Moïse - die französische Version -1
Die französische Version von Mosè in Egitto kursiert oft unter dem Namen "Moïse et Pharaon ou Le passage de la Mer Rouge". Dieser Titel ist aber nur auf dem Umschlagblatt von einem Librettodruck vorhanden. Alle andere Quellen, inklusive Partitur und Klavierauszug, tragen den einfachen Namen Moïse, der sich auch in Frankreich durchgesetzt hat.
Die Pariser Erstaufführung von Mosè in Egitto fand 1822 im Théâtre Italien statt. Ferdinand Hérold war 1821 Rossini in Neapel begegnet und beide waren sich darüber einig, daß sich das Stück für eine Aufführung in Paris eignete. Der Erfolg hielt sich aber in Grenzen.
Nach dem Erfolg von Le Siège de Corinthe, einer Bearbeitung von Maometto Secondo, nahm Rossini den Gedanken wieder. Das Libretto von Andrea Leone Tottola wurde von Luigi Balocchi auf Französisch übersetzt. Die Oper konnte aber nicht 1:1 übernommen worden, da unter anderem Ballettszenen unverzichtbar waren. Balocchi und Étienne de Jouy unterzogen das Libretto einer intensiven Umbearbeitung, die die Erweiterung von drei auf 4 Akten einbeschloß.
Dabei wurden auch die Namen geändert, wobei der Grund hierfür nicht immer nachvollziebar ist
Mosè --- wurde zu --- Moïse
Faraone ----------------- Pharaon
Aronne ------------------ Éliézer
Elcìa --------------------- Anaï
Amaltea ------------------ Sinaïde
Osiride ------------------- Aménophis
Amenofi ------------------ Marie
Mambre (Tenor) ------ Osiride, Großpriester der Isis (Baß) und Aufide, Anführer der Wache (Tenor)
Die Handlung der neuen Oper ist folgende:
1. Akt
Die Hebräer beklagen ihre Gefangenschaft, aber Moses beruhigt sie: Bald ist der Qualen ein Ende. Tatsächlich kommt Éliézer, der erzählt, Pharao hätte ihre Klagen erhört und auch die der Königin Sinaïde, die ihnen wohlgesinnt ist. Ein Regenbogen erscheint am Himmel und von einem brennenden Busch kommt eine mysteriöse Stimme, die den Bund zwischen dem Herrn und seinem Volk bekräftigt. Sie fordert Moses auf, die Gesetzestafeln an sich zu nehmen, die auf dem jetzt blühenden Busch bereit liegen. Anaï (Tochter der Marie, einer Schwester von Moïse) beklagt ihr Schicksal: sie ist in Aménophis, Pharaos Sohn verliebt, und fürchtet die Trennung. Aménophis, der seine Geliebte nicht ziehen lassen will, widerruft den Befehl seines Vaters und versucht, Moses festzunehmen. Er wird von Pharao angehalten, der nichtsdestoweniger bekräftigt, daß die Hebräer gefangen bleiben. Der Prophet verkündigt den Zorn Gottes: Es kommt eine Sonnenfinsternis, Sturm, Donner, Erdbeben und eine Pyramide verwandelt sich in einen Vulkan.
2. Akt
Nach Tagen der Finsternis ruft der Pharao Moses und verkündet seine Entscheidung: die Hebräer dürfen ziehen. Nach eine Invokation des Propheten kommt das Licht zurück. Aménophis ist wieder unglücklich: Anaï wird gehen und dazu will sein Vater ihn mit der Prinzessin von Assyrien vermählen. Seine Mutter versucht, ihn zu trösten und nimmt ihn mit sich zum Isistempel.
3. Akt
Im Isistempel feiert Ägypten feiert das wiedergekommene Licht. Moses kommt und fordet das Einhalten der Versprechung. Der Großpriester Osiride aber verlangt, daß die Hebräer sich vor Isis beugen. Diese weigern sich empört und Aufide erzählt von neuen Plagen: das Wasser des Nils wird zu Blut, Heuschrecken, kommen in Scharen usw ...Moses streckt seinen Arm gegen die falschen Götter. Die Isis-Statue stürzt und die Bundeslade erscheint. Pharao befiehlt, die Hebräer in Ketten zu legen und aus der Stadt in die Wüste zu führen.
