Ludwig van Beethoven: Streichquartett Nr. 12 Es-Dur op. 127
Auch wenn Beethoven gedanklich schon seit 1822 an einem neuen Streichquartett arbeitete, brauchte er doch bis März 1825, bis er sein erstes neues Quartett in Es-Dur fertiggestellt hatte. Auftraggeber für die damals stolze Summe von 50 Dukaten und Widmungsträger war Fürst Nicolaus von Galitzin, ein Petersburger Aristokrat mit Affinität zu Wien und Beethovens Musik.
Die Uraufführung fand am 6. März 1825 mit dem Schuppanzigh-Quartett in Wien statt. Sie war ein Misserfolg, was vor allem einem mangelhaften Zusammenspiel geschuldet gewesen sein dürfte - das Quartett hatte das neue Werk in nur zehn Tagen einstudiert -, aber dennoch der fehlenden musikalischen Übersicht des Primarius Ignaz Schuppanzigh angelastet wurde. Das führte zum vorübergehenden Zerwürfnis zwischen dem Komponisten und dem Geiger, der bei einer Folgeaufführung durch den Konkurrenten Joseph Böhm ersetzt wurde. Das Werk setzte sich dennoch rasch durch, auch in Hausmusikkreisen, wobei hier oft ein "fünftes Quartettmitglied" zum Taktschlagen nötig gewesen sein soll. Schuppanzigh wurde im Verlauf wieder rehabilitiert und verantwortete die Uraufführungen der folgenden Quartette.
Jan Caeyers weist in seiner Biographie darauf hin, dass Beethoven im Gegensatz zu den Sinfonien bei den Streichquartetten schon im Skizzenstadium vierstimmig arbeitete, insofern das Vertikale bei der Quartettkomposition für ihn eine bedeutende Rolle spielte, die Komplexität dann aber zu Schwierigkeiten in einer schnellen praktischen Umsetzung in Probe und Konzert führen musste. Hieraus erklärte sich folgerichtig die bei Quartetten neue Forderung Beethovens an seine Verleger, mit den Stimmen auch gleich eine Partitur zu veröffentlichen.
Von der äußeren Anlage ist Op. 127 nicht ungewöhnlich:
I. Maestoso - Allegro (Sonatensatz)
II. Adagio molto espressivo (Variationssatz)
III. Scherzando vivace (Scherzo)
IV. Finale im Alla-breve-Takt (Rondo)
Der Wikipediaartikel zum Werk liefert eine meines Erachtens gute Übersicht auch über den Verlauf der Sätze.
Besonders auffällig für mich:
- Das Maestoso mit seinem gegen die Taktschwerpunkte verschobenen Rhythmus, der mir immer wie verfremdet punktiert vorkommt.
- Der Einsatz des Maestoso als gliederndes Element zwischen den Formabschnitten.
- Die - abgesehen von der Tonart - eher geringen Unterschiede im Charakter von Haupt- und Seitenthemenkomplex im Kopfsatz-Allegro.
- Die Zeitrelationen - der Kopfsatz ist der kürzeste des Werkes (wenn im Scherzo alle Wiederholungen beachtet werden) und nimmt bei Einspielungen nur ungefähr ein Drittel der Dauer des Adagios in Anspruch.
- Entsprechend die quasi unendliche Melodie des Variationssatzes, dessen einzelne Variationen nicht als solche gekennzeichnet oder durchnummeriert sind
- Die Komplexität des Scherzos mit Fugato- und durchführungsartigen Abschnitten
- Die Vielfalt der Stimmungen im Finale von der derben Volkstanzkarikatur bis zum elysischen Gesäusel des Allegro con moto zum Schluss.
Das ist natürlich nur ein Bruchteil dessen, was das Quartett interessant macht.
Auf Eure Ergänzungen freue ich mich.