Zur Geschichte des Vibrato (und anderer Spieltechniken) bei Streichinstrumenten

  • Zur Geschichte des Vibrato (und anderer Spieltechniken) bei Streichinstrumenten

    Liebe Cappricisten,

    mich beschäftigt ein Thema, bei dem ich nicht so recht weiter weiß.

    Bis vor kurzem war die Welt noch in Ordnung. Mein Wissensstand bezüglich der Verwendung des Vibratos (ich beschränke mich hier zur Vereinfachung auf Streichinstrumente, da ich bei diesen von der Technik des Vibratos etwas mehr verstehe) lautete so: Im Barock (und wohl auch noch etwas danach) wurde das Vibrato nur als gezielte Verzierung, also quasi wohldosiert, eingesetzt (wenn überhaupt). Das, was manche gern als "Dauervibrato" bezeichnen (der Begriff ist m. E. Quatsch mit Soße, da kein Streicher auf jedem Ton, und sei er noch so kurz, wie wild vibrieren wird, aber sei es drum), habe ich als Ergebnis der romantischen Musizierpraxis gesehen. Ich war mir auch bewußt, daß es zum Thema ein leider von mir noch ungelesenes Standardwerk gibt: Greta Moens-Haenen, "Das Vibrato in der Musik des Barock".

    Dann jedoch hat dieses Weltbild ausgerechnet Roger Norrington durcheinandergebracht, als ich nämlich dessen "http://www.zeit.de/2009/13/Interview-Norrington" Interview in der ZEIT vom März 2009 las. Er behauptet, das "Dauervibrato" (ein besserer Begriff wäre wohl "unselektives Vibrato") im Orchester sei erst ein Produkt der 1920er Jahre! Moment mal - Mahlers Adagietto aus der 5. Symphonie ohne Vibrato? Ebenso das Adagio aus der 10.? Das kommt mir irgendwie spanisch vor.

    Schließlich habe ich einen Text von David Montgomery zum Thema gefunden, der Moens-Haenen und Norrington i. W. widerspricht, aber bei mir die Verwirrung komplettierte. Ich kann hier nicht den ganzen Text zusammenfassen, aber versuche mal, ein paar generelle Thesen zum Thema zu formulieren, mit herzlicher Bitte um Widerspruch, wo immer er angebracht erscheint.

    1) Es scheint eine erhebliche Begriffsverwirrung zwischen Termini wie "Tremolo", "Bebung" und "Vibrato" zu geben, die den Erkenntnisstand auf Basis einschlägiger Instrumentalschulen unklar erscheinen läßt.

    2) Moens-Haenen, die soweit mir bekannt als anerkannte Expertin zum Thema gilt, scheint mit ihren Schlußfolgerungen nicht ohne Widerspruch zu sein - oder ist Montgomery ein Exot, so wie ein Physiker, der die Quantenmechanik ablehnt?

    3) Vollkommen unklar ist für mich, ob Norrington mit seinen Ausführungen nur das Orchesterspiel meint, oder ob er auch die sonstige Musizierpraxis (also auch Kammermusik) einbezieht. Kein Vibrato im Streichquartett des 19. Jahrhunderts?

    4) Norrington scheint sich insofern nicht ganz im gesicherten Terrain zu bewegen als er seine Behauptung, das Vibrato gehe auf Kaffeehausmusiker und Zigeuner-Fidler zurück (vom latent rassistischen Unterton dieser Äußerung abgesehen), wohl kaum wissenschaftlich untermauern können wird.

    5) Die Chronologie der Dinge kommt mir spanisch vor. Geiger wie Heifetz, Milstein und Oistrach haben alle bei Leuten wie Stoljarski und Leopold Auer gelernt (noch vor 1920!), die wiederum im 19. Jahrhundert ausgebildet worden waren. Für alle drei genannten Geiger von Weltruhm war das Vibrato selbstverständlicher Teil ihres Violinspiels. Es hätte doch im künstlerischen Ideal dieser drei großen Geiger irgendwann einen Bruch durch die vermeintliche Einführung des "Dauervibratos" geben müssen, den ich aber nicht erkennen kann. Stattdessen gelten sie als typische Vertreter der großen russischen Geigenschule.

