Zur Geschichte des Vibrato (und anderer Spieltechniken) bei Streichinstrumenten

  • denn die Saite würde schlicht "kratzen"


    und daß die Saite nicht kratzen soll, ist von Belang für die Ausführung der Werke.

    ... ansonsten ist hierzu von meiner Seite aus so ziemlich alles gesagt, ich stelle das Thema zugunsten anderer Sachen erstmal zurück.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • und daß die Saite nicht kratzen soll, ist von Belang für die Ausführung der Werke.

    Sicher. Genauso wie alle Dinge, die man als Anfänger auf der Geige sonst noch so lernt. Dass sich diese Schule an Anfänger bzw. ihre Lehrer richtet, steht wie gesagt zweifelsfrei an mehreren Stellen, so auch noch einmal im allerletzten Abschnitt, wo er das Ende des Buches damit begründet, dass alles, was er jetzt noch "zu sagen hätte", sich an "die Herrn Concertisten" wende:

    Zitat von Leopold Mozart

    Und alle meine Bemühung, die ich in Verfassung dieses Buches angewendet habe, ziehlet dahin: die Anfänger auf den rechten Weg zu bringen, und zur Erkänntniß und Empfindung eines guten musikalischen Geschmackes vorzubereiten. Ich will also hier schliessen, obwohl ich für die Herrn Concertisten noch vieles zu sagen hätte. Wer weis es? vielleicht wage ich es noch einmal die musikalische Welt mit einer Schrift zu vermehren? wenn ich anders sehe, daß dieser mein Eifer den Anfängern zu dienen nicht gar ist unnützlich gewesen.

    Dieses zweite Buch "für die Herrn Concertisten" hat er nie geschrieben.

    Ich bin ja bekanntlich mit Rosamunde nicht immer ganz hundertprozentig einer Meinung, aber hier stimme ich ihr ausnahmsweise mal vollständig zu:

    Ich schlage aber vor das heutzutage im Kontext einer Violinschule zu verstehen.

  • und der Satz vor dem von dir zitierten Text, mit dem der letzte § des Buches beginnt, lautet:

    Alles, was ich in diesem letzten Hauptstücke [XII, mit dem Titel "Von dem richtigen Notenlesen und guten Vortrage überhaupts"] niedergeschrieben habe, betrift eigentlich das richtige Notenlesen, und überhaupts den reinen und vernünftigen Vortrag eines gut gesetzten musikalischen Stückes.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • und der Satz vor dem von dir zitierten Text, mit dem der letzte § des Buches beginnt, lautet:

    Alles, was ich in diesem letzten Hauptstücke [XII, mit dem Titel "Von dem richtigen Notenlesen und guten Vortrage überhaupts"] niedergeschrieben habe, betrift eigentlich das richtige Notenlesen, und überhaupts den reinen und vernünftigen Vortrag eines gut gesetzten musikalischen Stückes.

    Ja, das ist mir bekannt. Es ändert nur nichts daran, dass dieses "Alles" sich an Anfänger richtet.

  • Es ändert nur nichts daran, dass dieses "Alles" sich an Anfänger richtet.

    ... was in keiner Weise ausschließt, daß L. Mozart für diese Anfänger nicht auch Grundsätze der musikalischen Interpretation formuliert.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Eine Gleichheit ist doch oft völlig unpassend, denn viele Lautstärkenwechsel finden gerade deshalb statt, weil etwas neues gesagt werden will. Es handelt sich gerade nicht unbedingt um eine Variante, und selbst wenn es eine sein sollte, dann ist eine mögliche Variante zB ein Gegensatz. Man möchte also oft, aber nicht immer, auch die Klangfarbe ändern und genau das macht eine spannende oder vielschichtige Darstellung aus.

    Das ganze Konzept, was Du hier aufstellen willst, macht einfach in einem komplexen Musikstück keinen Sinn. Man kann mE völlig schlüssig sowohl hier den Klangkern beibehalten wie auch da ihn ändern, und das alles in einem Satz einer Sonate. Gerade vom 1. zum 2. Thema hat man zB oft einen Lautstärkewechsel, der mit einem wesentlichen Stimmungswechsel einhergeht, der wiederum einen Klangkernwechsel rechtfertigt.


    (1)

    wenn ich recht sehe, kennt Mozart (mindestens) vier Mittel der differenzierten Darstellung eines Tons, nämlich:

    - Artikulation
    - Lautstärke (die er viel differenzierter behandelt als es den bisher zitierten Texten zu entnehmen ist)
    - Bogenstrich
    - Vibrato

    gibt das nicht schon viel her für deine Forderung nach Differenzierung?

    (2)

    offenbar ist Mozart der Meinung, daß es jenseits dieser Diffenzierungsmöglichkeiten noch etwas gibt, das aber in der Funktion des Gemeinsamen, einer Wahrung der "Gleichheit" bestehen sollte. Das nennt er die "Klangart".

