Was versteht ihr unter "klassischer Musik"?

  • Wenn es danach ginge, dass es unschicklich ist, mit Selbstbewusstsein eine These in den Raum zu setzen, dann müsste ich bei jeder Meinungsäußerung so formulieren:

    Es geht (mir) nicht um Unschicklichkeit, sondern darum, ob die Diskussion sinnvoll ist. Wenn eine These so steil formuliert ist, dass sie offensichtlich falsch ist, wozu dann darüber diskutieren? "Das Schlagwerk muss genauso virtuos und notengetreu gespielt werden wir jedes anderes Instrument" ist halt falsch. Mahler hat im Konservatoriumsorchester die große Trommel bedient, weil man ihn als Pianist im Orchester nicht brauchen konnte. Und die Partie der großen Trommel hat er auch ohne Schlagwerk-Studium geschafft. Wahrscheinlich ohne allzu virtuose Höhenflüge. ;)

    Und bitte keine Schwarz-Weiß-Malerei - "Wenn Dir das in diesem Einzelfall nicht passt, dann müsste ich ja grundsätzlich und immer ...". Das ist rhetorisch aus meiner Sicht einfach unter der Gürtellinie. Meine Bemerkung richtete sich auf einen Einzelfall, eine grundsätzliche Antwort passt da m. E. nicht.

    Kleine Anekdote: Ich war mal als Gast bei einer Trauung, da hat die Pastorin mitten im liturgischen Ablauf gesagt: "Ich denke, dass wir jetzt ein Lied singen sollten. Ich schlage vor, dass wir jetzt EG 317 Lobe den Herren singen..." Was, wenn sich da jemand melden und sagen würde: "Ich bin aber der Meinung, dass wir jetzt eine biblische Lesung hören sollten. Und wenn schon Lied, dann schlage ich doch eher EG BT 638 Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer vor... Lasst uns doch abstimmen!" ??

    Das ist halt der Unterschied. Mir ist natürlich völlig klar, dass Du den Rollenwechsel vom (Sub-)Chef im Gottesdienst (mit gefühlter Deutungshoheit über die sichtbare und unsichtbare Welt ;) ) zum Forenmitglied (ohne Deutungshoheit, sondern als Diskussionspartner inter pares) völlig problemlos bewältigst. ;)

    Die Pastorin verantwortet den Gottesdienst (ok, das wusstest Du wohl schon ...) Die hat sich vorher etwas überlegt, was in welcher Reihenfolge passieren sollte und warum - auf Grundlage der in der jeweiligen Gemeinde geltenden Gottesdienstordnung. (Wenn es eine Pastorin war, dann war es wohl evangelisch, d. h. die Gemeinde hat die Hoheit über die GD-Ordnung im Rahmen der jeweiligen landeskirchlichen Vorgaben.)

    Insofern würde ich bei einer Pastorin, die formuliert "Ich denke, dass wir jetzt ein Lied singen sollten. Ich schlage vor, dass wir jetzt EG 317 Lobe den Herren singen..." schon mal ihre Dienstauffassung bzgl. der angemessenen Vorbereitung hinterfragen. Jedenfalls, wenn dies häufiger vorkäme. (Kann natürlich im Einzelfall sein, dass sie spontan denkt "Lied X würde jetzt NOCH besser passen" - wäre aber nett, wenn sie dann mal beim Organisten/in nachfragt, ob das ok wäre, was meinst Du?)

    Genauso, wie ich die Vorstellung der anschließenden Diskussion bei jemandem hinterfragen würde, der mit allzu steilen und offensichtlich falschen Thesen reingeht, und dies im Einzelfall auf Grundlage der steilen These verargumentieren würde.

    Genauso habe ich gesagt "Das Schlagwerk muss genauso virtuos und notengetreu gespielt werden wir jedes anderes Instrument!"

    Quod falsum est.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • "Das Schlagwerk muss genauso virtuos und notengetreu gespielt werden wir jedes anderes Instrument" ist halt falsch.

    steile These.

    Mahler hat im Konservatoriumsorchester die große Trommel bedient, weil man ihn als Pianist im Orchester nicht brauchen konnte. Und die Partie der großen Trommel hat er auch ohne Schlagwerk-Studium geschafft. Wahrscheinlich ohne allzu virtuose Höhenflüge

    zu Zeiten, wo das Schlagwerk im Orchester noch relativ unentwickelt war, mag das so stimmen. In moderner Musik sieht das wohl öfter mal ganz anders aus.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht


  • steile These.


