Die militärische Besetzung der Oper durch Homosexuelle

  • und in einer Zeit, in der immer mehr Gemäßigte und einer differenzierten Betrachtung Fähige die Kirchen verlassen, wird der Rest zwangsläufig immer fundamentalistischer.

    Kann man leider leicht verändert auch in der Politik/Demokratie finden. Und deshalb ist es so wichtig, dass man den Dialog aufrecht erhält, selbst wenn es vordergründig um solch einen Blödsinn wie in diesem Artikel geht. Wie schwierig das auch ist.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Was mich ganz persönlich betrifft als Homosexuelle in fester Beziehung mit sehr bürgerlichem Beruf und künstlerischem Nebenberuf, so ringt mir das Geschreibsel dieser verschrobenen Buben allenfalls ein großes Gähnen bis ein ganz müdes Lächeln ab. Bei jemandem wie mir muss es nach denen vogelwild zugehen - is´aber nich, ....schade :ironie1: Dass hier die Opernbühne das Sujet der Wahl dieses einen Portalsschreiberlings ist, halte ich auch eher für Zufall. Man braucht irgendwas, um den ganzen öden Verschwörungstheorien eine weitere Schlaftablette hinzuzufügen. Ich habe es auch nicht geschafft, das fertig zu lesen. :sleeping: Im Übrigen glaube ich, dass die meisten Katholiken sich hiergegen auch verwahren.

    Ergo: Ein Dialog dieser Leute mit mir würde sich schnell erschöpfen und wäre meinerseits recht kurz und einsilbig: Eure Thesen stimmen nicht, ich weiß es besser.

    Gesellschaftspolitisch ist es aber leider brisant, denn diese kruden Theorien finden heutzutage wieder Zuspruch und wie man dagegen wirksam angehen kann, ist leider derzeit nicht erfunden......

    Na geh, das ist doch wieder plumpe - äh - Hetze, wenn Du so willst: Jetzt unterstellst Du ihm, er hätte gerne mehr Nazi-Uniformen auf der Bühne. Und dann stellst Du Dich dumm in Bezug auf "Schweinereien" auf der Bühne. Toll.

    Lustig. Das Satzzeichen der Unterstellung ist gewöhnlich der . und genau nicht das ? Ausserdam kann ich das Gesagte zu den uralten Opernthemen nur unterschreiben. Mir fällt gerade keine Oper ein, in der die Grenzen der Schicklichkeiten des menschlichen Umganges den Protagonisten nicht vollends entglitten wären. Wer sagt denn ferner z.B., dass im drallen Barock z. B. nicht auch mal deftig inzseniert wurde (übrigens, Fäkalien in Echtform würden wohl das Publikum olfaktorisch vertreiben)

    auf eine moderne Bühne gehören keine Kostüme --> keine Uniformen --> keine Naziuniformen.

    Auch mein erster Gedanke war: also nackig. Heimliche Erquickung für ausgehungerte Priestersemiaristen - Ultras?

    Es ging aber nicht um die Stoffe sondern um die Inszenierung von deren Verarbeitung in Werken.

    Hierzu und.....

    Man kann die Frage gleich aus einer fiktiven in eine reale Ebene verschieben: Warum war das Libretto im späten 18. Jahrhundert möglich, jedoch nicht deren pornographische Darstellung auf der Bühne? Wird sich sicher beantworten lassen.

    ....hierzu: Nun, die Stoffe sind häufig zeitlos, was ja maßgeblich zum Überleben des Genres an sich beigetragen hat. Aber wer will sich den z. B. noch vorgaukeln lassen heutzutage, dass eine Frau mit einem Messer im Körper in aller Schönheit ästhetisch dahinsinkt, anstatt, mit Verlaub, nach dieser abstoßenden Mordtat ziemlich elendig zugrundezugehen? Es liegt die Annahme durchaus nahe, dass Komponisten und Librettisten sich auch zeitgenössisch realistischere Darstellungen ohne die übliche politische und Sitttlichkeitszensur gewünscht hätten, wie etwa Verdi den Maskenball durchaus mit der damit gemeinten Königsfigur, was ihm verboten war.

    nö, sowas wie "regulierte Alltagskleidung" würde ich mir vorstellen

    Ist ja ein durchaus gängiges RT - Requisit. Und damit oft von Traditionalisten viel geschmäht.

