Richard Strauss: Don Quixote, op. 35
Richard Strauss:
Don Quixote, op. 35 - Phantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters
Einleitung:
Dieses von Richard Strauss im Jahr 1897 komponierte Werk ist eine Art Mischung zwischen Tondichtung und Sinfonia concertante. Es ist angelehnt an den Roman Don Quijote de la Mancha von Miguel de Cervantes. Cervantes Romanvorlage inspirierte eine ganze Reihe von Komponisten zu Werken, die darauf basieren z. B. Purcell, Telemann, Mendelssohn, Rubinstein, Massenet, Ravel oder de Falla.
Ursprünglich enthält die Partitur kein Programm aber später verfasste Richard Strauss zu einzelnen Abschnitten programmatische Erläuterungen. Strauss hielt sich in seinem Werk aber nicht an den originalen Ablauf der verschiedenen Episoden wie sie in Cervantes Roman vorkommen.
Die Uraufführung erfolgte am 08. März 1898 im Kölner Gürzenich mit dem Dirigenten Franz Wüllner und Friedrich Grützmacher am Solo-Violoncello. Gewidmet ist das Werk Joseph Dupont, der Dirigent am Théatre de la Monnaie in Brüssel war.
Instrumentation:
Piccoloflöte, 2 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten in B (2. auch in Es), Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 6 Hörner in F, 3 Trompeten in D, 3 Posaunen, Tenortuba (Euphonium/Baritonhorn) in B, Basstuba, Pauken, Triangel, große und kleine Trommel, Tamburin, Windmaschine, Harfe und Streicher (Violinen I/II, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe)
Dauer: ca. 43 Minuten
Werk und Musik:
Das Werk besteht aus einer Einleitung (Introduktion), dem Thema sowie zehn Variationen und dem Finale.
- Introduktion: Mäßiges Zeitmaß - Don Quixote verliert über die Lektüre der Ritterromane seinen Verstand und beschließt, selbst fahrender Ritter zu werden
- Thema: Mäßig - Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt
- Maggiore - Sancho Pansa
- Variation I: Gemächlich - Das Abenteuer mit den Windmühlen
- Variation II: Kriegerisch - Der siegreiche Kampf gegen das Heer des großen Kaisers Alifanfanron (Der Kampf mit den Schafen)
- Variation III: Mäßiges Zeitmaß - Gespräch zwischen Ritter und Knappen - Sanchos Forderungen, Fragen und Sprichwörter - Don Quixotes Instruktionen, Beschwichtigungen und Versprechen
- Variation IV: Etwas breiter - Das Abenteuer mit der Pilgerprozession
- Variation V: Sehr langsam - Don Quixotes Wacht in der Sommernacht
- Variation VI: Schnell - Zusammentreffen mit einem Bauernmädchen; Sancho sagt seinem Herrn sie sei die verzauberte Dulcinea
- Variation VII: Ein wenig ruhiger als vorher - Der Flug durch die Luft
- Variation VIII: Gemächlich - Das Abenteuer mit dem verzauberten Boot (Barcarole)
- Variation IX: Schnell und stürmisch - Der Wettkampf mit den vermeintlichen Zauberern; der Angriff auf die Mönche
- Variation X: Viel breiter - Das Duell mit dem Ritter des Weißen Mondes; der geschlagene Don Quixote entscheidet sich, das Kämpfen aufzugeben und denkt daran, Schäfer zu werden und geht nach Hause
- Finale: Sehr ruhig - Wieder zur Besinnung gekommen - Der Tod Don Quixotes
In der Einleitung erklingt das Thema, das einerseits einen graziösen und andererseits auch einen stolzen Charakter hat, vielleicht auch noch mit einer Prise Humor versehen. Im weiteren Verlauf wird die Musik komplexer und auch dissonanter und beschreibt, wie Don Quixote während der Lektüre der Ritterromane immer mehr in diese Welt eintaucht und sich darin verliert und schließlich in einen Wahnzustand verfällt.
Am Ende der Einleitung stellt Strauss die beiden Hauptfiguren vor, die für den Rest des Werkes mit je einem Solo-Streichinstrument verknüpft sind: Don Quixote wird vom Violoncello und Sancho Pansa mit der Viola und zusätzlich mit Bassklarinette und Tenortuba charakterisiert.
In Variation I wird mit einer heroischen aber irgendwie auch elegischen Musik Don Quixotes Kampf gegen die vermeintlichen Riesen, bei denen es sich in Wirklichkeit um Windmühlen handelt, und sein Scheitern geschildert. Nahtlos folgt Variation II mit dem Kampf gegen die Schafe, die Don Quixote für das Heer des Kaisers Alifanfaron hält. Strauss schildert dies anschaulich mit dissonanten Flatterzungen in den Holz- und gestopften Blechbläsern sowie tremolierenden Streichern.
Die längste der zehn Variationen ist Variation III. Seinem Garmischer Autograph sagte Strauss: "Gespräche, Fragen, Forderungen und Sanchos Belehrungen, Beschwichtigungen und Verheissungen Don Quixotes." Immer wieder erscheinen kurze Floskeln, tänzelnde Staccato-Firguren. Ein oplulenter strahlender Tutti-Klang erhebt und steigert sich und führt zu einer Schlusswendung wie sie typisch für Strauss ist. In der Partitur steht, dass "das mäßige Zeitmaß je nach dem Grundcharakter der einzelnen Themen reich zu modificiren sei."