    Na ja - weniger steil als die ursprüngliche These. Außerdem habe ich Belege angeführt. ;)

    [


    zu Zeiten, wo das Schlagwerk im Orchester noch relativ unentwickelt war, mag das so stimmen. In moderner Musik sieht das wohl öfter mal ganz anders aus.


    Unbestritten. Aber dass Mahler die große Trommel weniger virtuos bediente als die Geiger ihre Fideln, ist m. E. genauso unbestritten.

    Ohne Benennung des Kontextes halte ich die These "Schlagwerk muss genauso virtuos und notengetreu gespielt werden wir jedes anderes Instrument" für genauso falsch wie die These "Jedes Stück steht in einer Dur- oder Molltonart".

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Unbestritten. Aber dass Mahler die große Trommel weniger virtuos bediente als die Geiger ihre Fideln, ist m. E. genauso unbestritten.

    ohne mir jetzt ganz klar darüber zu sein, inwieweit uns das weiterbringt im Thema, fühlen sich ja auch heutige Hornisten von den Hornstimmen in Mozarts Symphonien bisweilen virtuositär unterfordert...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
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  • Dass klassische Musik häufig notiert ist, ist natürlich eine charakteristische Eigenschaft, die als Abgrenzung zu anderen Kulturen und zu Populärmusikformen hilfreich ist, obwohl natürlich nicht jede westliche Kunstmusik notiert wurde und Notationen oft alles andere als eindeutig und streng waren und obwohl natürlich auch außerhalb Notationen existieren, aber eben nicht mit einer so eminenten Bedeutung für das Wesen der jeweiligen Schublade.

    Ebenso verhält es sich mit anderen Aspekten, die westliche Kunstmusik ausmachen: Mehrstimmigkeit und das Bewußtsein, eine Entwicklung voranzutreiben, fallen mir noch ein.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Grove music online spricht von drei Kategorien "folk, art, and popular musics", die Mitte des 19. Jahrhunderts "well established" waren und "continue to circulate into the 21st century" obwohl mit nachlassender Klarheit ihrer Bedeutung. Hier ist dann nichtwestliche Kunstmusik mitgemeint.

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  • Insofern würde ich bei einer Pastorin, die formuliert "Ich denke, dass wir jetzt ein Lied singen sollten. Ich schlage vor, dass wir jetzt EG 317 Lobe den Herren singen..." schon mal ihre Dienstauffassung bzgl. der angemessenen Vorbereitung hinterfragen. Jedenfalls, wenn dies häufiger vorkäme. (Kann natürlich im Einzelfall sein, dass sie spontan denkt "Lied X würde jetzt NOCH besser passen" - wäre aber nett, wenn sie dann mal beim Organisten/in nachfragt, ob das ok wäre, was meinst Du?)

    Lieber MB! Da ich hier den Eindruck habe, dass etliche Capriccio-Mitglieder ehrenamtliche Organisten sind und viel erzählen könnten über ihren Kampf mit der Geistlichkeit - wäre das nicht ein unterhaltsamer Thread "Diverse Lebenserfahrungen von und mit ehrenamtlichen Organisten"? Von 1992 bis 1999 war ich nicht im kirchlichen Dienst, sondern Nachtportier in einem hessischen Hotel, und habe in Herleshausen auf nebenberuflicher Basis die Orgel gespielt und den Kirchenchor geleitet. Ich kenne also beide Seiten der "Barrikaden".
    Wie oft bekam ich nach 1999 als Pfarrer den Anruf: "Herr Pfarrer, können Sie mir bitte für Sonntag die Lieder geben?" Wenn ich dann geantwortet habe: "Ach, Frau Pasler, ich habe gerade so viel um die Ohren, stellen Sie doch einfach mal Ihre Lieblingslieder zusammen, und ich sage dann nur noch, welche Strophen wir singen..." - da hat kein Weg reingeführt. Und wehe, man wollte dann mal ad hoc zwei Strophen des Schlussliedes wegfallen lassen, weil das Fürbittengebet zu lang ausgefallen war - Katastrophe!
    Oder aus der Organistensicht: Wenn der Pfarrer in der Adventszeit sagt, wir singen von EG 8 "Es kommt ein Schiff geladen" die Strophen 1 bis 5 - dann weiß man, dass er null nachgedacht hat, weil die Strophen 5 und 6 (durch Komma getrennt) inhaltlich zusammengehören.
    Anderes Beispiel: Ich war mit meinem Kirchenchor in einer Nachbargemeinde zu einem Einweihungsfestgottesdienst gebeten, nach dem Credo wird standardmäßig gesungen EG 321, 3 "Lob, Ehr und Preis sei Gott", nach der Predigt sagt die Pastorin (eine andere als oben bei der Trauung): Jetzt singen wir EG 321 Nun danket alle Gott. Der Organist fragt ungläubig von oben "alle drei Strophen?" Antwort: "selbstverständlich!" So haben wir eben zweimal hintereinander "Lob, Ehr und Preis sei Gott" gesungen.
    Da das jetzt aber nichts mit der Frage "Was versteht ihr unter klassischer Musik?" zu tun hat: Wenn du einen Thread "Diverse Lebenserfahrungen von und mit ehrenamtlichen Organisten" für unterhaltsam fändest, könnte man das von den Mods dorthin verlegen lassen...
    Liege ich richtig, wenn ich sage: Herzliche Grüße nach Bingen? (Ultimum refugium) Gruß Wolfgang

