Zum Opern- und Konzertleben in Leipzig

  • Zum Opern- und Konzertleben in Leipzig

    Das MDR-Sinfonieorchester mit Schostakowitsch, Liss und Andrei Ionita im Gewandhaus:

    Das Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur hatte Dmitri Schostakowitsch 1959 geschrieben, als während der „Tauwetter-Periode“ die Stalinsche Kulturbürokratie zunehmend überwunden worden war.

    Das Konzert gilt als wichtigster Teil der Abrechnung mit Stalin.

    Entsprechend gelockert, zum Teil übermütig und teilweise autobiographisch ist die Komposition ausgeführt. Auch zitiert Schostakowitsch etwas hämisch Josef Stalins Lieblingslied, das sentimentale „Suliko“.

    Wir hatten das Schostakowitsch-Cellokonzert mit dem Solisten Andrei Ioniţă im Februar 2017 im Prager Rudolfinum mit der Tschechischen Philharmonie und dem Dirigenten Daniel Smith erleben dürfen.

    Ich hatte auch damals im Forum berichten und meine Eindrücke von der Interpretation schildern können. Nach dem Prager Konzert hatten wir uns mit Andrei Ioniţă zum Essen getroffen und ich habe ihn mit meinen Empfindungen zu seiner Interpretation konfrontiert. Seine Reaktion war eigentlich nur ein mitleidiges Lächeln.

    Dieses Lächeln erklärte sich mit dem Konzert im Gewandhaus am 25.März, denn, in letzter Konsequenz beflügelt von der Zwiesprache mit dem Orchester, war die Klangwirkung, wenn man von der vom Solisten recht frei gestalteten Kadenz absieht, eine deutlich differenziertere.

    Es war doch spürbar, dass im Gegensatz zum Australier Daniel Smith in Prag mit Dmitry Liss ein ausgewiesener Schostakowitsch-Spezialist am Pult gestanden hat.

    Im dem Konzert anschließenden Treffen mit dem jungen Cellisten ist dann auch seine Darbietung kein Thema mehr geworden.

    Das Schostakowitsch-Könnens von Liss spielte er aber vor allem im Zweiten Konzert-Teil mit Schostakowitschs Sinfonie Nr. 10 e-Moll op.93. Wir hatten erfahren, dass er mit dem MDR- Sinfonieorchester an zwei Tagen recht intensiv geprobt habe.

    Liss dirigierte mit präzisen und zum Teil weit ausholenden Bewegungen und man spürte regelrecht, wie er das Orchester zu einer über 52 Minuten bis zum letzten Takt die Spannung haltender Höchstleistung brachte.

    Die Komposition von 1953, also kurze Zeit nach Stalins Tod aber noch vor dem Enthüllungs-Parteitag entstanden, spiegelt doch die Unsicherheit zwischen Erleichterung und „was wird kommen“.

    Das Moderatordes ersten Satzes und das Allegretto des dritten waren doch recht differenziert zum brutalen Allegro (zweiter Satz) und zumAllegro-Teil des Schlusses.

  • Parsifal hinter einem Gazevorhang

    Auch am Karfreitag 2018 sollte unbedingt Parsifal sein. Da aber die Theo-Adam-Inszenierung dank falscher Pietät aus dem Semperopern-Spielplan genommen worden war und auf Konserven kein Appetit bestand, konnte man sich der von Ulf Schirmer 2006 aufs Schild gehobenen Inszenierung von Roland Aeschlimann des Opernhauses Leipzig erinnern.

    Schirmer hatte im Vorfeld der Premiere erklärt, dass mit dem Regietheater die Regisseure doch nur ihre eigene Persönlichkeit in Szene setzen würden. Er wolle für sein Haus dem jeweiligen Bühnenwerk in einer intelligenten, dabei ein breites Publikum ansprechenden Lesart zu seinem Recht zu verhelfen.

    Der Schweizer Aschlimann, Jahrgang 1939,war ursprünglich vor allem als Bühnenbildner tätig. Aus Ärger, was die „Regietheater-Experten“ ihm für ihre egomanische Inszenierungen abverlangten, übernahm er seit etwa 1995 zunehmend selbst auch die Regie von Opern- und Operetteninszenierungen.

    Sein „Parsifal“ von 2004 am „Grand Théȃtre de Genève“ war Anlass, ihm die Inszenierungsarbeit in Leipzig zu übertragen.

