte Wirkung hatte - haben die Leiter der damaligen Münchner Neueinstudierung, unterstützt durch eine peinlich korrekte Textübersetzung von Hermann Levi, eine Aufführung angestrebt, die den oben erwähnten humoristisch-pathetischen, parodistisch-sentimentalen Stil möglichst vollkommen zur Darstellung brachte.

    Beide Zitate sind dem (v. Attila Csampai u. Dietmar Holland herausgegebenen) Band ''Cosi fan tutte - Texte, Materialien, Kommentare (Rowohlt Verl.: Reinbek bei Hamburg 1984)'' entnommen.

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    5 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (26. Januar 2022 um 23:22)

  • 28.od.29.01.1919 - Todestag von Franz Mehring

    Der bedeutende Karl Marx - Biograph publizierte auch über deutsche Geschichte ab dem ausgehenden Mittelalter und über deutsche Literatur. (Aktuell gehörte er zu den Autoren, die der Kalendermann regelmäßig zu Rate zöge, wäre er ein sehr politisch orientierter Opernregisseur.) Seine etwa 100seitige Studie über Schiller erschien erstmals 1905 in Leipzig. Daraus zunächst einige (stark gekürzte) Sätze über das Jahr 1785, dann ein paar (durchaus kritische, nahezu ungekürzte) Bemerkungen über den ''Don Karlos''....

    ''Wir wissen genug von Ihnen, um Ihnen unsere ganze Freundschaft anzubieten'', schrieb ((Christian Gottfried)) Körner ((1756/1831)) (am 11. Januar 1785), ''aber Sie kennen uns noch nicht genug. Also kommen sie selbst so bald als möglich.'' Darauf antwortete Schiller in einem ''kolossalischen'' Briefe, von dem Hebbel sagt, überall zeige er die hohle Geschraubtheit des Jahrhunderts, das dadurch poetisch zu werden glaube, daß sie für triviale Gedanken unerhörte Ausdrücke erfinde, aber zwischendurch blitze - gerade wenn eben der Widerwille aufsteigen wolle - die große Schillersche Individualität auf.

    Jedoch gilt dies mehr von dem ersten Teil des Briefes. (Hier) nimmt Schiller die Einladung nach Leipzig mit überstiegenen, aber doch auch wieder lässigen Worten an, dagegen beginnt der zweite Teil: ''Hier bin ich neulich durch unvermuteten Besuch unterbrochen worden, und diese zwölf Tage ist eine Revolution in mir vorgegangen, die dem gegenwärtigen Briefe mehr Wichtigkeit gibt, als ich mir habe träumen lassen. in einer unnennbaren Bedrängnis schreibe ich Ihnen, meine Besten. Ich kann nicht mehr hier bleiben. Menschen, Verhältnisse und Heimat sind mir zuwider. Ich habe keine Seele hier, keine einzige, die die Leere meines Herzens füllte.''

    Es ist nicht urkundlich zu erweisen, aber nach diesem Briefe, den mystisch dunklen Denkwürdigkeiten, die Charlotte von Kalb in hohem Alter diktiert hat, und zwei Gedichten Schillers** aus dieser Zeit - der ''Freigeisterei der Leidenschaft'' und ''Resignation'' - ist es wahrscheinlich, daß es damals zwischen ihm und der Freundin zu einer Katastrophe gekommen ist. // // **Es sind die einzigen Liebesgedichte, die Schiller je gedichtet hat, denn seine Oden an Laura zählen überhaupt nicht, und was er später seiner Frau - oder auch wohl einer anderen Geliebten - ins Stammbuch geschrieben hat, geht über die Grenzen freundschaftlicher Neigung nicht hinaus. Und es ist charakteristisch für seine Lyrik, daß diese Liebesgedichte nur noch ihres philosophischen Gehalts wegen interessieren.

    In der zweiten Aprilwoche etwa brach Schiller auf. So friedliche Tage, wie er nun in Leipzig und Gohlis und dann vom Herbste ab in Dresden und Loschwitz erlebte, hatte er noch nie gesehen. Seine damalige Stimmung spiegelt sich in dem ''Lied an die Freude'' wieder, das als eine Art Bundeslied für den Kreis der ''heiligen Fünf'' entstand. Später hat Schiller vom ästhetischen Standpunkt aus sehr schroff (darüber) geurteilt und es sogar von der Sammlung seiner Gedichte ausgeschlossen; er meinte, nur weil es einem fehlerhaften Geschmacke der Zeit entgegengekommen sei, habe es die Ehre erhalten, gewissermaßen ein Volksgedicht zu werden. Aber seitdem er den freudetrunkenen Ruf anstimmen durfte ''Wem der große Wurf gelungen / Eines Freundes Freund zu sein'', leuchteten freundlichere Sterne über Schillers Leben.

    Die Anziehungskraft, die Goethe später gerühmt hat, ist ihm von jeher eigen gewesen, und es hat ihm nie an Freunden gefehlt, die treu zu ihm hielten. Aber einen Freund, wie Körner war, hatte er noch nie gefunden; weder mit den Karlsschülern in Stuttgart, noch mit den Schauspielern in Mannheim ließ sich dieser Sohn eines Leipziger Professors vergleichen, der - nur um drei Jahre älter als Schiller - ihm als gefesteter Mann gegenübertrat. Körner hatte sich in mehr als einem Fache der Wissenschaft umgesehen und war auf ausgedehnten Reisen mit der Welt bekannt geworden. In seiner Jurisprudenz sah er nur eine ''angebliche Beschäftigung''; ihm ekelte ''vor dem buntscheckigen Gewebe willkürlicher Sätze, die trotz ihrer Widersinnigkeit dem Gedächtnis eingeprägt werden mußten.'' Seine tiefste Teilnahme gehörte wohl den philosophischen Studien - er zählte zu den ersten Anhängern Kants -, aber auch ästhetischen Fragen war er zugewandt. Mit merkwürdiger Sicherheit schrieb er gleich in seinem zweiten Briefe an Schiller: ''Alles, was die Geschichte in Charakteren und Situationen Großes liefert und Shakespeare noch nicht erschöpft hat, wartet auf ihren Pinsel. Dies ist gleichsam bestellte Arbeit.'' Eine eigentlich produktive Natur war Körner nicht, aber als er in dunklem Bewußtsein dieses Mangels - ebenfalls in einem seiner ersten Briefe an Schiller - sich darüber beklagte, nicht etwas zu tun, wodurch man seine Schulden dem Glück abtrage, antwortete ihm der Freund mit den überaus treffenden Worten: ''Danken Sie dem Himmel für das beste Geschenk, das er Ihnen verleihen konnte, für dies glückliche Talent zur Begeisterung.''

    Aus diesem Talent hat Schiller reichen Gewinn gezogen. Immer und immer in den nächsten Jahren, wenn (er) an seinem dichterischen Berufe zweifelte, drängte ihm Körner mit unbeirrbarer Sicherheit darauf zurück, und oft genug vertrat der praktische Geschäftsmann die Rechte des Genius gegen die nüchternen und prosaischen Einwendungen des Dichters selbst. Nicht reich, aber vermögend, hat Körner manchen Stein von Schillers Lebenswege zu räumen gewußt, und er hat es mit unvergleichlichem Takte getan.

    Vierter Absatz...''für den Kreis der 'heiligen Fünf''': die These, Schiller habe diese Ode einer Dresdner Freimaurerloge (tatsächlich oder quasi-) gewidmet, gilt wohl inzwischen als widerlegt (S. Anmerkung bei wikipedia.org).

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    Einmal editiert, zuletzt von wes.walldorff (28. Januar 2022 um 08:43)

  • Der Freimaurer= wie der Illuminatenorden waren ohnmächtige Anläufe leichter Aufklärung gegen die in ihrer Art großartige Organisation des Jesuitenordens. ((Johann Adam)) Weishaupt ((1748/1830)), ursprünglich ein katholischer Priester, dachte etwas so klar, wie heutzutage ein altkatholischer Professor. Der von ihm gestiftete (Illuminaten-)Orden sollte namentlich Fürsten und Minister für diese Ziele zu gewinnen suchen: Herrschaft der Vernunft, politische und religiöse Aufklärung und Verbreitung republikanischer Denkweise. Der Freimaurerorden hatte eine gewisse Tradition hinter sich, aber deshalb war er dem wirtschaftlichen Leben der Zeit nicht weniger entfremdet. Als Bode* im Herbst 1787 von einer Reise nach Paris zurückkehrte, erfuhr Schiller von ihm, daß die französische Nation alle Energie verloren habe und sich mit schnellen Schritten ihrem Verfall nähere. Die Einführung der Notabeln** wäre nur ein Kniff der Regierung; das Parlament wolle nichts bedeuten - es mache Schulexerzitien, wie die Schulknaben in den Gymnasien.

    Marquis Posa tritt nun zwar als ein Ritter des Malteserordens auf, handelt und spricht aber wie ein Ritter des Illuminatenordens. ''Alle Grundsätze und Lieblingsgefühle des Marquis drehen sich um republikanische Tugend,'' erläutert Schiller selbst, und dabei sehen wir nur, wie Posa seine Hand auf den Hebel der despotischen Gewalt legen will, sei es nun im Infanten oder im Könige. Als Abgesandter der niederländischen Rebellion weiß er von dieser nichts zu melden, sondern ergeht sich in den allgemeinsten Schlagworten der Aufklärung, mit denen er das tiefgewurzelte Regierungssystem eines Weltreichs zu erschüttern hofft. In seinen Mitteln so wenig wählerisch wie ein Jesuit***, ist er um so ungeschickter in ((deren)) Gebrauch, und der Dichter selbst kann die Verwirrung, die sein Held angestiftet hat, in den Briefen über den Don Karlos nur mit Argumenten beschönigen, wie etwa ''Er hat den richtigen Gebrauch seiner Urteilskraft verloren -- er ist nicht mehr Meister seiner Gedankenreihe -- endlich will ich ja den Marquis von Schwärmerei durchaus nicht freigesprochen haben.'' Freilich blendet der Ritter durch den glänzenden Mantel der Rhetorik, den ihm Schiller um die Schultern gehängt hat, aber den Versuch des Dichters, den Charakter Posas zu retten, hat Körner schon mit den trocknen Worten erledigt: ''Du gibst dein Kunstwerk preis und willst nur deine Ideale retten, in die du verliebt bist.''

    Als Typ des damaligen Freimaurer= und Illuminatenwesens ist Posa vortrefflich hinausgekommen, aber als Held des Dichters, der sieben Jahre früher die Räuber geschrieben hatte, macht er eine desto miserablere Figur. Doch ist dies Interesse für eine überaus leere Aufklärung nur eine vorübergehende Phase der inneren Revolution gewesen, die sich in Schiller vollzog, als er den Karlos schuf, und wie er sich nun in ein Jahrzehnt historischer und philosophischer Studien stürzte, ehe er wieder die tragische Bühne beschritt, so ist er auch schon allzu hart dadurch gestraft worden, daß ihm sein ''sonderbarer Schwärmer'' sein schönes Gedicht zerrüttet hat.

    Vornehmlich durch die feinere, aber deshalb nicht weniger scharfe Charakterzeichnung bekundete Don Karlos einen bedeutenden Fortschritt über die früheren Dramen Schillers. Das gilt nicht nur vom König und der Königin und vom Infanten, sondern auch von mancher Nebenrolle, wie der Prinzessin Eboli - die ungleich wahrer herauskommt, als ihre Vorläuferinnen, die Lady Milford und Julia Imperiali im Fiesko -, oder dem Großinquisitor, dessen grandios=unheimliche Gestalt die Schrecken der Inquisition greifbarer verkörpert, als sie der Dichter, nach seiner jugendlichen Absicht, in den gewaltigsten Worten hätte darstellen können. Aber wenn nicht alle, so doch die Hauptcharaktere werden durch die Art, wie Posa jäh zum Haupthelden emporgeschnellt wird, erschüttert und verschoben, und ebenso sehr leidet darunter die dramatische Handlung. Im dritten und vierten Akte, wo Posa die Führung hat, findet sich selbst der Leser, geschweige denn der Hörer, nur mit Mühe zurecht und dafür entschädigt nicht entfernt die Szene zwischen dem Könige und dem Ritter, die sich ohnehin nicht mit ihrem Vorbilde messen kann, der Szene zwischen Nathan und dem Sultan Saladin. Erst im fünften Akte, wo - wie in den beiden ersten Akten - der tragische Konflikt sich zwischen Vater und Sohn abspielt, gemäß den ursprünglichen Absichten des Dichters, erhebt sich das Drama wieder auf die ergreifende Höhe seiner Anfänge.

