Pfitzners Musik – Noch immer vergessen?

  • überraschend für mich, daß die wohl überzeugtesten Schönbergianer hier im Forum (soweit mir bewußt) einem Pfitzner etwas abgewinnen können. Da muß ich ja glatt für mich noch einen Versuch starten. Bei mir hat's nämlich bisher nicht gefunkt, und ich möchte doch nicht den Anschluß verlieren ... ;)

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • überraschend für mich, daß die wohl überzeugtesten Schönbergianer hier im Forum (soweit mir bewußt) einem Pfitzner etwas abgewinnen können. Da muß ich ja glatt für mich noch einen Versuch starten. Bei mir hat's nämlich bisher nicht gefunkt, und ich möchte doch nicht den Anschluß verlieren ...

    Anton Webern und Alban Berg wollten beide zunächst bei Pfitzner als Schüler andocken, ehe sie sich Schönberg aussuchten.

    In Johann Peter Vogels (dessen Beschwichtigungsversuche von Pfitzners Antisemitismus sind m.E. durchaus kritisch zu betrachten) Pfitznerbüchlein werden zwei Vertreter moderner Mucke zitiert:
    Wolfgang Rihm: ." Wir finden .. in seinem Werk .. nicht .. das ungebrochen Gestrige.. Pfitzner ist heute noch querständig. Das macht ihn zum Fall, das ist das Aktuelle..."
    Hans Zender: ".. Die kompositorische Substanz halte ich bei Pfitzner für eher stärker als bei Strauss. Natürlich ist er weder eingängig noch brilliant noch irgendwie heiter-unterhaltend oder <süffig> , so wie Strauss in fast allen Werken ist.."

    Und Clemens Nachtmann betonte - wie bereits mal erwähnt - dass Pftzners introvertierte Mucke sich überhaupt nicht mit dem Propaganda-Kitsch der Nazis bzw. der Faschisten gemein macht.

    Als Einstieg wird ich gleich ins kalte Wasser springen und mir seinen super-tollen Palestrina reinziehn, einfach weil der so geil ist (Links für Libretto und Mucke findest du entweder im Pfitzner- oder im Palestrina-Thread). ... der Pfitzner-Funke sprang bei mir rüber - wie ebenfalls bereits mal erwähnt - durch den Ighino-Monolog vom 1. Akt ("Ich wusste wohl, du würdest also reden..)..
    .... oder vielleicht einfach mal ganz gechillt den - vergleichsweise kürzeren - 3. Akt einschmeissen, weil da typisches reminiszensartig-grüblerisches Pfitzner-Mucken-Feeling so exemplarisch-fetzig rüberkommt...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Hans Zender: " [...] Natürlich ist er weder eingängig noch brilliant noch irgendwie heiter-unterhaltend oder <süffig> , so wie Strauss in fast allen Werken ist.."

    Da ist wohl selbst einer dem deutschen Innerlichkeitskitsch verfallen. :D Der wahre Feind ist die Kulturindustrie. Auch wenn's Pfitzner anders genannt hätte.

    Und Clemens Nachtmann betonte - wie bereits mal erwähnt - dass Pftzners introvertierte Mucke sich überhaupt nicht mit dem Propaganda-Kitsch der Nazis bzw. der Faschisten gemein macht.

    Man denke an die antidemokratische Parlamentssatire im zweiten Palestrina-Akt. Oder an Pfitzners Versailles-, äh, Eichendorff-Kantate mit ihrem Nebeneinander von "Schlaf ein, mein Liebchen..." und triumphalistischer "Das Land ist ja frei!"-Geste... Natürlich kein "Nazi-Kitsch", aber ein veritables nationalistisches Statement.

    Und den späten Rückzug ins ästhetisierende Glasperlenspiel hat Pfitzner ja wirklich mal mit Richard Strauss ("Capriccio") gemein. "Querständig" ist das deshalb noch lange nicht.

    :wink:

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  • Da ist wohl selbst einer dem deutschen Innerlichkeitskitsch verfallen.

    unbestritten, dass Pfitzners Innerlichkeitskult auch zur Pose gerät.
    Kitsch wäre es m.E.erst, wenn diese Innerlichkeit bruchlos-gemütlich geriete. Das ist sie m.E. im Falle Pfitzners nicht.

