Das Streichquartett im 21. Jahrhundert

  • Per Nørgard
    Streichquartett Nr. 10 "Herbstzeitlose"
    Kroger Quartett

    Sein (bisher) letztes Streichquartett hat Nørgard gemeinsam mit dem Kroger Quartett entwickelt, ein entspanntes Spätwerk, fast durchgehend tonal, post-modern.
    Ob die englische Übersetzung des Titels als "Harvest timeless" korrekt ist, wage ich zu bezweifeln. Meadow saffron oder autumn crocus wäre wohl korrekter. Klingt nur nicht so gut. :D
    Aber vielleicht verwandte Nørgard den Begriff auch nur poetisch und nicht botanisch. Dann passt es schon.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Spontanes Plädoyer eines reichlich Unwissenden für einen wichtigen Mildavantgardisten aus England

    Diese Musik - heute postalisch erhalten und gleich mal gehört - würde genauso gut bei den Streichquartetten eben gehört passen oder natürlich bei der Neuen Musik eben gehört.

    Da wir aber zur Hälfte eindeutig uns im 21. Jahrhundert befinden - und zur anderen kurz davor - und weil es hier schneller zu finden ist [ :versteck2: ] - ja, deshalb hier.

    Einen Faden zum Komponisten wollte ich auch nicht gleich eröffnen, kannte ich doch bis heute bewusst und wahrscheinlich noch nichts von Harrison Birtwistle.

    Das sollte ich ändern, denn zum einen ist mir der Name schon oft genug im Rundfunk aufgefallen und vor allem auch hier im Forum. So mancher, muss ich hier beim Herumsuchen zum anderen feststellen, kennt schon längst diese Streichquartett-CD und auch Weiteres von diesem in Ehren ergrauten englischen Großmeister.

    Birtwistle, so dachte ich bislang, sei ein radikaler Avantgardist. Das scheint nicht ganz zu stimmen, wobei diese Streichquartette einem Spätstil des Komponisten entspringen, der möglicherweise radikaler ist als Früheres. Das kann man sogar diversen Hörproben in andere Werke hinein entnehmen.

    Irgendwo habe ich gelesen, Birtwistle komme zunächst von Strawinsky und Messiaen. Gut, die beiden Streichquartette - ein geschlossenes aus diesem Jahrtausend und ein quasi amalgamiertes aus den Neunzigern, lassen solches vielleicht nicht zwingend, aber allenthalben enträtselbar erscheinen. In der Tat ist das keineswegs die materialfordernde und dem Geräuschhaften angenäherte Streichquartettmusik von Lachenmann oder Ferneyhough und in der Tat klingen da Farben und Harmonien an, die man in einer natürlich konventionelleren Umgebung bei Strawinsky oder auch im letzten, dem dritten (oder eher vierten, wenn nicht fünften) Streichquartett eines Benjamin Britten findet.

    Die Musik lebt von der Abwechslung, kann sehr rhythmisch betont sein, lyrisch oder aggressiv, legt Wert auf Pausen, auf Vielgliedrigkeit und Melodieansätze. Letztere stellen aber hörbar kein Primat dar. Man kann auch nachvollziehen - man hört es vielleicht am Anfang noch in keiner Weise explizit -, dass der Komponist ein Erzähler war, ein Freund der Mythen seiner Heimat. Das Problem (bislang) sehe ich in einer Struktur, die ich nicht und wohl noch lange nicht erschließen kann. Das fürchte ich - noch.

    Ja - ich habe auch irgendwo gelesen - und natürlich hat das kein objektiver Kenner Neuer Musik geschrieben, aber vielleicht doch ein sehr subjektiver -, dass sich ein Einhören viel eher lohne als beim Langweiler später Cage, beim Instrumentenquäler Lachenmann oder beim Eintonkomponisten Scelsi. Nein, das ist nicht (oder kaum) meine Meinung - aber es könnte als Appell (an mich und von mir) verstanden werden, mich mit Birtwistle mehr zu befassen.

    [Sollte Gurnemanz oder Pseudo-Gurnemanz der Meinung sein, man könne so billig auch einen Birtwistle-Faden eröffnen, dann tue ich das per copy and paste und nötiger Formalrevision. Aber ganz ernsthaft: Das muss wirklich nicht sein! :) ]


    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • [Sollte Gurnemanz oder Pseudo-Gurnemanz der Meinung sein, man könne so billig auch einen Birtwistle-Faden eröffnen, dann tue ich das per copy and paste und nötiger Formalrevision. Aber ganz ernsthaft: Das muss wirklich nicht sein! ]

    doch !
    Immerhin hat Barenboim mal was von ihm in Berlin uraufgeführt - eine Oper .... kann mich gerade nicht an den Namen erinnern.

    Oder auch das hier:
    https://www.google.co.uk/amp/s/amp.theg…view-proms-2017

  • Danke, werte Rosamunde, für Deine Antwort! Aber jetzt gehe ich erst mal in die Heia.

    :wink: Wolfgang

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  • Thomas Simaku (Jg. 1958) ist ein albanischer Komponist, der einen Teil seines Musikstudiums in England absolviert hat und dort hängen geblieben ist. Inzwischen ist er auch britischer Staatsbürger.

    Vor einigen Jahren erschien bereits eine CD bei Naxos mit den Streichquartetten 2 und 3 gespielt vom Kreutzer Quartett, die Simaku einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte. Jetzt folgen die Quartette 4 und 5 eingespielt vom Quatuor Diotima für BIS.