    *Johann J. C. Bode, Journalist, Verleger und Übersetzer - persönl. bekannt u. a. mit J. M. R. Lenz und C. M. Wieland, auch mit G. Ph. Telemann und C. Ph. E. Bach - war u. a. bis 1778 zweimal ''Vorsitzender'' einer Hamburger Freimaurerloge.

    **...''verkörperte'' (lt. hsozkult.de) ''(zwischen Februar und Mai 1787) die letzte große Reformanstrengung der franz. Monarchie''

    ***scharfe Attacken gegen den 'Jesuitismus' durchziehen vermutl. nahezu Mehrings gesamtes Werk. In seiner Marx-Biographie nennt er ihn den ''auf kapitalistischer Grundlage reformierte(n) Katholizismus''.

    zit. v. archive.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    6 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (30. Januar 2022 um 08:56)

  • 31.01.1944 - Todestag von Jean Giraudoux

    Arthur Honegger vertont 1941 fünf seiner Gedichte als ''Petit Cours de Morale''. Zu Giraudoux' Stück ''Judith'' (1931) schreibt Hans Werner Henze 1952 eine Bühnenmusik; Karl Amadeus Hartmanns späte ''Gesangsszene'' vertont einige Worte aus dessen Schauspiel ''Sodom und Gomorrha'' (1943).

    N. N. nennt Giraudoux im Deutschlandfunk (zit. auf felix-bloch-erben.de) einen ''vorzügliche(n) Stilist(en)'' u. ''helle(n) Kopf'', der ''eine Vorliebe für skurille Typen'' gehabt habe; N. N. auf wissen.de charakterisiert ihn als ''skeptisch und ironisch, zuweilen preziös verspielt''.

    Der c. 120seitige Roman Bella (erschienen 1926 u. bereits im Jahr darauf erstmals deutsch übersetzt) besteht aus zehn Kapiteln. I. F. einige (jeweils geringfügig gekürzte) Passagen aus den Kapiteln zwei und drei...

    Es war Rebendart, welcher das Denkmal einweihte. Der Advokat Rebendart, früher Minister der Öffentlichen Arbeiten, seit einem Monat Justizminister, verfolgte mit seinem Haß meinen Vater, welcher zusammen mit ihm Bevollmächtigter für den Vertrag von Versailles gewesen war. Ich hörte ihn so oft in seinen Reden wiederholen, daß er Frankreich verkörpere, ich las in so vielen Zeitungen, daß Rebendart das Sinnbild für die Franzosen sei, daß in mir Zweifel aufstiegen über mein Land. Mein Land sollte diese Nation sein, in der nur die Stimme der Advokaten Widerhall fand! Die Advokaten meines Landes, das waren diese mit dem Gesicht stets der Vergangenheit zugekehrten Männer, in einem Rock, der auch schon seine Vergangenheit hinter sich hatte, mit mehr Haarschinnen bedeckt als Lot, nachdem er seine in eine Salzsäule verwandelte Frau umarmt hatte, und die bei Nacht nach dem Rhein zu und in den Seelen der Franzosen die gemeinsamen Grenzen verrückten!

    Dank Rebendart gewann die Heuchelei, die schlechte Laune in allen Behörden Frankreichs, in den Provinzialstädten, in den Absteigquartieren bis in die Herzen der Schulkinder hinein immer mehr an Raum. Jeden Sonntag, wenn er am Fuß eines dieser gußeisernen Soldaten, der geschmeidiger war als er selbst, sein wöchentliches Totendenkmal einweihte und zu glauben vorgab, daß die Getöteten sich nur abseits zurückgezogen hätten, um über die Summen zu beratschlagen, die Deutschland uns schuldig ist, übte er seinen Erpressungsversuch auf diese stumme Jury, deren Schweigen er anrief. Die Toten meines Landes waren dann wohl nach Gemeinden wie zu einem Aufgebot von Amtsdienern versammelt und zankten sich in der Unterwelt mit den toten Deutschen herum. Es war schauderhaft zu denken, wie Rebendart - der bei seinem Übergang zu den öffentlichen Arbeiten sich für verpflichtet hielt, in die im vollen Betrieb befindlichen Minen von Anzin, in die im Aufbau begriffenen Minen von Lens und in die überschwemmten Minen von Courriseres hinabzusteigen - sich die Unterwelt vorstellte und die Ankunft der Schatten an der Furt. Alsdann hielt er im Namen der Toten, die in diesem Augenblick als langgezogene Nebel oder als geballte Schatten vereinigt waren, eine Lobrede auf die Klarheit, auf unser Zahlensystem, auf das Latein, in einer schmierigen zänkischen Sprache von falscher Exaktheit, die einen fast die Sprache der Radikalsozialisten - deren gebräuchlichste Ausdrücke die Worte 'erhaben' und 'glühend' sind - vermissen ließ. Gelehnt an einem Marmor von Bartholome, einen Marmor kälter, als es je ein Leichnam war, und durch diese Berührung auf seine höchste Temperatur gebracht, stand er da, und der Tod aller dieser Franzosen war für ihn das, was der Tod in einer Familie ist, was für ihn, bei allem Schmerz, der Tod seines Vaters und der Tod seines Sohnes gewesen war: ein Erbschaftsstreit.

    Da verbeugte sich die Menge der Mütter und Väter noch als vor einem erhabenen Leichnam, und Rebendart erschien. Er schien diesmal leibhaft aus dem Grab gesprungen. Er spreche, sagte er, im Namen dieser jungen Menschen. Und er log. Denn von jedem dieser Toten wußte ich, was er dachte, was er an seiner Stelle gesagt hätte. Ich hatte noch die letzten Worte mehrerer von ihnen, die dicht neben mir gefallen, in den Ohren. Ich hatte die letzte Mahlzeit mit einigen andern geteilt, das Brot, den roten Wein, die Wurst, die ihr Abendmahl waren. Ich kannte ihre letzten Briefe, von denen jeder der Beginn eines langen und glänzenden Daseins hätte sein können, so sehr strotzen sie vor Lebenslust. Ich kannte jene, welche Feinde getötet hatten, die ihrem eigenen Tode den Schatten eines Ulanen oder eines Gardejägers vorangehen ließen, jene, die keusch gestorben waren, jene, für die der Krieg ein Kampf gegen einen abstrakten Feind war, den sie nie gesehen, nie wahrgenommen, und die gestorben waren mit reinen Händen an einem der Tage, da die Theorien lastend und tödlich werden; da die Adern, der Schädel uns weniger von Granaten als unter dem Druck des Schicksals zu platzen scheinen. Ich wußte, daß sie alle sich in den Krieg gestürzt hatten, nicht mit dem Schwung des Hasses, sondern mit der Freude darüber, sich mit der Pflicht, mit dem Kampf, mit diesem Idioten von Klassenvorstand, mit sich selbst einig zu finden. Sie hatten sich an diesem Augustanfang in ihn hineingeworfen wie in die Ferien, nicht eines Schuljahres allein, sondern des Jahrhunderts, des Lebens. Wenn sie die Erlaubnis gehabt hätten, eine posthume Beschwerde vorzubringen, so darüber, daß sie im Kriege, während sie durch Dreck und Wasser marschierten, keine wasserdichten Leiber hatten, kühl bei der Gluthitze, in den baumlosen Ebenen, und darüber, daß sie den General Dollot hatten, der sie zwang, die Mantelkragen im August hochzuknöpfen. Vom Schöpfer und von zwei Generalen, davon hätten sie heute zu ihren Familien gesprochen, lächelnd, sie entschuldigend, und durchaus nicht, wie Rebendart es in ihrem Namen tat, vom Erbfeind.....

    Der Park meiner Pension war nur durch eine lebende Hecke vom Garten Rebendarts getrennt, und ich konnte bei jeder Blütezeit, durch Rosen und Jasmin hindurch, die Verwandten unseres Widersachers sehen. Ich wußte, was die Schnitter, die Heuer, die Rübenbauer und schließlich - höchste Instanz - die Winzer von den Rebendarts hielten. Ich wußte, was die Jäger, die einen Jagdschein besaßen, aber auch was die Wilddiebe über Rebendart dachten. Dieses Prisma ist auf dem Lande notwendig, wenn man eine Familie gut kennen will. Ihr Haus glich unserm Hause in Argenton, nur mit dem Unterschied, daß die Verschönerungen, welche an unserem von Krämern und Kneipwirten, hier mit noch weniger Geschmack von Gerichts- und Kammerpräsidenten vorgenommen worden waren. Zwischen den bürstenförmig geschnittenen Gesträuchen, die von Schwertlilien eingerahmt waren, entsandten Begonien und Georginen in die stille Luft die Düfte der Champagne. Gerade diese wie aus Blech geschnittenen Blumen waren es, die für die Rebendarts die Familie, die Erholung, ja das Landleben selbst verkörperten; es wäre ihnen ebensowenig in den Sinn gekommen, Heliotrop oder Fuchsie dazuzutun, als für Jungfräulichkeit und Ruhm andere Embleme als Orangenblüte und Lorbeer zu finden.

    Der Ritus der französischen Familie herrschte hier bis ins kleinste. Es gab da eine besondere Manier, jeden Rebendart anzusprechen, ein besonderes Benehmen für jeden, eine besondere Sprache fast. Ihr Clan schien in moralischer wie in physischer Beziehung aus erstaunlich verschiedenen Wesen zusammengesetzt, und im Verlauf eines einfachen Frühstücks im Freien konnte ich ein Zeremoniell beobachten, das viel rigoroser war als das irgendeiner Hofhaltung in Europa. Die Unterhaltung enthielt so viel falsche Betonungen wie eine Vorstellung des 'Tartüff' in der Comedie Francaise. Man mußte seine Stimme zuspitzen, wenn man zu der Cousine Claire sprach, ironisch die Worte skandieren mit dem Schwager Andre, so daß ich unwillkürlich nach ihrem Gedeck und ihrer Serviette sah, ob sie nicht von verschiedenem Leinen und Porzellan wären. Es gab da eine bestimmte Redeweise zwischen der älteren und jüngeren Generation, einen besonderen Stimmfall für die Minister, welche auf der Universität keine Preise bekommen, und für die heruntergekommenen Greise, welche bei Preisbewerbungen eine ehrenhafte Erwähnung erlangt hatten. Ich hatte manchmal den Eindruck, daß sie Hühner aus Pappe äßen, falsches Brot wie auf dem Theater. Während in unserer Familie das gemeinschaftliche Leben die Scheidewand zwischen ihren Mitgliedern allmählich verschwinden machte, so daß der Altersunterschied zwischen Vätern und Söhnen fast weggewischt war, bewirkte es bei den Rebendarts, daß der Abstand zwischen ihnen wie durch Eisengitter aufrechterhalten blieb. // // dt. v. Efraim Frisch; 1873/1942

    zit. v. projekt-gutenberg.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    7 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (1. Februar 2022 um 10:46)

  • 02.02.1714 - Geburtstag von Gottfried August Homilius

    Der Musikwissenschaftler Lothar Hoffmann-Erbrecht notierte 1972 'eine grundlegende Würdigung seines Gesamtschaffens...steht noch aus'. (Falls sich diesbzgl. seitdem 'entscheidendes' getan hat, wäre der Kalendermann für entspr. Hinweise dankbar!!) In hiesigem Forum sind konkrete Sätze über ihn nicht zu finden - bei 'Tamino' hat ihn lediglich Ex-user Ulli (im März 2007) näher erwähnt: seine Johannespassion sei 'sehr textbezogen auskomponiert', stehe stilistisch 'in der Nähe von (Joseph Martin) Kraus' Tod Jesu' - und entspräche bzgl. Instrumentenbehandlung 'im weitesten Sinne jener Mozarts, als er Händel instrumentierte'.