    :wink: :wink:

    Ulrica

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Ist ja ein durchaus gängiges RT - Requisit. Und damit oft von Traditionalisten viel geschmäht.

    Was auch immer 'regulierte Alltagskleidung' ist. die wünsche ich mir aber auch nicht. Das ist z.B. etwas, was ich dem RT, so wie ich es bislang v.a kennengelernt habe, vorwerfe. Diese unglaubliche Phantasielosigkeit, diese Spießigkeit in diesem Bereich. Ich brauche keine historisch korrekten Kostüme, aber auch keine Alltagsklamotten von H&M oder aus dem Second-Hand-Laden (kein Scherz, ein namhaftes Opernhaus sah sich genötigt, dort sich umzuschauen). Ich möchte eigene Kreationen, sozusagen den Mittelweg zwischen diesen Extremen. Ich, persönlich, möchte Wahlfreiheit, möchte Gedankenfreiheit bei Inszenierungen und eben keine Einengung in welche Richtung auch immer.

    :wink: Wolfram

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  • Ein Dialog dieser Leute mit mir würde sich schnell erschöpfen und wäre meinerseits recht kurz und einsilbig: Eure Thesen stimmen nicht, ich weiß es besser.

    Gesellschaftspolitisch ist es aber leider brisant, denn diese kruden Theorien finden heutzutage wieder Zuspruch und wie man dagegen wirksam angehen kann, ist leider derzeit nicht erfunden.


    Volle Zustimmung. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Bringt es etwas, den Artikel auf deren Seite zu kommentieren? Eigentlich sollte ja derlei Geschreibsel widersprochen werden. Ich fürchte aber, dass entweder sofort auf die persönliche Ebene ausgewichen oder direkt gelöscht wird.

    Helli

  • ["regulierte Alltagskleidung"] Ist ja ein durchaus gängiges RT - Requisit. Und damit oft von Traditionalisten viel geschmäht.

    Was auch immer 'regulierte Alltagskleidung' ist.

    ich würde darunter gängige Kleidung verstehen, die aber so gewählt und ggf. "angeschrägt" sein kann, daß die jeweilige Rolle angedeutet ist

    Zitat

    die wünsche ich mir aber auch nicht. Das ist z.B. etwas, was ich dem RT, so wie ich es bislang v.a kennengelernt habe, vorwerfe. Diese unglaubliche Phantasielosigkeit, diese Spießigkeit in diesem Bereich. Ich brauche keine historisch korrekten Kostüme, aber auch keine Alltagsklamotten von H&M oder aus dem Second-Hand-Laden (kein Scherz, ein namhaftes Opernhaus sah sich genötigt, dort sich umzuschauen). Ich möchte eigene Kreationen, sozusagen den Mittelweg zwischen diesen Extremen. Ich, persönlich, möchte Wahlfreiheit, möchte Gedankenfreiheit bei Inszenierungen und eben keine Einengung in welche Richtung auch immer.


    für mich ist der Hauptunterschied der, ob es sich bei der "modernen" Kostümierung quasi um ein Stück Abstraktion handelt - dagegen habe ich gar nichts -, oder ob damit wirklich eine Art "Vesetzung" in die Moderne intendiert ist, ob ich mir alles Zeithintergrund des Stückes eine "moderne" vorstellen soll.

    z.B. die bekannte Produktion der "Troyens" mit Gardiner hat (teilweise) eine solche Alltagskleidung, die aber ersichtlich keine "Aktualisierung" beabsichtigt, sondern die ich als "Abstraktion" auffassen kann, quasi in Richtung halbszenischer/konzertanter Aufführung. Da tritt dann der "Kostümcharakter" in den Hintergrund.

    Diese Aufführug des "Boris Godunow" hingegen:

    https://www.youtube.com/watch?v=hUJAV6UqlaI

    will irgendwie eine "Versetzung" in die Gegenwart, man soll an die gegenwärtige russische Gesellschaft denken, was m.E. nicht funktionieren kann.