    Im vierten Quartett (2010-11) entwickeln sich die weitgehend atonalen Klänge ruhig und langsam, nur gelegentlich gibt es kurze Ausbrüche. Bei der Besprechung der Naxos CD sah ein Kritiker Simaku in der Nachfolge von Bartok, Ligeti und Kurtag. Das trifft es wohl ganz gut.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Was steht da?

    Thomas Simaku (Jg. 1958) ist ein albanischer Komponist,

    Okay - ein alberner Komponist ist er zum Glück doch nicht... :D

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Vielen Dank für den YT-Hinweis! Unbreathed ist m. W. noch nicht auf CD erschienen, aber das kommt dann sicher noch irgendwann...

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • So, die "Toten Wespen im Marmeladeglas" der in Berlin lebenden Italienerin Clara Iannotta habe ich jetzt mal konzentriert gehört und das ist schon ein starkes Stück. Klingt nicht immer nach Streichquartett, ob auch Elektronik involviert ist, weiss ich nicht. Aber die geräuschhaften Klangräume, die sich da auftun, sind schon sehr interessant. Ist bei der nächsten Bestellung dabei.

    http://claraiannotta.com

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • So, die "Toten Wespen im Marmeladeglas" der in Berlin lebenden Italienerin Clara Iannotta habe ich jetzt mal konzentriert gehört und das ist schon ein starkes Stück. Klingt nicht immer nach Streichquartett, ob auch Elektronik involviert ist, weiss ich nicht. Aber die geräuschhaften Klangräume, die sich da auftun, sind schon sehr interessant. Ist bei der nächsten Bestellung dabei.

    http://claraiannotta.com

    Elektronik dürfte dezent involviert sein. Gehört habe ich die Komposition auf jeden Fall, nämlich im Rundfunk. Wahrscheinlich auch auf yt, eventuell in Auszügen. Peinlicherweise bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich die CD bereits gekauft habe oder eben noch nicht ... Dies lässt sich klären, aber nicht mehr vor der Heia.

    Von daher: Frohe Heia!

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Gestern abend noch das bisher letzte (zumindest eingespielte) Streichquartett Nr. 7 von Pascal Dusapin gehört. Sehr klangstarkes Werk, klingt teilweise fast nach Heavy Metal :D . Die Ardittis können schon ordentlich zulangen. Aus irgendwelchen Gründen habe ich die Folge 1 mit SQ 1-5 nicht. Und die scheint es auch nirgendwo zu vernüftigen Preisen zu geben. Ich habe aber eine mit den ersten drei Quartetten.

     

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Elektronik dürfte dezent involviert sein. Gehört habe ich die Komposition auf jeden Fall, nämlich im Rundfunk. Wahrscheinlich auch auf yt, eventuell in Auszügen. Peinlicherweise bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich die CD bereits gekauft habe oder eben noch nicht ... Dies lässt sich klären, aber nicht mehr vor der Heia.

    Von daher: Frohe Heia!

    :wink: Wolfgang

    Dezent ?? Ich würde eher sagen, dass die Elektronik sehr stark involviert ist. Ich habe mir auf Soundcloud den Stream in Ausschnitten angehört, (dort mit dem Quatuor Diotima). Es ist nicht so mein Ding, denn ich höre da eigentlich von Streichquartett fast überhaupt nichts außer elektronischen Klängen. Aber vielleicht ist das auf der CD anders/besser.
    Das Stück heißt ja original "dead wasps in the jam-jar (iii) (2017–18), for string quartet and sine waves".
    Es gibt übrigens drei Versionen: (i) für Violine solo, (ii) für Streichorchester und eben die für Streichquartett.

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Jo - danke Dir, leverkuehn!

    Völlig off topic, nein, nicht völlig, aber im Zweifelsfall eben zu verschieben: Kennst Du zufällig die Sinfonien von Einojuhani Rautavaara?

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Jo - danke Dir, leverkuehn!

    Völlig off topic, nein, nicht völlig, aber im Zweifelsfall eben zu verschieben: Kennst Du zufällig die Sinfonien von Einojuhani Rautavaara?

    :) Wolfgang

    damit es hier nicht zu sehr OT wird, habe ich eine PN geschickt...

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Ich würde eher sagen, dass die Elektronik sehr stark involviert ist. Ich habe mir auf Soundcloud den Stream in Ausschnitten angehört, (dort mit dem Quatuor Diotima). Es ist nicht so mein Ding, denn ich höre da eigentlich von Streichquartett fast überhaupt nichts außer elektronischen Klängen.

    Bei youtube gibt es eine Live-Aufnahme, bei der man das Streichquartett agieren sieht. Von Elektronik sieht man außer Mikrofonen nichts.

    https://www.youtube.com/watch?v=-Xk9srzDXE4

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Ein Ensemble, das die Verbindung von Streichquartett und Elektronik exemplarisch untersucht, ist das coole junge belgische Quatuor Tana. Ihre CD "Volts" enthält fünf Kompositionen von meist jüngeren Komponisten (von keinem hatte ich jemals gehört, aber alle sind in der elektronischen Szene bekannt) die diese neuen Möglichkeiten ausloten. Das Quartett benutzt dabei u.a. ein spezielles Instrumentarium (Tana Instruments), bei denen - wenn ich es richtig verstanden habe - der abgegriffene Klang nicht über Lautsprecher, sondern die Instrumente selbst abgestrahlt wird. Wie das funktioniert...? Der Titel des dritten Stückes gefällt mir. :D

    Fausto Romitelli - Natura Morta con fiamme

    Juan Arroyo - Smaqra

    Remmy Canedo - Clusterfuck

    Gilbert Nouno - Deejay

    Christophe Havel - Dissidence 4

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