    Philipp Spittas Lexikonartikel v. 1881 (der i. F. etwa zur Hälfte wiedergegeben ist) ist subjektiver (u. nationalistischer!) geraten, als jedenfalls ich es vermutet hätte - allerdings m. E. dennoch durchaus zitierfähig.....

    Der Kirchenmusik seine ganze Lebenskraft zu widmen, war sein, des protestantischen Predigersohns, Ideal. Samuel Petri°° nennt ihn geradeheraus einen Nachfolger Graun's und Hasse's und Gerber°° sagt sogar, er habe die Orgel in Graun's Manier gespielt. Geht man seine Kirchencompositionen durch - wirklich hat er fast ausschließlich für die Kirche geschrieben -, so fehlt es nicht ganz an Zügen, die auf Bach zurückweisen. Hier und da findet sich eine Arie, in welcher, Bach's Weise ähnlich, die Singstimme in einen polyphonen Instrumentalsatz eingeflochten erscheint. Das in eine Choralzeile auslaufende - auch das mehrstimmige - Recitativ sind nicht ohne Beispiel. Und in einem großen Chor der Neujahrscantate 'Bezeichnet von der Hand der Freude' befindet sich eine Fuge, die beinahe für eine Composition Bach's gelten könnte, jedenfalls seinen starken Einfluß verräth. Aber diese Züge verschwinden unter der abweichenden Art aller übrigen.

    Neben Graun und Hasse muß man H. als gleichwerthigen Dritten stehen lassen. Die künstlerischen Resultate dieser beiden Männer hat er sich gründlich angeeignet. Auch bei den Italienern der Epoche Lottis°° und Leos°° - deren Werke ihm in der italianisirten Musikausübung des Dresdener Hofes entgegentraten - hat man die Elemente seiner Ausdrucksweise zu suchen. Ein Magnificat ohne Instrumentalbegleitung in C - Dur, responsorisch gestaltet aus der altkirchlichen Psalmenmelodie und frei erfundenen Gegenstücken, läßt sich den stilvollsten italienischen Kirchencompositionen aus dem Anfange des Jahrhunderts an die Seite setzen. Den Mittelpunkt protestantischer Kirchenmusik - den Choral - hat H. als solchen nicht erkannt. Dies schließt nicht aus, daß es ihm gelegentlich gelingt, den echt kirchlichen Ausdruck zu finden. Er findet ihn aber häufiger durch Anlehnung an die polyphone Vocalmusik der Italiener.

    H. hat ferner von den vorbachischen protestantischen Kirchencomponisten und von Händel gelernt. An Händel erinnert die kräftige Plastik mancher Chöre, auch einzelner Arien. Überhaupt liegt ein Zug zur charakteristischen Musik bei Homilius vor, der sich zuweilen gar zum Dramatischen im engeren Sinne zuspitzt. Diese Eigenart gibt vielen seiner Cantaten ein oratorienhaftes Gepräge. Seine Passionen und die Weihnachtsmusik ''Die Freude der Hirten über die Geburt Jesu'' sind im Grunde ganz als Oratorien gedacht.

    Als Organist der Frauenkirche zu Dresden trat H. 1742 ins Amt. Diese damals noch im Bau befindliche Kirche hatte 1736 schon eine große Silbermann*sche Orgel erhalten, an der als Merkwürdigkeit beobachtet wurde, daß sie nicht in den Chorton, sondern in den Kammerton gestimmt war. Als 1743 die Orgel ganz vollendet war und zur Feier dieses Ereignisses ein großer Lob- und Dankgottesdienst abgehalten wurde, erregte H. durch sein schönes Orgelspiel Bewunderung. 1755 war Theodor Christlieb Reinhold, Cantor der Kreuzschule und Musikdirector der drei evangelischen Hauptkirchen, gestorben. Durch Verfügung des Rathes wurde H. sein Nachfolger.

    Seine Stellung als Musikdirector war dadurch eine ausgezeichnete, daß er in allem die Kirchenmusik betreffenden Dingen ganz unabhängig dastand; die musicirenden Schüler hatten einzig seinen Anordnungen zu folgen - es konnten also Conflicte, wie sie beispielsweise Bach in Leipzig erleben mußte, nicht vorkommen. Uebrigens beschränkte sich sein Kirchendienst die meiste Zeit auf die Frauen- und Sophienkirche, da die Kreuzkirche im siebenjährigen Kriege zerstört und zu seinen Lebzeiten nicht wieder hergestellt wurde. Glanzpunkte seiner Thätigkeit als Componist waren das Jubiläum des Augsburger Religionsfriedens 1755 und das Friedensfest nach Beendigung des siebenjährigen Krieges.

    Obgleich er mit der Orgelkunst amtlich nichts mehr zu thun hatte, blieb er ihrer Pflege doch lebenslang treu. Noch 1776 hörte ihn Johann Friedrich Reichardt°° in der Frauenkirche fantasiren und eine hervorragende Gewandtheit im polyphonen Spiel und ((in der)) Kunst der Registrirung an den Tag legen. Im December 1784 rührte ihn der Schlag, dem am 2. Juni 1785 der Tod folgte.

    Die protestantische Kirchenmusik beruht nicht auf dem gesungenen, sondern auf dem gespielten - und zur beherrschenden Macht der gesammten Orgelkunst erhobenen - Choral, erst in zweiter Linie auf den aus der Orgelmusik hervorgegangenen concertirenden Vocalformen. Daß Bach es vermocht hat, aus dem einen Keim des gespielten kirchlichen Volksliedes seine ganze Kunst zu entwickeln oder doch mit ihm in organische Verbindung zu bringen, ist seine Größe als protestantischer Kirchencomponist. H. hat den Choral zum Gegenstande für Orgelcompositionen genommen; wir besitzen von ihm 12 Choraltrios für zwei Manuale und Pedal. In seinen Cantaten und Passionen spielt (dieser) nur eine beiläufige Rolle. Im schlichten vierstimmigen Satze wird er in den Cantaten zuweilen, in den Passionen häufiger eingeführt. Manche hielten und halten eine solche Harmonisirung für die eigentlich stilvolle, der Würde des Chorals entsprechende. Aber der Contrast eines einfach getragenen Gesanges zu der übrigen, bunt bewegten Musik dient vor allem der Erzielung eines rein musikalischen Effektes. Soll der Choral in die kunstmäßige Kirchenmusik eingeführt werden, so kann er kraft seiner symbolischen Bedeutung nur ihr Mittelpunkt sein. Bei Bach strömt alles Leben gleichsam von ihm aus und wieder zu ihm zurück. Aber die Zeit, deren Kind H. war, verstand das Wesen des Chorals nicht mehr.

    Hätte H. höheren religiösen Schwung besessen, hätten die Verhältnisse in Deutschland die Pflege einer freien Concertmusik in großem Stile zugelassen, er wäre ein würdiger Nachfolger Händels geworden. Aber die Anschauungen des Rationalismus seiner Zeit hielten seine religiöse Empfindung nieder. Tugendhaft und vernünftig sein, darin fand das allgemeine religiöse Bedürfniß damals sein Genüge. Nicht zu leugnen ist, daß H. dieser Anschauung reichlichen Zoll entrichtet. Eine Art biedermännische Gemüthlichkeit des Ausdrucks sind bei ihm manchmal ganz unleidlich. Indessen würde sein Name nicht mit Ehren auf die Nachwelt gekommen sein, wäre er von der religiösen Nüchternheit des Rationalismus ganz umfangen gewesen. Lagen ihm Bach's heroische Glaubensfreudigkeit und inbrünstige Andacht fern, so kommt dafür eine milde Frömmigkeit manchmal zu schönem Ausdruck. Und es ist ihm eine Art von Chören - namentlich Fugen - eigen, die durch eine charakteristische Belebtheit, Würde und einen Anflug von Größe eigenartig erfreuen.

    In Homilius' Motetten - derer er eine große Anzahl geschrieben hat - ist die Compositionstechnik von einer Vortrefflichkeit, die den höchsten Forderungen entspricht. Wäre im unbegleiteten polyphonen Gesang das Ideal protestantischer Kirchenmusik gelegen, müßte man H. unbedingt zu ihren größesten Meistern rechnen. Aber für den germanischen Protestanten passen diese Form und diese Mittel nur wenig, die wol stille Andacht und Verklärung ausdrücken können, nicht aber Luther's mächtig brandendes und kampfesfrohes Empfindungsleben. / zit. v. wikisource.org

    °° Joh. Sam. Petri >1738/1808< wirkend in Bautzen u. Umgeb.; Lt. Tante Wiki Bekanntschaft mit Wilh. Fried. Bach, der ihn auf Graun, Hasse (u. Telemann) näher hingewiesen haben soll // // Ernst Ludw. Gerber >1746/1819< veröffentlichte zwei 'Hist.-Biograph. Lexika d. Tonkünstler' (2bändig, 1790-92; 4bändig, 1812-14) // // Antonio Lotti >1667/1740< Schüler v. Giov. Legrenzi, ab 1717 2J. Dresdener Hofkapellmeister (dort Rückzug vermutl. aus gesundheitl. Gründen!), lt. gemeinden.erzbistum-koeln.de Inspiration v. a. durch Schütz u. Praetorius // // Leonardo Leo >1694/1744< ab 1725 Nachfolger v. Aless. Scarlatti in Neapel, lt. de.schott-music.com ist ''seine wichtigste Neuerung...die Einführung d. Chores in die nepolit. Oper' // // Joh. Friedr. Reichardt >1752/1814< lt. Onkel Wiki sind ''seine (musik-)schrifstellerischen Arbeiten durchweg von bleibendem Wert'; v. Arnims u. Brentanos Sammlung 'Des Knaben Wunderhorn' ist ihm gewidmet.

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    7 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (2. Februar 2022 um 10:33)

  • 05.02.1808 - Geburtstag von Carl Spitzweg

    Karl S. genoß gleich den übrigen Geschwistern eine vorzügliche Erziehung, absolvirte das Gymnasium und trat als Lehrling in die florirende kgl. Hof- und Leib-Apotheke; freigesprochen conditionirte S. als ''Subjekt'' in einer Apotheke zu Straubing und bezog darauf 1830 die Universität München, welche er nach zweijährigem Studium mit der Note der Auszeichnung verließ. Eine schwere Krankheit machte 1833 einen längeren Aufenthalt im Bade Sulz wünschenswerth. Der Besitzer dieser Anstalt, selbst ein begeisterter Kunstfreund, empfahl allen seinen Gästen, nicht allein die schöne Natur zu genießen, sondern auch durch Zeichnungen festzuhalten. Christian Heinrich Hansonn°° hatte sich gleichfalls aus einem anderen Lebensberuf zur Malerei durchgerungen: er war es, welcher die schlummernde Begabung erkannte und seinen Freund (S.) mit der Handhabung von Palette und Pinsel vertraut machte. Seinem Drängen gelang es, daß (dieser) das erste Bild - eine staffirte Landschaft - vom Stapel ließ, welches im Kunstverein zu Hannover angekauft wurde. ((Inzwischen ist >1828< der Vater verstorben - Carl hat sein Erbteil zugewiesen bekommen, aufgrund dessen er zeitlebens keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen muss!)) ((°° geb. 1790; ursprüngl. Kaufmann in Hamburg; Historien-, Landschafts- u. Porträtmaler; nach langj. Italienaufenthalt seit 1830(31?) in München - dort u. a. Tätigkeit f. König Maximilian II.))