    Es bleibt das Rätsel, warum "alte" Kunstwerke für uns interessant sein können, aber diesem Rätsel wird man nicht gerecht, indem man einen derartig direkten Zeitbezug herstellt.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Es bleibt das Rätsel, warum "alte" Kunstwerke für uns interessant sein können, aber diesem Rätsel wird man nicht gerecht, indem man einen derartig direkten Zeitbezug herstellt.

    Letztendlich macht ihr hier den gleichen Denkfehler wie eure Kollegen im T-Forum. Ihr meint, es sei die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe, euch ein bestimmntes Kunstwerk (z.B. die Oper des Komponisten X) näher zu bringen. Dann zerbrecht ihr euch den Kopf darüber, wie das am besten zu bewerkstelligen sei. Durch wörtliches Befolgen des Librettos. Durch Aktualisierung des Stoffes. Durch was auch immer.

    Alles falsch. Dafür gibt es die Schule, die Universität, das Museum, das Sachbuch. Das Theater ist dafür der falsche Ort.

    Die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe ist, ein neues Kunstwerk zu erstellen. Wobei das Werk nicht die Oper ist, sondern deren Aufführung.

    Ziel muss natürlich sein, eine gute Aufführung zu realisieren. Was ist eine gute Aufführung? Das gleiche wie gute Kunst: Sie muss interessant sein. Also wirkmächtig. Woran erkennt man das: Wenn die Leute in der Pause über das Stück diskutieren, anstatt auf dem Smartphone die Mails abzurufen. Wenn man auf dem Heimweg über die Oper nachedenkt. Wenn man sich 2 Jahre später immer noch an die Aufführung erinnert.


    Thomas

  • Wie die Juristen so gerne sagen: Das kommt darauf an (was auch aussagt, dass die Welt komplex ist :) ).

    Mir ist bei einer Inszenierung wichtig, dass die Grundaussagen, eben das Zeitlose, rüberkommt, befördert in erster Linie durch die Musik und deren Interpretation und, durchaus gleich wichtig, durch den anderen Teil der Oper, des Theaters. Wenn beispielsweise eine Kleidung die im Stück dargestellte Gesellschaftsschicht der Akteure darstellen soll und, vielleicht zum besseren Verständnis heute, die moderne Kleidung dieser Schicht heutzutage vergleichbar gewählt wird, ist das für mich in Ordnung.

    Wählt man die Kleidung allerdings nur als Effekt, ohne den Bezug herzustellen, dann missfällt mir das auch unter der Prämisse, dass das bei mir so angekommen ist. Das Interessante am RT ist für mich auch, trotz einer in meinen Augen mißglückten Arbeit, darüber nachzudenken, was den Regisseur bewogen haben könnte.

    Gestritten wird doch letztlich darum, ob die Inzenierung stimmig ist im Auge des Betrachters und mE. ist es dabei unerheblich, ob das besser im historischen oder modernen Outfit oder auch Bühnenbild und Personenregie stattfindet.

    All das interessiert die Hardcore - Katholen des Portals allerdings wohl die Bohne. Da geht´s nur ums Hetzen gegen Minderheiten, weil man anderen Menschen die Freude am Leben nicht gönnt o. ä.

    Im Monent bin ich wenig geneigt, in dem Portal dagegenzulöken aus Erfahrung. Ich geriet vor einiger Zeit in Facebook in einen Shitstorm gegen eine AfD - Gegnerin, der mit vernünfigen Posts, die viel Mühe machen, nicht auch nur ansatzweise zu stoppen war. Nach einer Weile ging ich, angewidert durch das üble "Niveau" und konnte der Ursprungs - Bloggerin nur noch Mut zusprechen. Ausserdem gleube ich, dass die einen ziemlich bald achtkant rausschmeissen.

    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe ist, ein neues Kunstwerk zu erstellen. Wobei das Werk nicht die Oper ist, sondern deren Aufführung.

    ok, dieser Standpunkt wurde ja auch auf die Nicht-Bühnenmusik übertragen, wie man auf Capriccio mitkriegen konnte.

    der Haken:
    z.B. man kriegt es auf keine Weise weg, daß die Giovanni-Ouvertüre in d-Moll steht, wenn man sie denn spielt. D.h. ihr Material ist total veraltet (was nicht heißt, daß sie als Werk veraltet wäre). nach der obigen ästhet. Position verwendet man sie aber als Material für ein neues Werk, nicht als Werk selber. Dieses "neue Kunstwerk" wird also ein Mischmasch aus veraltetem und neuem Material, das den Ehrentitel "modern" nicht verdient.