    Vielleicht können mir einige mit dem Thema Vertraute weiterhelfen - oder andere sich in meine Fragerei einklinken. :D

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Hallo Symbol,

    5) Die Chronologie der Dinge kommt mir spanisch vor. Geiger wie Heifetz, Milstein und Oistrach haben alle bei Leuten wie Stoljarski und Leopold Auer gelernt (noch vor 1920!), die wiederum im 19. Jahrhundert ausgebildet worden waren. Für alle drei genannten Geiger von Weltruhm war das Vibrato selbstverständlicher Teil ihres Violinspiels. Es hätte doch im künstlerischen Ideal dieser drei großen Geiger irgendwann einen Bruch durch die vermeintliche Einführung des "Dauervibratos" geben müssen, den ich aber nicht erkennen kann. Stattdessen gelten sie als typische Vertreter der großen russischen Geigenschule.

    als ich das erste Mal von meinem damaligen Klavierlehrer die Kritik am "Dauervibrato" hörte, bezog er es auf Ensemblespiel, dessen Durchhörbarkeit darunter leide. Wenn man heute Streichinstrumenten-Schülern vibratoloses Spiel beibringe, ginge man anscheinend davon aus, dass die alle Solisten würden.

    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Hallo Symbol,


    als ich das erste Mal von meinem damaligen Klavierlehrer die Kritik am "Dauervibrato" hörte, bezog er es auf Ensemblespiel, dessen Durchhörbarkeit darunter leide. Wenn man heute Streichinstrumenten-Schülern vibratoloses Spiel beibringe, ginge man anscheinend davon aus, dass die alle Solisten würden.

    :wink:


    Hallo Tyras,

    wenn ich es von meiner Lektüre der Milstein-Autobiographie richtig in Erinnerung habe, wurde bei Stoljarski auch im Ensemble gespielt. Milstein hätte daher als Vertreter der "alten Schule" bei einem "Dauervibrato" verwendenden Orchester zu seiner Begleitung doch eigentlich Zustände kriegen müssen, wenn Norringtons Thesen stimmen, oder?

    Außerdem verstehe ich Deine Aussage nicht ganz: das "Dauervibrato" wäre demnach der Sphäre des Solisten zuzuordnen, wieso bringt man dann den angehenden Solisten vibratoloses Spiel bei?

    Mein Geigenlehrer (langjähriger Orchester-Profi, "alte Schule") ermahnte mich immer dazu, mehr Vibrato einzusetzen. Damit war ich von Natur aus sparsam, einfach, weil mein Vibrato nicht sehr gut war... :D

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Hallo Symbol,

    bekanntlich schrieb Leopold Mozart seinerzeit:

    "Es gibt schon solche Spieler, die bey ieder Note beständig zittern, als wenn sie das immerwährende Fieber hätten."

    Sprich: Schon damals war ein (offenbar nach L. Mozarts Geschmack und vermutlich auch nach meinem Geschmack unkultiviertes) Dauervibrato durchaus zu hören

    Und noch eine ganze Ecke früher schrieb ein gewisser Agricola:

    Zitat

    Auch sey im Pfeiffen darauff gsind
    Das du blest mit zitterdem wind
    Dann gleich wie hernach wird gelart
    Von der Polischen Geigen art
    Das zittern den gesang zirt
    Also wirds auch alhie gespürt.

    Die völlige Verbannung des Vibratos im Rahmen der "Alten Musik" scheint also historisch nicht wirklich haltbar zu sein.

    Daß J. Joachim seine Schüler zu einem eher sparsamen Vibratogebrauch anhielt, ist bekannt. Daß es andere große Geiger seiner Zeit genauso gehalten haben, folgt daraus noch lange nicht. Ich weiß darüber nicht so viel, vermute aber, daß die Stilunterschiede zwischen einzelnen Interpreten im 19. Jahrhundert ähnlich deutlich waren wie heutzutage. X in Stockholm hat wahrscheinlich mehr Vibrato angewendet als Y in Leipzig oder Z in Dresden oder Q in Paris - bzw. umgekehrt.

    Wenn ich Aufnahmen der Berliner aus den 1970/80er Jahren mit denen von tschechoslowakischen Orchestern aus der gleichen Zeit vergleiche, höre ich zumindestens bei den Bläsern massive Unterschiede im Gebrauch des Vibratos. Gesetzt der Fall, in zweihundert Jahren würde jemand auf die Berliner (oder gar Wiener!) Aufnahmen stoßen, während die tschechoslowakischen aus welchen Gründen auch immer verlustig gegangen wären, dann läge für ihn der Schluß nahe, man habe im späten 20. Jahrhundert bei den Spitzenorchestern weitgehend auf Bläservibrato verzichtet. Das wäre aber ein Trugschluß, denn hier war es so, dort (z.b. in Prag) galt das mitnichten! Da vibrierten teilweise auch die Hörner recht lustig...

    Herzliche Grüße von Bernd, der selber aus subjektiven Geschmacksvorlieben heraus mit Vibrato eher zu sparsam als zu großzügig umgeht...

  • Hallo Symbol,

    Außerdem verstehe ich Deine Aussage nicht ganz: das "Dauervibrato" wäre demnach der Sphäre des Solisten zuzuordnen, wieso bringt man dann den angehenden Solisten vibratoloses Spiel bei?