    Damit war aber für S. die Ueberzeugung, daß er echten Künstlerberuf besitze, noch nicht gewonnen; erst nach längerem Operiren wagte er sich 1837 mit seinem lustigen Genrestückchen ''Der arme Poet'' in den Münchener Kunstverein, fand damit aber eine so abkühlende Aufnahme, daß es erst nach dem Tode des Malers wieder zu München auftauchte. Das Bild war braun und schwer in der Farbe, doch fest und sicher gezeichnet. Der Stoff war freilich mehr als eigenthümlich geartet: der Maler schildert seinen Helden als einen philisteriösen Pedanten und kläglichen Versifex, welcher, klappernd vor Frost, mühsam an den dürren Fingern scandirend seine holperigen Rhythmen zu Papier bringt, in einem Mansarden-Zimmerchen auf seinem armseligen Strohlager sitzend, gegen den durchsickernden Regen durch ein riesiges Parasol geschützt.

    Zu seinen ältesten Schöpfungen zählen die ''Wäscherinnen'', darstellend eine dicke mit Aufhängen von Hemden beschäftigte Waschfrau; ihr gegenüber erblickt man nur die Füßchen ihres Töchterleins unter einem riesigen, sonnenbeschienenen Leinlacken, auf welchem der weitere Schattenriß sichtbar wird - während ihr Köpfchen zum nicht geringen Entsetzen der Mutter in auffälliger Annäherung mit den Lippen eines anderen, durch Schnurrbart kenntlichen Schattens kommt. 1839 erschien zu Karlsruhe ein ''Eremit'' - das Prototyp jener Specialität, mit welcher kurz zuvor Schwind geglänzt hatte und S. in der Folge erfreuliche Anerkennung gewann -, dann ein mit einem drallen Bauernmädchen schäkender ''Mönch''. Als weitere Probe ((mag)) sein ''Wittwer'' (1845) gelten, welcher mit süßer Wehmut die Silhouette seiner Höchstseligen an das Herz drückt und doch zugleich zweien leicht vorüberschwebenden Schönen nachäugelt.

    Einen willkommenen Tummelplatz gewann Spitzweg's unversiegliche Laune, als der ihm durchaus congeniale Kaspar Braun°° die weltbekannt gewordenen ''Fliegenden Blätter'' begann (1844), wozu S. - er betrachtete diese Thätigkeit als seine Sturm- und Drangperiode - eine Anzahl urkomischer Einfälle beisteuerte, welche sich durch ihren unverkennbaren Strich der Zeichnung und Originalität des Einfalls aus den ersten fünfzehn Bänden leicht herausfinden lassen. Dazu gehören die projectirten Denkmäler für die Erfinder der Stiefelzieher und des Fracks, die köstlichen ''Wachsfiguren'', der Paukenschläger in ''Mehul's Jagdsymphonie'', der ''Stadttrommler'', der ''Reissuppen-Effendi'' und viele andere Blüthen seiner scurillen Unerschöpflichkeit, an welche indessen der alternde und künstlerisch abgeklärte Mann - dessen wohllautend gestimmte Farbe auf langen Wegen gefunden werden mußte - nicht mehr erinnert werden wollte. ((°° geb. 1807; gründete 1843 den Verl. ''Braun & Schneider''; 'als verlegerischer Glücksgriff gilt der Erwerb der Rechte an Max und Moritz' >zit. v. wikipedia.org<; das Wochenblatt 'Fl. Blätter' bestand bis 1944!))

    S. blieb der Hauptsache nach durchweg Autodidakt, wobei er freilich aus den jeweiligen coloristischen Strömungen nach seinem Ermessen Nutzen zog. Vorübergehend vertiefte er sich in °°Burnet's ''Principien der Malerkunst''. Das Vorbild des vielfach geistesverwandten °°Hermann Dyck und die Freundschaft mit °°Eduard Schleich (förderten) ihn: 1851 wagte er mit (letzterem) eine Studienfahrt nach Paris, London und Antwerpen, auch copirte er einige Zeit, abermals in Schleich's Begleitung, in der Gallerie zu Pommersfelden. Mit einem ''Spaziergang'', zwei Landschaften, einem ''Türkischen Kaffeehaus'', einer ''Serenade aus dem Barbier von Sevilla'' und ''Kinder in den Bergen'' war S. auf der Ausstellung zu Paris 1867 vertreten. ((°° John B. geb. 1784; schottischer Maler, nach einer Frankr.reise ab 1815 auch als Kunsttheoretiker tätig // // H. D. geb. 1812 - urspr. Vertreter d. 'Architekturmalerei', ab 1854 Zeichenlehrer // // E. S. d. Ä. geb. 1812; besonders v. niederländ. Meistern beeinflusster Landschaftsmaler; später Prof. in München u. Mitgl. d. Akademien in Stockholm u. Wien))

    Seine im ältesten Stadttheile Münchens hochgelegene Wohnung bot die Aussicht über Dächer, Giebel und Zinnen; hier malte er hinter einem sehr bescheidenen Fenster bei halbem Nordlicht, nur von wenigen, aber unverbrüchlich Getreuen besucht, unter welchen Moritz von Schwind. ((grimmbilder.fandom.com nennt beide (die) 'bedeutendste(n) Maler der dt. Spät-Romantik'!)) Seine sehr langsame, umständliche, trockene und doch von Geistesblitzen durchheiterte Redeweise war von einer beneidenswerthen Drastik begleitet. S. arbeitete - ebenso wie der ihm freilich völlig unbekannte aber congeniale spanische Maler Jimenez°° - zu seines eigenen Herzens Erquickung, unbekümmert um die Oeffentlichkeit, vor welcher (er) immerdar ein lächerliches Grauen verspürte, denn seinen Namen überhaupt in der Zeitung zu finden, sei es nun in gutem oder feindseligem Sinne, konnte ihm schlaflose Nächte bereiten. Ebenso wurde der sonst immer harmlose Maler sehr verdrießlich, wenn er seine Bilder verkaufen sollte, während er keinen Anstand nahm, selbe sehr bereitwillig zu verschenken. ((°° gem. vermutl. Luis J. Aranda >1845/1928<))

    In den beiden letzten Decennien seines Lebens - sein Ableben erfolgte nach kurzer Krankheit (im) September 1885 - entwickelte S. eine neue Thätigkeit: Mit unermüdlicher Frische schuf er eine Menge kleiner Bildchen, in der Farbe höchst feingestimmt und meist von einer liebenswürdigen Behaglichkeit und leiser Humoristik angehaucht. Da ist ein eigenthümlich befrackter Hagestolz, der ''ewige Hochzeiter'', welcher einer am Marktbrunnen scheuernden jugendlichen Küchenfee wieder einmal einen Blumenstrauß überreicht, zum Vergnügen der aus allen Fenstern lauernden Klatschschwestern. Ein schmales, überhöhtes Bildchen gewährt den Einblick in ein enges Gäßchen, wo ein junges Liebespaar an der Bude eines Antiquars in glücklicher Vergessenheit vorüberstreicht. Unter anderem Urväterhausrath blickt auch ein Gypsabguß der gerade dem Meere entsteigenden Aphrodite in eine leere Wiege, neben welcher zärtliche Tauben schnäbeln. Am auffallendsten erwies sich seine künstlerische Begabung in dem ungeheuren Formengedächtniß, das ihm nicht nur eine Menge komischer Figuren aller Art aufzubehalten ermöglichte, sondern auch alle Details der wunderlichen Baulichkeiten, wie man sie in den oberbaierischen und schwäbischen Landstädtchen findet. // verf. v. Hyacinth Holland >1827/1918<; zit. v. wikisource.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    9 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (3. Februar 2022 um 20:44)

  • 19.02.1951 - Todestag von Andre Gide

    Mit ''stets zerrissen, erfüllt von Unruhe und inneren Widersprüchen'' charakterisiert ihn Anne Machner auf verbrannte-buecher.de. Der Literatur-Nobelpreisträger des Jahres 1947, früh mit Schriftstellerkollegen wie Stephane Mallarme, Paul Valery und Oscar Wilde persönlich bekannt, war 1908 Mitbegründer der Zeitschrift Nouvelle Revue Francaise, die ihn lebenslang beschäftigte. 1933 verfasste er das Libretto zu Igor Strawinskys Melodram Persephone. Seine (lt. Onkel Wiki ''satirisch-parodistische'') Erzählung Le Promethee mal enchaine - die unten abgedruckte Passage ist um c. 25% gekürzt - erschien 1899......

    Meine Herren, fing Prometheus an, ich habe nicht die Pretention, Sie mit dem zu interessieren, was ich Ihnen sagen will, und deshalb nahm ich diesen Adler mit. Nach jeder langweiligen Stelle meiner Rede wird er Ihnen ein bisschen vorfliegen. Ich habe auch obscöne Photographien bei mir: bei den ernsteren Momenten meiner Rede werde ich dafür sorgen, das Publikum damit zerstreuen. So darf ich also auf einige Aufmerksamkeit hoffen, meine Herren. An jedem Wendepunkte meiner Rede werde ich, werte Versammlung, die Ehre haben, Sie der Fütterung meines Adlers beiwohnen zu lassen - denn, meine Herren, meine Rede hat drei Teile; ich glaubte, diese Form nicht zurückweisen zu dürfen, die meinem klassischen Geiste gefällt.

    Ohne viel Wortgepränge nenne ich nun sofort die beiden ersten Punkte meiner Rede: Erster Punkt: Man muss einen Adler haben. Zweiter Punkt: Im Übrigen haben wir alle einen. Fürchtend, die Freiheit meines Gedankenganges zu stören, habe ich meine Rede nur über diese beiden Punkte ausgearbeitet; der dritte wird sich ungezwungen aus den beiden andern ergeben; ich lasse da der Begeisterung ihre Rechte. Zum Schluss, meine Herren, wird der Adler einsammeln. Der Adler flog pirouettierend dreimal um Prometheus, dann grüsste er.

    Welch rednerisches Geschick ich auch immer hineinlege, weiss ich doch nicht, meine Herren, wie ich vor Ihrem klarsehenden Geiste mit dieser petitio principii zurechtkomme, die mich am Beginn meiner Rede erwartet. Meine Herren, wir können tun, was wir wollen, wir entgehen nicht der petitio principii. Ich frage nun, was ist eine petitio pricipii? Meine Herren, ich wage zu sagen: jede petitio principii ist eine Bejahung des Temperaments; denn wo die Prinzipien fehlen, da behauptet sich das Temperament.

    Wenn ich erkläre: Man muss einen Adler haben, so können Sie alle ausrufen: ''Wozu?'' - Nun, was wollen Sie, das ich antworte und das sich nicht auf diese Formel der Behauptung meines Temperaments zurückführen liesse: Ich liebe die Menschen nicht, ich liebe, was sie vernichtet. Das Temperament, meine Herren, ist es, was sich behaupten muss. Eine neue petitio principii, werden Sie sagen. Aber ich bewies, dass jede petitio principii eine Behauptung des Temperamentes ist. Und wie ich sagte, dass man sein Temperament behaupten muss, so wiederhole ich: ich liebe die Menschen nicht, ich liebe, was sie vernichtet. - Was nun vernichtet den Menschen? Sein Adler. Darum, meine Herren, muss man einen Adler haben. Ich denke das zur Genüge bewiesen zu haben.

    Pardon, meine Herren, ich sehe, dass ich Sie langweile; einige von Ihnen gähnen. Ich könnte nun, es ist wahr, einige Spässe einfügen, aber Sie würden das gezwungen finden; ich habe eine unheilbar ernsthafte Geistesverfassung. - Ich ziehe es daher vor, einige von den Photographien zirkulieren zu lassen; sie werden die beruhigen, die meine Worte langweilen, was mir erlauben wird, fortzufahren. Prometheus nahm einen Schluck Wasser. Der Adler flog pirouettierend dreimal um Prometheus und grüsste.