    Der wahre Feind ist die Kulturindustrie. Auch wenn's Pfitzner anders genannt hätte.

    KI wurde von mir überhaupt nicht erwähnt.
    Sondern mal Pfitzner-Mucke als Antidot gegen den Strausschen Elan ..

    Man denke an die antidemokratische Parlamentssatire im zweiten Palestrina-Akt.

    Palestrina enstand vor der Weimarer Republik. Ich würde diese Oper nun keinesfalls als pro-demokratisch bezeichnen. :D
    Die Vertreter im 2. Akt sind keine gewählten Vertreter.
    Politsch ist im Palestrina der Stoffgehalt in Form von Herrschaft, von rechtloser Verfügung und an Macht-Institutionen bzw. an deren verstümmelten Exekutoren z.B. Borromeo und Novagerio... Pfitzners Mucke identifiziert sich aber keinesfalls damit.

    Oder an Pfitzners Versailles-, äh, Eichendorff-Kantate mit ihrem Nebeneinander von "Schlaf ein, mein Liebchen..." und triumphalistischer "Das Land ist ja frei!"-Geste... Natürlich kein "Nazi-Kitsch", aber ein veritables nationalistisches Statement.

    Mit dieser Passage die Kantate als „Versailles“ aufzuhängen halte ich für vegane Magerkost. Wo gibt es denn sonst so ein Moment in der "Deutschen Seele" ?
    Menno, die Kanaten-Mucke kommt doch überwiegend grüblerisch rüber.
    Überhaupt, welche Kunstwerke wären denn gänzlich unkontaminiert von bestehenden Verhältnissen ? Eine derartige Illusion würde mir Mucke viel zu sehr aufladen und überfordern und funzt m.E. sowieso nicht. Ach ja, übringens, Wagners Werke erschöpfen sich nicht in Rausch, Zauber, Blendwerk und Ideologie.
    Die mögliche Intention Pfitzners für seine Eichendorff-Kantate sollte nicht mit dem Gehalt davon gleichgeschaltet werden.

    Und den späten Rückzug ins ästhetisierende Glasperlenspiel hat Pfitzner ja wirklich mal mit Richard Strauss ("Capriccio") gemein. "Querständig" ist das deshalb noch lange nicht.

    Hatte mir 1 x Capriccio eingeschmissen. Das Vorspiel kam noch ganz okay rüber. Aber ich fand die ganze Chose ziemlich schwach und - im Verhältnis zu Pfitzner - höchstlich hörgefällig und geplegt. Da kommt mir Pfitzners „Herz“ vergleichsweise sehr querständig rüber. C. wird ja auch viel öfters gespielt als Pfitzner. Und unter "Glasperlenspiel" stelle ich mir auch etwas sehr viel rätselhafteres und abweisenderes vor, als ausgerechnet „Capriccio“. Also eher sowas wie späte Webern-Mucke.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • unbestritten, dass Pfitzners Innerlichkeitskult zu Pose gerät.
    Kitsch wäre es m.E.erst, wenn diese Innerlichkeit bruchlos-gemütlich geriete. Das ist sie m.E. im Falle Pfitzners nicht.

    KI wurde von mir überhaupt nicht erwähnt.
    Sondern mal Pfitzner-Mucke als Antidot gegen den Strausschen Elan ..

    Gemeint war weniger Pfitzner als seine Apologeten (hier Zender). Und natürlich lauert bei den schlichten Dualismen Innerlichkeit vs. Elan, gefällig vs. querständig usw. das Kulturindustrieargument um die Ecke.

    Palestrina enstand vor der Weimarer Republik. Ich würde diese Oper nun keinesfalls als pro-demokratisch bezeichnen.
    Die Vertreter im 2. Akt sind keine gewählten Vertreter.

    Parlamentskritik im Sinne von "Schwatzbude" gab's schon lange vor der Weimarer Republik, auch das deutsche Kaiserreich hatte bekanntlich ein Parlament, das von rechter Seite entsprechend kritisiert wurde. Völlige Übereinstimmung aller Elemente der Handlung mit der Assoziation ist dafür nicht notwendig.


