Die im Schatten … hört man nicht? Versuch eines Einstiegs zum Thema Streichtrio

  • Die im Schatten … hört man nicht? Versuch eines Einstiegs zum Thema Streichtrio

    Die Artikel der Wikipedia zum Thema sind – nun ja – etwas dürftig. Ähnlich sieht es im MGG (Sachteil 1967) aus: hier wird auf den Artikel Trio verwiesen.
    Bemerkenswert finde ich den Artikel zum Thema in Österreichischen Musiklexikon online:
    Dagmar Glüxam, Art. „Streichtrio‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, Zugriff: 31.1.2019 (https://musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Streichtrio.xml).
    Informativer ist da schon der Eintrag in Reclams Kammermusikführer.
    Hier denn noch was für die Ohren:

    auch bei spotify zu finden

    Pau

    Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können. (Noam Chomsky)

  • Zweiteinstieg - halb seriös

    Danke, Pau, fürs Erste! Auch für die Boccherini-Probe. Ich weiß gar nicht, ob ich dessen Streichtrios schon gehört habe. Auf CD dürfte ich sie - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - nicht besitzen.

    Natürlich weiß ich, was ein Streichtrio elementar darstellt, und mehr als ein Dutzend davon kenne ich gewiss. Schönberg und Martinu haben besonders bedeutende Werke im zwanzigsten Jahrhundert verfasst. Das erste der beiden von Martinu wurde erst vor Kurzem aufbereitet, wenn man so will: entdeckt.

    Mozart hat ein hoch bedeutendes Werk in dieser Besetzung verfasst (KV 563) und Beethoven in seinem Opus 3 eine seiner ersten stilistisch bemerkenswert eigenständigen Kompositionen verfasst.

    Und erst vor wenigen Tagen ist mir die folgende Datei (wieder) über den Weg gelaufen, die deutschen Ernst mit deutscher Hochkomik verknüpft. Für die Noch-nicht-Kenner daher zunächst zusätzlich das Original für den schnellen Zugriff:

    https://www.youtube.com/watch?v=wtbIT8ALNEA (ab: 11:49)

    https://www.youtube.com/watch?v=lw6Np4BBZYs

    :cincinbier: (= :) + ;) ) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Die Artikel der Wikipedia zum Thema sind – nun ja – etwas dürftig. Ähnlich sieht es im MGG (Sachteil 1967) aus: hier wird auf den Artikel Trio verwiesen.

    Und was steht dort?
    Im aktuellen MGG gibt es einen sehr ausführlichen Streichtrio-Eintrag von Laurenz Lütteken, veröffentlicht 1998, online seit 2016. Interessant die Gliederung:
    I. Terminus
    II. Formierung der Gattung im 18. und "Ende" im 19. Jahrhundert
    III. Wiederbegründung im 20. Jahrhundert
    IV. Das Streichtrio nach 1945

    "Die durchaus zahlreichen Triokompositionen bis zum Ende des 19. Jh. (vgl. die Liste bei H. Unverricht 1969, S. 261f.) sind musikgeschichtlich in jeder Hinsicht peripher und verstehen sich in der Regel entweder als gesellige Übungs- oder als Virtuosenmusik, die höchstens noch mittelbar interessant ist (wie L. von Zenettis Terzetto)."

    Allerdings werden im Artikel genannt:
    Borodin
    Herzogenberg 1879
    Tanejew 1880
    Sibelius 1885
    Dvorak 1887

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Ja, das Loriot Trio ist wunderbar. :D

    Etwas ernster aber sehr hörenswert sind die vier Beiträge von Johann Nepomuk David, die dieser nach Kriegsende 1945-1948 komponierte. Diese Werke stellen wohl den Höhepunkt des kammermusikalischen Schaffens von David dar (er hat leider keine Streichquartette geschrieben) und diese ergreifende Musik wird von seinem Sohn Lukas David und befreundeten Musikern, deren namen ich gerade nicht parat habe, mustergültig interpretiert. Der Preis beim Werbepartner ist inakzeptabel, ich kann aber bei Interesse eine Quelle empfehlen, die die CD zum Normalpreis führt.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Noch die im MGG genannten Beispiele des frühen 19. Jh.:
    Hummel 1801
    Rolla 1802
    Kreutzer 1804
    Reicha 1809
    Weber 1815
    Schubert 1817
    Krommer 1818
    B. H. Romberg 1824
    Lindpaintner 1825

    Bleibt dann ein "Loch" von ca. 50 Jahren.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Im 18. Jhd. gab es zahlreiche Streichtrios für 2 Vl. und Cello/Bass, die ein bißchen zwischen der barocken Triosonate und dem klassischen Streichtrio (mit Bratsche) stehen. So sind anscheinend alle originalen Streichtrios Haydns von dieser Art. Es gibt allerdings ein paar schöne Bearbeitungen für klass. Streichtrio (Klaviersonaten und Barytontrios) und eins? von Michael Haydn für Vl. Va. Vc.