    Alles falsch. Dafür gibt es die Schule, die Universität, das Museum, das Sachbuch. Das Theater ist dafür der falsche Ort.

    wieso? warum sollte in Theatern nicht auch Museum stattfinden?

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Letztendlich macht ihr hier den gleichen Denkfehler wie eure Kollegen im T-Forum. Ihr meint, es sei die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe, euch ein bestimmntes Kunstwerk (z.B. die Oper des Komponisten X) näher zu bringen. Dann zerbrecht ihr euch den Kopf darüber, wie das am besten zu bewerkstelligen sei. Durch wörtliches Befolgen des Librettos. Durch Aktualisierung des Stoffes. Durch was auch immer.

    Alles falsch. Dafür gibt es die Schule, die Universität, das Museum, das Sachbuch. Das Theater ist dafür der falsche Ort.

    das klingt ein wenig überheblich, mit dem "ihr macht den Denkfehler" etc, aber in der Sache würde ich zustimmen:

    Die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe ist, ein neues Kunstwerk zu erstellen. Wobei das Werk nicht die Oper ist, sondern deren Aufführung.

    gut auf den Punkt gebracht.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • für mich ist der Hauptunterschied der, ob es sich bei der "modernen" Kostümierung quasi um ein Stück Abstraktion handelt - dagegen habe ich gar nichts -, oder ob damit wirklich eine Art "Vesetzung" in die Moderne intendiert ist, ob ich mir alles Zeithintergrund des Stückes eine "moderne" vorstellen soll.

    Eigentlich muss sich beides ja nicht voneinander ausschließen. Selbst Versetzung in Gegenwart, kann die Chose gleichzeitig mit erforderlicher Abstraktion rüberbringen. Zwei Wozzeck-Aufführungen hab ich dabei auf Schirm; Currentzis /Tcherniakov/ und Weigle/Bieito
    https://www.youtube.com/watch?v=IeWxuTrLx1Q
     
    Letzteren (Lü/Bieito) hatten wir uns sogar richtig live reingezogen.

    Bei diesem M + A (Boder/Decker) kommt mir Kostüm/Bühnenbild als Abstraktion rüber:
    https://www.youtube.com/watch?v=t0HPN8830Ls

    Diese Aufführug des "Boris Godunow" hingegen:

    http://youtube.com/watch?v=hUJAV6UqlaI

    will irgendwie eine "Versetzung" in die Gegenwart, man soll an die gegenwärtige russische Gesellschaft denken, was m.E. nicht funktionieren kann.

    Ob es funzt oder nicht, bin ich mir bisher nicht klar. Zu mindestens ginge es mir auf den Sack, wenn es derart auf gegenwärtige russische Gesellschaft bezogen wäre, dass dabei der Boris szenisch mir auf eine einzige Perspektive schrumpft.

    Es bleibt das Rätsel, warum "alte" Kunstwerke für uns interessant sein können, aber diesem Rätsel wird man nicht gerecht, indem man einen derartig direkten Zeitbezug herstellt.

    Okay, okay okay, Risiko steigt, dass starke Fokussierung auf aktuellen Bezug den Rätselcharakter verkackt. Ich finde aber auch hier, dass das nicht zwangsläufig die Folge von aktuellem Bezug sein muss. Wenn aktueller Bezug, dann könnte das - im besten Fall - kein bloßer Selbstzweck sein, sondern auch Neutralisierung in unverbindliches Bildungsgut verhindern helfen. Da wärn wir wieder beim Thema "Rettung der Oper". Das braucht nicht ausschließlich der LP/CD :D überlassen werden :) .

    Letztendlich macht ihr hier den gleichen Denkfehler wie eure Kollegen im T-Forum. Ihr meint, es sei die Aufgabe des Regisseurs bzw. der Theatertruppe, euch ein bestimmntes Kunstwerk (z.B. die Oper des Komponisten X) näher zu bringen.