    Die mögliche Intention Pfitzners für seine Eichendorff-Kantate sollte nicht mit dem Gehalt davon gleichgeschaltet werden.

    Zitat von Amfortas09

    Mit dieser Passage die Kantate als „Versailles“ aufzuhängen halte ich für vegane Magerkost. Wo gibt es denn sonst so ein Moment in der"Deutschen Seele" ?


    Menno, die Kanaten-Mucke kommt doch überwiegend grüblerisch rüber.

    Du solltest vielleicht mal andere Pfitzner-Literatur lesen als die apologetischen Machwerke von Vogel. Der Text der Kantate lässt sich durchaus metaphorisch auf Deutschland im und nach dem Ersten Weltkrieg beziehen - und ist auch so rezipiert worden.

    Ansonsten kann ich hier wie auch bei Wagner durchaus differenzieren. Ich kenne und liebe die Eichendorff-Kantate schon seit über 20 Jahren, auch Palestrina und einiges andere von Pfitzner mag ich sehr. Ich schließe deswegen aber nicht die Augen, vor der üblen Figur Pfitzner ohnehin nicht, aber auch nicht vor den problematischen Seiten seiner Werke.

    :wink:

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  • Parlamentskritik im Sinne von "Schwatzbude" gab's schon lange vor der Weimarer Republik, auch das deutsche Kaiserreich hatte bekanntlich ein Parlament, das von rechter Seite entsprechend kritisiert wurde. Völlige Übereinstimmung aller Elemente der Handlung mit der Assoziation ist dafür nicht notwendig.

    Selbst wenn es Parlementskritik wäre (ich wills nicht ausschließen !!), gestaltet sich im Palestrina doch keine Apologetik für Herrschaft und/oder Faschismus .

    Der Text der Kantate lässt sich durchaus metaphorisch auf Deutschland im und nach dem Ersten Weltkrieg beziehen - und ist auch so rezipiert worden.

    Natürlich kann das so reingezogen werden. Ist möglicherweise sogar von Pfitzner so intendiert. Aber muss es deshalb mit dem Gehalt gleichgeschaltet werden ?

    Ich schließe deswegen aber nicht die Augen, vor der üblen Figur Pfitzner ohnehin nicht, aber auch nicht vor den problematischen Seiten seiner Werke.

    Diesen Schuh zieh ich mir nun keinesfalls an !
    In meinen Postings hatte ich oft genug und deutlich auf Pfitzner als widerlichen-deutsch-nationalen Antisemiten hingewiesen, auch auf seine barbarische Rechtfertigung der Holocaustes.
    Und zum 10000sten Mal: Welches Kunstwerkwerk, selbst das avancierteste, autonomste und und.. entstand denn jemals im luftleeren Raum oder in einer Art Vakuum so völlig außerhalb von Gesellschaft, von Welt (davon ist auch nicht Pfitzners "Innerlichkeit" ausgenommen) und besäße damit keine problematischen Seiten.

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  • Selbst wenn es Parlementskritik wäre (ich wills nicht ausschließen !!), gestaltet sich im Palestrina doch keine Apologetik für Herrschaft und/oder Faschismus .

    Wer hätte das behauptet?

    Natürlich kann das so reingezogen werden. Ist möglicherweise sogar von Pfitzner so intendiert. Aber muss es deshalb mit dem Gehalt gleichgeschaltet werden ?

    So ganz genau weiß ich nicht, was "Gehalt" ist. Aber nein: Natürlich erschöpft sich "Von deutscher Seele" nicht im Bezug auf Zeitgeschichte - das habe ich oben schon konzediert.

    Welches Kunstwerkwerk, selbst das avancierteste, autonomste und und.. entstand denn jemals im luftleeren Raum oder in einer Art Vakuum so völlig außerhalb von Gesellschaft, von Welt (davon ist auch nicht Pfitzners "Innerlichkeit" ausgenommen) und besäße damit keine problematischen Seiten

    Damit rennst Du bei mir offene Türen ein - auch wenn ich politische, soziale usw. Kontexte von Kunstwerken keineswegs immer "problematisch" finde. Bei Pfitzner sind sie allerdings hochproblematisch.