    Was könnte er damit meinen? Sein Beispiel dafür, was eine Verletzung der Gleichheit wäre, ist das "Pfeifen". Was können wir dem Beispiel entnehmen?

    Uns kommt es etwas quer, daß wir den Begriff "Klangfarbe" für zwei recht verschiedene Phänomene verwenden, nämlich sowohl für den "Farbunterschied" verschiedener Instrumente (z.B. Flöte und Violine), wie auch für Differenzierungen in der "Klangfarbe" der Töne einer Instrumentenart.

    (Dies beruht wohl mit auf der Voraussetzung einer etwas defizitären akustischen Theorie).

    Das Beispiel von Mozart für eine Verletzung der Klangart-Gleichheit ist nun so, daß die Tongestaltung quasi den Bereich des eigentlichen Violintones verläßt und sich einer anderen "Klangart" allzu sehr annähert. Wenn Mozart dergleichen ablehnt, so dürften doch noch hinreichend Möglichkeiten für Klangfarbdifferenzierungen im engeren Sinn bestehen bleiben.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Das Beispiel von Mozart für eine Verletzung der Klangart-Gleichheit ist nun so, daß die Tongestaltung quasi den Bereich des eigentlichen Violintones verläßt und sich einer anderen "Klangart" allzu sehr annähert.

    Verstehe ich Dich recht, dass Deiner Meinung nach Mozart nun auf einmal nur das Nachahmen eines anderen Instrumentes nicht möchte?

    Nun gut, aber erstens machst Du da einen gewaltigen Rückzieher, denn alles, was Du bisher geschrieben hast, hat von Klangkern, Variation des Identischen, Gleichheit der Klangart und Auseinanderfallen von Forte und Piano gesprochen, und de facto ein künstlerisches Konzept aufgestellt, was alles weit über nur unerwünschtes Nachahmen herausgeht.

    Und zweitens, wenn ich ein fieser Smart Alec sein wollte, dann würde ich jetzt sagen, wenn eine Geige ein Pfeifen produzieren kann, dann ist das eben auch ein Violinton, der zum geigerischen Klang - Repertoire gehört. :P Eine Geige ist eine Geige und bleibt eine Geige, auch wenn sie eine Flöte nachahmt.

    Drittens: Willst Du nun den ganzen Messiaen verbieten, weil Mozart kein Nachahmen will? Und überhaupt kratzen wir bei Nachahmen ja nur an der Oberfläche bei Musik allgemein. Wo führt dieses Argument hin?

    Ich schreib aber lieber was zu Deinem Harnoncourt Beispiel...siehe nächsten Beitrag.

  • ... was in keiner Weise ausschließt, daß L. Mozart für diese Anfänger nicht auch Grundsätze der musikalischen Interpretation formuliert.

    Ja, das tut er im "zwölften Hauptstück" ("Von dem richtigen Notenlesen und guten Vortragen überhaupts"). Mal abgesehen davon, dass die dort formulierten Regeln zum größten Teil anfängerhaft primitiv sind: Warum steht gerade da kein Wort von der "Gleichheit des Tones", wenn das doch, wie Du behauptest, ein "Interpretationsprinzip" ist? Dort, wo diese Gleichheit verlangt und geübt wird (also im fünften Hauptstück), geht es überhaupt nicht um Interpretation sondern um die technische Beherrschung des Instruments bzw. Bogens, und als Begründung für die "Gleichheit" wird ganz klar die physikalisch gegebene Ungleichheit der Saiten, Kontakstellen usw. genannt, die auszugleichen eben gelernt werden muss. Deine Deutung dieses Textes ist so, als würdest Du aus der Erklärung eines Fahrlehrers, wie man auch bei Seitenwind oder unregelmäßiger Fahrbahnoberfläche in der Mitte der Straße bleiben kann, folgern, dass Autofahrer grundsätzlich nur geradeaus fahren.

    offenbar ist Mozart der Meinung, daß es jenseits dieser Diffenzierungsmöglichkeiten noch etwas gibt, das aber in der Funktion des Gemeinsamen, einer Wahrung der "Gleichheit" bestehen sollte. Das nennt er die "Klangart".

    Nein, er beschreibt die falsche "Klangart", die ensteht, wenn man beim piano einfach nur den Bogendruck reduziert ("Denn das piano bestehet nicht darinnen, daß man den Bogen geschwind von der Violin weg lasse, und nur ganz gelind über die Seyten hinglitsche"). Das ist die Erklärung eines technischen Problems, welches jeder Geiger kennt. Die klanglichen Stellschrauben sind bei der Geige vor allem Bogendruck, Bogengeschwindigkeit, Saite/Fingersatz, Kontaktstelle und Vibrato. "Jenseits" gibt es da außer dem Gesichtsausdruck wenig (man könnte noch die Bogenspannung und Bogenkantung, also die Menge der Haare dazunehmen). Diese Stellschrauben müssen gleichzeitig bedient werden, und um das zu erlernen, muss man ihre Funktionen erst einmal einzeln begreifen und - ziemlich lange - üben. Davon handelt u.a. dieses "fünfte Hauptstück", nicht von einem "Interpretationsprinzip".