4. Akt
Am Ufer des Roten Meers. Aménophis bringt Anaï zu ihrem Volk und schlägt vor, die Hebräer bei ihrer Flucht zu unterstützen, wenn sie ihm ihre Hand gewährt. Moses stellt sie vor die Wahl zwischen Liebe und Gottestreue. Schließlich entscheidet sie sich gegen die Liebe. Aménophis entfernt sich erzürnt und rachesüchtig. Die Hebräer beten zu Gott und werden von ihren Fesseln befreit. Moses befiehlt ihnen weiterzuziehen. Sie schreiten auf den Fluten.
Pharaon, Aménophis und die Ägypter wollen denen folgen aber ein Sturm bricht aus und die Fluten verschlingen sie. Marie und die Hebräer preisen den Herrn für ihre Rettung.
Die Handlung ist komplizierter geworden. Zwischen Neapel 1818 und Paris 1827 hat sich auch das Umfeld stark geändert. Frankreich unter Karl X ist voll in der konservativen Restauration. Das religiöse Element wird jetzt viel stärker betont. Gott selbst kommt zu Wort (als voix mystérieuse im ersten Akt) und sagt:
"Moses, komm näher. Ich erfülle mein Versprechen. Im seligen Rausch komm und empfange mein Gesetz. Hebräer, seid auf neue Furoren vorbereitet. Geht zum Pharao, schreitet, seid mir treu. Ihr werdet für mich streiten, ihr werdet in meinem Namen siegen."
Es wird klar Partei ergriffen. Im ersten Akt wird das Volk der Hebräer als erwähltes Volk zelebriert. Am Ende des dritten Aktes kommt es zum Konflikt zwischen Gott und Isis und Gott gewinnt deutlich. Der Ton ist viel rauher geworden. Sogar Aménophis sagt seiner Geliebten Anaï im ersten Akt: "Glaubst du, ich bin bereit, deine Fesseln zu lösen? Sklavin, du gehörst mir." Das Libretto Tottolas hat eine gewisse Qualität. Die Übersetzung ist nicht immer gelungen und das, was von Balocchi und de Jouy hinzugefügt worden, ist textlich nicht auf demselben Niveau.
Die Beziehungen zwischen den Personen haben sich auch geändert. Aménophis und Anaï sind nicht mehr heimlich verheiratet. Eine richtige Intimität zwischen den beiden, wie in der Elcìa-Osiride Szene im zweiten Akt von Mosé in Egitto, gibt es nicht mehr. In Mosè in Egitto war Elcìa compagna amata (geliebte Freundin) von Amenofi, jetzt ist Anaï die Tochter Maries (und damit Nichte Moses'). Sinaïde die Königin sagt jetzt klar: "Ich respektiere Moses und sein Gott war der meine", sie ist eine Alliierte der Hebräer. Éliézer (I,3) sagt über sie : "Sie hat sich für uns erklärt. Zur Unterstützung des Zornes des Gottes, den sie verraten hat, droht sie, schüchtert sie ein und sie bringt Furcht ins Herz ihres Gemahls". Sie hat sich ziemlich weit entfernt von der ursprünglichen Amaltea, hat aber für Aménophis echte mütterliche Gefühle. In Neapel ist Osiride nicht Amalteas Sohn. Das sagt Pharao klar in II,5: "Und immer eitel mit meinem Sohn, weil du nicht seine Mutter bist, machst du seinen jugendlichen Eifer für das ganze Übel schuldig ". Aménophis ist aber Sinaïdes Sohn in Paris (zufälligerweise wird es auch dort in II,5 mehrmals betont).
Oft werden die zwischenmenschlichen Beziehungen von Moïse auf Mosè in Egitto rückübertragen, was das Verständnis für die Neapel-Oper nicht einfacher macht.
Ein Detail: hier teilen sich die Fluten des Roten Meeres nicht mehr. Im Libretto steht:
Chor (mitten in den Fluten): "O Wunder, die zaghafte Welle bewegt sich und deckt uns nicht. Wir gehen, die flüssige Ebene befestigt sich überall unter unseren Schritten".