    So habe ich meinen Klavierlehrer verstanden. Anlass war eine Unterhaltung über Streichquartett-Aufnahmen. Viele Ensembles waren für ihn zweifelhaft, weil bei massivem Vibrato besonders die Mittelstimmen zu leiden haben.

    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Eine Frage an die aktiven Streicher: ist das Vibrato eine angelernte oder eine quasi natürliche Funktion, die automatisch eintritt, wenn die Technik entwickelt ist und die man bewusst unterdrücken muss, um sie abzustellen?

    Im Gesang, wie er heute ganz überwiegend gelehrt wird , ist nämlich ein Vibrato die Folge einer klassisch ausgebildeten Stimme, und kein oder ein zu starkes Vibrato die Folge stimmlicher Fehlentwicklung/Fehlfunktion.

    Um als ausgebildeter Sänger kein Vibrato zu haben, muss man bewussten Druck auf die Stimmbänder, bzw den Kehlkopf ausüben- oder man entscheidet sich von Beginn an für eine Bonsai-Gesangstechnik, die das Vibrato physiologisch unterdrückt.

    Ist das bei den Streichern ähnlich?


    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Liebe Fairy,
    das Vibrato kommt bei den Streichern erst später hinzu und ist gar nicht so leicht zu lernen.

    Ein sehr schönes Vibrato kann eine besondere persönliche Note sein, ich sehe es jedenfalls so, wobei ich auch nichts gegen ein Nonvibrato habe.Es kommt halt auf die Musik und/oder die entsprechende Stelle an.

    Von einem Dauervibrato halte ich nichts, wohl aber von sehr vielen Schattierungen bis halt hin zum Nonvibrato.

    Aber ganz am Anfang wird tatsächlich erst einmal ohne Vibrato gespielt, oft über einen längeren Zeitraum, dann erst wird das Vibrato quasi als I-Tüpfelchen gelernt.

    LG,
    Michael

  • Aber ganz am Anfang wird tatsächlich erst einmal ohne Vibrato gespielt, oft über einen längeren Zeitraum, dann erst wird das Vibrato quasi als I-Tüpfelchen gelernt.

    Einmal gelernt, scheint es mir aber tatsächlich schwer abzustellen. Man befürchtet dann, dass die Klangqualität darunter leidet, was auch nicht ganz falsch ist - ich finde es schwer, ohne Vibrato einen schönen (bzw. gar ausdrucksstarken) Ton hinzukriegen.
    D. h., man muss sich bewusst dagegen entscheiden, "schön" zu spielen - wahrscheinlich ist das ähnlich wie beim Singen...

  • vor allem muß man sauber spielen, denn mittels Vibrato kann man den Ton kurzfristig korrigieren, wenn man etwas danebengegriffen hat :pfeif:

    Zum Üben des vibratofreien Spiels eignet sich m.E. der alte Bach (wer sonst? :P ) hervorragend, da seine Solostücke für Geige und Cello so konzipiert sind, daß die anderen Saiten bei sauberem Spiel mitklingen, so daß sich eine wunderbare Polyphonie einstellt... nach einiger Zeit merkt man dann speziell bei dieser Musik, daß das Vibrato u.U. sogar störend ist.

    :wink:

    Momus

  • Hallo,

    Zitat

    ich finde es schwer, ohne Vibrato einen schönen (bzw. gar ausdrucksstarken) Ton hinzukriegen.


    äh......ich nicht, aber man muß es wirklich wollen..........

    Nein, im Ernst jetzt: Wichtig erscheint mir, daß man sich vergegenwärtigt, daß ein ausdrucksstarker Ton zum allergrößten Teil vom Bogen hervorgebracht wird, also von der rechten Hand.
    Es gibt die Unart, durch Schleudervibrato eine schlechte Intonation zu kaschieren und einen großen Ton vorzugaukeln.
    Und wer nicht in der Lage ist, ohne Vibrato einen schönen und ausdruckstarken Ton hervorzubringen, der macht sowieso etwas grundlegendes falsch-siehe meine Beschreibung oben über die Wichtigkeit des Bogens.

    Das Vibrato kann sich natürlich verselbständigen, dann spielt man automatisch immer mit dem Gewackel. Das bekommt man nur in den Griff, wenn man wieder mehr Augenmerk auf die Klangerzeugung durch den Bogen wirft und einen Sinn dafür entwickelt, auch ohne Vibrato "schöne" Töne zu erzeugen.

    Ich muß mich gar nicht bewußt dafür oder dagegen entscheiden, schon die Benutzung eines Barockbogens, der andere Spielweisen und Klänge hervorbringt, reicht, daß mein Vibrato ganz von selber wenig bis gar nicht mehr vorhanden ist.