  • Vielleicht ein Beispiel, wo ich einen Verstoß gegen den Grundsatz sehen würde:

    bei Harnoncourt z.B. kommt es vor, daß "unbetonte" Taktteile so fallen gelassen werden, daß sie fast tonlos werden. Da würde ich sagen, daß den betonten und unbetonten Teilen die gleiche Klangart (mit Mozarts Worten) fehlt. Und du würdest doch sicher nicht sagen, daß jede Klangfarbvariation unmöglich wäre, wenn man nicht so tonlos spielte/sänge?

    1. Dein allgemein gehaltenes Beispiel betrifft nicht "piano -forte Gleichheit der Klangart" bei ausdrücklich mit piano und forte bezeichneten Passagen eines Musikstücks. Es geht vielmehr um den Wechsel von betonten und unbetonten Taktteilen. Ich bezeichne das jetzt mal als Mikro-Phrasierung. Diese Betonungen oder Mikro-Phrasierungen spielen sich innerhalb einer Lautstärke oder innerhalb eines längeren cresc oder decresc ab. Das heisst , dass nicht jedesmal bei betonten Taktzeiten ein forte dasteht und bei unbetonten ein piano. Forte und piano haben nichts mit Betonungen zu tun.

    2. Ein einfaches Beispiel einer Mikro-Phrasierung wäre eine Achtelpassage über mehrere Takte hinweg, die aber mit Phrasierungsbögen über jeweils immer 2 Noten gekennzeichnet ist. Dasselbe kann man mit Vierteln und Sechzehnteln machen. Diese Notation bestimmt , dass die beiden Noten unter einem Bogen ganz lückenlos aneinander grenzen, aber die 2. Note unter jedem Bogen verkürzt gespielt werden soll und dadurch ein Lücke zwischen der 2. Note und der darauf folgenden ensteht. Automatisch entsteht dadurch eine Betonung auf der 1. Note unter jedem Bogen. Es gibt eine Konvention, wobei dieser gesamte Effekt am stärksten im Barock vom Spieler hörbar gemacht wird, etwas weniger stark in der klassischen Epoche und noch weniger in der Romantik, aber es ist selbstverständlich dem Spieler überlassen, wei stark er es machen will. Nur: wenn man sich nach der Partitur richten möchte, dann sollte man ihn hörbar machen, egal wie stark.

    3. Der Effekt ist selbstverständlich der längeren musikalischen Phrase untergeordnet, sollte also dem musikalischen Spannunsgbogen, seiner Dynamik und Klangfarbe schlüssig zuarbeiten und ihm dienen, aber eben gleichzeitig ein verzierendes oder sinngebendes Detail vermitteln.

    4. Schauen wir uns nun eine (leicht andere aber ausreichend ähnliche ) Mikro-Phrasierung als konkretes Beispiel bei Harnoncourt an, die mit ähnlich gelagerten kurzen Phrasierungsbögen arbeitet, wie eben beschrieben. Du hattest gesagt, es käme vor, dass bei Harnoncourt unbetonte Taktteile so fallen gelassen werden, dass sie fast tonlos werden. Und dass das eventuell ein Beispiel für Deine und Mozarts Idee des Verstosses gegen "Gleichheit" oder anders gesagt für "Auseinanderfallen" sein könne.

    Hier also das Lacrimosa aus dem Mozart Requiem:

    Es steht im 12/8 Takt. Die Geigen spielen Nachschläge auf den unbetonten Taktzeiten, phrasiert in immer 2 Achteln unter einem Bogen. Obwohl auf unbetonten Taktzeiten, ergibt sich durch den Phrasierungsbogen eine untergeordnete Betonung auf der 1. Note jedes Bogens, wie unter 2 oben beschrieben. Die 2. Note wird weniger betont, leichter, kürzer, leiser. Das ist alles durch die Phrasierungsbögen in der Partitur vorgegeben. Du meinst nun, dass diese 2. Noten tonlos klängen? Dass dieser notierte Effekt , den Du ja sicher nicht entgegen der Partitur gespielt haben willst, zu übertrieben sei?