    Meine Herren, ich habe meinen Adler nicht gekannt. Dies führt mich zu dem Schluss - durch eine Überlegung, die einen mir momentan entfallenen Namen in der Logik hat - dass, wenn auch der einzige hier anwesende Adler der meinige ist, Sie doch alle einen haben. Über meine Geschichte, die ich bis jetzt auch nicht gut verstanden habe, habe ich bis jetzt geschwiegen. Wenn ich mich jetzt entschliesse, sie Ihnen zu erzählen, so ist es, weil sie mir durch meinen Adler nun so wunderbar erscheint.

    Ich sagte Ihnen schon, ich sah meinen Adler nicht von je. Vor ihm war ich unbewusst und schön, glücklich und nackt, ohne es zu wissen. Was für Tage! Auf den wasserreichen Gehängen des Kaukasus umarmte mich die lüsterne Asia, nackt und glücklich auch sie. Wir fühlten die Luft singen, das Wasser lachen, die einfachsten Blumen wohlduften. Oft legten wir uns unter breites Geäst, hinein in Blüten, wo flüsternde Bienenschwärme sich wiegten. Das Summen der Bienen und der Blätter mengte sich in das Murmeln der Bäche und lud uns zu süssestem Schlafe. Alles um uns erlaubte, alles beschützte unsere aussermenschliche Einsamkeit - da, eines Tages, sprach Asia zu mir: Du solltest dich um die Menschen kümmern.

    Meine Herren, meine Bescheidenheit übertreibt; entschuldigen Sie - es ist das erste Mal, dass ich öffentlich spreche. Doch nun soll ihn mein Freimut sich vergessen lassen: meine Herren, ich habe für die Menschen so viel getan, dass ich wohl sagen könnte, sie sind mein Werk; denn: was waren sie vorher? Sie waren, aber sie hatten kein Wissen davon. So wie das Feuer, um ihnen zu leuchten, so, meine Herren, machte ich ihnen aus all meiner Liebe das Wissen um sich selber.

    Das erste Wissen war das um ihre Schönheit. Und dieses Wissen um ihre Schönheit liess sie sich fortpflanzen. Die Schönheit der ersten wiederholte sich, sich selber gleich, undifferenziert, ohne Geschichte. Das hätte lange so dauern können. - Und das bekümmerte mich, der ich bereits in mir, ohne es zu wissen, das Ei meines Adlers trug: ich wollte mehr oder besseres. Diese Fortpflanzung, dieses zerstückte Sich-Weiter-Leben schien mir bei Ihnen eine Erwartung anzuzeigen - und es war in Wahrheit nur mein Adler, der wartete. Ich, ich wusste nicht; diese Erwartung glaubte ich im Menschen, diese Erwartung legte ich in den Menschen hinein, ja, jetzt versteh ich es: da ich den Menschen nach meinem Bilde gemacht habe, jetzt versteh ich es, dass in jedem von ihnen etwas Unaufgebrochenes wartete; in jedem von ihnen war das Ei des Adlers. Und dann, ich weiss nicht; ich kann das nicht erklären.

    Was ich weiss, ist dies, dass ich nicht zufrieden damit war, ihnen das Wissen von sich selber zu geben, ich wollte ihnen auch einen Grund ihres Daseins geben. Ich gab Ihnen das Feuer, die Flamme und alle Künste, deren Nahrung eine Flamme ist. Ihren Geist erhitzend, liess ich ihnen den verzehrenden Glauben an den Fortschritt aufbrechen. Und ich hatte eine merkwürdige Freude daran, dass die Gesundheit des Menschen sich abnützte, um diesen Glauben zu nähren. - Kein Glaube an das Gute mehr, aber kranke Hoffnung auf das Bessere. Der Glaube an den Fortschritt, meine Herren, das war ihr Adler. Unser Adler ist unser Daseinsgrund, meine Herren. Die Geschichte der Menschen, das ist die Geschichte der Adler. ((dt. v. Franz Blei; 1871/1942))

    zit. v. projekt-gutenberg.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    2 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (21. Februar 2022 um 09:11)

  • 22.02.1749 - Geburtstag von Johann Nikolaus Forkel

    Eduard Krüger, Musiklehrer und -Kritiker, notierte über ihn i. J. 1878: ''studirte in Göttingen 1769, woselbst er dann fast 50 Jahre gewirkt hat. (Dort war) zwar keine Fundgrube musikalischen Quellenstudiums zu erschöpfen, desto mehr aber günstiger Boden, der Wissenschaft durch redlich unermüdeten Fleiß Dienste zu leisten, die spätern Sammlern und Forschern zu Gute kamen.'' (zit. v. wikisource.org). Der Verfasser der vielzitierten (1802 in Leipzig erschienenen) Schrift Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke gab (1778 u. 79 in Gotha) eine dreibändige Musikalisch-kritische Bibliothek heraus, aus deren Teilen ''Musikalische Neuigkeiten'' resp. ''Anecdoten'' i. F. einge Passagen wiedergegeben sind......

    Man gab dem Lulli einen Opern = Prolog, den man fuer schoen hielt. Diejenige Person, die ihm denselben gab, bat ihn, ihn in ihrer Gegenwart durchzusehen. Als Lulli damit fertig war, wurde er gefragt, ob er etwas daran auszusetzen haette. Ich finde nur einen einzigen Buchstaben zu viel daran, antwortete er, nemlich anstatt daß es fin du prologue heißt, sollte es fi du prologue heißen.

    Ein beruehmter Musikus spielte auf Verlangen vor einem Cardinal ein neues Stueck von seiner eigenen Composition. Waehrend der Zeit unterhielt sich der Cardinal mit denen, die um ihn standen und schien wenig auf die Musik acht zu geben. Auf einmal hoerte dieser auf zu spielen. Der Cardinal fragte ihn, ob ihm etwas an seinem Instrumente verunglueckt sey? Nein, erwiederte er, sondern ich befuerchte nur Ihro Eminenz in Ihren Geschaeften zu stoeren.

    Ein sehr schlechter Componist versicherte einen Liebhaber der Musik, dessen Einsichten ueber die gewoehnlichen Graenzen der Liebhaber weit hinausgieng, daß einer seiner Freunde ein vortrefflicher Componist waere. Da nun der nichts weniger als das, vielmehr ganz außerordentlich ungeschickt und geschmacklos war, so antwortete der Liebhaber: Mein Herr, Sie sind wie die Leute, welche Knoblauch essen.

    Als ein gewisser Prediger in einer franzoesischen Kirche ein Paßionspredigt hielt, sangen die Moenche nach der Gewohnheit bey der ersten Abtheilung der Predigt ''O Crux ave etc.'' während dessen der Prediger auf den Knien lag; als er sich wieder aufrichtete, fiengen in einer nahen Straße verschiedene Kaelber in einem dem geendigten Gesange so aehnlichen Tone an zu bloecken, daß der Prediger glaubte, es waeren die Moenche, welche die folgende Strophe des Gesangs, ''Te summa etc.'', anfiengen; er fiel also gleich wieder auf seine Knie.

    Neapel. Vom April 1778. Hier befinndet sich jetzt der beruehmte Saenger, Ritter Raaf, welcher es in seiner Kunst so außerordentlich weit gebracht hat, daß er sogar das Fieber damit vertreiben kann, welches folgende Geschichte beweist: Die Prinzeßinn von Belmonte Pignatelli, eine große Liebhaberinn der Musik, wurde vor einiger Zeit krank, und war bald von der ganzen Facultaet besucht; ihr Liebling Raaf besuchte sie ebenfalls und mußte auf ihr Verlangen eine der Arien singen, die auf ihrem Clavier lagen; von ungefaehr ergriff Raaf eine Arie von dem beruehmten Hasse, und so lange er sang, verspuerte die Prinzeßinn nicht das geringste von dem Fieber, das ihr vorher so heftig zusetzte. Die ganze Facultaet bezeigte hierueber ihre Verwunderung, und versicherte die Prinzeßinn, daß der Ritter Raaf ihr wahrer Arzt sey. Dieß ist in den neuern Zeiten nicht das erste Beyspiel von der Macht der Musik; man liest in der Geschichte der Pariser Akademie, daß ein Musikus von einem heftigen Fieber durch ein Concert curirt worden, welches in seiner Stube aufgefuehrt wurde.

    Man beschuldigte einen modernen Musiker, daß er die Musik des Lulli gepluendert haette. Eines Tages, da ein Stueck von ihm gegeben wurde, bekam er mit einem Akteur einen Zwist, der bis zu Faustschlaegen gieng, wobey er sehr zu kurz kam. Da er nun in einem ziemlich zerrissenen Rock wieder zum Vorschein kam, sagte einer von seinen Freunden zu ihm: wie bist du nicht zugerichtet? und ein anderer antwortete: wie ein Mensch, welcher von der Pluenderung kommt.

    Man fragte einen Schwaben, ob er auf der Violine spielen könne? Er antwortete: ich glaube, ich kann, allein ich habe es noch nicht probirt.

    Taubmann war einst bey dem Churfuersten von Sachsen zur Tafel, an welcher sich auch zugleich ein paebstlicher Nuntius befand. Nach geendigter Tafel nahm der Nuntius eine Violine, spielte darauf und sag dazu: Doktor Luther ist ein Dickkopf. Taubmann ergriff geschwind eine daselbst befindliche Baßgeige, spielte, und sang: Der Pabst der ist ein Hundfott. Herr Professor, sagte der Nuntius, das ist zu grob. Auf dem Baß gehts nicht anders, versetzte Taubmann.

    Blondel, Musikmeister Richards I. von England, hatte eine sehr große Zuneigung zu seinem Herrn. Da nun Richard I. mit dem Herzog von Oesterreich, Leopold, in einen Wortwechsel gerieth, und weil sich jener nicht auf der Stelle raechen konnte, sondern abwarten wollte, bis er einmal durch seine Laender reisen wuerde, so wurde er wirklich bey einer solchen Gelegenheit entdeckt und vom Herzog Leopold gefangen gesetzt. Niedergeschlagen ueber die lange Abwesenheit seines Herrn, reiste Blondel unter der Verkleidung eines Pilgrimms ueberall hin, ihn aufzusuchen. Als er in Deutschland in ein Dorf kam, wo der Kayser Heinrich ein Schloß hatte, erkundigte er sich insgeheim, ob dieses bewohnt sey, und erfuhr, daß man schon seit einem Jahr einen Gefangenen von Wichtigkeit darinn verwahrete. Blondel muthmaßete, daß dieses sein Herr sey, gieng blos wie von ungefehr um das Schloß herum spazieren, bleib bey einem stark vergitterten Thurm stehen, und fieng an eines von den franzoesischen Liedern zu singen, die er ehedem mit Richard gemeinschaftlich componirt hatte. Er sang nur die ersten Strophen davon und horchte dann. Ganz tief im Thurm fieng eine Stimme die folgenden Strophen an und endigte das Lied. Da (Blondel) nun seiner Entdeckung gewiß war, eilte er nach London zurueck, um sie dort bekannt zu machen. Man schickte sogleich einen Gesandten an den Kayser Heinrich, um ueber die Loslassung Richards Unterhandlungen zu pflegen. Der Kayser laeugnete zwar anfaenglich ihn in seiner Gewalt zu haben, als er aber hoerete, auf welche Art es entdeckt worden, sahe er es als eine Wirkung der Vorsehung an und gab ihn fuer 100000 Mark Silber los.

    Petersburg. Vom Januar 1778. Hier sieht man jetzt ein kuenstlich verfertigtes Frauenzimmer mit frisirtem Haare vor einem kleinen Clavier sitzen und darauf ganz artig 3 Menuetten, 4 Trio, 2 Polonoisen und 1 Marsch spielen. Sie spielt mit Geschwindigkeit und Accuratesse, und jedesmal, wenn sie anfaengt und aufhoert, macht sie den Zuschauern eine Verneigung, und grueßt auf eine angenehme Art. Man muß sehr nahe zu dieser kuenstlichen Maschine hingehen, um sich zu versichern, daß sie keine lebendige Person ist.