    Gerade das "Introvertierte", "Grüblerische" und damit "Querständige", was Du hier immer pro Pfitzner ins Feld führst, sind auf verquere Weise selbst politisch: als vermeintlich typische deutsche Eigenschaften, die es aus Sicht von Pfitzners Anhängern auch bewirkten, dass der Komponist außerhalb Deutschlands erfolglos blieb. Das kommt im Pfitzner-Kapitel von Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen zum Ausdruck, bei dem Mann in Palestrina "Spät- und Verspätetdeutsches" erkennt, das mit "geistiger Schwermut […] dem Triumphierend-Neuen" entgegenstehe. Thomas Mann erklärt in seiner unpolitisch-politischen Kampfschrift Pfitzner (und Humperdinck) zu den Erben von Wagners "deutschbürgerliche[m] Teil" und "altdeutschkunstmeisterliche[m] Element" [...], während er Strauss als den Erben von "Wagners europäisch[em] Intellektualismus" identifizierte (Betrachtungen eines Unpolitischen, XII, 108 - das ganze Zitat nach H.R. Vaget, Seelenzauber. Thomas Mann und die Musik).

    Wenn man diese Deutungstradition kennt, wird man vielleicht auch Zenders Ausspielen Pfitzners gegen Strauss etwas anders sehen. Und das alles, ohne Strauss auch nur ansatzweise idealisieren zu wollen - was mir völlig fernliegt.

    :wink:

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  • So ganz genau weiß ich nicht, was "Gehalt" ist. Aber nein: Natürlich erschöpft sich "Von deutscher Seele" nicht im Bezug auf Zeitgeschichte - das habe ich oben schon konzediert.

    Zugegeben „Gehalt“ wurde meinerseits spielmarkenartig verwendet. Wenn du die „Deutsche Seele“ nicht auf bloße Zeitgeschichte verortest, dann stimme ich dir gerne zu.

    Damit rennst Du bei mir offene Türen ein - auch wenn ich politische, soziale usw. Kontexte von Kunstwerken keineswegs immer "problematisch" finde. Bei Pfitzner sind sie allerdings hochproblematisch.

    Auch Zustimmung.
    Ich bezog mich dabei aber auf die Spannung, die m.E. darin besteht, dass Kunstwerke nicht außerhalb der Verhältnisse, der Welt entstehen/entstanden und davon – sogar bis in innerste Verästelungen hinein - geprägt werden, aber andererseits dennoch der Versuch besteht, diese autonom zu gestalten, um damit diese Chose - sagen wir mal - „ästhetisch“ bzw. „virtuell“ den Verhältnissen - wenigstens partiell- zu entziehen bzw. in Distanz davon – wie auch immer – zu positionieren. Ich finde, in dieser Spannung steht auch Pfitzners Werk, mit seinen problematischen Schlagseiten.

    Gerade das "Introvertierte", "Grüblerische" und damit "Querständige", was Du hier immer pro Pfitzner ins Feld führst, sind auf verquere Weise selbst politisch: als vermeintlich typische deutsche Eigenschaften, die es aus Sicht von Pfitzners Anhängern auch bewirkten, dass der Komponist außerhalb Deutschlands erfolglos blieb.

    Ja. Das besitzt sicherlich eine höchst reaktionäre Seite. Eine – zugegeben sehr entfernte - Analogie mit der Kritik am sich entwickelndem Bürgertum von reaktionärer Seite aus, ginge m.E. dabei nicht gänzlich fehl. Konservative Kritik enthielte, bei allem Problematischen und Miesen darin, doch noch ein Fünkchen Wahrheit, indem darin die aufkommende Schattenseiten der bürgerlichen Gesellschaft beleuchtet werden.

    Mir gehts darum, Pfitzners Mucke bzw. derlei Elemente nicht Reaktionären bzw. Faschisten zu überlassen oder dass sowas zu unverbindlichen Gesinnungs-Kitsch verkackt und somit beflissen integriert wird.