    Ich denke, Zabki meint das eben nicht so, weil er auf Rätselcharakter verweist und das ist nicht so weit weg von deinem Einwand.
    Denn Rätselcharakter schafft Distanz zwischen Werk und Besucher, weil die Chose ja nicht unmittelbar gecheckt wird, sonst wärs ja auch kein Rätsel, käme rüber als Nähe.
    Nähe bestünde aber bei Rätselcharakter einzig darin, dass es einen zunächst lediglich klar ist, die Chose zunächst mal es nicht oder nur wenig zu checken. Wäre aber doch viel fetzigerer, langfristigerer Challenge, als beim stinknormalen Kreuzworträtsel :D , zu versuchen das quasi zu lösen…..
    Wenn RT dazu beträgt den Rätselcharakter zu betonen, zu verstärken, dann zerstört es scheinbare Vertrautheit mit bekannten Werken.

    Ziel muss natürlich sein, eine gute Aufführung zu realisieren. Was ist eine gute Aufführung? Das gleiche wie gute Kunst: Sie muss interessant sein. Also wirkmächtig. Woran erkennt man das: Wenn die Leute in der Pause über das Stück diskutieren, anstatt auf dem Smartphone die Mails abzurufen. Wenn man auf dem Heimweg über die Oper nachedenkt. Wenn man sich 2 Jahre später immer noch an die Aufführung erinnert.

    Ist mir noch zu schmale Veganer-Kost. Denn, dann wäre z.B. konfektionierter Schnulzen-Mist, mit bescheuert-gröbsten Modulationen höchste bzw. gute Kunst, weil ungleich größerer Hörerkreis als Haydn- oder Mozart-Mucke.
    Und wenn ich mir die zahlreichen Opern-Feedbacks in C. reinziehe, dann kommt dabei doch cool rüber, wie sehr dabei das Objekt in Gestalt der aufgeführten Oper den Maßstab bzw. Messlatte bildet, und eben nicht irgendwelche mehr oder weniger subjektiven Publikumsreaktionen.

    All das interessiert die Hardcore - Katholen des Portals allerdings wohl die Bohne. Da geht´s nur ums Hetzen gegen Minderheiten..

    Seh ich auch so.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • z.B. man kriegt es auf keine Weise weg, daß die Giovanni-Ouvertüre in d-Moll steht, wenn man sie denn spielt. D.h. ihr Material ist total veraltet (was nicht heißt, daß sie als Werk veraltet wäre).

    Ziehn wir uns denn den DG noch so rein wie die Leutchen vor mehr als 200 Jahren ?

    nach der obigen ästhet. Position verwendet man sie aber als Material für ein neues Werk, nicht als Werk selber. Dieses "neue Kunstwerk" wird also ein Mischmasch aus veraltetem und neuem Material, das den Ehrentitel "modern" nicht verdient.

    Na ja. Der Don Giovanni bleibt zwangsläufig nicht kompletto mit sich identisch. Aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts kann man nicht entfleuchen.
    In gewisser Weise gerät jeder Don Giovanni irgendwie zu einer Art Mischmasch (auch konzertant), ohne dabei dessen Werkcharakter oder vielleicht auch "Ding"-Charakter totalst in die Tonne treten zu wollen.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • das klingt ein wenig überheblich, mit dem "ihr macht den Denkfehler" etc

    Es ist mir halt aufgefallen, weil ich in beiden Foren lese. In beiden Fällen sieht man den Regisseur als eine Art Dienstleister, der einem das "Werk" irgendwie nahezubringen hat. Und das ist nun mal nicht sein primäres Ziel. Er ist weder Wissenschaftler noch Pädagoge.

    Wobei das in der Regel dennoch ein angenehmer Nebeneffekt ist: Eine gute Inszenierung bringt einem auch das "Werk" (also das des Komponisten) näher.


    Aber um mal wieder on topic zu werden:
    Angenommen, der Regisseur "missbraucht" das Werk (d.h. die Oper), um das Publikum mit seinen politischen Ansichten zu "indoktrinieren". Dann ist es halt schlechte Kunst. Zumindest dann, wenn es Publikum so empfunden wird. Wobei die Ansicht, ob etwas "Kunst" oder "Propaganda" ist, immer auch vom jeweiligen Zeitgeist abhängt...