    Beethovens op.3 ist eine direkte Auseinandersetzung mit Mozarts KV 563, allerdings mit sehr eigenem Tonfall. Die drei Trios op.9 gehören zu den anspruchsvollsten und gelungensten Werken des frühen Beethoven, das c-moll ist m.E. besser als die weit berühmteren Klaviertrio und Streichquartett in derselben Tonart. Allerdings hat Beethoven die Gattung wohl nur als Vorübung fürs Quartett verstanden und seit er Quartette komponierte, keine mehr geschrieben. Schuberts Trio (+ ein oder mehrere Einzelsatz/e) ist dagegen nach seinen frühen Quartetten, wenn auch immer noch recht früh komponiert.

    Ich vermute stark, dass die Marginalisierung der Gattung im 19. Jhd. auch damit zusammenhing, dass die bedeutenden Komponisten diese Art Hausmusik nur noch selten bedienten und dann eben gleich Quartette (oder andere Besetzungen) für tendenziell professionellere Ensembles als im späten 18. Jhd. schrieben.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Hierzu gibt es übrigens bereits einen Thread

    Allerdings ist die "Wiederbegründung" nicht nur eine "Wiener Schule bis Gegenwart"-Angelegenheit:

    Kodály 1899/1905/1919
    Dohnányi 1902
    Reger 1904/1915
    Martinu 1923/1934
    Hindemith 1924/1933
    Francaix 1933
    Roussel 1937
    Milhaud 1940/1947

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • In meiner Sammlung ist offenbar von Beethoven ein riesiger Sprung nach Kodaly - denn ich habe dann erst folgende CD:

    Philharm. Streichtrio Berlin spielt Dohnányi (1902), Kodály (1905), Fuchs (1912) und Schönberg (1946)
    Große Empfehlung.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Aus dem Jahr 1944 (Theresienstadt) stammt das Streichtrio von Gideon Klein.

    Von Hans Krása gibt es auf dieser CD zwei Stücke für Streichtrio von 1943 und 1944 (auch aus Theresienstadt):

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Und was steht dort?

    Pau meint wahrscheinl. den Sachteil des Riemann-Lex.

    in der alten MGG gibts keine Verweisung, aber einen Abschnitt unter Trio.

    dort werden in T. III "Das StrTr. im ausgehenden 18. u. im 19. Jh." aufgeführt:

    "konzertantes StrTr" (meist 2sätzig)
    Cambini
    Fiorillo
    Bruni
    Raimondi
    Chartrain
    R. Kreutzer

    "brilliantes Trio" (meist 3sätzig)
    Baillot
    der "spätere Kreutzer"

    "Wiener Divertimento"
    Mozart
    Beethoven
    J. Hoffmann
    Eybler
    Krommer
    Kauer

    vereinzelte StrTr nach 1830
    Herzogenberg
    Dvorak

    20. Jh.
    Reger

    Bialas
    Burkhard
    J. N. David
    Dohnanyi
    Fortner
    Francaix
    Gál
    Haubenstock-Ramati
    Hessenberg
    Hindemith
    Jelinek
    Kodály
    Lehmacher
    Martinu
    Milhaud
    Schönberg
    Suter
    Toch
    Webern
    Wellesz

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Und was steht dort?

    Nichts Spezielles zum Thema Streichtrio. Zumindest nicht ausführlich.
    Wie ich gerade sehe, hat zabki schon geantwortet.

    Im aktuellen MGG gibt es einen sehr ausführlichen Streichtrio-Eintrag von Laurenz Lütteken, veröffentlicht 1998, online seit 2016.

    Aber leider nur im Abo. Das lohnt sich für mich nicht.

    Hierzu gibt es übrigens bereits einen Thread

    Danke für den Hinweis.
    Daher schlage ich mal vor, dass wir uns hier auf die Zeit vor Schönberg beschränken.
    Wobei mich persönlich (derzeit) vor allem die Zeit von Boccherini bis Mozart interessiert.

    Pau

    Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können. (Noam Chomsky)

  • Daher schlage ich mal vor, dass wir uns hier auf die Zeit vor Schönberg beschränken.

    Wohl besser nicht mit Jahreszahlen sondern stilistisch abgrenzen - also Martinu und Milhaud hier, Webern und Golyscheff drüben.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Boccherini bis Mozart ist natürlich sehr eng. Wie schon gesagt, sind die Trio-Divertimenti Haydns fast alle für 2 Vl. Vc.
    Ungeachtet dessen mag ich die folgende CD mit den Bearbeitungen nach den Klaviersonaten 40-42, dem vermutlich von Michael stammenden Hob V: Es1 und dem anscheinend einzigen originalen Trio f. Vl. Va. Vc. Hob. V: 8.