    Gerade das "Introvertierte", "Grüblerische" und damit "Querständige", was Du hier immer pro Pfitzner ins Feld führst, sind auf verquere Weise selbst politisch: als vermeintlich typische deutsche Eigenschaften, die es aus Sicht von Pfitzners Anhängern auch bewirkten, dass der Komponist außerhalb Deutschlands erfolglos blieb. Das kommt im Pfitzner-Kapitel von Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen zum Ausdruck, bei dem Mann in Palestrina "Spät- und Verspätetdeutsches" erkennt, das mit "geistiger Schwermut […] dem Triumphierend-Neuen" entgegenstehe. Thomas Mann erklärt in seiner unpolitisch-politischen Kampfschrift Pfitzner (und Humperdinck) zu den Erben von Wagners "deutschbürgerliche[m] Teil" und "altdeutschkunstmeisterliche[m] Element" [...], während er Strauss als den Erben von "Wagners europäisch[em] Intellektualismus" identifizierte (Betrachtungen eines Unpolitischen, XII, 108 - das ganze Zitat nach H.R. Vaget, Seelenzauber. Thomas Mann und die Musik).

    Wenn man diese Deutungstradition kennt, wird man vielleicht auch Zenders Ausspielen Pfitzners gegen Strauss etwas anders sehen. Und das alles, ohne Strauss auch nur ansatzweise idealisieren zu wollen - was mir völlig fernliegt.

    Ich denke aber, dass Hans Zenders Pfitzner-Ausspielen gegen Strauss nun keinesfalls antieuropäisch bzw. intellektuellenfeindlich motiviert bzw. mit einer derartigen Deutungstradition zu verknüpfen ist. Sowas kann ich mir bei Zender überhaupt nicht vorstellen. Dem stünde bereits Zenders komponierte Mucke – selbst seine 4 Hölderlinstreichquartette kommen mir alles andere als deutschtümelnd rüber - entgegen, sowie sein Einsatz für die zeitgenössische und klassische Moderne.

    Ach ja, Jens Malte Fischer hatte mal auf Mahler-Nerds (auch Muckenwissenschaftler waren mit von dieser Partie) hingewiesen, die derartig straussmuckenfeindlich positioniert sind, so dass diese während eines Mahlerworkshops sich wütend verzogen, als da auch über Strauss referiert wurde… solche Mahler-Nerds sind m.E. ebensowenig mit provinzieller Gesinnung, butzenscheibenartiger Teutschtümelei in Verbindung zu bringen.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Selbst wenn es Parlementskritik wäre (ich wills nicht ausschließen !!), gestaltet sich im Palestrina doch keine Apologetik für Herrschaft und/oder Faschismus .

    Die grundsätzliche Denunziation alles politischen als "schmutzig" etc ist natürlich nicht per se "Apologetik für Herrschaft und/oder Faschismus", aber in einem gewissen Kontext eben doch dafür zu gebrauchen.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Die grundsätzliche Denunziation alles politischen als "schmutzig" etc ist natürlich nicht per se "Apologetik für Herrschaft und/oder Faschismus", aber in einem gewissen Kontext eben doch dafür zu gebrauchen.


    Na ja, nicht dienstbar zu machen als Apologetik für autoritären Staat und/oder Faschismus.
    Sondern Parlamentssatire im Palestrina-Akt-2 könnte m.E. der Tendenz dienen, die bestehenden Verhältnisse - in ästhetischer als Gestalt - als alternativlos, als einzig mögliche zu präsentieren, also etwa (nicht völlig unähnlich mit Wagners Ring) gesellschaftliche Bewegungsmechanismen gewissermaßen als Naturgesetze umzufunzen bzw. Herrschaftsstrukturen als naturgegeben umzulügen. Diese Chose wäre ja auch nicht unaktuell. Denn sowas hämmern einen Hans Werner Sinn & Co ein, indem Markgesetze einfach mit Naturgesetzen gleichsetzt werden. Ach ja, und die „ästhetische“ Innerlichkeit bzw. die Messe des Hauptprotagonisten Palestrina bliebe dann natürlich vom Verhängnis unberührt, vom Weltlauf quasi „fleckenrein“ (Zitat Wagner Parsifal :D ), was ich aber für totalen Käse, für frommen Selbstbetrug halte.
    Also das käme m.E. als ideologische Schlagseite im Palestrina rüber; als Momente seiner Unwahrheit.

