Was versteht ihr unter "klassischer Musik"?

  • Naja, ein "originäres" Jazzinstrument das vorher in keiner anderen Musikgattung verwendet worde wäre ist mir gar nicht bekannt - elektrische Gitarre vielleicht? (mit Charlie Christian als Pionier).

    DIE Pioniere war George Barnes und Eddie Durham, die bereits 1935 das Instrument eingesetzt haben, es aber im Grunde wie eine unverstärkte Gitarre nutzten. Charlie Christian war derjenige, der das Instrument sofort vom Swing in den Bop perfekt spielte und nutzte. Zwei weitere sehr frühe Nutzer dieses Instrumentes waren Floyd Jones (1917-1989) mehr im Blues-Bereich und Bus Etri. Etri spielte bei Charlie Barnet, kam aber 1941 bei einem Verkehrsunfall zusammen mit dem Trompeter Lloyd Michaels ums Leben, als sie zu einem Gig der Band unterwegs waren.

    Durham (1906-1987) spielte sie bei Jimmie Lunceford und Count Basie, Man kennt ihn mehr als Posaunist und sehr fähigen Arrangeur. Er war maßgeblich am Band Book der Basie Band von 1936-1940 beteiligt (Topsy, Jumpin' at The Woodside, Moten Swing, Swingin'the Blues, Blues for Yesterday, Blue and Sentimental, Lafayette).

    George Barnes (1921-1977) hat, so seine eigenen Angaben, bereits 1931 mit einer elektrisch verstärkten Gitarre gespielt und experimentiert. Zumindest 1935 ist nachweisbar. Ab 1938 wirkte er als Studiomusiker für die NBC. 1975-1977 spielte er im Quartett mit dem Kornettisten Ruby Braff wunderbaren Kammer-Jazz.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • @Maurice Danke für Deine Erläuterung!

    DIE Pioniere war George Barnes und Eddie Durham, die bereits 1935 das Instrument eingesetzt haben, es aber im Grunde wie eine unverstärkte Gitarre nutzten.

    Frage: Gab es damals auch maßgebliche E-Gitarristen abseits vom Jazz? (Wikipedia schreibt, die E-Gitarre habe gleichzeitig zum Jazz auch im Blues- und Countrybereich Einzug gehalten).

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Frage: Gab es damals auch maßgebliche E-Gitarristen abseits vom Jazz? (Wikipedia schreibt, die E-Gitarre habe gleichzeitig zum Jazz auch im Blues- und Countrybereich Einzug gehalten).

    Ich habe das mit Floyd Jones im Blues-Bereich bereits geschrieben. Jones spielte aber auch im Jazz-Bereich. Von dort kenne ich ihn her.

    Die Frage ist anders formuliert viel interessanter: Wer baute für wen und was die ersten Gitarren-Verstärker? Dazu gibt es in der mir zur Verfügung stehenden Literatur weder in den Büchern, noch CD-Booklets, noch im I-Net wirklich brauchbare Hinweise.

    Die Entstehung wird so gegen Ende der 1920-er Jahre angegeben. Die Dinger müssen damals sündhaft teuer gewesen sein, alleine deshalb ist es schon recht merkwürdig, dass ausgerechnet der recht verarmte Charlie Christian so ein Teil hatte, geschweige denn, das dazu passende Instrument. Christian war Schwarzer, damals ein echter Grund, kein Geld zu haben. Durham war auch schwarz, aber spielte bereits lange in bekannten Bands, arrangierte und war immer in Lohn. Barnes war Weißer, also damals ein Privileg, und damit eher in der Lage, so ein Ding zu kaufen.

    Gehen wir also einen erneut kleinen Umweg. Wir müssen bei der Hawaii-Gitarre anfangen, der Steel Guitar. Diese fanden bereits 1915 auf Platten Verwendung. Sie findet in der berühmten Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Kurt Weil/Berthold Brecht Verwendung. Paul Abraham nutzte sie 1931 in seiner Operette "Die Blume von Hawaii". 1932 wurde sie erstmals elektrisch verstärkt. Sie wurde von einem Herrn Rickenbacher erfunden.

    Mehr weiß ich nicht, bzw. ist mir auch nicht durch Bücher,usw. geläufig.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ich denke, den Begriff "klassische Musik" blendet man eher aus, versteht unter Musik automatisch erstmal das, und benennt die anderen Bereiche einfach mit ihren Namen (Pop, Jazz, was weiß ich) - so als Hörer der Neuen Musik.