    Thomas

  • Bei diesem M + A (Boder/Decker) kommt mir Kostüm/Bühnenbild als Abstraktion rüber:
    http://youtube.com/watch?v=t0HPN8830Ls

    genau, das wäre (von Einzelheiten abgesehen) auch ein gutes Beispiel für das, was ich meine.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Naja. Bezüglich der Gesamtheit aller Inszenierungen ist die Qualität einer durchschnittlichen Inszenierung genau das: durchschnittlich. Dann gibt es überdurchschnittliche - das sind in toto 50% - die anderen 50% sind dann zwangsläufig unterdurchschnittlich, wobei die wirklich guten oder schlechten an den Enden der Skala zu finden sind. Banalste Statistik. Ob das nun RT ist oder was „Traditionelles“ ist in dieser Betrachtung völlig irrelevant. Es gibt gute und schlechte Inszenierungen, egal welches Konzept sie verfolgen. Der Fehler beider Lager besteht darin, zu glauben, dass die eigene Präferenz grundsätzlich auf der guten Seite zu finden ist und die „anderen“ auf der schlechten, obwohl persönliche Vorlieben nichts objektives über Qualität aussagt.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Naja. Bezüglich der Gesamtheit aller Inszenierungen ist die Qualität einer durchschnittlichen Inszenierung genau das: durchschnittlich. Dann gibt es überdurchschnittliche - das sind in toto 50% - die anderen 50% sind dann zwangsläufig unterdurchschnittlich,

    Ob das so ist, hängt genau genommen von der Art der Mittelwertbildung ab. (Von der Reduzierung der Qualität einer Inszenierung auf ein eindimensionales Maß schweige ich schon ganz.)

    Nimmt man den Median, so stimmt die Aussage.

    Nimmt man hingegen das arithmetische Mittel, und haben 99 Inszenierungen auf einer Skala von 0 bis 10 die Qualität 2 und eine die Qualität 10 (bester Wert), so ist der Mittelwert 2,08, dabei sind 99 Inszenierungen unterdurchschnittlich und eine Inszenierung ist überdurchschnittlich.

    Gruß
    MB

    :alter1:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Der Fehler beider Lager besteht darin, zu glauben, dass die eigene Präferenz grundsätzlich auf der guten Seite zu finden ist und die „anderen“ auf der schlechten

    das kann ich mir schwer als zutreffende Lagebeschreibung vorstellen. Sicher, man kann der Meinung sein, die Produktionen der "falschen" Richtung seien alle schlecht, da ja eben die "Falschheit" Qualität verhindert. Aber umgekehrt wird doch wohl keiner so vermessen sein anzunehmen, die Produkte der "richtigen" Konzeption seien quasi automatisch gut.

    Es gibt gute und schlechte Inszenierungen, egal welches Konzept sie verfolgen.


    mag sein, aber wozu überhaupt Konzepte, wenn da keine ästhetischen Überzeugungen dahinter stehen? Woraus folgen würde, daß Streit um Konzepte (es muß ja nicht bei pro und contra RT stehenbleiben) zum Kunstleben dazugehören.

    ---
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    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Diese Aufführug des "Boris Godunow" hingegen:

    http://youtube.com/watch?v=hUJAV6UqlaI

    will irgendwie eine "Versetzung" in die Gegenwart, man soll an die gegenwärtige russische Gesellschaft denken, was m.E. nicht funktionieren kann.

    Es bleibt das Rätsel, warum "alte" Kunstwerke für uns interessant sein können, aber diesem Rätsel wird man nicht gerecht, indem man einen derartig direkten Zeitbezug herstellt.

    An diese 'Versetzung' in eine gegenwärtigere Zeit dachte ich auch, was mein Einwand hinsichtlich der Kostüme anging. Und deinen zweiten Satz würde ich auch sofort unterstreichen.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Wenn beispielsweise eine Kleidung die im Stück dargestellte Gesellschaftsschicht der Akteure darstellen soll und, vielleicht zum besseren Verständnis heute, die moderne Kleidung dieser Schicht heutzutage vergleichbar gewählt wird, ist das für mich in Ordnung.