    Aber ich will mir Pfitzners mega-fetzigen Palestrina keinesfalls in die Tonne, in die ewigen Müllgründe treten lassen

    Denn andererseits gestaltet sich im Palestrina musikalisch und dramaturgisch – wenn man so will - „unglückliches Bewusstsein“, das kraft seiner partiellen Abspaltung, Vereinzelung, Distanz, die Welt (siehe Schoppenhauer-Motto vom Palestrina-Libretto: „weltlichen Treiben, dem eigentlich realen, vom Willen geführten Leben der Völker“) gleichsam in ihrer Negativität grell beleuchtet. Das drückt aus, dass es so nicht sein soll und würde, finde ich jedenfalls, damit das Moment an Unwahrheit darin wenigstes partiell aufbrechen.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Fast unbemerkt (jedenfalls für mich) rauschte heute sein 150. Geburtstag vorbei. Ungeachtet aller Probleme mit ihm als Menschen, die man (hoffentlich) hat, hat er das als Musiker, als Komponist und Dirigent meines Erachtens nicht verdient.

    Bei Pfitzner, wie bei manchen anderen, gibt es natürlich das Problem, dass nicht zwischen Mensch und Künstler getrennt wird. Und auch ich muss gestehen, dass mir das unvoreingenommene Hören seiner Musik nicht unbedingt leicht fällt. Und auch wenn Kunstschaffen immer direkt mit dem Menschen zusammenhängt, möchte ich eigentlich grundsätzlich trennen. Ich kann jemanden als Person ablehnen und trotzdem seine Kunst hochschätzen. Wenn ich nur künstlerische Produkte von charakterlich 'einwandfreien' Menschen genießen würde, hätte ich mit Sicherheit viel mehr Freizeit ^^ , mein Leben wäre aber auch erheblich ärmer.

    So höre und lese oder schaue ich Pfitzner, Wagner, Ney, Poe, Satre, Dalí, d'Annunzio, Mascagni, Jelena Orbaszowa und so viele, viele andere und genieße ihre Kunst und bin dankbar. Und vergesse gleichzeitig nicht, in welchem geistigen Umfeld sie sich bewegt haben.

    Aber zurück zu Pfitzner. Auch wenn er mit seiner Musik eigentlich aus der Zeit gefallen war (vielleicht genau so wie Furtwängler), so hat er sie doch um sehr intensive, großangelegte, farbenreiche und ergreifende spätromantische Werke bereichert. Man sollte ihn viel mehr spielen!

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ist ja lustig, ich hatte keine Ahnung von dem Geburtstag aber gestern seit langem mal wieder Pfitzner gehört, nämlich erstmals sein Violinkonzert.

    "Aus der Zeit gefallen" ist das jedenfalls nicht, eher typisch für seine Generation. Und moderner als das, was ich die letzten Tage von Alfven und Graener gehört habe.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Pfitzner - Klavierquintett op.23

    Mir kommt Pfitzner immer wieder mal unter - und meistens denke ich: gar nicht übel !!!
    So auch beim Klavierquintett op. 23

    Hier eine sehr schöne Aufnahme von 2003 (Ensemle Ulf Hoelscher - cpo)

  • Hans Pfitzner - Sextett op. 55 g-moll für Klarinette, Violine, Viola, Cello, Kontrabass, Klavier

    ... noch ein weiterer Versuch euch für diese Musik zu "begeistern".

    Jetzt aus o.g. CD das Sextett op. 55 g-moll für Klarinette, Violine, Viola, Cello, Kontrabass, Klavier

    25'18

    Ensemble Ulf Hoelscher
    Aufnahme SWR

    Einfach mal reinhören!