    Das kann ich bei dieser Einspielung nicht bestätigen. Ja, die 2. Note ist leiser, aber die "Klangart" ist gleich. Es gibt wenig Vibrato auf der 1. wie auf der 2. Note, und keine Veränderung im Charakter des Vibratos. Ansonsten auch keinen Unterschied im Klang, ausser eben der Laustärke und Phrasierung, die in der Partitur so verlangt wird. Dies müsste Dir also schonmal gefallen.
    Weiterhin stellt diese Mikro-Phrasierung ein inhaltlich schlüssiges Detail dar, was von Harnoncourt wunderbar bewahrt wird, nämlich die Seufzer, Tränen und beschwerte Atmung eines von seelischer Unruhe und Schmerz überwältigten Menschen am Tage des jüngesten Gerichts.
    Es ist für mich sehr bedeutend, dass Harnoncourt wenig Vibrato für diese Seufzer benutzt, da zu viel Vibrato das hier ganz spezielle Risiko mit sich bringt, den Ausdruck ins Süsslich-Sentimentale zu verschieben, was natürlich ganz unpassend wäre.
    Hervorheben würde ich ausserdem, dass harmonisch wichtige 2. Noten unter den kurzen Phrasierungsbögen keineswegs in Gefahr sind tonlos unbeachtet zu verschwinden, sondern durchaus verständlich hörbar sind. Sie arbeiten den durch Konsonanz-Dissonanz hervorgerufenen, langen musikalischen Spannungsbögen zu. Es entstehen so, trotz Mikro-Phrasierung, lange schlüssige Phrasen. Ausserdem bewegen sich diese Achtelnachschläge sinnvoll innerhalb einer übergeordneten Lautstärke und stören diese ganz und gar nicht, also am Anfang wird ein piano bewahrt, dann kommt ein cresc zum forte, dann ein piano usw. Und die kurzen Achtelbögen machen das alles mit, bewahren aber ihren seufzenden Charakter ganz wunderbar.

    Also, ich kann Dir bei diesem einen Beispiel nicht zustimmen. Es ist hier für mich nichts tonlos oder nicht schlüssig oder auseinanderfallend. Ganz im Gegenteil.

    Aber vielleicht kannst Du eine andere Hanoncourt Stelle bringen, wo es in der Tat tonlos wird.

  • Warum steht gerade da kein Wort von der "Gleichheit des Tones", wenn das doch, wie Du behauptest, ein "Interpretationsprinzip" ist?

    nun, da steht "man muß das Starke und Schwache am rechten Orte und mit rechtem Maaße anzubringen verstehen".
    (S. 259, XII § 5)

    das ist nun eine sehr allgemein gehaltene Aussage, wovon das im V. Hauptstück, § 12 Abgehandelte ein Spezialfall wäre, bei welchem Mozart auch Hinweise gibt, wie das "rechte Maaß" beschaffen sein könnte. Das scheinbar ziemlich belanglose Statement beinhaltet also den besprochenen Interpretationsgrundsatz. (Rückverweise auf die früheren Teile bringt Mozart im Vortragskapitel mehrfach).

    Deine Deutung dieses Textes ist so, als würdest Du aus der Erklärung eines Fahrlehrers, wie man auch bei Seitenwind oder unregelmäßiger Fahrbahnoberfläche in der Mitte der Straße bleiben kann, folgern, dass Autofahrer grundsätzlich nur geradeaus fahren.

    Also ich würde den Vergleich so ummodeln:

    der Fahrlehrer ermahnt, daß man darauf achten soll, beim Kurvenfahren nicht von der Straße abzukommen - und das bitte nicht nur in der Fahrstunde, sondern auch später ( Rosamunde: außer beim off-road-Sport, versteht sich). :D

    Nein, er beschreibt die falsche "Klangart", die entsteht, wenn man beim piano einfach nur den Bogendruck reduziert ("Denn das piano bestehet nicht darinnen, daß man den Bogen geschwind von der Violin weg lasse, und nur ganz gelind über die Seyten hinglitsche"). Das ist die Erklärung eines technischen Problems, welches jeder Geiger kennt. Die klanglichen Stellschrauben sind bei der Geige vor allem Bogendruck, Bogengeschwindigkeit, Saite/Fingersatz, Kontaktstelle und Vibrato. "Jenseits" gibt es da außer dem Gesichtsausdruck wenig (man könnte noch die Bogenspannung und Bogenkantung, also die Menge der Haare dazunehmen). Diese Stellschrauben müssen gleichzeitig bedient werden, und um das zu erlernen, muss man ihre Funktionen erst einmal einzeln begreifen und - ziemlich lange - üben. Davon handelt u.a. dieses "fünfte Hauptstück", nicht von einem "Interpretationsprinzip".

    du hast sicher völlig recht in der Beschreibung der technischen Mittel. Mir scheint allerdings Mozarts Ausdrucksweise (insb. der Begriff "Klangart" in V, § 12 eher "ergebnisorientiert" zu sein. Insofern ändere ich meine Formulierung "jenseits dieser Diffenzierungsmöglichkeiten" ab in "jenseits dieser sinnvoll angewendeten Diffenzierungsmöglichkeiten".