    < >


    Kurz nach Mozart gibt es ein paar sehr schöne Trios (eher "ernst", nicht konzertant oder divertimento-artig) von Hyacinthe Jadin

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Boccherini bis Mozart ist natürlich sehr eng.

    Ist ja auch erst mal nur der Einstieg.
    Bei Boccherini werde ich mich allerdings etwas länger aufhalten.

    Kurz nach Mozart gibt es ein paar sehr schöne Trios (eher "ernst", nicht konzertant oder divertimento-artig) von Hyacinthe Jadin

    Jadin ist auf jeden Fall – nicht nur mit den Streichtrios – auf der Liste. Und Haydn sowieso.

    Hier ein kurzer Auszug aus Reclams Kammermusikführer:
    »Von einer Gattung Streichtrio läßt sich daher erst seit der Wiener Klassik, vor allem seit BEETHOVENS op. 9 (1798) sprechen. Die Verfestigung zur Gattung führt aber zugleich dazu, daß die Produktion im 19. Jh. erheblich abnimmt, vermutlich durch die übermächtige Konkurrenz des Streichquartetts, durch das Verschwinden der Adels-Kammermusikkultur im Gefolge der Wirtschaftskrisen der Napoleonischen Kriege und, natürlich, durch die allgemeine Tendenz der Kammermusik fort von der Werkserie und hin zum gewichtigen Einzelwerk.«

    Interessant finde ich den Punkt, warum das Streichquartett dem Streichtrio – oder auch dem Streichquintett – vorgezogen wird.
    Ist es die Möglichkeit für Virtuosen zu brillieren?

    Pau

    Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können. (Noam Chomsky)

  • Interessant finde ich den Punkt, warum das Streichquartett dem Streichtrio – oder auch dem Streichquintett – vorgezogen wird.

    Das ist eventuell auch ein kompositionstechnisches Problem tonaler Musik.

    Ein Dur- oder Mollakkord besteht aus drei Tönen. Die kann ein Streichtrio bei normaler Spielart - also ohne Doppelgriffe - sehr einfach spielen und die jeweilige harmonische Lage völlig klar machen.

    Schwierig wird es in dem Moment, in welchem man zwei verschiedene Akkorde aufeinander folgen lässt und eine einigermaßen akzeptable Stimmführung fordert.

    Der Zwang, drei Töne auf drei Instrumente zu verteilen, um harmonische Eindeutigkeit zu erzielen, schränkt die Freiheit des Komponisten dann sehr ein.

    (Sogar bei vier Stimmen ist es nur mit "unschöner" Stimmführung in wenigstens einer Stimme möglich, einen Dominantseptakkord - vier Töne - zur Tonika aufzulösen, wenn in der Tonika alle drei Töne erklingen sollen ...)

    Das Komponieren für Streichtrio gilt daher bisweilen sogar als anspruchsvoller als für Streichquartett.

    (Sicher kann man z. B. mit Fugenkomposition auch dagegen argumentieren - eine dreistimmige Fuge lässt mehr Freiheiten als eine vierstimmige -, aber die Fuge war nun mal nicht die zentrale Form/Kompositionstechnik/Gattung jener Zeit.)

    Ist es die Möglichkeit für Virtuosen zu brillieren?

    Bestimmt nicht. Wenn, dann sprechen wir zu jener Zeit höchstens beim Primgeiger (der sicher auch Sekunden und Terzen spielen kann .. ;) ) von einem Virtuosen. Doch auch beim Streichquartett gab es das sogenannte "Quatuor brillant", z. B. von Kreutzer und Krommer, vor allem aber von Rode, bei dem die Wirkung auf virtuose Entfaltung des Primarius berechnet ist.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Interessant finde ich den Punkt, warum das Streichquartett dem Streichtrio – oder auch dem Streichquintett – vorgezogen wird.
    Ist es die Möglichkeit für Virtuosen zu brillieren?

    Weil Beethoven 16 (17) davon geschrieben hat und die seitdem als Maßstab aller Kammermusik galten, an denen sich alle messen wollten/mussten.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Das Trio hat in den 1820ern schon einen ziemlichen Startnachteil ggü. dem Streichquartett

    Boccherini 91:42 (lt. wikipedia)
    Haydn: ca. 70:1 (bzw 21 mit den divertimenti f. 2 Vl. Vc)
    Mozart: 23:1
    Beethoven 16:5
    Schubert 15:1

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • An Mauerblümchen:
    Danke für die Erklärung

    Pau

    Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können. (Noam Chomsky)

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