    Als der Graf von Falkenstein den J. Jaques Rosseau besuchte, bezeugte er ihm seine Verwunderung darueber, daß er, nachdem er so viele vortreffliche Werke geschrieben haette, sich gegenwaertig nur damit beschaeftigte, daß er Musik machte und abschriebe. Ihm antworte der Philosoph: ''Da ich, aber vergebens, den Franzosen die Mittel zum Denken gegeben hatte, habe ich den Entschluß gefaßt, ihnen Anleitung zum Singen zu geben, und sie singen.''

    Ein griechischer Virtuose, Namens Hippomachus, gab seinem Schueler eine Ohrfeige, weil er falsch gespielt hatte und doch von den Zuhoerern gelobt wurde. ''Du hast falsch gespielt, denn sonst wuerden dich diese nicht gelobt haben.''

    Ein Baelgentreter hatte seinem Amte schon seit 40 Jahren treulich vorgestanden und wußte aus langer Erfahrung beynahe, wie vielmal er zu einem jeden Liede treten mußte. Nun geschah es, daß der Organist starb und ein anderer an seine Stelle kam. Mit diesem hatte der Baelgentreter immer Streit, weil er ihm vorwarf, daß er nicht geschwinde genug trete, und besonders einmal beym Spielen des Glaubens er es so schlecht gemacht haben sollte, daß ihn der Organist verklagte. Als sie nun mit einander vor dem Consistorio erschienen, und der Organist seine Klage vorgebracht hatte, sagte der Calcant darauf: ''Meine hochgebietende Herren, ich weiß gar nicht, was der Herr Organist will, ich bin nun schon so lange Jahre Baelgentreter, daß ich gewiß besser weiß als er, wie viel Wind zum Glauben gehoert.''

    zit. v. digitale-sammlungen.de

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    4 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (22. Februar 2022 um 10:12)

  • 14.03.1944 - Im 'Martin-Beck-Theater' in New York wird Franz Werfels ''Komödie einer Tragödie'' Jacobowsky und der Oberst uraufgeführt.

    (Die deutschsprachige Erstaufführung erfolgt am 17.10.1944 in Basel) Das Stück, in vielem an das Filmgenre 'Roadmovie' erinnernd, besteht aus drei Akten mit jeweils zwei Szenen. I. F. zwei (vom Kalendermann sachte bearbeitete und gekürzte) Passagen aus der zweiten Szene des ersten u. der ersten Szene des zweiten Aktes......

    (i) Der tragische Herr ist inzwischen aus dem Hotel getreten. Unter seinem weiten havelockartigen Mantel wird ein bescheidenes Gepäckstück sichtbar, das er an der Hand trägt. Er macht ein paar sehr tiefe Atemzüge, als wolle er sich noch zum letzten Mal mit Pariser Luft vollsaugen. Fern wird das unaufhörlich dichte Getrappel von Millionen Schritten deutlicher vernehmbar.

    Jacobowsky greift sich ans Herz Was ist das? Sind das schon die Deutschen? Der tragische Herr Noch nicht die Deutschen - Die Pariser! tritt etwas vor, als spräche er nicht zu Jacobowsky, sondern zur ganzen Welt oder zu sich selbst. Zugleich geht das Geschleppe und Getrappel in Musik über, welche seine Rede begleitet und rhythmisiert. Aus der Tür des Hotels (treten, mit Gepäck beladen,) die Gäste, gehen über die Bühne, sorgenvoll miteinander flüsternd, und verschwinden in der Seitengasse - ein sonderbares Ballett, das die Worte des tragischen Herrn anschaulich macht. Die Pariser gehn, gehn, gehn. Die Bahnhöfe sind tot, denn keine Züge werden mehr abgelassen. Da wenden die Pariser ihren Schritt und gehn und gehn durch die langen Vorstadtzeilen, tausend, zehntausend, hunderttausend, alle mit Sack und Pack, junge Frauen, alte Männer, kleine Kinder und Großmütter, die Geschäftsleute und Ärzte, die Commis und die Advokaten und die Wirte der Bistros und die Kellner und die Coiffeure und die Deserteure und die Mieter des Hauses und der Concierge und die Hunde, und nur die Katzen bleiben daheim. In den Beinen hats uns gepackt, und die Beine haben noch einen Vorsprung von vierundzwanzig oder von achtundvierzig Stunden. Dann sind die Boches da, und wo wir sein werden und was mit uns geschehen wird, das weiß Gott und Saint-Denis und Sainte Genevieve allein.

    Hören Sie? Das sind keine Maschinengewehre, das sind die letzten Rollbalken, die an den Schaufenstern niederrasseln, Lafayette und Trois Quartiers und die Prachtläden der Rue de la Paix. Hören Sie's nicht? Die Champs-Elysees und die Place de la Concorde und die Inneren Boulevards und die Äußeren Boulevards, sie sperren ab und sie wandern mit, hinaus nach West und Südwest und über die großen Landstraßen. Und was zurückbleibt, das ist nicht mehr die Place de la Concorde und Vendome und der Boulevard Malesherbes und des Italiens, das sind Fassaden und Kulissen und ein alter flimmernder Film. Ein kleiner Junge (schiebt) Gepäck auf einem Handkarren.

    Wenn die Boches einmarschieren, wird Paris ein schmutziger Sarg sein, in dem nicht einmal mehr ein Leichnam liegt. Ich aber bin in Paris geboren und ich gehöre zu Paris und ich ziehe fort mit Paris aus Paris. Und ich will nicht fahren, sondern ich will gehn und gehn mit wandernden Boulevards, stundenlang, tagelang. Denn wenn die Beine schmerzen, dann tut das Herz weniger weh. Jac. der ihm gebannt nachgeblickt hat, nach einem langen, gedankenvollen Schweigen Ich möchte so schnell wie möglich den Atlantischen Ozean erreichen. Es gibt ohne Zweifel noch immer Schiffe, die einen nach England oder Amerika bringen. Zum Chauffeur Wären Sie gesonnen, mon ami, für einen guten Preis mein Führer zu sein? Chauffeur Oh, Monsieur, ich denke ganz anders als jener sonderbare Herr dort. Ich könnte jetzt gerade Paris weniger verlassen als ein Mann seine sterbende Mutter.

    Madame Bouffier tritt, tief niedergeschlagen aus dem Hotel Mein Haus ist leer. Ich habe keinen Mut mehr. Ich bin eine alte gebrochene Frau. Jac. Meine gute Madame Bouffier! Jeder Mensch hat im Herzen ein heimliches Tabernakel, wo die fünf bis sieben Dinge wohnen, an denen er hängt. Eines dieser Dinge heißt bei mir Paris und das Hotel 'Mon Repos et de la Rose', wo ich zwischen Flucht Nummer vier und fünf ein wenig aufatmen durfte. Mad. Sie sind ein treuer Mensch. Jac. Das bin ich wirklich. Und ich will Ihnen meine Treue praktisch beweisen. Sie wissen, daß ich als überzeugter Optimist bei Ausbruch des Krieges kostbare alte Möbel gekauft habe. Hier ist das Lagerverzeichnis und die Anweisung an den Spediteur. Schmücken Sie Ihr Haus mit diesen Möbeln! Mad. Ich werde Sie aufbewahren für Sie. Denn vielleicht finden Sie doch noch eine Frau, die Sie liebt. Jac. Was soll eine Frau lieben an mir? Ich kann nicht einmal die berechtigte Minimalforderung des Weibes erfüllen: fester Wohnsitz und kein Bauch --- Meinen Schrankkoffer lasse ich Ihnen ebenfalls zurück. Ich nehme nur meine Handtasche mit und die Teppiche, die Teppiche selbstverständlich. Sie werden es vielleicht nicht verstehen, aber ich hänge sehr an diesen beiden Teheran-Teppichen. Sie haben einst den Kiosk des Sultans Abdul Hamis geschmückt. Und in mein neues Exil nehme ich wenigstens eine Illusion von Besitz mit.

    (ii) Szabuniewicz, Bursche Es ist immer Zeit für Damen! Das männliche Leben ist kurz. Jac. Die Vernunft sträubt sich! Oberst Stjerbinsky Die Vernunft sträubt sich stets gegen das Leben. Was ist die Vernunft? Ein kleiner Bürokrat mit einem grünen Augenschirm! Jac. Die Stunde ist zu ernst für solche Apercus. Ob. Siehst du irgendwo ein beleuchtetes Haus, Szabuniewicz? Jac. Wir könnten trotz aller verstopften Straßen längst in Bordeaux sein, in Bayonne, in einem guten Port, wo uns Rettung winkt. Wo aber sind wir? Vor den Mündungen der deutschen Batterien und unter den deutschen Flugzeugen. Das heißt Gott herausfordern! Sza. Ich seh kein beleuchtetes Haus, nirgends. dicht an J. herantretend Der Herr weiß noch immer nicht, wer Oberst Stjerbinsky ist, der Herr! Der Herr Oberst hat geritten die berühmten Attacken von Grodno und Golezyno mit nacktem Säbel gegen Tanks. Der Oberst ist ausgebrochen aus dem Gefangenenlager in Königsberg und mitten durch Deutschland nach Frankreich gegangen. Den Oberst werden die polnischen Kinder in Schulbüchern lernen später. Ob Laß das, Szabuniewicz! Ich hab mich geschlagen wie andre auch. Gut! Und was tun Sie gegen Hitler, Herr Jacobowsky, als davonlaufen, davonlaufen, davonlaufen? Jac. Hitler? Ich bitte um Verzeihung. Wer ist Hitler? Den gibt es gar nicht. Hitler ist nur ein anderer Name für die Schlechtigkeit der Welt! Ob. Haha! Und wer ausgenommen ist von dieser Schlechtigkeit, das ist einzig und allein unser Herr Jacobowsky. Jac. Nein, Colonel! Ich bin um nichts besser. Einen Vorzug aber hab ich voraus vor Ihnen. Ich kann niemals Hitler sein, nicht bis zum Jüngsten Tage. Sie aber hätten ganz gut Hitler sein können, und Sie können es noch immer werden. Jederzeit! Ob. Es macht mich seekrank, Szabuniewicz! Jac. Sehn Sie, der einzige Vorsprung, den der Verfolgte auf der Welt hat, besteht darin, daß er nicht der Verfolger ist. Ob. Und das ist kein Apercu? Das ist sogar ein Dreh, ein mosaischer.

    Jac. mit steigender Leidenschaftlichkeit und Energie die Rede bauend Ich will Ihnen gleich beweisen, daß es kein Dreh ist, sondern die pure Wahrheit. Sie sind Pole und auch ich bin Pole, wiewohl ihr mich als dreijähriges Kind aus meiner Heimat vertrieben habt - Und als dann in Deutschland im Jahre dreiunddreißig diese Pest und dieses Leid über mich kam, da habt ihr Polen euch die Hände gerieben und gesagt ''Recht geschieht dem Jacobowsky!'' Und als später dann in Österreich diese Pest und dieses Leid über mich kam, da habt ihr die Achseln gezuckt und gesagt ''Was gehts uns an?'' Und nicht nur ihr habts gesagt, sondern alle andern habens auch gesagt. Engländer und Amerikaner und Franzosen und Russen! Und als dann in Prag diese Pest und dieses Leid ausbrach, da habt ihr noch immer geglaubt, es gehe euch nichts an und habt sogar die Gelegenheit benutzt, dem armen Tschechen in den Rücken zu fallen. Als es aber über euch selbst kam, dieses Leid und diese Pest, da wart ihr sehr unschuldig erstaunt und gar nicht vorbereitet und erledigt. Ist das nicht die Wahrheit?