    Zum Zeichen, dass es außer der Wagner-Auffassung zur Parsifal-Sage noch andere Quellen gibt, projizierte er in den Gesangsszenenpausen die von Wolfram von Eschenbach überlieferten Namen der Ritter dessen „Parzival-Epos“ auf eine mannshohe Tafel, die dann nach Hinten abgesenkt, als Spielfläche für die Wagner-Aeschlimann-Deutung diente .

    Die zunächst irritierende Abtrennung der Bühne von Graben und Zuschauerraum durch einen hauchdünnenGaze-Vorhang, erschloss dem Bühnenprofi wunderbare Möglichkeiten.

    Vor allem erlaubte der Gazevorhang, dass die Personen nicht auftreten, sondern regelrecht mystisch aus einer Nebelwolke entwickelt werden und ggf. auch so wieder verschwinden. Die Wirkung des Gesanges wurde vom Vorhang erstaunlicherweise nicht merkbar beeinträchtigt.

    Eine Personenführung gibt es, wenn man von den Blumenmädchen-Szenen absieht, eigentlich nahezu nicht.

    Auch einen Bühnenaufbau sucht man vergebens.

    Im ersten Akt ist die Bühne komplett in Blau gestaltet. Der Zaubergarten ist grün gehalten, währendim Schlussakt wieder das Blau dominiert. An die Rückseite der Bühne werden Symbole und Zeichen projiziert, die neben dem Christentum auch auf den Buddhismus Bezug nehmen.

    Das Gerüst der Aufführung ist der Orchesterklang. Als Thielemann-gestählter Wagnerianer muss ich mich zwar im Urteil zurück halten. Fand aber das disziplinierte Musizieren der Gewandhausmusiker richtig gut.

    Die musikalische Leitung des Abends hatte der stellvertretende Generalmusiker der Oper Leipzig, der Brite Anthony Bramall.

    Ohne Extravaganzen und Schnörkel brachte er die Partitur über den Abend. Unterstützte die Solisten und gab auch mal Tempo und Lautstärke, wenn das angebracht war. Leider kam für mich die leichte Getragenheit, die Streicher beim ersten Vorspielkaum zur Wirkung.

    Gesungen wurde durchweg gut bis sehr gut.

    Dass uns das „Leipziger Eigengewächs“ Kathrin Göhring eine fulminante Kundry bieten wird, hatten wir erwartet. Sie beherrscht die delikate und komplexe Psychologie der zwischen den Zeiten irrenden Verführerin und Dienerin, zugleich aber Täterin und Opfer subtil. Ihre Stimme klingt inzwischen auch in allen Lagen gut, selbst im ersten Akt mit einer aufgerauten Intensität. Scheinbar mühelos zwischen den hochdramatischen und beinah lyrischen Passagen verleiht sie der Kundry selbst in den expressiven Ausbrüchen eine betörende Wärme.

    Ebenfalls zum Ensemble der Oper Leipzig gehört der von der Färöer Insel Suðuroy stammende prachtvolle u.a. auch von Matti Salminen geprägte Bassist Rúni Brattaberg, der uns als Gurnemanz die zweite herausragende Gesangsleistung mit wunderbarer Bühnenpräsenz und seltener Textverständlichkeit geboten hat.

    Für die Titelpartie hatte man den Sänger-Darsteller der Premiereserie von 2006 Stefan Vinke gewonnen, der von damals 2006 bis 2012 dem Ensemble angehört hatte. Seine Leistung war ordentlich, aber vielleicht etwas zu routiniert, so dass er sogar Gefahr lief, im zweiten Akt von Kathrin Göhring an die Wand gesungen zu werden.

    Der Amfortas wurde von Tuomas Pursio, seit 2002 im Ensemble, gesungen. Randall Jakobsh vom Hausensemblegestaltete den Titurel.

    Eigentlich beneidenswert, was Ulf Schirmer inzwischen an Wagner-fähigen Sängern in Leipzig um sich geschart hat. Nur der aus der Reihe der Freischaffenden musste der übrigens auch umjubelte Bariton KaiSiefermann als Klingsor geholt werden.

    Auch haben wir selten eine so intelligent inszenierte Blumenmädchenszene erleben können.

    Eine besondere Erwähnung verdient auch der Lichtgestalter Lukas Kaltenbäck.

    Von Kritikern war die Arbeit von Roland Aeschlimann mit langweiligabgetan worden.

    Wir aber vermissten weder eine aufwendige Bühnendekoration, noch störten die weitgehend statisch agierenden Solisten.

    Zu einem Erfolg wurde der Abend durch die musikalische Realisierung durch das Orchester, die Solisten und den Chor.

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