. . . etwas zur Unzeit ... bin aber evtl. ab heute Mittag bis einschl. SO ohne Internet-Anschluss (gibt`s!)
04.05.1948 - Bert Brechts Theaterstück "Der kaukasische Kreidekreis" wird uraufgeführt
Alexander von Zemlinskys (1933 uraufgeführte) "Kreidekreis"-Oper hat allerdings das "Kreidekreis"-Drama von Klabund** (v. 1925) als Vorlage! <= Daraus** einige Sätze aus dem zweiten und fünften Aufzug . . .
TSCHANG-LING Ich laufe durch die Welt, wie elend, wie schwelend mein Herz! Flamme unter der Asche! Rauch und Ruß überall. Tags saß ich in hohlen Baumstämmen und schlief. Nachts machte ich mich auf den Weg und lief da- und dorthin. Schwirrte wie eine Fledermaus; die Dunkelheit tat mir wohl. .. Wohin sind meine eleganten Kleider? Die trunkenen Abende in den Schenken? In Fetzen hängen mir einige Lumpen am Leibe. Mein Magen ist eine gedörrte Pflaume. .. Weh uns, daß Männer ihre Seele, Mütter ihre Töchter verkaufen müssen, um des nackten, dürftigen Lebens willen. Vater Himmel und Mutter Erde haben nie und nimmer Tausenden ein Recht gegeben, das Eigentum Ihrer Millionen Brüder zur Befriedigung ihrer Üppigkeit zu verschlingen. ..
Ein solch verruchtes Unkraut, das den Blumen und nützlichen Pflanzen die Erde wegnimmt, ist der Besitzer dieses Hauses. Er hat meinen Vater in den Tod, mich in das Elend getrieben und meine Schwester gezwungen, sich ihm zu verkaufen. Sein Name ist in der Liste der Bruderschaft längst mit einem Kreidekreis umgeben. Das bedeutet seine Trennung von der Welt. Sein Urteil ist gesprochen.
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KAISER. Gerechtigkeit - so heißt des Kaisers oberstes Gesetz und aller Tugenden Tugend. Ich habe darum für heute alle Verbrecher, die .. seit meiner Thronbesteigung zum Tode verurteilt wurden, samt ihren Richtern hierher in meinen Palast entboten, um Gerichtstag zu halten.
Ich richte auch die Richter. Wer Beschwerde / Gegen sie hat, erhebe sie. Der gelbe Saal / Hat tausend Augen, alles zu durchschaun, / und tausend Hände, die das Richterschwert schwingen. / Hier auf den Stufen meines Tribunals steht / Ti-sching gemalt: Sprich leise, handle leise, denke leise! / Ein jeder gehe mit sich selbst zu Rat. ..
Warum bist du im Block, und was ist dein Verbrechen? / Was bleibst du stehn, und fällst nicht in die Knie? / TSCHANG-LING Gäb es Gerechtigkeit in diesem Land, / ich stünde nicht im Block vor dir. / Wer so viel litt wie ich, der kniet / vor keinem Menschen mehr .. KAISER Was verbrach der Mann? .. TSCHU Er beschmutzte mit dem Unflat seiner Flüche den hohen Gerichtsaal von Tscheu-kong. KAISER Die Worte TSCHU Untertänigst zu melden: - kaum wag ich, sie zu äußern, die Zähne weigern sich, sie freizulassen - der neue Kaiser wird auch nicht besser sein als der alte.
TSCHANG-LING Und diese noch dazu: Wir Armen werden unter seinem Banner / Rechtlos am Straßenrand verrecken wie bisher. / Denn Recht hat nur, wer Macht hat, Geld, ein Amt. / Die Möglichkeit, den Richter zu bestechen / Mit Talerchen, mit einer schönen Frau, / Der eigenen vielleicht, was tut`s? / Der Kaiser sitzt in Peking auf dem Thron - / Peking ist weit - des Kaisers Sonn so tief / Mit hoher Politik beschäftigt. Recht? / In China gäb es Recht! Daß ich nicht lache! .. KAISER Du weinst; weinst du um dein Geschick? TSCHANG-LING Ich wein um China KAISER Nehmt ihm den Halsblock ab! Er sei befreit! / Wer solche Tränen weint, ist kein Verbrecher. / Sie netzen / Die Blume seines Herzens / Wie Tau. / Daß er mich lästerte, verzeih` ich ihm. / Er lästerte aus edlem Willen, / Die schlechte Welt zu bessern.
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