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • nun, da steht "man muß das Starke und Schwache am rechten Orte und mit rechtem Maaße anzubringen verstehen".
    (S. 259, XII § 5)

    das ist nun eine sehr allgemein gehaltene Aussage, wovon das im V. Hauptstück, § 12 Abgehandelte ein Spezialfall wäre, bei welchem Mozart auch Hinweise gibt, wie das "rechte Maaß" beschaffen sein könnte. Das scheinbar ziemlich belanglose Statement beinhaltet also den besprochenen Interpretationsgrundsatz. (Rückverweise auf die früheren Teile bringt Mozart im Vortragskapitel mehrfach).

    Das Statement ist doch gar nicht so "belanglos", wenn man berücksichtigt, dass es sich eben an Anfänger richtet. Geradezu primitv ist z.B. auch die Regel, Noten am Taktanfang und in der Taktmitte als "herrschende Noten" zu betonen. Das musste ich als Siebenjähriger bei meiner ersten Klavierlehrerin auch so machen :) . Und ja, es gibt im zwölften Hauptstück mehrfach Rückverweise, aber doch gerade nicht auf die "Gleichheit des Tones"! Das ist also ein weiteres Argument gegen die These, dass es sich hier um ein "Interpretationsprinzip" handelt, denn dann wäre es doch im "Vortragskapitel" ganz sicher wenigstens noch einmal erwähnt worden. Ich weiß nicht, ob und wie oft Du schon bei der Ausbildung von Geigern zugehört hast. Ich bin sicher, dass Du dann vieles von dem, was Leopold Mozart schreibt, als Erklärung ganz normaler technischer Vorgänge und Übungen wiedererkennen würdest. Der klangliche Ausgleich über die Länge des Bogens und die verschiedenen Saiten und Register gehört ganz zweifellos ebenso dazu wie klanglich saubere Bogenwechsel.

  • Geradezu primitv ist z.B. auch die Regel, Noten am Taktanfang und in der Taktmitte als "herrschende Noten" zu betonen. Das musste ich als Siebenjähriger bei meiner ersten Klavierlehrerin auch so machen .


    ich habe nicht bestritten, daß das Buch elementaren Stoff enthält, und keineswegs nebenbei. Das schließt nicht aus, daß vieles über die rein unterrichtsbedingte Bedeutung hinausgeht.

    Ich bin sicher, dass Du dann vieles von dem, was Leopold Mozart schreibt, als Erklärung ganz normaler technischer Vorgänge und Übungen wiedererkennen würdest. Der klangliche Ausgleich über die Länge des Bogens, die verschiedenen Saiten und Register gehört ganz zweifellos ebenso dazu wie klanglich saubere Bogenwechsel.


    Ich bin auch sicher. Siehe oben.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Verstehe ich Dich recht, dass Deiner Meinung nach Mozart nun auf einmal nur das Nachahmen eines anderen Instrumentes nicht möchte?


    ja, das verstehst du falsch. Das "Pfeifen" ist für ihn ein Beispiel, das einen Hinweis darauf geben soll, was unter "gleicher Klangart" zu verstehen ist. Es kommt dabei nicht darauf an, daß "Nachahmen" an sich was böses wäre, sondern Mozart will mit dem Ton, der sich an ein anderes Instrument annähert, veranschaulichen, was die Gleichheit der Klangart verletzen würde.

    Zitat

    Nun gut, aber erstens machst Du da einen gewaltigen Rückzieher, denn alles, was Du bisher geschrieben hast, hat von Klangkern, Variation des Identischen, Gleichheit der Klangart und Auseinanderfallen von Forte und Piano gesprochen, und de facto ein künstlerisches Konzept aufgestellt, was alles weit über nur unerwünschtes Nachahmen herausgeht.


    wie gesagt, es geht Mozart gar nicht darum, daß "Nachahmen" an sich unerwünscht wäre. Es ist ein Beispiel für unerwünschte Ungleichheit, die demnach recht gravierend sein muß, damit sie die Gleichheit der Klangart" verletzt. Ich verstehe nicht, wieso da ein Rückzieher von mir vorliegen soll?

    Zitat

    Und zweitens, wenn ich ein fieser Smart Alec sein wollte, dann würde ich jetzt sagen, wenn eine Geige ein Pfeifen produzieren kann, dann ist das eben auch ein Violinton, der zum geigerischen Klang - Repertoire gehört. :P Eine Geige ist eine Geige und bleibt eine Geige, auch wenn sie eine Flöte nachahmt.


    völlig richtig, darum schrieb ich:

    Das Beispiel von Mozart für eine Verletzung der Klangart-Gleichheit ist nun so, daß die Tongestaltung quasi den Bereich des eigentlichen Violintones verläßt und sich einer anderen "Klangart" allzu sehr annähert.

    Willst Du nun den ganzen Messiaen verbieten, weil Mozart kein Nachahmen will? Und überhaupt kratzen wir bei Nachahmen ja nur an der Oberfläche bei Musik allgemein. Wo führt dieses Argument hin?


    Was das "Nachahmen" betrifft - siehe oben.