    Ob. Such Nummer 333, Szabuniewicz. Sza. Man sieht keine Nummern. Jac. Hättet ihr aber, ihr und alle andern, am Anfang nicht gesagt ''Recht geschieht dem Jacobowsky!'' oder bestenfalls ''Was gehts uns an?'', sondern ''Der Jacobowsky ist ein Mensch, und wir können nicht dulden, daß ein Mensch so behandelt wird'', dann wäre binnen sechs Wochen die Pest ausgerottet worden und Hitler wäre geblieben was er ist, ein Stammtischnarr in einem stinkigen Münchner Bierhaus. Somit seid ihr selbst, ihr allein und alle andern, die Größe Hitlers, sein Blitzkrieg, sein Sieg und seine Weltherrschaft. Sza. Gefunden! Nummer 333! Ob. Villa Deloupe? Sza. Villa Deloupe! Alles dunkel! Alles versperrt! Die Dame konnte nicht länger warten. Ob. Sie wartet. Sie schläft! Sza. Bitte, bitte, mein Vater und Wohltäter, wir können morgen in Bordeaux sein. Sie werden das letzte Schiff erreichen. Jac. Wenn Sie schon nicht auf die Stimme der Vernunft hören, so achten Sie wenigstens diese Stimme des untergeordneten Menschenverstandes!

    zit. v. projekt-gutenberg.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    4 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (15. März 2022 um 11:43)

  • 16.03.1831 - Viktor Hugos Roman ''Der Glöckner von Notre-Dame'' (im Original allerdings ''Notre-Dame de Paris''!) wird erstveröffentlicht

    wird morgen ergänzt

    (i) Gringoire war vor dem Marienbilde an der Ecke der Straße liegen geblieben. Er war anfangs in einer Art Halbschlaf, der nicht unangenehm war, und in welchem sich die luftigen Gestalten der Zigeunerin und der Ziege mit der wuchtigen Faust Quasimodo's verwebten. Dieser Zustand währte nicht lange. Ein ziemlich starkes Gefühl von Kälte an demjenigen Theile seines Körpers, welcher mit dem Pflaster in Berührung stand, ließ seinen Geist an die Oberfläche zurückkommen. ''Teufelskerl von buckligem Cyklopen!'' murmelte er zwischen den Zähnen und wollte sich erheben. Aber er war zu betäubt und zu zerschlagen. ''Der Koth von Paris'', dachte er (denn er glaubte ganz sicher, daß sein Nachtlager in der Gosse sein würde) - ''der Koth von Paris ist besonders stinkend; er muß viel flüchtiges und salpetriges Salz enthalten. Uebrigens ist das die Meinung von Meister Nikolaus Flamel und der Alchymisten''.

    Ein Haufe Kinder, jener kleinen barfüßigen Wilden, die zu allen Zeiten das Pariser Pflaster unter dem ewigen Namen ''Gassenjungen'' getreten, und die, als wir gleichfalls Kinder waren, uns alle, wenn wir nachmittags aus der Schule kamen, mit Steinen beworfen haben, weil unsere Hosen nicht zerrissen waren, - ein Schwarm jener jungen Taugenichtse lief nach der Gasse zu, wo Gringoire lag, unter Lachen und Geschrei und anscheinend ohne die geringste Sorge um den Schlaf des Nachbarn. Sie zerrten eine Art unförmlichen Sack hinter sich her; und allein das Geräusch ihrer Holzschuhe hätte einen Todten erwecken können. Gringoire, welcher es noch nicht ganz war, richtete sich mit halbem Körper in die Höhe.

    ''Heda!'' schrien sie aus Leibeskräften, ''der alte Eustache Moubon, der Eisenhändler, ist soeben gestorben. Wir haben seinen Strohsack, wir wollen damit ein Freudenfeuer machen. Heute gilt's den Flamländern!'' Und da! warfen sie den Strohsack gerade auf Gringoire drauf, in dessen Nähe sie, ohne ihn zu sehen, gekommen waren. Zu gleicher Zeit nahm einer von ihnen eine Hand voll Stroh, welches er an der Lampe des Mutter-Gottesbildes anzünden wollte. ''Alle Teufel'' brummte Gringoire, ''ich soll wohl noch recht in Schweiß gerathen?'' Der Augenblick war gefährlich. Er war nahe daran, zwischen Feuer und Wasser gepackt zu werden; er machte eine übernatürliche Anstrengung, wie ein Falschmünzer, der gesotten werden soll, und der sich bemüht, zu entwischen. Er hob sich kerzengerade in die Höhe, warf den Strohsack auf die Gassenjungen und entfloh.

    Belleforet und der Pater Le Juge versichern, daß er am folgenden Tage mit großem Gepränge von der Geistlichkeit in der Nachbarschaft aufgehoben und in das Schatzgewölbe der Kirche Saint-Opportune gebracht wurde, wo der Sacristan noch 1789 sich eine ziemlich hübsche Einnahme von dem Wunder des Marienbildes an der Ecke der Straße Mauconseil machte, weil es in der denkwürdigen Nacht vom 6. zum 7. Januar 1482 den verstorbenen Eustache Mourbon beschworen hatte, der - boshafterweise und um dem Teufel einen Possen zu spielen - seine Seele beim Sterben in einen Strohsack versteckt hatte.

    (ii) Nachdem er eine Zeit lang aus allen Leibeskräften gelaufen war, manches Gäßchen, manche Sackgasse und manchen Kreuzweg durchschritten hatte, Flucht und durch alle Windungen der alten Hallenstraße Durchgang gesucht, in seiner panischen Furcht alles das erspähet, was das schöne Urkundenlatein tota via, cheminum et viaria nennt, blieb unser Dichter plötzlich stehn, zuerst aus Athemlosigkeit, dann von einem Dilemma, welches soeben in seinem Geiste aufgestiegen war, gewissermaßen am Kragen festgehalten.

    ''Es scheint mir, Meister Gringoire,'' sagte er zu sich selbst, wobei er den Finger auf die Stirn setzte, ''daß Ihr da wie ein Kopfloser rennt. Die kleinen Taugenichtse haben nicht weniger Furcht vor Euch, als Ihr vor ihnen gehabt. Es scheint mir, sage ich Euch, daß Ihr das Getöse ihrer Holzschuhe gehört habt, welches sich nach Süden verlor, während Ihr nach Norden floht. Nun ist von zwei Fällen einer gewiß: sie haben entweder die Flucht ergriffen, und dann ist der Strohsack, den sie in ihren Schrecken vergessen haben müssen, gerade das gastliche Lager, nach welchem Ihr seit heute Morgen gelaufen seid, und welches Euch die heilige Jungfrau wunderbarerweise geschickt hat; oder die Knaben haben die Flucht nicht ergriffen, und in diesem Falle haben sie Brand an den Strohsack gelegt, und das ist gerade das treffliche Feuer, welches Ihr nöthig habt, um Euch zu ergötzen, zu trocknen und wieder zu wärmen. In beiden Fällen, sei es ein gutes Feuer oder gutes Lager, ist der Strohsack ein Geschenk des Himmels. Die gesegnete Jungfrau an der Ecke der Mauconseil hat den Eisenhändler Moubon vielleicht deshalb sterben lassen; und es ist eine Thorheit von Euch, in so toller Flucht davonzulaufen - und hinter Euch zu lassen, was Ihr vorn suchet; Ihr seid ein Narr!''

    Darauf kehrte er auf demselben Weg zurück und bemühte sich, während er nach der Himmelsgegend ausschaute und mit Nase und Ohr herumspionirte, den köstlichen Strohsack wiederzufinden, doch vergebens. Nichts als Straßenmündungen, Häuserdurchschnitte, Sackgassen waren es, zwischen denen er zaudernd stand und beständig überlegte, in diesem Wirrsal dunkler Gäßchen mehr aufgehalten und behindert, als er es selbst im Irrgange des Parlamentsgerichtspalastes gewesen wäre. Endlich verlor er die Geduld und rief feierlich aus: ''Verdammt seien die Gassen! Der Teufel hat sie nach den Bildnis seiner Ofengabel gemacht!'' Dieser Fluch erleichterte sein Herz ein wenig, und ein gewisser röthlicher Schimmer, den er in diesem Augenblicke am Ende einer langen und engen Gasse bemerkte, weckte schließlich seine Lebensgeister wieder. ''Da unten ist's!'' sagte er ''Das ist mein Strohsack, der brennt! Gott sei gelobt!'' Und sich mit dem Steuermanne vergleichend, welcher nachts umschlägt, setzte er fromm hinz:u Salve salve, maris stella!

    Richtete er dieses Litanei-Fragment an die heilige Jungfrau - oder an den Strohsack? Wir wissen es nicht sicher. Er hatte einige Schritte in der langen Straße gethan, welche sich senkte, nicht gepflastert war und immer kothiger und abschüssiger wurde, als er etwas recht Sonderbares bemerkte. Sie war nicht: hier und da krochen einzelne und unförmliche Klumpen der Länge der Straße nach, und richteten sich nach dem Schimmer hin, welcher am Ende derselben zitterte - gleich jenen plumpen Insecten, die nachts von Grashalm zu Grashalm auf das Feuer eines Hirten zukriechen. Gringoire ging darauf los und hatte bald dasjenige dieser Gespenster eingeholt, welches sich am langsamsten hinter den andern dreinbewegte. Als er näher herankam, sah er, daß es nichts anderes als ein elender Krüppel war, welcher auf seinen beiden Händen fortkroch, wie eine verwundete Weberspinne, welche nur noch zwei Beine hat. In dem Augenblicke, als er an dieser Art Spinne mit Menschengesicht vorbeikam, erhob sie ihre klägliche Stimme: La buona mancia, signor! la buona mancia! ''Hole dich der Teufel!'' sagte Gringoire und ging weiter.

    Er holte einen andern dieser wandelnden Klumpen ein und betrachtete ihn. Es war ein Lahmer, hinkend und einarmig zugleich, und zwar derartig, daß ihm die verwickelte Zusammenfügung von Krücken und Holzbeinen, auf welche er sich stützte, das Ansehen eines wandelnden Mauergerüstes gaben. Dieser lebende Dreifuß grüßte ihn im Vorbeigehen, wobei er seinen Hut wie ein Barbierbecken unter Gringoire's Kinn hielt und ihm in die Ohren schrie Senor caballero, para comprar un pedazo de pan! Gringoire wollte seine Schritte verdoppeln, aber zum dritten Male versperrte ihm etwas den Weg. Dieses Etwas, oder vielmehr dieser Jemand, war ein kleiner Blinder mit jüdischem, bärtigen Gesichte, welcher den Ort rings um sich her mit einem Stocke betastete und ihm, von einem großen Hunde gezogen, mit ungarischem Accente zunäselte: Facitote caritatem!

    Gringoire fing an zu laufen. Der Blinde, der Lahme, der Krüppel jagten hinter ihm her. Und je weiter er in die Straße hineindrang, vermehrten sich Krüppel, Blinde, Lahme um ihn her - und Aussätzige mit ihren Wunden, Einarmige, Einäugige kamen aus den Häusern, aus den kleinen Straßen nebenan, aus den Kellerthüren, heulend, brüllend, kreischend, alle humpelnd, nach dem Lichte zu eilend, im Kothe sich wälzend wie Schnecken nach dem Regen. Es war zu spät, wieder umzukehren. Das ganze Heer hatte sich hinter ihm geschlossen, und seine drei Bettler hielten ihn fest. Er ging also vorwärts, getrieben von dieser unwiderstehlichen Flut, von der Furcht und von einem Schwindel, der ihm alles ringsum wie einen entsetzlichen Traum darstellte. ((dt. Übers. v. Friedr. Bremer >1884<))

    zit. v. zeno.org

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    3 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (15. März 2022 um 12:57)

  • 02.04.1928 - Der Berliner Droschkenkutscher Gustav Hartmann (das historische Vorbild für Hans Falladas Romanhelden Der eiserne Gustav**) beginnt seine Protestfahrt nach Paris

    >>Alle Gestalten dieses Buches** sind Geschöpfe der freien Phantasie. Der Verfasser hat lediglich Geschehnisse benutzt, wie sie in jeder Tageszeitung aufgezeichnet stehen. H. F.<<

    Der 1938 erstmals erschienene Roman besteht aus acht Kapiteln. I. F. einige - unterschiedlich stark gekürzte - Passagen aus den ersten vier (v. insg. achtzehn) Abschnitten des Dritten Kapitels ''Die lange schwere Zeit'' . . . . .

