Applausordnungen – ein Ärgernis?
Der Applaus ist der wohlverdiente Lohn der Schauspieler für ihre Leistung, heißt es im Allgemeinen. Unerfahrene Theatergänger – all das gilt auch für Opern - könnten tatsächlich annehmen, dass dem so sei, dass also die schauspielerische Leistung zu Ende ist, wenn die Schauspieler sich vom Publikum beklatschen lassen.
Weit gefehlt. Denn keineswegs hat der Schauspieler in diesem Moment seine Rolle verlassen und nimmt nun der Mensch hinter der Rolle den Lohn für seine Kunst entgegen. Sondern auch die Entgegennahme des Applauses ist inszeniert, typischerweise vom Regisseur, oft vom Assistenten. Die Applausordnung ist Teil der Aufführung. Nicht selten werden in ihr kleine Gags dargeboten. („Hach, der ist aber gut gelaunt, wenn der jetzt solche Faxen macht. Ist ja auch ein tolles Stück.“).
Fehler passieren zuhauf. Jeder erfahrene Theatergänger kennt den peinlichen Moment, in dem die Schauspieler nochmals auf die Bühne zurückgeschickt werden, das Publikum den Applaus jedoch bereits beendet hat. Munteres Durcheinander bei der Frage, welche Personengruppe gerade dran ist und wohin sie laufen muss, kommt immer wieder vor. Das Gruppenverhalten erinnert mich, nebenbei bemerkt, bisweilen an die Turnerriege aus dem früheren Turnunterricht, nur dass die Schauspieler sich seitlich aufstellen. Sehr oft fassen sie sich dabei an den Händen (aber nicht einfach so, schön schwungvoll nach vorn und hinten wedeln, bitte zugleich mit dem Oberkörper wippen; ansonsten sehe ich derartiges Händchenhalten nur noch beim Tagesausflug von Kindergartengruppen).
Der Applaus des Publikums wird durch die Applausordnung antizipiert, gesteuert und eingehegt. Timing ist von größter Wichtigkeit. Es ist in aller Regel schon vorher klar, wer wie viel Applaus erhalten wird. Daher kann damit gespielt werden: Dramaturgische Steigerung bitte. Kurz noch mal den Chor/die Musiker als retardierendes Moment, endlich die Hauptdarsteller – und der Applaus steigert sich zum Orkan.
Persönlich bin ich zunehmend genervt von Applausordnungen. Gestern zum Beispiel war ich im Thalia-Theater (Moby Dick) und hatte ich trotz sehr beeindruckender Leistungen einfach keine Lust zum Klatschen, weil mich dieses offensichtlich einstudierte Ablaufen der einstudierten Applaus-Entgegennahme gestört hat (der Anlass für diesen Thread). Wenn ich die Schauspieler beklatschen möchte, müsste ich eigentlich warten, bis das Theater vorbei ist, dachte ich. Das wäre dann nach dem Applaus, wenn keiner mehr da ist.