    Auf dem Wege durch die Welt wirst auch du stets angebellt. Hör nicht hin, geh ruhig weiter, nimm das Lästern still in Kauf; denn dann hören deine Neider schon von selbst zu Kläffen auf! (Krylow)

  • Da das jetzt aber nichts mit der Frage "Was versteht ihr unter klassischer Musik?" zu tun hat: Wenn du einen Thread "Diverse Lebenserfahrungen von und mit ehrenamtlichen Organisten" für unterhaltsam fändest, könnte man das von den Mods dorthin verlegen lassen...

    Lieber Wolfgang,

    danke, dass Du die umfangreichen Erfahrungen Deines Lebens so offen mit mir teilst. Wenn Du einverstanden bist, dann beenden wir das von Dir dankenswerterweise eingebrachte Subthema der interessanten Verhaltensweisen mancher Liturgen im Gottesdienst also innerhalb des Threads.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Beatles oder Ellington oder wer auch immer: nee, das müssen die Erfinder selber spielen. Also wird diese Musik mit dem Ableben ihrer Schöpfer schneller historisch.

    dann wären die Standards von Ellington schon eher klassisch?
    die werden sicher noch eine Weile gespielt werden, und so mancher Beatles-Song auch.

    Gerade Duke Ellington gehört mit zu den Komponisten, die durchaus eine Verbindung zur "Klassischen" Musik gesucht hat. So wurde "Harlem" als Auftragskomposition von keinem geringeren Dirigenten wie Arturo Toscanini geschrieben für desse NBC-Symphony Orchestra. Ellington hat es immer mal wieder mit großen Sinfonieorchestern aufgeführt. Dazu seine "Sacret Concerts", die auch immer mal wieder aufgeführt werden, und eine Verschmelzung von voll ausgeschriebener Musik und Improvisationen war.

    Bei den Beatles gab es auch gewisse Verschmelzungen mit der Klassik, so z.B. in "Penny Lane" das Solo auf der Piccolo-Trompete, der bei den Trompetern diverser Tanzmusik-Bands zu einer gewissen Panik geführt hat, weil sie nun dieses Solo zu spielen hatten und sich extra eine solche Trompete kaufen mussten. Es wurde übrigens von David Mason eingespielt für eine Gage von 27,10 Pfund damals, was wohl damals um die 400 DM waren.

    Der ganze Third Stream-Hype um Leute wie Johnny Richards, Bob Graettinger, Gunter Schuller oder auch Gil Evans steht sicher der "klassischen" Musik näher als dem Jazz.

    Meine Definition von "Klassischer Musik" würde ich mal so in Kurzform beschreiben: Original-Kompositionen, die voll ausnotiert und damit ohne Improvisationen sind, verbunden mit einem Instrumentarium, was aus beim entstehen des Werkes als "gängig" zu bezeichnen ist. Sie muss entsprechend auch wieder "reproduzierbar" sein. Die Anforderungen dafür sahen um 1750 völlig anders aus als etwa 1890 oder 2018. Grund: Neue Instrumente kamen dazu, die anderen Instrumente erlebten weitreichende Verbesserungen (z.B. Trompeten, Pauken bzw. das Schlagwerk generell, Oboen, Hörner).

