Was ist Expressionismus - in Literatur, Malerei, Musik ...

  • Mich würde auch interessieren, ob den Forsiten hier, die Schönbergs Musik gerne hören, dieser Anspruch realisiert erscheint, ob Euch eine seelische Ebene darin erschient, ob Ihr sie vor allem unter diesem Aspekt hört und vor allen Dingen, ob sie Euch MEHR Gesitiges eröffnet, als traditionelle Musik.

    Wenn ich Deine Prämisse akzeptiere, nämlich daß Musik mir als Hörer etwas Geistiges eröffnet (was das bedeutet, wäre sicher näher zu befragen, aber ich übernehme das einfach mal; mit "seelische Ebene" kann ich dagegen weniger anfangen), so heißt das für mich, daß ich das bei Schönberg finde, aber bei vielen anderen Komponisten (die ich z. B. in meinem Profil aufgelistet habe) nicht minder.

    Bei der Ästhetik des Expressionismus und den Ansprüchen, mit denen expressionistische Künstler antreten, kenne ich mich allerdings zu wenig aus, um etwas daüber sagen zu können, was sie an "Geistigem eröffnen" im Unterschied zu nichtexpressionistischen Künstlern.

    Übrigens haben wir auch noch dies: Expressionismus in der Musik - Was ist das? Möglichkeiten der Abgrenzung. Da kommt Schönberg auch vor. Paßt vielleicht dort besser als hier?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich habe ungeachtet der zeitlichen und teils auch persönlichen Nähe die Analogie zwischen atonaler oder dodekaphoner Musik und "abstrakter Malerei" nie so recht verstanden. Denn Musik war doch seit jeher abstrakt, zumal programmlose Instrumentalmusik. D.h. wir hatten schon viele Jahrhunderte "abstrakter Musik" (nahezu tautologisch) ggü. normalerweise gegenständlicher Malerei und Skulptur.

    Dazu kommt ja eine weitere Disanalogie in der Rezeption. Das liegt zwar teilweise vermutlich ganz banal daran, dass man mit (avantgardistischer) Kunst gut Geld verdienen kann, währen (nicht avantgardistische) Musik normalerweise Geld kostet, aber es ist eben nunmal so, dass Schönberg nie Party- oder Wunschkonzertmusik werden wird (nicht mal deutlich Eingängigeres vom kleinen Modernsky u.a. hat das geschafft), während Kandinsky- oder Miró-Drucke schon seit Jahrzehnten im Wohnzimmer oder im Wartezimmer der Privatpraxis hängen.

    Daher würde ich vermuten, dass, was auch immer genau das Provokante oder Rezeptionshemmende an einiger etwa 100 Jahre alter Musik sein mag, das nicht aus einer Gemeinsamkeit mit etwa gleich alter Kunst zu erklären ist. (Die etwa 100 Jahre zerlegen m.E. auch die im anderen Thread zitierte Hoffnung Schönbergs beim Vergleich mit spätem Beethoven o.ä. 1940 konnte man sich vermutlich noch einreden, dass es einfach noch eine Generation benötigt. Zwei Generationen später halte ich das für müßig. Ehrlicher wäre, einzuräumen, dass es nie "populär" gemeint war und nie werden wird (im Ggs zu bspw. spätem Beethoven oder Debussy, die auch nicht populär gemeint waren, aber geworden sind).

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich habe ungeachtet der zeitlichen und teils auch persönlichen Nähe die Analogie zwischen atonaler oder dodekaphoner Musik und "abstrakter Malerei" nie so recht verstanden. Denn Musik war doch seit jeher abstrakt, zumal programmlose Instrumentalmusik. D.h. wir hatten schon viele Jahrhunderte "abstrakter Musik" (nahezu tautologisch) ggü. normalerweise gegenständlicher Malerei und Skulptur.

    Das geht so:
    Komponisten "sehen" die Musik anders als wir Laien. Für einen Komponisten wirkt die tonale Musik so "gegenständlich" wie für den Maler die gegenständliche Malerei.

    Wenn also der Maler sagt, ich brauche mehr Freiheit, weg mit der Einengung der Gegenständlichkeit, dann ist es naheliegend, dass der Musiker auf ähnliche Gedanken kommt. Zeitgeist, intellektueller Austausch, und so.

    Folge: Leeres Blatt, leerer Raum, etc. Muss irgendwie ausgefüllt werden. Zum Beispiel durch das "Geistige". Fällt mit wenig Ablenkung umso leichter.

    Ich meine, der Malewitsch hat in seinen geometrischen Figuren auch etwas Geistiges gesehen. Die Künstler des Blauen Reiters malten gegenständlich, suchten in der Natur aber auch das Geistige.

    Bei den Musikern haben wir wieder das Problem, dass sie die Musik anders wahrnehmen als wir "Normalsterbliche". Kann sein, dass sie auch etwas Geistiges hören. Wir leider nicht. Oder nur eine verschwindenden Minderheit von uns. Und selbst da fragt man sich, ob diese Minderheit unter den Nicht-Musikern unter dem Geistigen das Gleiche verstehen wie die Komponisten...


    Thomas

  • Zitat von Kater Murr

    Ehrlicher wäre, einzuräumen, dass es nie "populär" gemeint war und nie werden wird (im Ggs zu bspw. spätem Beethoven oder Debussy, die auch nicht populär gemeint waren, aber geworden sind).

    Na ja, was heißt schon populär? Populärer als Schönberg und Berg ist aus dieser Generation vielleicht Ravel (der Vorsprung von Bartók und Strawinski ist höchstens minimal) . Auch später finden sich kaum populärere Komponisten, auch wenn sie weniger extrem schrieben. Prokofjew ist heutzutage nur noch mit wenigen Werken bekannt, Hindemith ausgesprochen unbeliebt, aber auch Poulenc blieb Nische. Einzig Schostakowitsch brachte es zu nachhaltiger Beliebtheit beim Publikum.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!