    Und bei sehr vieler Musik erscheint mir ein Dauergeknödel heutzutage absolut unpassend, da benutze ich es schon unbewußt nicht mehr.

    Wo es paßt, na, da gehe ich auch nach wie vor in die Vollen........ ;+)
    Davon abgesehen ist es auch ein großer Unterschied, ob man sehr weit und langsam aus dem ganzen Arm vibriert oder nur ein kleines Fingervibrato einsetzt, denn es gibt nicht "das" Vibrato, sollte es jedenfalls nicht geben. Es gibt große Schattierungsmöglichkeiten beim Vibrato, welche übrigens auch immer mit dem Bogen-seiner Geschwindigkeit oder seinem Druck etc. - zusammenhängen.

    Das nur, um klarzustellen, daß es kein Schwarz- Weiß, also nur Vibrato und Nonvibrato, gibt. Das wäre viel zu einfach , die klanglichen Möglichkeiten sind viel größer.

    Gruß,
    Michael

  • Zitat

    da seine Solostücke für Geige und Cello so konzipiert sind, daß die anderen Saiten bei sauberem Spiel mitklingen, so daß sich eine wunderbare Polyphonie einstellt...


    Hallo,
    ehrlich gesagt ist mir das neu und die anderen Saiten schwingen immer mit, egal bei welcher Musik und egal, ob sauber oder unsauber.
    Aber das bringe ich nicht mit Polyphonie zusammen......... ?(

    Was ich nachvollziehen kann ist, daß ein übernäßiger Vibratoeinsatz bei Bach mittlerweile stört. Mich jedenfalls.
    Ein übernäßiger Gebrauch wohlgemerkt, denn solange die Oboen noch rumknödeln dürfen und die Sänger tremolieren, daß die Schwarte kracht, sehe ich überhaupt nicht ein, völlig auf Vibrato verzichten zu sollen.
    Es muß ja nicht gleich 'ne Quintenschleuder sein, es gibt ja wie gesagt z.B. auch ein Fingervibrato....

    Gruß,
    Michael

  • Zitat

    ....denn solange die Oboen noch rumknödeln dürfen ....


    :D In der Tat hört man auch bei bekannteren Vertretern meiner Zunft manchmal einen etwas abenteuerlichen Umgang mit dem Vibrato. Besonders gefürchtet in dieser Hinsicht ist z.b. Pierre W. Feit, der frühere Pofessor an der Essener Folkwang-Hochschule....

    Auch bei Blasinstrumenten gibt es natürlich nicht nur "An" oder "Aus", sondern genug Variationsmöglichkeiten des Vibratos hinsichtlich Auschlag und vor allem auch Geschwindigkeit der Schwingungen. Der Einsatz unterschiedlicher Amplituden gehört aber schon zur ganz hohen Schule und wird von mir als einer der schwierigsten Aspekte der Spieltechnik betrachtet. Auch Spitzenkünstler haben damit ihre liebe Not und Mühe (siehe oben).
    Den Klarinettisten (und Wiener Oboisten :D ) geht es einfach besser als uns, sie müssen sich nicht mit diesen Problemen herumschlagen...

    Zitat

    Im Gesang, wie er heute ganz überwiegend gelehrt wird , ist nämlich ein Vibrato die Folge einer klassisch ausgebildeten Stimme, und kein oder ein zu starkes Vibrato die Folge stimmlicher Fehlentwicklung/Fehlfunktion.

    Um als ausgebildeter Sänger kein Vibrato zu haben, muss man bewussten Druck auf die Stimmbänder, bzw den Kehlkopf ausüben- oder man entscheidet sich von Beginn an für eine Bonsai-Gesangstechnik, die das Vibrato physiologisch unterdrückt.

    Da sich Instrumentalisten schon immer auch an der menschlichen Stimme orientiert haben, spricht das zusätzlich für einen wie auch immer gearteten Vibratogebrauch vor 150 oder vor 300 Jahren.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Ich muss gestehen, dass ich sehr sehr wenig Vibrato spiele, was vielleicht auch an meinem Unvermögen liegen kann. Und ich muss Momus zustimmen, dass ich bei Bach (Cello-Suiten) gar nicht erst auf die Idee kommen würde, da ein Vibrato mitrein zu spielen. Ich erfreue mich als Anfänger noch daran, wenn meine Töne sauber intoniert sind und klar und satt klingen. Das Vibrato, welches mein Cellolehrer in manchen Stücken dann doch einfordert, stört mich dabei eher.