    Dabei gibt es gerade auch für Blasorchester viele Original-Kompositionen, die der "Klassischen Musik" recht nahe stehen. Allerdings fehlen bei diesen Besetzungen Streicher fast völlig, da nur ein Kontrabass dort als "Standard" vertreten ist, der oftmals auch noch wegfällt, mangels eines Kollegen, der dazu geeignet ist, diese Musik zu spielen. Meist muss man sich aus dem Fundus der Hochschulen bedienen, da herkömmliche Blasorchester nicht mit einem Kontrabass spielen, eher noch mit einem E-Bass (Standard sind hier Tuben in C und/oder Es).

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Nun wird doch wieder "klassisch" in mehreren unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Natürlich sind Jazz-Standards "klassisch" in dem Sinne eines vorbildhaften, wichtigen Stücks im jeweiligen Genre. "Standard" ist sozusagen die technische Bezeichnung für einen "Klassiker" im Jazz und ähnlicher Musik. Ähnlich für "klassische Alben" wie "White Album".
    Aber das hat doch gar nichts damit zu tun, wie nahe oder fern sie klassischer Musik als Genre (abendländischer, weitgehend notierter Kunstmusik etc.) stehen.

    Wieder eine andere Dimension ist, wenn auskomponierte und weitestgehend notierte Jazzstücke, einen zentralen Aspekt (nämlich das vollständige Auskomponieren) der Klassik übernehmen. Dann stehen sie offensichtlich in dieser Hinsicht der Klassik näher als freie Improvisationen. Sagt aber noch nichts über die sonstige Klassiknähe und ob das rechtfertigt, das Stück als "kein richtiger Jazz" einzuordnen. Kann man natürlich machen, wenn man den improvisatorischen Aspekt für so wichtig hält, dass auskomponierte Jazz nicht mehr "richtig" ist.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Meine Definition von "Klassischer Musik" würde ich mal so in Kurzform beschreiben: Original-Kompositionen, die voll ausnotiert und damit ohne Improvisationen sind, verbunden mit einem Instrumentarium, was aus beim entstehen des Werkes als "gängig" zu bezeichnen ist. Sie muss entsprechend auch wieder "reproduzierbar" sein. Die Anforderungen dafür sahen um 1750 völlig anders aus als etwa 1890 oder 2018. Grund: Neue Instrumente kamen dazu, die anderen Instrumente erlebten weitreichende Verbesserungen (z.B. Trompeten, Pauken bzw. das Schlagwerk generell, Oboen, Hörner).

    Also sind Haydns Barytontrios keine klassische Musik, überhaupt die Barockoper weitgehend nicht, da das Instrumentarium oft weder genau vorgeschrieben ist noch Improvisation verboten. Auch die italienische Kunstmusik des 14. Jahrhunderts scheidet insofern aus, als die Original-Komposition nicht voll ausnotiert wurde - auszugehen ist von einem Diskant-Tenor-Gerüst, zu dem wahlweise eine dritte Stimme hinzutreten konnte, überliefert wurde wohl vor allem mündlich was zu Varianten führte, die in den später zusammengestellten Codizes zu finden sind.

    Die Definitionen hier sind alle viel zu eng gefasst.

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  • Ok, dann werfe ich auch mal meinen Hut in den Ring, wohl wissend, dass das Thema mit Worten wohl nicht gefasst werden kann ...

    "Klassische Musik" ist die Aufführung von Musik nach vorhandenen Vorlagen (z. B. Noten, Grafiken, Griffschriften wie Tabulatur oder sonstige Handlungsanweisungen) durch Aufführende für ein Publikum. - Im weiteren Sinne werden auch die Vorlagen selbst als "klassische Musik" bezeichnet. - "Aufführung" kann bedeuten, dass die Aufführenden spontan oder geplant Teile der Musik ergänzen, die aus der Vorlage nicht zwingend abgeleitet werden können. Diese Teile betreffen im Regelfalle das "Wie", können aber auch Elemente des "Was" beinhalten. Der Anteil der Teile zum "Was" ist üblicherweise gering, kann aber z. B. bei grafischen Vorlagen beträchtlich sein, dort verschwimmt auch die Grenze zwischen "Wie" und "Was".

    In der Mehrzahl der heute aufgeführten klassischen Musik sind die Aufführenden nicht diejenigen, die die Vorlagen erstellt haben. Es kann aber durchaus so sein und war in Vergangenheit und Gegenwart der Fall.