  • Auch wenn er mit seiner Musik eigentlich aus der Zeit gefallen war (vielleicht genau so wie Furtwängler)

    Ich gehe mal davon aus, dass Du damit den Komponisten Wilhelm Furtwängler meinst. Der war in der Tat aus der Zeit gefallen. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler hingegen keineswegs. Furtwängler hat stets (auch) Zeitgenössisches dirigiert und uraufgeführt, und zwar in erheblichem Umfang.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Ich gehe mal davon aus, dass Du damit den Komponisten Wilhelm Furtwängler meinst. Der war in der Tat aus der Zeit gefallen. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler hingegen keineswegs. Furtwängler hat stets (auch) Zeitgenössisches dirigiert und uraufgeführt, und zwar in erheblichem Umfang.

    Ehrlich gesagt, dachte ich auch an den Dirigenten, denn unabhängig davon, dass er auch Zeitgenössisches dirigiert hat (wobei das nun wirklich keinen Schwerpunkt innerhalb seines Interesses darstellte), ging er doch eher mit einer vom 19. Jhrdt. geprägten Sicht an die Werke heran. Was ich übrigens überhaupt nicht kritisieren will. ^^

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • wobei das nun wirklich keinen Schwerpunkt innerhalb seines Interesses darstellte

    Dann sieh' Dir nur mal die Programme seiner Konzerte mit den Berliner Philharmonikern von 1922 bis 1954 an. Da wimmelt es nur so vor zeitgenössischen Werken. Vielleicht haben wir Nachgeborenen einen verstellten Blick, denn z.B. Scriabins "Le Poème de l'extase", das Furtwängler auf seinem Programm vom 22./23. Oktober 1922 hatte, ist für uns heute Standardrepertoire, war damals aber ein erst 14 Jahre zuvor komponiertes Werk. 1922/23 dirigierte er ferner z.B. die Uraufführungen von Schönbergs Orchesterstücken op. 16 oder von Pfitzners Klavierkonzert op. 31 (mit Walter Gieseking am Klavier). Derlei Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen (bis hin zu Wolfgang Fortners Violinkonzert oder Honeggers Mouvement symphonique No. 3 in seinen späten Jahren). Furtwängler war stets ein engagierter Verfechter der Neuen Musik, wagte wegen Hindemiths Werken ja sogar 1934 den offenen Bruch mit den damaligen Machthabern und legte alle seine Ämter nieder.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Furtwängler war stets ein engagierter Verfechter der Neuen Musik

    Natürlich hat er auch Stravinsky dirigiert und Mahler, Pepping, Strauß, Sibelius usw. (Nicht unbedingt immer Avantgarde, aber Zeitgenossen.) Dabei hat er aber nicht immer unbedingt einen wirklichen Zugang zu diesen Werken bekommen, was z.B. für den Schönberg galt. Und auch vieles von Hindemith blieb ihm recht fremd. Und schaut man seine Konzertprogramme nach 1945 an, ist das Ergebnis wohl recht eindeutig. Seine Schwerpunkte lagen woanders. Was ich aber auch überhaupt nicht als Problem erachte. Jeder Dirigent sollte das dirigieren, was ihm innerlich am Nächsten ist.

    :wink: Wolfram

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  • Gibt es denn Pfitzner-Aufnahmen mit Furtwängler?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • https://www.youtube.com/watch?v=uJMVvY1JuQA
    https://www.youtube.com/watch?v=ICsDfZM38yE

    Hermann Scherchen und Hans Rosbaud hatten es doch sehr viel stärker drauf - in Vergleich zum Zeitgenossen Furtwängler - für die sog. klassische (NWS & Co), und nach Weltkrieg 2 auch für die sog. zeitgenössische Moderne (Nono, Boulez & Co) sich ins Zeug zu legen.

    Eben Polemik pro Pfitznerei im Netz entdeckt.
    https://sezession.de/4473/gehoer-fa…zner-verhindern
    Vermutlich Metzmnacher/Graumann-Kontroverse (der deutschen Seele wegen) dafür Anlass. Notenquäler Clemens Nachtmann brachte damals in einem kritischen Pfitzner-Essay diese ganze Chose mir bisher am genauesten auf den Punkt.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

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