    Aber das kann ja alles noch kommen. :D

    Und da in unserem Orchester leider keine Oboen vertreten sind, höre ich sie auch nicht rumknödeln :pfeif:

    LG Mia

  • Zitat

    4) Norrington scheint sich insofern nicht ganz im gesicherten Terrain zu bewegen als er seine Behauptung, das Vibrato gehe auf Kaffeehausmusiker und Zigeuner-Fidler zurück (vom latent rassistischen Unterton dieser Äußerung abgesehen), wohl kaum wissenschaftlich untermauern können wird.

    Nein, das ist nicht ungesichert, und die wissenschaftliche Untermauerung ist in diesem speziellen Fall sogar ungewöhnlich einfach.

    Es gab in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg ja anders als zu Beethovens oder gar Bachs Zeiten bereits Tonaufzeichnungsverfahren, die ihr Entwicklungsstadium zu diesem Zeitpunkt schon weit hinter sich gelassen hatten. 1917 war Edisons Phonograph ja immerhin schon 40 Jahre kommerziell verfügbar, und Berliners Schallplatte ebenfalls schon seit 30 Jahren. Die auf den existierenden Aufnahmen tatsächlich zu beobachtende Veränderung in der Verwendung des Streichervibratos in der Zeit nach der Jahrhundertwende bis etwa in die Mitte der 30er-Jahre ist also sehr gut dokumentiert. (Übrigens nicht nur bei den Kaffehausmusikern und Zigeunergeigern. Hier ist Norrington offensichtlich nicht gut informiert) Genaugenommen existiert sogar die Hypothese, daß die rasche Verbreitung eines vibratoreichen Spiels zu Beginn des 20. Jhs. eben auf die Existenz und weite Verbreitung entsprechender Tonträger zurückzuführen ist. Möglicherweise lag die Ursache dabei in dem Bestreben, den dort anfänglich noch durchaus dünnen Klang durch ausgiebiges Vibrato etwas voller werden zu lassen. Wenn das dann rennomierte Musiker machen, kommt noch der Nachahmungseffekt dazu, und in kurzer Zeit spielen alle mit viel Vibrato. Aber wie gesagt: Hypothese; Erklärungsmodell, warum sich vibratoreiches Spiel in diesem Ausmaß in nur einer Generation durchgesetzt hat.

    Was die Existenz eines vibratoreichen Spiels im 18. und 17. Jh. betrifft: Natürlich hat es das auch gegeben. Alle einschlägigen Traktate dazu (nicht nur L. Mozart) verurteilen allerdings diese Spielweise. M.a.W.: Es war damals nicht Mode und wurde wie auch immer als Unsitte betrachtet. Einzige Ausnahme ist Geminiani, der Vibrato auf jeder Note geeigneter Länge empfiehlt. Was wohl allgemein akzeptiert war, scheint die Verwendung von Vibrato als Verzierung zu sein. Man kann heute in einschlägigen Foren allerdings immer wieder die Meinung finden, daß daß, was die damaligen Autoren beschrieben haben, nicht Vibrato im heutigen Sinne wäre, sonder eher Tremolo. Das passt allerdings nicht zu dem, was z.B. Hotteterre bei den Holzbläsern als Flattement beschreibt: Das entspricht durchaus einem modernen Vibrato, sollte aber eben nur verwendet werden, um geeigneten(!) Noten mehr Ausdruck zu verleihen.


    Zitat

    ...schon die Benutzung eines Barockbogens, der andere Spielweisen und Klänge hervorbringt, reicht, daß mein Vibrato ganz von selber wenig bis gar nicht mehr vorhanden ist.


    Und wenn man jetzt noch das Instrument auf der Brust ansetzt, wie im 18 Jh. noch üblich, mit stark abfallendem Hals... Aber das sagt natürlich nichts über das Spiel im 19. Jh.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • RE: Zur Geschichte des Vibrato bei Streichinstrumenten

    Moment mal - Mahlers Adagietto aus der 5. Symphonie ohne Vibrato? Ebenso das Adagio aus der 10.? Das kommt mir irgendwie spanisch vor.


    Auf dieser CD kannst Du Dir das anhören ... ich liebe es so! :D

  • Nein, das ist nicht ungesichert, und die wissenschaftliche Untermauerung ist in diesem speziellen Fall sogar ungewöhnlich einfach.

