Franz Schmidt: Sinfonie Nr. 4 C-Dur
Da dieses Werk gerade in Berlin unter der Leitung von KIirill Petrenko aufgeführt wurde, aktuell noch hier nachhörbar (Schmidt nach der Pause),...
http://www.deutschlandfunkkultur.de/kirill-petrenk…ticle_id=415700
...und ein Thread gewünscht wird, hier ein Versuch:
Mein Eindruck:
Ein gewaltiges, ca. 50 Minuten langes, ohne Unterbrechung durchlaufendes symphonisches Schicksalsdrama ist diese 1933 vollendete Symphonie Nr. 4 C-Dur von Franz Schmidt (1874-1939), der unter anderem Cellist im Wiener Hofopernorchester zur Mahler-Zeit und später auch Direktor der Wiener Musikakademie war und als Komponist vor allem mit dem Zwischenspiel zur Oper Notre-Dame und dem Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln einen Namen hat. (Im April 2017 erschien bei Sony eine CD mit den von Semyon Bychkov geleiteten Wiener Philharmonikern mit Schmidts Symphonie Nr. 2, eine diskografische Lücke wurde da luxuriös gefüllt.)
Schmidts 4. Symphonie hat das Orchester bereits 1971 eingespielt, von 20. bis 22.9.1971 im Wiener Sofiensaal, unter der Leitung von Zubin Mehta. Diese Aufnahme und zwei Konzertübertragungen aus Berlin haben mich ganz tief ins Werk eintauchen.lassen.
Franz Schmidts Symphonie Nr. 4 C-Dur, komponiert (nachdem schon seine Frau 1919 in die Psychiatrie kam, sie fiel 1942 der Euthanasie zum Opfer) nach dem Wochenbett-Tod von Schmidts einziger Tochter 1932, vollendet 1933, ganz kurz zusammengefasst, Zitate aus der Werkeinführung auf der Homepage der Berliner Philharmoniker mit mehr Erläuterungen zum Werk:
https://www.berliner-philharmoniker.de/konzerte/kalender/details/51178/
Der Beginn mit dem resignativen Motiv der Solotrompete (Schmidt: »..letzte Musik, die man ins Jenseits hinübernimmt, nachdem man unter ihren Auspizien geboren [wurde] und gelebt hat«), dann ein breites Passionato-Thema (wo »das ganze Leben noch einmal vorüberzieht«), der Trauermarsch für die verstorbene Tochter (Adagio), das im Zusammenbruch endende Scherzo (»Katastrophe«), und schließlich die Reprise des Kopfsatzes (Schmidt: »…alles gereifter und verklärter«).
Etwas mehr:
Deutlich kristallisiert sich beim Hören dieses so wie ich es höre nachbrucknerschen und nachwagnerschen Werks diese Vierteiligkeit heraus. Im „1. Satz“ gibt es Steigerungen, Schwelgerisches, in der Wiener Aufnahme auch Orgelhaftes, Schicksalsschweres durch und durch. Die Rahmenteile des „2. Satzes“ bestimmt (vor allem im ersten Rahmenteil) das Solocello (in der vorliegenden Wiener Philharmoniker Aufnahme gespielt von Emmanuel Brabec), den Mittelteil ein gewaltiger Trauermarsch. Der „3. Satz“ scheint (auch mit kontrapunktischen Passagen) eine in sich gefestigtere Basis zu finden, es erfolgt aber ein totaler Zusammenbruch, wie bei Mahler. Dann (so wie ich es höre) Trauermusik und („4. Satz“) die Reprise des 1. Satzes. der Versuch zu trösten (Wiener Philharmoniker!), neue Kraft zu schöpfen.
Wie Liszts Klaviersonate h-Moll – ein großer Satz, der in einem Zug durchläuft, gleichzeitig die Vierteiligkeit mit der Klammer außen (wie Exposition und Reprise) und dem langsamen Satz sowie dem Scherzo in der Mitte.
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Die Wiener Aufnahme finde ich musikalisch ungeheuer intensiv, dabei dem Werk gemäß nahezu erschlagend, absolut erschöpfend, niederschmetternd eindringlich und dabei klanglich exzellent, prachtvolle Offenheit vom Allerbesten (Decca!).
Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker, am 12.4.2018 in Deutschlandfunk Kultur gehört und am 13.4.2018 in München im Kino von mir auch gesehen, bringt das Werk so wie ich ich es empfand in erlesener Berliner Klangkultur anders, grandios differenziert aufgefächert, von Petrenko vollmusikalisch ausgelotet.
Nach den beiden (für mich waren sie es) Berliner Sternstunden habe ich dann noch einmal Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker gehört. Sie haben Schmidts 4. Symphonie mit Zubin Mehta im 4. Abonnementkonzert am 11. und 12.1.1969 gespielt sowie am 13.1.1969 für die Jeunesse und dann eben 1971 aufgenommen. Mein Eindruck jetzt: Die Streicher haben etwas Verklärendes, vielfach klingt das Orchester orgelhaft, und erneut meint man Einflüsse von Bruckner, Wagner, Brahms, Richard Strauss und Mahler durchzuhören, aber alles in allem ist es ein niederschmetternd gutes großes, ja gewaltiges spätromantisches symphonisches Werk.
Herzlich willkommen im Thread zum Werk.