    Zunächst d'accord. Aber was ist, wenn die anderen Bereiche sich sozusagen verweigern, wenn Duke Ellington Werke für großes Orchester, Chor etc. in klassischer Manier (oder so, wie er sie verstanden hat) komponiert. Leider ist ja nicht immer reiner Jazz drin, wo reiner Jazz draufsteht.

    Will sagen, dass wir die reine 'Schubladisierung' wohl brauchen, um in etwa zu wissen, worüber wir reden, aber dass die Grenzbereiche doch mannigfaltig und leider auch nicht sehr gering sind. Musik und dagegen Pop, Jazz, Rock etc. wäre schön, aber leider spielen die anderen bei dieser Einteilung nicht immer unbedingt mit (Deep Purple).

    Allerdings weiß ich immer weniger, wie das nun aufzulösen wäre. ^^

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Aber was ist, wenn die anderen Bereiche sich sozusagen verweigern, wenn Duke Ellington Werke für großes Orchester, Chor etc. in klassischer Manier (oder so, wie er sie verstanden hat) komponiert. Leider ist ja nicht immer reiner Jazz drin, wo reiner Jazz draufsteht.

    Bei Ellington ist es relativ einfach. Er hat nur EIN Werk wirklich für großes Orchester geschrieben: Harlem. Das war eine Auftrags-Kompostion von Arturo Toscanini gewesen. Alle sonstigen Werke sind für großes Orchester arrangiert worden, waren aber für seine Bigband bestimmt gewesen. Und selbst "Harlem" gabs natürlich auch nur für seine Bigband als Arrangement.

    Seine "Sacret Concerts" waren niemals für ein symphonisch besetztes Orchester vorgesehen, wohl aber für Chöre plus Bigband und Solisten.

    Selbst bei Stan Kenton waren es nie Kompositionen für ein komplettes Symphonieorchester, sondern für eine erweiterte Bigband (etwa sein Neophonic Orchestra in den 1960-er Jahren. Seine Einspielungen von 1950 waren auch für Bigband plus Hörner, Oboe(n) und einem Teil Streicher gewesen, denen man eher den Begriff "Kammerorchester" geben würde.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Zitat von putto

    Ich denke, den Begriff "klassische Musik" blendet man eher aus, versteht unter Musik automatisch erstmal das, und benennt die anderen Bereiche einfach mit ihren Namen (Pop, Jazz, was weiß ich) - so als Hörer der Neuen Musik.

    Ich bin jetzt zu faul nachzusehen, in welchem Kontext sich dieses Zitat befindet. Denn irgendwie ist es seltsam formuliert. Aber gut, ich glaube sehr genau zu verstehen, wie es gemeint ist.

    Wenn dem so ist, dann ist die Idee dahinter so einfach wie logisch wie genial. Und ich mache sie mir jetzt zu eigen. Denn nur so bekomme ich die Chance:

    - erstens den Begriff im Wesentlichen so zu verstehen, wie er als Etikette im Wesentlichen gemeint ist, sobald die betreffende Musik nicht mehr - was weiß ich - die aktuelle Generation betrifft, die letzten zwanzig bis vierzig Jahre vielleicht.
    - den Begriff Klassische Musik nicht mehr eigentlich ablehnen zu wollen oder zu müssen aus Gründen, die ich schon mehrmals dargelegt habe, zuletzt hier:

    Was versteht ihr unter "klassischer Musik"?

    - der Neuen Musik endlich den Status einräumen zu können, der ihr doch nun einmal per definitionem zusteht. Denn was soll Neue Klassische Musik (o.Ä.) nun eigentlich sein? ?(

    Die einschränkende Argumentation von Wolfram würde mich nicht belasten. Sie betrifft unsere mittlerweile berühmten Kaufhaus-Schubladen. Da ließen sich Lösungen finden, weitere Schubladen halt.

    ( ;) Wahrscheinlich hatte ich puttos Vorschlag immer im Hinterkopf, war aber nicht in der Lage, das in einem Satz zusammenzufassen.)

    :thumbup: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Also ich liebe die beiden Saxophonwerke Op.109 von Glasunow, aber meine Ohren wurden halt nie wesentlich vom Jazz "beeinflusst"

    Ich habe nichts gegen die Werke, die sind sehr schön, aber ich mag den Klang des Saxophons in der Klassik einfach nicht. Das klingt so glatt und gefühllos. Ich mag z.B. Paul Desmond, der wirklich einen fast schon "klassischen" Ton hat, aber er ist luftig, und wirkt nicht kalt. Dagegen kann ich mit Lee Konitz' Ton nichts anfangen.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!