    Es gab in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg ja anders als zu Beethovens oder gar Bachs Zeiten bereits Tonaufzeichnungsverfahren, die ihr Entwicklungsstadium zu diesem Zeitpunkt schon weit hinter sich gelassen hatten. 1917 war Edisons Phonograph ja immerhin schon 40 Jahre kommerziell verfügbar, und Berliners Schallplatte ebenfalls schon seit 30 Jahren. Die auf den existierenden Aufnahmen tatsächlich zu beobachtende Veränderung in der Verwendung des Streichervibratos in der Zeit nach der Jahrhundertwende bis etwa in die Mitte der 30er-Jahre ist also sehr gut dokumentiert. (Übrigens nicht nur bei den Kaffehausmusikern und Zigeunergeigern. Hier ist Norrington offensichtlich nicht gut informiert) Genaugenommen existiert sogar die Hypothese, daß die rasche Verbreitung eines vibratoreichen Spiels zu Beginn des 20. Jhs. eben auf die Existenz und weite Verbreitung entsprechender Tonträger zurückzuführen ist. Möglicherweise lag die Ursache dabei in dem Bestreben, den dort anfänglich noch durchaus dünnen Klang durch ausgiebiges Vibrato etwas voller werden zu lassen. Wenn das dann rennomierte Musiker machen, kommt noch der Nachahmungseffekt dazu, und in kurzer Zeit spielen alle mit viel Vibrato. Aber wie gesagt: Hypothese; Erklärungsmodell, warum sich vibratoreiches Spiel in diesem Ausmaß in nur einer Generation durchgesetzt hat.

    Was die Existenz eines vibratoreichen Spiels im 18. und 17. Jh. betrifft: Natürlich hat es das auch gegeben. Alle einschlägigen Traktate dazu (nicht nur L. Mozart) verurteilen allerdings diese Spielweise. M.a.W.: Es war damals nicht Mode und wurde wie auch immer als Unsitte betrachtet. Einzige Ausnahme ist Geminiani, der Vibrato auf jeder Note geeigneter Länge empfiehlt. Was wohl allgemein akzeptiert war, scheint die Verwendung von Vibrato als Verzierung zu sein. Man kann heute in einschlägigen Foren allerdings immer wieder die Meinung finden, daß daß, was die damaligen Autoren beschrieben haben, nicht Vibrato im heutigen Sinne wäre, sonder eher Tremolo. Das passt allerdings nicht zu dem, was z.B. Hotteterre bei den Holzbläsern als Flattement beschreibt: Das entspricht durchaus einem modernen Vibrato, sollte aber eben nur verwendet werden, um geeigneten(!) Noten mehr Ausdruck zu verleihen.


    Und wenn man jetzt noch das Instrument auf der Brust ansetzt, wie im 18 Jh. noch üblich, mit stark abfallendem Hals... Aber das sagt natürlich nichts über das Spiel im 19. Jh.


    Lieber bustopher,

    da scheinen wir uns mißzuverstehen: mir ging es gerade um den Kaffeehaus/Zigeuner-Aspekt von Norringtons Ausführungen, den ich für kaum belegbar, etwas polemisch und wenig wissenschaftlich halte. Ansonsten bin ich für jede Konklusion offen.

    Was mich angesichts des von mir verlinkten Textes irritiert hat, war die Erkenntnis, daß der bisherige "state of the art" in der historischen Forschung zum Vibrato offensichtlich nicht vollkommen unumstritten ist. Ist Dir etwas zu der Seriosität und wissenschaftlichen Stellung des Autors David Montgomery bekannt?

    Warnen würde ich davor, die angesprochene Begriffsverwirrung im Bereich Vibrato/Tremolo mit einem Verweis auf die doch sehr andere Technik bei Holzbläsern lösen zu wollen. Die Problematik der Begrifflichkeit ist doch gerade anhand verschiedener Violinschulen diskutiert worden.

    Angenommen, daß das "Dauervibrato" wirklich verpönt war - kann man so etwas wirklich aus ein oder zwei historischen Violinschulen ableiten? Die Violinschule, nach der ich gelernt habe, hat das Vibrato fast gar nicht thematisiert, und wenn die in 200 Jahren von jemandem ausgebuddelt würde, könnte das auch zu falschen Schlüssen führen.

    Wenn die phonographische Sachlage wirklich so simpel ist, wieso findet sich dann in Biographien oder Statements von kurz nach der Jahrhundertwende geborenen Geigern wie Heifetz, Milstein und Oistrach nichts über diesen Paradigmenwechsel? Sind die vorliegenden Aufnahmen wirklich flächendeckend und repäsentativ, oder spiegeln sie lediglich verschiedene Schulen wider?

    Fragen über Fragen... :D

    Lieber Miguel,

    danke für den Tipp, die CD ist vorgemerkt!

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Zitat

    Wenn die phonographische Sachlage wirklich so simpel ist, wieso findet sich dann in Biographien oder Statements von kurz nach der Jahrhundertwende geborenen Geigern wie Heifetz, Milstein und Oistrach nichts über diesen Paradigmenwechsel? Sind die vorliegenden Aufnahmen wirklich flächendeckend und repäsentativ, oder spiegeln sie lediglich verschiedene Schulen wider?