    Und ums "Verbieten" geht es sowieso nicht, also auch nicht ums Verbieten von Messiaen. Es geht um bedenkenswerte Gesichtspunkte.

    die habe ich zudem historisch relativiert:

    Offenbar sind extremere Klangfarbdifferenzen (am Steg, Flageolet) erst in einer ganz anderen Musik am Platz

    Rosamunde schrieb:

    Zitat

    Ich meine dazu aber, dass es erstens wahrscheinlich am Klangideal der Epoche lag, dass er das so wollte.

    mag sein, aber man könnte sich ja fragen, ob es ein beherzigenswertes Prinzip darüber hinaus wäre.


    klingt das nach "verbieten"?

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • 1. Dein allgemein gehaltenes Beispiel betrifft nicht "piano -forte Gleichheit der Klangart" bei ausdrücklich mit piano und forte bezeichneten Passagen eines Musikstücks. Es geht vielmehr um den Wechsel von betonten und unbetonten Taktteilen. Ich bezeichne das jetzt mal als Mikro-Phrasierung. Diese Betonungen oder Mikro-Phrasierungen spielen sich innerhalb einer Lautstärke oder innerhalb eines längeren cresc oder decresc ab. Das heisst , dass nicht jedesmal bei betonten Taktzeiten ein forte dasteht und bei unbetonten ein piano. Forte und piano haben nichts mit Betonungen zu tun.

    Da hast du erstmal ganz recht. Ich denke dennoch, daß man den Taktbetonungsfall wie eine analoge Situation betrachten darf.

    zunächst eine kleine Korrektur: Mozarts Richtlinie gilt nicht nur für ausdrücklich vorgeschriebene piano/forte. Er sagt ausdrücklich, daß auch bei unbezeichneten Stellen piano und forte unterschieden werden muß:

    Ja, man muß das Schwache mit dem Starken, ohne Vorschrift, auch meistens selbst abzuwechseln und jedes am rechten Orte anzubringen wissen.
    (XII, § 8, S. 260)

    es dürfte offensichtlich sein, daß diese piano/forte-Stellen unter dieselben Bedingung fallen wie die ausdrücklich bezeichneten.

    Nun zu den Taktbetonungen. Mozart selbst erläutert diese durchaus mit p/f-Zeichen (XII, § 9, S. 262), und er benutzt auch mal den Ausdruck "stark anstossen". Aber, da hast du recht, diese p/f-Zeichen müssen was ganz anderes bedeuten als das piano/forte in den Stücken. Ich reime mir das so zusammen, das er bei der Beschreibung der Taktbetonungen diese quasi wie mit einer "akustischen Lupe" betrachtet. Dann wäre es naheliegend zu versuchen, das Mozartsche Prinzip für den "gewöhnlichen" p/f-Unterschied auch auf Taktebene "wie unter der Lupe" analog anzuwenden.

    Aber zugegeben, die Frage der Taktbetonung ist für mich eine der heikelsten bei der HIP.

    Nun zu deinem Harncourt-Beispiel (Mozart, Lacrimosa)

    https://www.youtube.com/watch?v=TxNYBE0-mL0

    ich finde dein Beispiel sehr schön, wenn auch mit dem einen Haken, daß Harnomcourt die Beyer-Fassung benutzt, und ich deshalb nicht die Partitur richtig mitlesen kann. Ich höre z.T. auch die 1. Violine schlecht wg. Deckung durch den Chor.

    2. Ein einfaches Beispiel einer Mikro-Phrasierung wäre eine Achtelpassage über mehrere Takte hinweg, die aber mit Phrasierungsbögen über jeweils immer 2 Noten gekennzeichnet ist. [...] Diese Notation bestimmt , dass die beiden Noten unter einem Bogen ganz lückenlos aneinander grenzen, aber die 2. Note unter jedem Bogen verkürzt gespielt werden soll und dadurch ein Lücke zwischen der 2. Note und der darauf folgenden ensteht. Automatisch entsteht dadurch eine Betonung auf der 1. Note unter jedem Bogen.
    [...]
    Es [das Lacrimosa] steht im 12/8 Takt. Die Geigen spielen Nachschläge auf den unbetonten Taktzeiten, phrasiert in immer 2 Achteln unter einem Bogen. Obwohl auf unbetonten Taktzeiten, ergibt sich durch den Phrasierungsbogen eine untergeordnete Betonung auf der 1. Note jedes Bogens, wie unter 2 oben beschrieben. Die 2. Note wird weniger betont, leichter, kürzer, leiser. Das ist alles durch die Phrasierungsbögen in der Partitur vorgegeben.