Jäh wird die Stimmung unterbrochen vom Abenteuer und Kampf mit der Pilgerprozession (Mönche) in Variation IV unterbrochen. In Variation V träumt Don Quixote mit ausgedehnten, sehnsüchtigen Passagen des Solo-Violoncellos und Harfenglissandi von seiner Dulcinea. Die sich anschließende Begegnung mit der vermeintlichen Dulcinea in Variation VI fällt dann aber sehr ernüchternd aus. Wirbelnde Klänge mit Einsatz der Windmaschine schildern in Variation VII den Ritt durch die Lüfte der beiden Hauptfiguren. Manche meinen hier, eine humoristische Version von Wagners Walkürenritt herauszuhören.
Variation VIII schildert das Abenteuer mit dem verzauberten Boot. Das Spiel der Wellen wird mit mehrfach geteilten Streichern dargestellt und wird von kurzen Pizzicati unterbrochen, die Don Quixotes und Sanchos Schiffbruch beschreiben und wie sie schließlich gerettet werden.
Ein Duo aus zwei Fagotten beschreibt in Variation IX den Kampf mit zwei Zauberern. In der letzten Variation X wird Don Quixote vom "Ritter vom blanken Mond" in einem Duell besiegt und er geht geschlagen nach Hause.
Im Finale ist Don Quixote wieder vollkommen klar und frei "von den Schatten der Unvernunft". Lang ausgehaltene Töne beruhigen die aufgewühlte Stimmung der erlebten Abenteuer. Don Quixotes Tod wird vom wiederkehrenden Thema des Anfangs untermalt und der Ritter schläft in friedlichem D-Dur ein.
Reaktionen:
Don Quixote überforderte teilweise die Erwartungen der Zuhörer und es gab gegensätzliche Meinungen zu diesem Werk. Romain Rolland lobte 1908 das Werk mit diesen Worten: "Richard Strauss ist Dichter und Musiker zugleich. Diese beiden Naturen bestehen gleichzeitig in ihm, und jede ist bestrebt, die andere zu beherrschen. Das Gleichgewicht ist oft unterbrochen: Aber wenn es dem Willen gelingt, die Einheit dieser beiden Kräfte, die auf dasselbe Ziel gerichtet sind, aufrechtzuerhalten, so ruft er Wirkungen vor einer Intensität hervor, die man seit Wagner nicht mehr gekannt hat."
Publikum und Presse bei der Uraufführung reagierten größtenteils verstört und sogar verärgert. Die Kölner Zeitung meinte "der derbste Ulk, den sich je ein Componist mit dem Orchester und uns dünkt, auch mit seinen Zuhörern erlaubt hat." Romain Rolland beschrieb die Stimmung in den ersten Pariser Aufführungen: "Das Publikum erstickt vor Entrüstung. (...) Dieses alte ehrliche französische Publikum, das um so größeren Wert auf die hochheiligen Regeln der klassischen Korrektheit und des guten musikalischen Geschmacks legt, je weniger musikalisch es ist. Es duldet keinen Scherz. Die Leute sind außer sich über das Blöken von Schafen; sie glauben, man wolle sich über sie lustig machen, man bringe ihnen nicht die gehörige Achtung entgegen."
Eduard Hanslick, dem Programmmusik größtenteils zuwider war fand für Don Quixote nur spöttische Worte: "Erzählt uns das Programm nicht ganz detailliert, was ein jeder Symphoniesatz vorstellt, so wird die Komposition unverständlich; geschieht es aber, so wird sie lächerlich."
Richard Strauss selbst meinte nach der Uraufführung: "Don Quixote in Köln uraufgeführt. Er sei sehr originell, durchaus neu in den Farben und eine recht lustige Vorführung aller Schafsköpfe, die's aber nicht gemerkt, sondern noch darüber gelacht haben."
Persönliche Anmerkungen:
Don Quixote gehörte für mich zu den Orchesterwerken von Richard Strauss, mit denen ich lange Zeit nicht viel anfangen konnte. Das lag vielleicht an dem Mix aus Konzert, sinfonischer Dichtung und Variationenwerk. Noch ferner steht mir nach wie vor vielleicht nur noch die Sinfonia Domestica. Vor einigen Wochen hatte es bei Don Quixote aber bei mir irgendwie "klick" gemacht, d. h. ich hörte mir nach längerer Zeit mal wieder eine Aufnahme dieses Werkes an und dachte mir, dass das doch eine ganz herrliche und fein instrumentierte Musik ist und lauschte mit großem Genuss, so dass ich gar nicht mehr genug davon bekommen konnte und hauptsächlich per Stream hörte ich mir weitere Aufnahmen an.
Daher bekam ich dann auch Lust, diesen Thread zu starten.
Quellen:
- Programmheft der Badischen Staatskapelle Karlsruhe der Konzertsaison 2013/14
- Programmheft des New York Philharmonic Orchestra vom November 2017
- http://www.richardstrauss.at
- http://www.kennedy-center.org