    Kennzeichnend für "klassische Musik" sind ferner:

    (1) Das Erstellen einer Vorlage, die von anderen Vorlagenerstellern als qualitativ akzeptabel bezeichnet wird, bedarf einer mehrjährigen Ausbildung. Die Qualität bemisst sich dabei sowohl nach handwerklichen als auch nach weniger greifbaren Aspekten, wobei zu letzteren doch meist so etwas wie eine mehrheitliche Meinung erzielt werden kann. Letztere kann sich im Laufe der Zeit ändern. Insbesondere gibt es dabei Geschmacksurteile ebenso wie quasi objektive Urteile, letztere allerdings u. U. auch nur zeitbedingt. Eine solchermaßen akzeptierte Vorlage gilt als "Kunst", ihr Ersteller als "Künstler".

    (2) Die Aufführung eines Werkes nach einer Vorlage, die (die Aufführung) von anderen Aufführern als qualitativ akzeptabel bezeichnet wird, bedarf einer mehrjährigen Ausbildung. Die Qualität bemisst sich dabei sowohl nach handwerklichen als auch nach weniger greifbaren Aspekten, wobei zu letzteren doch meist so etwas wie eine mehrheitliche Meinung erzielt werden kann. Letztere kann sich im Laufe der Zeit ändern. Insbesondere gibt es dabei Geschmacksurteile ebenso wie quasi objektive Urteile, letztere allerdings u. U. auch nur zeitbedingt. Eine solchermaßen akzeptierte Aufführung gilt als "Kunst", der oder die Aufführende(n) als "Künstler".

    (3) Große Teile der Aufführenden wie des Publikums nehmen es als bereichernd wahr, wenn sie Informationen zum Vorlagenersteller sowie zu Struktur und Semantik der aufgeführten Musik haben und andere Aufführungen von Vorlagen aus ähnlichen zeitlichen, räumlichen und weltanschaulichen bzw. ideengeschichtlichen Zusammenhängen kennen.

    (NB: Mit (3) befasst sich z. B. unser Forum.)

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • "Klassische Musik" ist die Aufführung von Musik nach vorhandenen Vorlagen (z. B. Noten, Grafiken, Griffschriften wie Tabulatur oder sonstige Handlungsanweisungen) durch Aufführende für ein Publikum.

    Was macht das Publikum in der Definition? Frühe Mehrstimmigkeit, also der Beginn der spezifisch westlichen Kunstmusik, wendete sich womöglich nicht an ein Publikum, was man aus Darstellungen folgert, bei denen erst im Lauf der Zeit neben die Sänger auch Hörer treten.

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  • Ein Bandleader weist seine Band in der Regel sehr präzise im Verlauf einer Aufführung für ein Publikum an ...

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Was macht das Publikum in der Definition? Frühe Mehrstimmigkeit, also der Beginn der spezifisch westlichen Kunstmusik, wendete sich womöglich nicht an ein Publikum, was man aus Darstellungen folgert, bei denen erst im Lauf der Zeit neben die Sänger auch Hörer treten.

    "Publikum" im Falle der frühen Mehrstimmigkeit - ich denke z. B. an die Pariser Notre-Dame-Schule - waren die Teilnehmer der Messe. Wie auch im Falle von Mozart-Messen.

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Die Problematik ergibt sich insbesondere bei der Motette, weniger bei Organum. Wobei dessen Publikum womöglich eher Gott ist als der hinter den Lettner verbannte Pöbel.

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  • Wobei dessen Publikum womöglich eher Gott ist als der hinter den Lettner verbannte Pöbel.

    Auch das kann sein.

    Wobei nicht die gesamte Geistlichkeit zur Schola gehörte. Publikum war eventuell also nicht nur der Pöbel. :D

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Das Motettenproblem setzt sich ja in der Hausmusik fort: Wenn sich Leute zusammenfinden und ohne Publikum Kunstmusik machen (als Gespräch unter gebildeten Leuten), dann fiele das aus Deiner Definition.

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  • Wenn sich Leute zusammenfinden und ohne Publikum Kunstmusik machen (als Gespräch unter gebildeten Leuten), dann fiele das aus Deiner Definition.

    Das stimmt. Oder man müsste sich selbst als sein eigenes Publikum akzeptieren. Nach dem Motto: Ich erzähle mir jetzt mal einen Witz.

    Gruß
    MB

    :wink:

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