    Du meinst nun, dass diese 2. Noten tonlos klängen? Dass dieser notierte Effekt, den Du ja sicher nicht entgegen der Partitur gespielt haben willst, zu übertrieben sei?

    ich würde hier nicht so weit gehen und von "tonlos" sprechen (dazu andere Beispiele unten)

    Mir "gefällt" das spontan jedenfalls nicht so sehr. Ich will aber jetzt gar kein Urteil über diese Harnoncourt-Aufnahme fällen, sondern Fragen ansprechen, die sich für mich auftun:

    Mozarts Zweierbindungen erscheinen in einem ternären metrischen Kontext, und zwar so, daß in der 1. Violinstimme jedes erste Achtel einer Dreiachtelgruppe eine Pause hat. Die restlichen 2 Achtel stellen dann die Zweierbindung dar. (Ähnliche Pausen, wenn auch wohl zumeist auf metrisch schwacher Zeit, sind wohl nicht ungewöhnlich). Durch die Pause nun wird die Gliederungsfunktion der Verkürzung des jeweils 2. angebundenen Achtels überflüssig. (Ich sage nicht, daß die Verkürzung komplett überflüssig wird, aber ein wesentlicher Grund für diese entfällt). ok, wahrscheinlich soll nicht nur die Stimme der 1. Violine, sondern die vollständigen Dreiachtel gegliedert (als ob ein Bogen über den Dreiachteln stünde) werden, also auch eine "Lücke" zu den Unterstimmeneinsatz auf dem jeweils 1. Achtel zu merken sein. Aber würde dazu nicht ein ganz geringes Absetzen ausreichen? es ist ja auch noch der Klangunterschied da.

    Zitat

    was von Harnoncourt wunderbar bewahrt wird, nämlich die Seufzer, Tränen und beschwerte Atmung eines von seelischer Unruhe und Schmerz überwältigten Menschen am Tage des jüngesten Gerichts.

    ich stimme deiner Affektbeschreibung zu, würde nur ergänzen, daß mir auch etwas "Flehendes" mitgemeint zu sein scheint, namentlich in den Fällen, in denen die Zweierbindung ein größeres Intervall (als die Sekund) aufwärts vollzieht. Zum Text "Huic ergo parce Deus, pie Jesu Domine" hat die Süßmayerfassung ausschließlich solche Intervalle, was mir sehr passend erscheint. Zu dieser Gestik des Flehens scheint mir nun eine stärkere Verkürzung nicht zu passen.

    Auffällig finde ich auch, daß die Zweierbindung auf schwachen Zeiten steht, die jeweils (relativ) stärkeren hingegen Pausen haben.

    Ich möchte das vom Text her so verstehen, daß den Seufzenden und Flehenden quasi der Boden unter den Füßen weggezogen ist, und sie vom Absturz bedroht in der Luft schweben. Unter diesem Gesichtspunkt wäre dann die von dir festgestellte "automatische" Entstehung "einer untergeordnete Betonung auf der 1. Note jedes Bogens" möglichst zu unterdrücken, bzw. möglichst deutlich zu machen, daß beide Achtel auf schwachen Zeiten stehen.

    Das besagt sicher auch was für die Relation zu den Unterstimmen, was aber wohl zu weit führen würde hier auszuführen.

    Zitat

    Es ist für mich sehr bedeutend, dass Harnoncourt wenig Vibrato für diese Seufzer benutzt, da zu viel Vibrato das hier ganz spezielle Risiko mit sich bringt, den Ausdruck ins Süsslich-Sentimentale zu verschieben, was natürlich ganz unpassend wäre.

    (aber ist Furcht vor Süsslich-Sentimentalem als solche ein guter Ratgeber?)

    Zitat

    Aber vielleicht kannst Du eine andere Hanoncourt Stelle bringen, wo es in der Tat tonlos wird.


    ich habe hier zwei Beispiele mit Harnoncourt, betreffen leider beide den Chor, nicht das Orchester:

    Anfang WO

    https://www.youtube.com/watch?v=98UjjwzJBFE

    erstmal so 1:45 bis 2:55 (nicht jede schwache Zeit wird verschluckt).

    hier eine Probe der Jahreszeiten, in der er dem Chor ein "Tenuto", wie er es nennt, auf der 2. Silbe von "Jùhhe" untersagt. Das ist m.E. eine falsch verstandene Anwendung von sprachlicher Alltagsartikulation auf Musik:

    https://www.youtube.com/watch?v=Tf86daFyk9g

    16:16 - 16:52

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Dass ein richtig eingesetztes Vibrato in der Tat die Tragfähigkeit eines Tons erhöhen kann, ist eine der Aussagen dieses Artikels:

    Vibrato des Musikers (schleske.de)

    Geigenbaumeister Martin Schleske nennt dafür physikalische und psychoakustische Gründe. Einer ist dieser:

    "Je größer die Amplitude einer Frequenzkomponente, desto größer ist die Verbreiterung des erregten Bereiches auf der Basilarmembran".

    Also, dass die Vergrößerung eines erregten Bereiches zu einer Erhöhung der wahrgenommenen Intensität führen könnte, würde ich sofort glauben.