    Na ja, verschiedene Schulen gibt es wohl heute noch... :)


    Was man feststellen kann, ist eben eine zunehmende Verwendung von Vibrato über einen Zeitraum von etwa 2-3 Jahrzehnten. Zunächt einmal nicht mehr und nicht weniger, as a matter of fact. (George Bernhard Shaw soll gesagt haben, daß sich "Vibrato wie Grippe ausbreitet". Feststellung eines zeitgenossen.) Es ist ja nicht so, daß es Vibrato vorher nicht gab, das weiß auch Norrigton. Ob der zunehmende Gebrauch des Vibratos von den damaligen Musikern tatsächlich als Paradigmenwechsel erlebt wurde, ist natürlich die Frage. Wohl eher als Generationenkonflikt, und der wurde sehr wohl formuliert. Die ältere Generation sah das seinerzeit jedenfalls anders.

    Dazu ein Zitat von Heifetz' Lehrer Leopold Auer (um bei Heifetz zu bleiben):

    Zitat

    But the other class of violinists who habitually make use of the device—those who are convinced that an eternal vibrato is the secret of soulful playing, of piquancy in performance—are pitifully misguided in their belief. In some cases, no doubt, they are, perhaps against their own better instincts, conscientiously carrying out the instructions of unmusical teachers. But their own musical values ought to tell them how false is the notion that vibration, whether in good or bad taste, adds spice and piquancy to their playing …

    With certain violinists, this undue and painful vibrato is represented by a slow and continuous oscillation of the hand and all the fingers as well, even those fingers which may be unoccupied for the time being. But this curious habit of oscillating and vibrating on each and every tone amounts to an actual physical defect, whose existence those who are cursed with it do not in most cases even suspect. The source of this physical evil generally may be traced to a group of sick or ailing nerves, hitherto undiscovered. And this belief of mine is based on the fact that I cannot otherwise account for certain pupils of mine, who in spiteof their earnest determination to the contrary, have been unable to rid themselves of this vicious habit, and have even continued to vibrate on every note, long or short, playing even the driest scale passages and exercises in constant vibrato.

    und weiter:

    Zitat

    As a rule I forbid my students using the vibrato at all on notes which are not sustained, and I earnestly advise them not to abuse it even in the case of sustained notes which succeed each other in a phrase.

    Leopold Auer, Violin Playing as I Teach It, New York, 1921 (beide Stellen)


    Das ist, glaube ich, eine sehr klare Aussage. Auch Carl Flesch bemängelt in seiner Kunst des Violinspiels (1923) das ununterbrochene Vibrato vieler der gefeierten Violinisten seiner Zeit, welches nach seiner Aussage von der älteren Generation (die aus der Mitte des 19. Jhs) abgelehnt wurde.

    Einer der ersten bedeutenden Violinisten, die ausgiebiges Vibrato nutzten war wohl Fritz Kreisler. (Er gehört zu den am besten discographisch dokumentierten Geigern des frühen 20. Jhs.) Auch Flesch bezeichnet Kreisler als den ersten, der Vibrato nicht nur in Cantilenen (wie Ysaye) oder in anderen expressiven Stellen einsetzt, sondern sogar in technischen Passagen. Flesch schreibt auch, daß das mittlerweile von den durchschittlichen Konzertbesuchern offensichtlich auch gefordert wurde, und daß das Publikum den früheren differenzierten Vibratogebrauch inzwischen sogar ablehnte. Auf Kreisler bezieht sich auch Norrington an anderer Stelle, er schreibt dort nichts von Kaffeehaus- und Zigeunermusikern:

    Zitat

    Das Dauervibrato, mit dem die modernen Geiger spielen, ist eine junge Erfindung. Fritz Kreisler hat es in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts eingeführt. Noch Joseph Joachim schreibt 1904 in seiner Violinschule: Benutze kein Vibrato, außer zur Verzierung. Das ist dasselbe, was schon Leopold Mozart und später auch Louis Spohr gefordert hatten.

    (R. Norrington, Die Welt, 19.Sept. 1989)

    Thomas Leate (Dissertation, Royal College of Music, London) erwähnt allerdings auch, daß es einige Zeit gedauert hat, bis Kreislers Spiel vom Publikum akzeptiert wurde, das einen etwas "trockeneren" Ton gewohnt war. Von Joseph Joachim wird auch kolportiert, daß er seiner Großnichte, der Violinistin Jelly d’Arányi gesagt haben soll:

    Zitat

    Nie zu viel Vibrato. Das ist Zirkusmusik!

