Was ist Expressionismus - in Literatur, Malerei, Musik ...
Angeregt durch eine Diskussion über den Impact des 1. Weltkrieges auf die Künste, in der offenbar sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber aufeinander prallten, was denn den Expressionismus ausmacht, hier also das spezielle Schlachtfeld für den Expressionismusbegriff. Wikipedia liefert für expressionistische Literatur einen mehr gut gemeinten als gelungenen Versuch der Definition. Also lege ich mal unbekümmert los ohne lexikalische Hilfe, sicher keine gute Idee.
Der Expressionismus kam so um 1910 in der deutschen Lyrik auf, bald darauf eroberte er das Theater. Natürlich erscheint er in vielfältiger, in sich widersprüchlicher Art, aber ein paar besonders typische Wesenszüge sind verbreitet. Inhaltlich ist es eine jugendliche Kunst, quasi pupertär, ein Ringen nach dem wahren Menschen, eine Auflehnung gegen die verknöcherte Vätergeneration, das Ganze individualistisch, emotional und irrational, letztlich ohne Idee, wo die Reise hingehen soll. Das Umstürzlerische kippt ins Katastrophale, die Überspanntheit führt zu den Irren. Die jugendliche Provokationslust freut sich am Hurenthema. Formal lebt die Dichtung oft vom Widerspruch einer streng klassischen Gliederung in gereimte Verse und Strophen - das Sonett ist populär - und den mitunter exaltierten verbogenen Bildern, die quasi in diesem Gefängnis toben.
Von vielen jungen Expressionisten wurde der Ausbruch des 1. Weltkrieges als Erlösung begrüßt und dementsprechend meldeten sich auch viele freiwillig, sodass diverse Expressionisten den Krieg nicht überlebten. Als Thema passt die Front natürlich wunderbar in die schon früh Katastrophen und Verrückte thematisierende expressionistische Produktion, der Aufbruchscharakter findet dort aber keine Bestätigung, auch den wahren neuen Menschen findet man dort dann doch nicht ...
Bsp.: "Krieg" von August Stramm (gestorben 1915)
http://gutenberg.spiegel.de/buch/august-stramm-gedichte-152/1
Ein Gedicht, das exemplarisch und einflussreich ist, wäre "Weltende" (1911) von Jakob van Hoddis, dessen übriges Werk (zu recht) obskur geblieben ist.
http://gutenberg.spiegel.de/buch/gedichte-7560/3
Alfred Lichtenstein hat diese skurril-anarchische Untergangsvision in seinem lyrischen Werk fortgesponnen.
Für Antrieb, Ziel und Innenleben des Expressionisten sind die Gedichte von Ernst Stadler (gestorben 1914) aufschlussreicher. Die Erwartung der Erneuerung ist eine persönliche, innerliche: "Vorfrühling" (1914)
http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-aufbruch-2085/12
Die Weltfremdheit des sich in Nabelschau ergehenden Expressionisten wird in einem späten Drama besonders greifbar, wenn in Georg Kaisers Gas-Dramen (1918/20) der Weltverbesserer von den zu Beglückenden abgelehnt wird. Eine leicht lächerliche Figur machte er aber eigentlich immer, oder?