    (Ein anderer Parameter, der die Wahrnehmung eines Tons deutlich verstärkt, ist der gezielte Einsatz von Formanten, wie es Sänger tun, um scheinbar mühelos über das volle Orchester beim Wagner, Strauss e tutti quanti zu kommen. Auch Babies sind Naturtalente, wenn es darum geht, Frequenzen und Obertöne zu erzeugen, um uns ins Mark zu treffen.)

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Beim Nachdenken über live erlebte Violinkonzerte fiel mir ein Abend im Herkulessaal in München ein, an dem Isabelle Faust mit dem Schwedischen Kammerorchester (in verstärkter Besetzung) unter Thomas Dausgaard das Sibeliuskonzert in der Urfassung gab. Faust setzte soweit ich mich erinnere auch damals das Vibrato sehr sparsam und gezielt ein, ohne dass sie Durchsetzungsprobleme gehabt hätte.

    Im Netz habe ich dann noch eine Kritik über einen Beethovenabend (op. 61) in Zürich gefunden (okay, auch ein Kammerorchester):

    Was bei Isabelle Faust sofort auffiel war nicht nur das praktisch vibratolose Spiel, sondern ebenso die klangliche Tragweite ihres Instruments. Dies ist natürlich nicht nur den Qualitäten ihrer Stradivari geschuldet, sondern auch Beethovens umsichtigem Orchestersatz, und es war faszinierend zu hören, wie sich die Violine selbst bei minimalem, leichtem Bogen noch durchsetzen konnte.

  • Hm....gut, ich nehme es zur Kenntnis und muss mich eventuell eines Besseren belehren lassen.

    Ich nehme allerdings auch zur Kenntnis, dass du "gezielt" schreibst. Da wäre ich nun an Details interessiert, denn ich habe trotzdem weiterhin Zweifel. Wie es bei Stellen gehen soll, in denen eine Geige Forte spielen soll und es gibt einige im Sibelius...... Da geht senza Vib nur bei kurzen-schnellen Bogenstrichen, aber nicht bei Cantilenen oder Doppelgriffen mit langen Notenwerten. Was hat sie im 2. Satz gemacht?

    Forte bedeutet ja ausserdem nicht nur laut, sondern auch sehr oft (aber nicht immer), dass die Intensität des Ausdrucks gegenüber den piano Stellen gesteigert sein sollte. Wie das gehen soll ohne tiefer in die Saite zu gehen, also den Kontakt zur Saite zu erhöhen, weiss ich bei langen Notenwerten nicht. Und dann muss eben man auch Vibrato machen, sonst kratzt es.

    Aber du bist ja dabeigewesen und hast einen anderen Eindruck gewonnen. Wo hast du denn gesessen, so etwa?

    Übrigens: Bei ihrem Berg Viollinkonzert (2012) habe ich mir aufgeschrieben, dass sie ein viel zu schnelles und übertriebenes Vibrato mache und das im Gegensatz zu ASM (!).....muss nochmal reinhören,.

  • Wo hast du denn gesessen, so etwa?

    Parkett, Mitte Mitte. Sie hat mit Sicherheit auch Vibrato eingesetzt, alles andere fände ich bei Sibelius auch nicht angemessen, aber eben nicht so auffällig, wie ich es bspw. bei manchen ASM-Aufnahmen finde. Zu schnelles übertriebenes Vibrato habe ich bei Isabelle Faust noch nie wahrgenommen. Erstaunlich :/

    Aber wenn ich Deine und meine Favoriten bei Geigern aus den verschiedenen Threads vergleiche, ist denke ich abseits aller theoretischen Überlegungen zur Notwendigkeit von Vibrato einfach auch eine gute Portion individuelle Vorliebe dabei, was ja auch völlig in Ordnung ist.

  • ja, klar. Vorliebe ist bei der Auswahl von Aufnahmen auch dabei, da stehen aber auch Mikros an strategischer Stelle. Und so kann man allerhand machen, was man sonst nicht könnte und dem CD Publikum den Geschmack verderben Grins1. Das war ein unpassender Witz. Nicht beachten.

    Bei HIP Streichern ist das aber noch mehr ein Thema als sonst.

    Danke auch für die Rückmeldung über den Platz...Parkett Mitte ist halt auch nicht ganz hinten oder ganz oben im Olymp. Auch der Kritiker wird mindestens in der Mitte gesessen haben.

    Man kann sich auch im Internet mal durchgooglen, was dort so von praktizierenden Geigern geschrieben wird.

    Zu schnelles übertriebenes Vibrato habe ich bei Isabelle Faust noch nie wahrgenommen. Erstaunlich :/

    wie gesagt, mir fiel es nur im Berg auf, werde nochmal reinhören, wer weiss, in welcher Stimmung ich da war. Du kannst ja auch nochmal genauer daraufhin anhören, wenn du mal Zeit und Lust hast.

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