    Wenn ich an die 'modernen' Kostüme des Chereau-Rings denke, dann machen sie einen Sinn. Wenn ich an den Guth-Ring in Hamburg denke (eben an die Kostüme), dann ist das nur noch kleinkariert. Per se ist gegen modernere Kostüme ja nichts einzuwenden. Es hängt immer davon ab, was der Regisseur damit anfangen kann. Wenn es aber zu einer Eins-zu-Eins-Übertragung des Stückes in die gegen Gegenwart kommt, finde ich es meistens nur langweilig, weil es letztlich wurscht ist, ob man das Stück in der Entstehungszeit spielen lässt oder quasi unverändert in der Gegenwart.

    Das Interessante am RT ist für mich auch, trotz einer in meinen Augen mißglückten Arbeit, darüber nachzudenken, was den Regisseur bewogen haben könnte.

    So weit schaffe ich es meistens nicht. Wenn die Inszenierung mich irgendwie, manchmal auch nur teilweise, angesprochen hat, dann ja. Fand ich sie langweilig (egal ob RT oder 'klassisch'), habe ich dazu auch keine Lust mehr.

    Gestritten wird doch letztlich darum, ob die Inzenierung stimmig ist im Auge des Betrachters und mE. ist es dabei unerheblich, ob das besser im historischen oder modernen Outfit oder auch Bühnenbild und Personenregie stattfindet.

    Nun gibt es ja immer auch so modische Wellen. Eine ganze Zeitlang waren lange Ledermäntel ziemlich 'in' und gleichzeitig damit der ständige Hinweis auf die Nazivergangenheit. Dann hatten wir (ich spreche jetzt v.a. von Hamburg, habe es aber auch andernorts erlebt) gerne immer Trümmerfrauen, die dann von den 50iger Jahren abgelöst wurde, gefolgt von Anzug und schicken Mantel bis hin zu 'Trash-Kostümen' aus dem Second-Hand-Bereich. Meistens, wenn ein Regisseur diese Modewellen bediente, kamen für mich auch keine interessanten Inszenierungen dabei heraus. Schoss aber jemand sozusagen quer, kombinierte meinetwegen Kostüme unterschiedlichster Epochen mit freien Phantasiewelten dann ergab das in der Regel, wenn der Rest auch stimmte, eine spannende Angelegenheit auf der Bühne. Von daher würde ich nicht von diesem Entweder-Oder sprechen, sondern von der Kombination oder von reinen Phantasiekostümen.

    :wink: Wolfram

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    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Wenn aktueller Bezug, dann könnte das - im besten Fall - kein bloßer Selbstzweck sein, sondern auch Neutralisierung in unverbindliches Bildungsgut verhindern helfen.

    Das funktioniert aber, glaube ich, nur, wenn es handwerklich gut gemacht ist, weil man sich sonst abwendet und es eben doch in 'unverbindliches Bildungsgut' abrutscht.

    Ich erinnere mich an die Tosca aus Salzburg aus dem letzten Jahr (?), die mit diesem Überfall in der Tiefgarage beginnt. Als ich das sah, dachte ich nur, dass jeder drittklassige Hollywood-Film mir das besser gemacht präsentiert hätte. Und dann wende ich mich mit Grausen ab und gehe innerlich auf Distanz. Oper im aktuellen Gewand muss sich bewusst sein, dass sie mit Tagesschau und Kino nicht (mehr) mithalten kann und sollte von daher lieber neue, andere Wege gehen.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Diese Aufführug des "Boris Godunow" hingegen:

    http://youtube.com/watch?v=hUJAV6UqlaI

    will irgendwie eine "Versetzung" in die Gegenwart, man soll an die gegenwärtige russische Gesellschaft denken, was m.E. nicht funktionieren kann.

    Warum sollte so etwas nicht "funktionieren" können? Ich kenne geglückte und weniger geglückte Inszenierungen, die alte Handlungen in die Gegenwart "versetzen".

    Beim Boris erinnere ich mich noch eine insgesamt recht gelungene Inszenierung, die einige aktuelle Bezüge herstellte, vor einigen Jahren in Stuttgart. Das geht schon. :)

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

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