Gibt es schlechte Musik (/Kunst)?
"There is two kinds of music, the good, and the bad."
Dieses Zitat wird Louis Armstrong zugeschrieben (meist mit dem Zusatz: "I play the good kind"). Auch Gioachino Rossini soll Aehnliches gesagt haben.
Diesen Thread wollte ich schon seit längerem eröffnen; aktuell hat mir dieser Parallelthread letztlich den nötigen Anreiz hierzu verschafft: Was versteht ihr unter "klassischer Musik"?
Dort wird zu erörtern versucht, wie "klassische" von nicht-"klassischer" bzw. "ernste" von "(nur) unterhaltender" Musik unterschieden werden kann. Eine Sichtweise, oft zumindest impliziert, scheint zu sein, dass diese Unterscheidung eine qualitative ist:
Ich habe mir mit großem Interesse die beiden Stücke angehört und würde sie sofort als Klassische Musik einordnen, abgesehen von dem einleitenden Vogelgezwitscher bei "01 The Golden Dawn". Da stelle ich mir vor, die Berliner Symphoniker geben auf der Waldbühne ihr Sommerkonzert. Erst höre ich Vogelgezwitscher in den Bäumen, dann hebt der Dirigent den Taktstock, und es erklingt "01 The Golden Dawn". Höflicher Beifall... Ob das Werk aber so gut ist, dass es die Wiener Philharmoniker oder das Orchester vom Staatstheater Cottbus demnächst auch spielen wollen, ist die Frage.
Dies nur als Sprungbrett - die entsprechende Diskussion zur Definition von "klassischer" Musik sollte natürlich im entsprechenden Thread fortgeführt werden.
Ich könnte hier noch reihenweise Zitate mit Werturteilen einstellen (auch mein Lieblingskomponist, Arnold Schönberg, hat Unmengen solcher gefällt), aber da eine entsprechende Geisteshaltung fast universell zu sein scheint, möchte ich hier zwecks Diskussionsanreiz stattdessen lieber meinen eigenen Senf als Brotaufstrich anbieten.
Ich habe lange ähnlich gedacht: "Musik, die mir nicht gefällt, muss schlecht sein." Dann fing ich aber an, mich zu fragen, was ich eigentlich mit "schlecht" meinte.
Zunächst versuchte ich, vereinende Merkmale zu finden: Ich fand Musik dann schlecht, wenn sie "langweilig", "vorhersehbar", "nicht subtil genug", "auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abzielend" etc. war. Und wozu bezeichnete ich solche Musik als schlecht? Mit dem Zweck, sie in Unterhaltungen als "nicht hörenswert" beschreiben zu können.
Wenn ich Musik als "nicht hörenswert" bezeichne, meine ich doch aber immer: "für mich nicht hörenswert". Versuche, meiner Schwester zu erklären, warum die Musik von Nickelback grauenvoll sei und sie sich stattdessen etwas Besseres anhören solle, blieben jedenfalls fruchtlos.
Und auch das Argument mit dem "kleinsten gemeinsamen Nenner" schießt sich doch eigentlich selbst in den Fuß: Solche Musik gefällt per Definition unglaublich vielen Menschen. Wenn sie so vielen Menschen gefällt, wie kann sie aber dann schlecht sein?
Eine häufig anzutreffende sarkastische Antwort lautet: "Genau - Millionen von Schmeißfliegen können sich nicht irren!" Eine qualifizierende Geisteshaltung scheint also zu postulieren: "Von Popularität kann man nicht auf Qualität schließen."
Wenn aber Popularität kein Indiz für Qualität ist... was dann? Welches andere Kriterium ist denn objektivierbar, frei von Willkür und persönlichen Präferenzen? Das Argument gegen Popularität als Qualitätsmerkmal scheint jedenfalls ungefähr wie folgt zu lauten: "Dann müsste ich ja Helene Fischers Musik als "gut" akzeptieren."
Mir gefällt Helenes Musik auch nicht - aber was erziele ich damit, sie als "schlecht" zu bezeichnen? Jedenfalls nicht, dass Millionen ihrer Fans dann aufhören, sich ihre Musik mit Genuss anzuhören. Ich jedenfalls glaube, dass meine Geisteshaltung ein Zirkelschluss war: "Musik bezeichne ich dann als schlecht, wenn sie mir nicht gefällt."
Denn was ist denn letztendlich der Zweck von Musik, auch der von sogenannter "ernster"? Wohl doch der, zumindest dem Schaffenden (wenn nicht dem Hörenden) Genuss zu verschaffen (welcher natürlich nicht unbedingt mit "Freude" oder anderen positiven Emotionen synonym sein muss). Und was mir da Arnold Schönberg, ist anderen eben Helene Fischer.
Wie seht ihr das?