    (zitiert nach M. MacLeod, The Sisters d’Aranyi, London, 1969)


    Also, die großen Geiger und Lehrer am Anfang des 20. Jhs. lehnten Dauervibrato ganz offensichtlich ab. Es ließen sich dazu auch noch mehr einschlägige Meinungen zitieren: Das sind keineswegs nur "ein oder zwei historische" Violinschulen. Das zieht sich durch bis nach dem ersten Weltkrieg, nicht nur bei den Violinen. So berichtet der Oboist Fernand Gillet (Nora Post, Interview with Gillet, 1978, Double Reed, 5/3 (1982), S.36.), daß es in den letzten Jahren des 19.Jhs. den Studenten am Pariser Conservatorium verboten war, mit Vibrato zu spielen. Man kann also absolut nicht sagen, daß man keine Statements zu diesem Thema aus der Zeit nach der Jahrhundertwende findet. Man muß nur danach suchen… :hide:


    Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist im übrigen Robert Philip, Early Recordings and Musical Style: Changing Tastes in Instrumental Performance, 1900–1950 (Cambridge: Cambridge University Press, 1992) , sowie Clive Brown, Bowing Styles, Vibrato and Portamento in Nineteenth-Century Violin Playing, Journal of the Royal Musical Association Vol. 113, No. 1 (1988), S. 97-128. Der schreibt:

    Zitat

    The history of vibrato during the last century is in many ways more straightforward, since there appears to have been a broard consensus of opinion about its use; but an ojective assessment of nineteen-century attitudes and practices in this area has been seriously hindered by modern aesthetic preconceptions. For that reason the highly significant role which selective vibrato played in the thinking of nineteen-century musicians has been overlooked by modern performers [...]

    Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg war der Generationenwechsel wohl abgeschlossen. In Lionel Tertis' Beauty of Tone in String Playing (1938) schrieb Kreisler im Vorwort:

    Zitat

    The vital fact about vibrato is that it should be continuous; there must be no break in it whatsoever, especially at the moment of proceeding from one note to another…

    …In other words, KEEP YOUR FINGERS ALIVE!

    … there is nothing so deadly or ruinous to an expressive phrase as the sound of a cantabile slow passage in which one or two notes are partly or wholly devoid of vibrato.


    und zum Abschluß, damit es nicht so trocken wird, drei Einspielungen von Bachs 1. Violinsonate

    Joseph Joachim (1903): "

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    und

    Fritz Kreisler (1926): "

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    Die Unterschiede sind evident. Auf Youtube gibt es übrigens ziemlich viele Aufnahmen aus dieser Zeit, auch von Leopold Auer. Sehr interessant!

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Lieber bustopher,

    um es mit einem Wort zu sagen: Wow! Vielen Dank für die Informationen!

    Was mich jetzt noch ein wenig umtreibt, ist die Frage nach der Verwendung des Vibratos im Orchester. Bei den Solisten ist es ja ganz offensichtlich vom Selektiv- zum Exzessiv-Vibrato gekommen. Bleiben wir aber bei einem Stück wie dem Adagietto aus Mahlers 5.: Extrem viele lange, gehaltene Noten - das wäre doch eigentlich auch für Leute mit sehr selektiver Vibrato-Verwendung eine Gelegenheit, das Vibrato ausführlicher einzusetzen. Wurde das zu Mahlers Zeit im Orchester bereits gemacht, oder war auch das selektive Vibrato ein Privileg der Solisten und ggf. der Kammermusiker?

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Gute Frage! Nächste Frage?


    Die einschlägigen Äußerungen differenzieren nicht zwischen Solisten, Mitgliedern kleiner Ensemble und Tuttimusikern, sie sprechen immer nur von "Musikern". Insofern ist die Beantwortung der Frage natürlich etwas schwierig, ob und inwieweit gegen Ende des 19. Jhs. die Orchestermusiker Vibrato gespielt haben. Es ist zumindest anzunehmen, daß, wenn schon die Solisten nur mit selektivem Vibrato gespielt haben, das selbstverständlich auch für die Tuttispieler galt, sofern diese überhaupt mit Vibrato gespielt haben.


    Tonaufnahmen von Orchestern gibt es im Klassikbereich eigentlich erst nach dem 1.Weltkrieg. Möglicherweise war für derartige Klangkörper die Aufnahmetechnik noch nicht ausgereift genug. (Ältere Aufnahmen von leichterer Muse auf Zylinder aus den Jahren 1891-1912 findet man z.B. auf "http://www.tinfoil.com/archive.htm".) Einer der ersten scheint Leopold Stokowski mit dem Philadelphia Symphony Orchestra gewesen zu sein, der sich ab 1917 aktiv mit dem neuen Medium auseinandergesetzt hat, z.B. mit dem Allegretto scherzando aus Beethovens Symphonie No. 8 aus dem Jahr 1921 - "http://www.archive.org/details/VrsAco…mphonyOrchestra"

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

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