Erstmal ist "nothing to give" einfach unverschämt und arrogant. Wie will man die Äußerung anders verstehen als "die, die nichts zu geben haben, sind gesund, ich, der ich so viel zu geben habe, ich bin krank - wie ungerecht"
Man muss aber doch berücksichtigen, in welcher Situation diese Bemerkung gefallen ist: Du Pré, selbst todkrank, schaut aus dem Fenster und sieht lauter Gesunde. Das subjektiv als "ungerecht" zu empfinden ist doch moralisch etwas vollkommen anderes als aus einem Gefühl der eigenen Überlegenheit heraus Menschen nach ihrem vermeintlichen "Wert" einzuteilen. Diese Überlegenheit konnte du Pré doch gar nicht mehr empfinden, weil sie beim Blick aus dem Fenster das genaue Gegenteil davon gesehen hat! Hätte sie also das von Euch behauptete Weltbild und hielte sich für "wertvoller", müsste sie paradoxerweise sich gleichzeitig für "wertlos" halten, weil sie diese Krankheit hatte.
doch, bedeutet es, was anders wäre denn die "himmelschreiende Ungerechtigkeit"?
Wenn Schlingensief nicht selbst diese Krankheit gehabt hätte, hätte er es auch nicht als Ungerechtigkeit empfunden, sie bekommen zu können. Nur in der Ausnahmesituation des Todkranken brachen diese Gefühle aus ihm heraus, aber es ist doch einfach unredlich, ihm deshalb ein menschenverachtendes Weltbild zu unterstellen.
Diese Empfindung zu haben ist menschliche Schwäche und verzeihlich; diese so zu äußern, daß man ihr zustimmt, ist zu kritisieren.
Was hat Barenboim denn geäußert? Er hat sich an die "Tragödie" erinnert, dass du Pré das, was sie noch zu sagen gehabt hätte, nicht mehr sagen konnte und daran zerbrochen ist. Was soll denn daran zu kritisieren sein? Ich finde es jedenfalls ebenfalls sehr traurig, dass wir von dieser wunderbaren Musikerin nicht mehr hören konnten bzw. können als ihre paar Aufnahmen. Sie hätte mit Sicherheit noch viel "zu geben" gehabt. Wieviel stärker muss dann die Trauer bei demjenigen sein, der mit ihr zusammengelebt und musiziert hat? Mich stört diese Eiseskälte, mit der hier über Menschen in absoluter und unverschuldeter Ausnahmesituation, in die niemand von uns je kommen möchte, moralisch - oder gar politisch - geurteilt wird. Diese Empathielosigkeit, ja stellenweise Gehässigkeit passt so gar nicht zu dem damit erhobenen moralischen Anspruch. Schlingensief und du Pré konnten ihre Krankheit nur als ungerecht empfinden, weil sie ganz von ihr beherrscht und zerstört wurden, ohne daran irgendeine Schuld zu tragen. Barenboim stand hilflos daneben und sah die "Tragödie", ohne irgendetwas dagegen tun zu können. Wenn sie alle drei das auf ihre Art (am lautesten Schlingensief) so geäußert haben, dass ich ihnen in ihrer subjektiven Situation zustimmen muss, soll das zu kritisieren sein? Oder es soll gar auf ein menschenverachtendes Weltbild hindeuten? Tut mir leid: Ich sehe Anzeichen für ein solches eher bei denen, die hier aus dem sicheren Gefühl der Gesunden so gnadenlos urteilen.