    (i) Es ist ein weiter Weg von dem armen Fischerhaus auf Hiddensee bis zu der volkreichen Mietskaserne im Osten der großen Stadt Berlin. Es ist auch ein weiter Weg von dem kleinen ängstlichen Fischermädchen bis zu der Schneiderin, die kaum noch Angst hat, sondern im tiefsten ergeben ist in das, was ihr Gott schickt. Ein weiter Weg, eine ungeheure Wandlung. Aber doch, die Gertrud Gudde, die jetzt um zwei Uhr nachts nahe dem Bett ihres schlafenden Kindes wach liegt, empfindet wieder etwas von der abergläubischen Angst, wenn sie auf den Wind horcht. Der Schlaf kommt nicht, das Herz klopft so traurig langsam, die Trübe der kalten Nacht ist nicht nur um sie, sie ist ebenso in ihr.

    Es half ihr auch nichts, daß sie wußte, es ging allen Frauen jetzt so. Alle Frauen träumten Nacht für Nacht den Traum vom gefallenen Mann. Vom gefallenen Bruder. Vom gefallenen Sohn. Es half ihr nichts, daß sie sich sagte: Es kann ja gar nicht anders sein. An was man den ganzen Tag denkt, an das denkt auch im Schlaf das Hirn weiter. Es hat nichts zu bedeuten. Sie wußte schon, daß nichts half. Daß es in ihr saß, in ihr und allen Frauen, Schwestern, Müttern. Daß man es eben ertragen mußte, dieses unendliche, peinigende Warten, bis endlich wieder einmal der Briefträger den Feldpostbrief abgab. Und nach fünf Minuten der Erleichterung, des Aufatmens begannen wieder die fünfhundert, die fünftausend, die fünfzigtausend Minuten bangen Wartens!

    Schließlich ist Gertrud Gudde doch wieder eingeschlafen, wie sie schließlich fast jede Nacht über ihren Ängsten wieder einschlief. Noch zweimal weckten ihre Träume sie, und mit der alten Angst starrte sie in die Nacht und lauschte auf den Sturm. Das eine Mal hatte sie falsch gelegen, ihre schwache kranke Brust hatte unter einem schweren Druck geseufzt, und sie hatte ihren schrecklichsten Traum geträumt, den sie manchmal hatte, seit ihr plötzlich klargeworden war, was diese auf einmal überall geleierte Redensart ''Scheintot im Massengrab'' eigentlich bedeutete.

    (ii) Verlangend sah sie zum Ofen, aber sie wußte, sie würden den ganzen Tag frieren müssen, wenn sie jetzt schon heizte. Schließlich nahm sie eine Zeitung, ballte sie zusammen und steckte sie in das Ofenloch. Der Anblick des flammenden Papiers tat ihr gut; die feurige Lohe täuschte ein Gefühl von Wärme vor. Sie wusch sich, indes das Papier im Ofen schon längst schwarz geworden war, und fuhr in Kleider und Mantel. Das Kind schlief fest, aber es würde nicht bis zu ihrer Rückkehr fortschlafen: Der Hunger würde es wecken. So nahm sie aus dem Küchenschrank ein Brot und schnitt ein Stück ab, dessen Größe sie sorgenvoll überlegte. Es war klein und doch eigentlich zu groß. Aus Bindfaden machte sie eine Schlinge und hängte das Brot an die Bettleiter. Sie lächelte, als sie daran dachte, wie sehr Gustäving sich über diesen Morgengruß freuen würde. Er war wie sein Vater: Er würde das Brot langsam und mit Bedacht essen, viele Male kauend. Obwohl es kein Friedensbrot von reinem Geschmack war, sondern Kriegsbrot mit klitschigem Kartoffelstreifen. Manche sagten, es werde Holzmehl und Sand in das Brot gemengt - aber das mußte nicht wahr sein.

    Sie suchte sich vorzustellen, was sie beim Fleischer bekommen würde: ein gutes Stück Kopf oder nur ein paar Abfallknochen, fast ohne Fleisch. Es war Glücksache - und meistens hatte sie kein Glück. Alle Menschen waren voreingenommen gegen einen Buckel. Aber man mußte es nehmen, wie es kam: Es war doch, so wenig es auch sein mochte, Fleisch ohne Karten, Zeug, das der Fleischer nicht anders verwerten konnte. Es gab den Steckrüben einen besseren Geschmack!

    ''Was mag die Uhr wohl schon sein?'', fragte die Frau vorn. ''Fünf Minuten nach halb sechs!'' antwortete Gertrud Gudde. ''Und meine Füße sind schon jetzt wie Eis! Das halte ich nicht bis acht durch. Passen Sie ein bißchen auf meinen Platz auf? Ich habe achtzehn.'' Getrud stimmte zu, aber die Frau verhandelte noch mit der vor ihr. Es war zu schlimm, wenn man seinen Platz verlor, wenn man ganz umsonst früh aufgestanden war und gefroren hatte. Man mußte sich erst bei beiden Nachbarn sichern.

    Dann aber lief die Frau los, sie hatte nur Holzschuhe an, die Holzsohlen klappten laut auf dem Pflaster. Sie lief die Straße auf und ab, manchmal blieb sie stehen und schlug die Arme fest gegen den Leib. Aber niemand machte einen Witz, nur eine sagte gedankenvoll: ''Wenn man genug Kräfte hat, es länger zu tun, wird man schön warm davon!'' Dann schwiegen wieder alle.

    Gertrud Gudde schüttelte den Kopf. Nicht, daß sie nicht fror, aber sie scheute sich, mit ihrer Mißgestalt vor den anderen herumzulaufen. Sie waren ja alle arme geschlagene Weiber, aber es gab doch immer welche, die in aller Armut noch über den Ärmeren spotteten.

    (iii) Der Aufschwung, den die neuen Pferde Gustav Hackendahl gegeben hatten, war längst wieder vorüber. Mit den Pferden war die Sorge um die Kutscher gekommen und hatte nie aufgehört. Diese Kerle, die man da auf den Bock gesetzt hatte, die nichts von Pferden verstanden, die nicht fahren konnten, die keine Straße wußten, denen es ganz egal war, ob sie Fahrgäste hatte oder keine, die Hauptsache, am Abend gab's den Garantielohn - diese Kerle, uralt oder ganz jung, hatten den alten Hackendahl halb zu Tode geärgert. Und zu der Sorge wegen der Kutscher war die Sorge um das Futter gekommen. Ja, so lange man noch Hafer auf dem Boden zu liegen hatte, konnte man gut sagen: Es sind ja nur Russenpferdchen, und zur Not leben sie auch von Stroh. Als dann aber wirklich die Futternot anfing, als den Pferden rationiert wurde wie den Menschen, da mußte man zugeben: Jawohl, vielleicht können sie wirklich nur von Stroh leben, aber dann tun sie eben nichts, dann stehen sie bloß im Stall. Wenn sie aber arbeiten, dann wollen sie auch fressen! Und sie mußten arbeiten, sie mußten Geld verdienen, alles wurde teurer, und das Geld wurde immer knapper!

    Nein, das Geld blieb nicht bei einem, es läpperte sich so weg. Trotzdem hätte man sich so weiter geholfen: es war ja Hauptsache, daß immer ein bißchen was in der Ladenkasse klapperte, dann richtete man sich schon ein.

    Dann aber war der Abend gekommen, da ein amtliches Schreiben anlangte: ''Pferdenachmusterung, Vorführung sämtlicher Pferde, auch seit der letzten Musterung gekaufter, auch käuflich erworbener ausrangierter Militärpferde''. ''Da muß ich ja bloß drüber lachen'', hatte Hackendahl gesagt. ''Daß sie die Menschen nachmustern, das habe ich schon gehört. Aber nun auch die Pferde - na laß sie! Wenn sie soviel überflüssige Zeit haben!''

    Damals(, in den ersten Auggusttagen des Jahres 1914,) war (er) gewichtig, eine Tasche unter dem Arm, neben seinem Transport hergegangen. Er hatte die Gesichter der Leute studiert, und ihre bewundernde Anerkennung hatte ihn stolz gemacht. Jetzt führte (er) selbst die ersten vier Gäule, während ihm Futtermeister Rabause mit den nächsten vieren folgte. Man konnte gut den Lohn für den Kutscher sparen. Und in die Gesichter der Entgegenkommenden brauchte man auch nicht groß zu sehen. Die waren doch alle grau und hoffnungslos, und wenn einer wirklich auf die Pferde achtete, so dachte er bloß: Die sollten sie auch lieber zum Pferdeschlächter bringen, dann gibt's wenigstens wieder Fleisch ohne Karten.

    ''Machen Sie, daß Sie zu Ihren Pferden kommen! Hier hat keiner zu horchen!'' Es war ein graugesichtiger Rittmeister mit scharfen Zügen, der Hackendahl so anschrie. Er trug das E. K. I. auf dem Rock. Der gehörte sicher zu denen, die an der Front kaputtgeschossen waren, die wieder raus wollten, die den ganzen ''Friedensbetrieb'' hier im Binnenlande haßten und verachteten. Sein Gegenstück war der Tierarzt, ein dicker Mann mit einem rosigen, fetten Gesicht: Der machte immerzu Witze, über die er allein lachte. ''Hackendahl!'' rief er, ''Na, nu man ein bißchen fix die Hacken dahl! Das sind ihre Pferde? Das sind ja Katzen! Sie kommen wohl direkt aus den Flohzirkus? Na, nu mal munter, munter! Pferd ist Pferd, wie gehen hier nicht nach dem Gardemaß!''

    (Hackendahl) sah das Papier an. Aber er verstand noch immer nicht, was darauf stand, vor seinen Augen waren Flecke. ''Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt - sie sollen hier nicht stehen!'', sagte der Rittmeister scharf. Und nach einem längeren Blick: ''Was stimmt nicht?'' ''Von zweiundzwanzig Pferden nur noch drei!'' sagte Hackendahl. Dies war es, was sein Kopf zuerst begriffen hatte, und dies hielt er fest. ''Ich habe doch einen Fuhrbetrieb.'' Er sah den Rittmeister an, als müsse er es verstehen. ''Wir haben Krieg'', sagte der Rittmeister kalt. ''Zehntausende von Vätern haben ihre Söhne hergeben müssen - und Sie klagen hier wegen Pferden!''

    (iv) Im blauen Kutschermantel, den weißgrauen, schweren Lackzylinder, Mutters Milchpott, auf dem Kopf, hält (Hackendahl) an den Wartestellen. Die anderen Kutscher, als sie (ihn) zuerst hinter seinem kopfhängerischen Schimmel auftauchen sahen, riefen ihm zu: ''Na, Justav, laß 'nen anderen ooch wat verdienen! Du willst woll mit Jewalt reich werden?'' Und untereinander meinten sie: ''Es wird ihm schon leid werden mit Steckrüben im Bauch bei diesem Wetter!''

    Allmählich aber, als sie ihn immer wieder sahen, bei jedem Wetter, nicht die schlechteste Fuhre ausschlagend, als es sich herumgesprochen hatte, daß er nur noch mit zwei Droschken fuhr, das sagten sie: ''Allens, wa recht ist: Er jibt nich nach! Der Justav is wirklich eisern!''

    zit. v. projekt-gutenberg.org   

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

    2 Mal editiert, zuletzt von wes.walldorff (3. April 2022 um 21:53)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!